Shalom

Ich suche das, was größer ist als

mein Klein-Klein

 

und finde das, was tiefer liegt als

mein Auf und Ab.

 

Ich suche das, was grundlegender ist als

mein Tam-Tam

 

und finde das, was weiter reicht als

mein Vor und Zurück.

 

Friede –

du bist der leise Klang,

der von unserer Vergebung singt.

 

Im Einklang sein

mit dir und mir

und deiner Welt.

 

Du bist die leise Stimme,

die mich täglich ruft:

Schau auf. In meine Augen.

Damit du weißt: Ich bin für dich!

Und schau die anderen an, damit auch sie wissen:

Sie werden geliebt!

 

So kehrt Frieden ein.

 

Johanna Kohler

www.konfettiaufasphalt.de

 

Dieser Artikel erschien in DRAN. Jetzt kostenlos testen: www.dran.de

Wer hilf mir dabei, mich zu zeigen?

Christiane Rösel

Wo wir Unterstützung bekommen und warum „sich zeigen“ für Vreni Theobald mehr mit Ankommen bei sich selbst zu tun hat, als mit einer Karriereleiter-Kletterübung, hat Christiane Rösel im Interview erfahren.

Manchmal denken wir: „Ich würde mich so gerne auf einen Weg machen, aber ganz alleine? Wenn mich jemand dabei unterstützen würde, das wäre super. Aber wo finde ich einen solchen Menschen?“ Christiane Rösel hat sich darüber mit Vreni Theobald unterhalten. Sie ist Autorin und Referentin und hat mit ihrem Mann einige Jahre ein Haus der Stille geleitet. Aber vor allem begleitet und ermutigt sie Frauen auf ihrem Weg.

Du hast viele Frauen gefördert und ermutigt – wie bist du dazu gekommen?
Ich habe das nicht gesucht, und hätte es mir auch nicht zugetraut! Es begann in der Gemeindearbeit, als ich als junge Pastorenfrau mit anderen jungen Frauen und Männern zusammen die Jugend-, Teenie- und Kinderarbeit leitete. Ich war auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen und wusste, dass sie nur bleiben, wenn sie ermutigt, bestätigt und gefördert werden. Durch dieses „learning by doing“ habe ich die Gabe der Ermutigung und Förderung anderer entdeckt und eingesetzt. Natürlich gab es dabei für mich auch Frusterfahrungen, wenn die anderen es dann eben anders machten, oder heimliche Eifersucht, wenn die, die ich fördern wollte, plötzlich besser und beliebter waren als ich. Aber ich habe mich dadurch auch besser kennengelernt und konnte an meinen eigenen Schwachstellen arbeiten (lassen). Später hat es sich dann einfach durch die Frauen- und Seelsorgearbeit so ergeben, dass Frauen meine Begleitung gesucht und darum gebeten haben. Mir geht es aber nicht in erster Linie darum, dass Frauen sich in Leitungsaufgaben zeigen oder auf der „Teppichetage“ ankommen. Ich verstehe mich als „Hebamme“, die zum Leben verhelfen will. Ich versuche mit meinem Herzen zu erfassen, wer die Frau ist, die bei mir ist, und was Gott wohl mit ihr vorhat. Wo ihre ganz persönliche Schönheit und Einzigartigkeit ist, die zum Vorschein kommen soll, wie ihre Stärken und Grenzen heißen, die gefördert oder akzeptiert werden sollen. Wie ich ihr in eine gesunde Balance helfen kann zwischen Einsetzen und Aussetzen, und wo auch noch Wunden und ungestillte Sehnsüchte oder unerfüllte Lebensträume sind. Ich versuche auch den Lebensrahmen in den Blick zu bekommen mit den Gegebenheiten, die es zu beachten gilt. Für mich ist das eine Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist. Ich bitte darum, dass ich die Person so sehen und erfassen kann, wie Gott sie sieht.

