Wenn Kirchengebäude erweitert, verkleinert oder ganz neu gebaut werden sollen, stehen die Verantwortlichen vor vielen Fragen. Daniel Kurzius begleitet Gemeinden von der Ideenphase bis zur Fertigstellung des Baus.
Herr Kurzius, in welchem Stadium kommen Gemeinden typischerweise auf Sie zu?
Oft kommen Gemeinden auf mich zu, nachdem sie einen Bedarfsplan erstellt haben. Dann geht es zentral um die Kosten, damit die Gemeinde abstimmen kann, ob sie sich ihre Vorstellungen leisten kann. Wir stellen oft fest, dass die Ideen nicht zu dem Kostenrahmen passen. Wir wollen Gemeinden ganzheitlich beraten und ein Gebäude planen und realisieren, das zu ihrer Vision passt. Hier setzen wir an.
Sie kommen erst mal zu einem Beratungsgespräch?
Genau. Wir bieten an, mit den Verantwortlichen in einem Workshop, ihre Bedarfsliste zu hinterfragen. Dann kann die Entwicklung in zwei Richtungen stattfinden: der Bedarf kann größer oder kleiner werden. Beides haben wir erlebt. Ein zweiter Punkt: Bei den Kosten wird oft stark unterschätzt, dass es nicht nur um die Gebäudehülle geht. Die Einrichtungskosten wie Veranstaltungstechnik, Tische, Stühle, Kücheneinrichtung werden am Anfang oft nicht bedacht. Ebenso die Kosten für das Grundstück, wie Baugrundkosten und Gebühren. Wir sehen uns in dieser Entwicklungsphase als Ideengeber und Begleiter der Gemeinden.
In manchen Gemeinden sind Entscheidungsprozesse extrem kompliziert und langwierig. Wie können Sie helfen?
Erstens geben wir einen Überblick über den gesamten Prozess – von den ersten Ideen bis dahin, was hinterher alles in das Grundstück einbezogen werden kann. Zweitens holen wir den Bauausschuss und das Team immer wieder aus dem ‚Klein-klein’, wenn es gilt, größere Entscheidungen zu treffen und darüber nachzudenken. Wir helfen ihnen, sich in der Entwicklungsphase auf das Wesentliche zu fokussieren und die Details wie Bodenbeläge oder die Auswahl der Stühle auf einen „Parkplatz“ zu schreiben – sie nicht zu vergessen, aber zu verschieben. Oft ist noch keine Grundsatzentscheidung über ‚bauen oder nicht bauen’ gefällt worden und Gemeinden verstricken sich in Abstimmungsprozesse über den Innenausbau, obwohl das Gebäude noch nicht geplant wurde. Und ganz wichtig ist die Kommunikation in der Gemeinde. Aus meiner Perspektive ist das Bauen nur eine Ressource, um das Reich Gottes zu bauen. Letztendlich geht es darum, die Mittel zur Verfügung zu stellen, damit Gemeindearbeit und -leben stattfinden kann. Es ist sinnvoll, erst mutig die Vision zu suchen und zu überlegen, wo die Gemeinde hin will und welchen Auftrag sie von Gott hat, und im zweiten Schritt zu überlegen, welche Räumlichkeiten sie zur Umsetzung braucht. Das muss nicht gleich der große Neubau sein, manchmal ist das Anmieten oder Kaufen einer bestehenden Immobilie sinnvoller.
Welche Expertise sollte auf Seiten der Gemeinde vorhanden sein?
Wir erleben unterschiedliche Konstellationen. Zum einen Bauausschüsse, in denen viele Experten sitzen, zum Beispiel Bauingenieure, Techniker und Handwerker. Sie haben den großen Vorteil, dass sie Arbeitsschritte in Eigenleistung durchführen können. Aber sie verstricken sich auch schnell in Fachgespräche und Detailfragen. Zum anderen arbeiten wir mit Arbeitskreisen, in denen keine Bauexperten sitzen, aber die Mitglieder hohe Kompetenzen im Projektmanagement aufweisen. Diese Projekte laufen sehr gut, weil sie den Prozess gut steuern können. Das sehe ich tatsächlich als wichtigste Aufgabe eines Bauausschusses: nicht die Baudetails zu klären, sondern das Projekt zu steuern, um zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Entscheidungen zu treffen und alle Beteiligten, wie die Gemeindeleitung und Mitglieder der Gemeinde, im Prozess mitzunehmen.
Mancher Pastor hat die Befürchtung, dass ihn so ein Bau viel Arbeits- und Lebenszeit kostet.
Die Bedenken kann ich verstehen. Doch in meinen Augen ist er primär für die Vision und die Entwicklung der Gemeinde verantwortlich. Da das Gebäude eine Ressource und damit eine Basis, ein Element für diese Entwicklung darstellt, ist es wichtig, dass er in dem Prozess stark involviert ist – in der Fragestellung, wie das große Ganze funktionieren kann. Für mich muss der Pastor aber nicht zwingend Teil des Bauausschusses sein. Andere Gemeindemitglieder können diese Rolle einnehmen.
Was muss eine Gemeinde beachten, die viel in Eigenleistung erbringen will?
Ein Gemeindehaus in Eigenleistung zu schaffen, schweißt zusammen, ein Ruck geht durch die Gemeinde, denn sie machen es zu ihrem Projekt. Es besteht aber auch die Gefahr, dass sich eine Gemeinde übernimmt, vielleicht sogar ausbrennt und unter dieser Last zerbricht. Dann ist das Projekt geschafft, aber alle sind mit ihren Kapazitäten am Ende. Darum gilt es, den Umfang der Eigenleistung stark abzuwägen. Oft erleben wir anfänglich eine große Euphorie. Dann erstellen wir, bevor das Bauprojekt losgeht, eine Liste. Dort wird festgehalten, wer sich wie viele Stunden in der Woche engagieren möchte und welche Tätigkeit übernehmen kann, um Verbindlichkeit zu schaffen. Häufig wird die Euphorie kleiner, wenn man sich ein Jahr lang für gewisse Zeiten verpflich ten muss. Es ist wichtig, die Gedanken ernst zu nehmen, aber sie sofort auch runterzubrechen und zu fragen, wie das konkret aussieht.
An welcher Stelle können Gemeinden beim Bau sparen?
Wir machen die Erfahrung, dass Gemeinden die Entwicklungsphase selbst durchführen oder am liebsten gleich zur konkreten Planung übergehen. Dieser erste Schritt in der Visionsund Strategieentwicklung inklusive Bedarfsanalyse ist aber extrem wichtig bei einem Bauprojekt. In dieser Phase können Bauherren noch am stärksten beeinflus sen, welche Kosten anfallen werden. Es macht zum Beispiel einen gravierenden Unterschied, ob man ein Gemeindehaus für 100 oder 200 Personen realisieren möchte. Eine professionelle Beratung macht sich bezahlt, denn je weiter der Prozess fortgeschritten ist, umso geringer sind die Einsparmöglichkeiten.
In der Ausführungsphase kann man dann also nicht mehr so viel sparen?
Ist das Gebäude geplant, sind die Einsparmöglichkeiten in der Ausführung sehr gering. Der Hebel bei der Bedarfsanalyse ist jedoch enorm. Wir haben Projekte, bei denen wir die Kosten in der Entwicklungsphase verdoppelt oder halbiert haben. Dabei geht es manchmal sogar um sechsstellige Beträge, wie zum Beispiel neulich bei einem Visionsworkshop, bei dem wir über den Raumbedarf und den Nutzen eines konkreten Gemeinschaftsraums sprachen. Als ich die Kosten von rund 200.000 € in die Diskussion einbrachte, konnte der Ausschuss konkreter debattieren, ob ein solcher Raum tatsächlich gebraucht wird. Am Ende hat sich die Gemeinde – trotz der Kosten – für die Realisierung entschieden, weil er für ihr Gemeindeleben sehr wichtig ist.
Ihr Tipp für Gemeinden, die über Baumaßnahmen nachdenken?
Wie bereits erwähnt sehe ich die Visions und Strategieentwicklung als entscheidenden Punkt bei einem Bauprojekt. Hier sollte sich die Gemeinde fragen, was ihr Auftrag ist. Während dieser Phase oder direkt im Anschluss sollten externe Fachleute hinzugezogen werden. In meinen Workshops sage ich am Anfang oft, dass ich mir rausnehme, kritisch zu sein und unangenehme Fragen zu stellen. Ich will einen Perspektivwechsel erreichen, damit Gemeinden sich tiefgehend mit ihrer Berufung auseinandersetzen, darauf ihren Bedarf formulieren und wir gemeinsam ein Gebäude entwickeln, damit die Vision und Berufung langfristig gelebt werden kann.
Das Gespräch führte Christof Klenk
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