„Zeig dich, es ist dein Leben!“ heißt unser Dossier-Thema. Fällt das Frauen heute leichter? Und gilt das auch für Frauen in unserer Kirche und Gemeinde?
Ich empfinde schon, dass es heute jüngeren Frauen leichter fällt, sich zu zeigen. In den Schulen und Ausbildungen wird mehr Wert darauf gelegt, sich zu präsentieren oder sich mit seiner Meinung zu outen. In den christlichen Gemeinden gibt es beide: die Angepassten, die sich selten trauen, sich mit ihrer Meinung zu outen, sich vorne hinzustellen und etwas zu präsentieren oder darzustellen. Die Angst vor Kritik und Ablehnung sitzt vielen tief in den Knochen. Darum bleiben sie lieber in der zweiten Reihe oder im Hintergrund und arbeiten hier mit. Es gibt aber auch die Darstellungstypen, die die Bühne lieben und suchen und gerne von sich und über sich reden oder öffentlich etwas gestalten. Der Wunsch nach steter Selbstoptimierung ist aber auch in den christlichen Gemeinden angekommen und bringt – neben dem positiven Ergreifen von Verantwortung in verschiedenen Aufgaben und Gremien – auch Unzufriedenheiten mit sich, wenn die Möglichkeiten zu einem Engagement „kleinflächig“ und überschaubar bleiben. Unter „sich zeigen“ und „Ermutigung zum Leben“ verstehe ich aber nicht eine Karriereleiter-Kletterübung, sondern ein „Ankommen bei mir selbst“. Mich zu trauen, in innerer Freiheit und Bejahung zu mir zu stehen mit dem, wer ich bin und was ich kann.

Wie bist du zu einer Lebensermutigerin geworden?
Ich habe selbst viel Ermutigung gebraucht, und bin all denen dankbar, die das Gute in mir gesehen, herausgeliebt und gelockt haben. Allen voran mein Mann Dieter. Andere haben mir etwas zugetraut, und ich bin daran gewachsen.

Wie finde ich jemanden, der mich fördert?
Man darf Gott darum bitten! Aber selbst auch die Augen offen halten nach einer Person, von der man den Eindruck hat, dass man dort etwas lernen und abschauen könnte. Autorinnen und Autoren eines guten Buches oder Artikels, Seminarleiterinnen oder Referenten sprechen einen an und wecken das Vertrauen. Da kann man einen Versuch wagen! Es muss keine lebenslange Begleitung werden. Für eine gewisse Lebensphase, eine schwierige Situation oder eine berufliche Umorientierung oder Herausforderung kann eine Begleitung sehr hilfreich sein.

Heute im Zeitalter von Qualifizierung und Weiterbildung hat man ja oft den Eindruck: Ohne Zertifikat geht gar nichts. Kann ich andere auch „einfach so“ fördern und ermutigen? Oder was brauche ich dazu?
Eine Seelsorge- oder Coachingausbildung ist immer etwas überaus Hilfreiches – zuerst einmal für einen selbst – und dann auch für eine professionelle Begleitung anderer Menschen. Aber das „hörende oder sehende Herz“ kann man sich nicht mit einem Zertifikat erwerben. Das geht echt nur durchs eigene Gegründet- und Verbundensein in und mit Gott. Das „einfach so“ würde ich deshalb bejahen im Alltag, überall da, wo sich Gelegenheiten ergeben, andere zu ermutigen und zu fördern. Seien es die eigenen Kinder, eine Freundin, Nachbarin, Kollegin. Die Menschen um uns herum hungern nach Ermutigung und brauchen sie dringend!

Mir hilft es immer wieder, wenn Menschen mir gute Fragen stellen, auch wenn ich manches Mal daran herumknabbere. Welche Fragen fördern und ermutigen?
Ratschläge wie: „Ich würde es an deiner Stelle so machen …“, helfen wenig. Aber gute Fragen sind „Vorwärtsbringer“. Zum Beispiel die Fragen: Was bezweckst du mit diesem Tun? Was kannst du gut? Was bringt es dir? Wer profitiert davon? Was soll sich verändern? Wo willst du hin? Was möchtest du bewirken? Was sagt dein Herz dazu? Wo zieht es dich hin? Was hast du aus diesem Fehler gelernt?

Wie ist das in der Bibel – gibt es da auch die Ermutigung, sich zu zeigen?
Generell höre ich aus der Bibel Gottes großes Ja zum Leben heraus und zugleich Freude, wenn Menschen aufbrechen und ihre Gaben einsetzen oder Berufung finden. Mich persönlich hat die Stelle im Hohelied 2, 12-14 angesprochen: „Steh auf meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her! Meine Taube in den Felsklüften, im Versteck der Felswand, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme; denn deine Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich.“

Danke für das Gespräch!

 

Vreni Theobald ist Autorin und Referentin und lebt mit ihrem Mann in CH-Turbenthal ZH.

 

Dieser Artikel erschien in Magazin JOYCE. Jetzt kostenlos testen: www.joyce-magazin.net

„Ich darf meinen Platz einnehmen“

Christine Kernstock

Wer Neues ausprobiert, kommt oft an seine Grenzen. Solche Herausforderungen kosten Kraft, sind aber auch eine Chance, Gott völlig neu wahrzunehmen. Diese Erfahrung machte Christine Kernstock. Jesus, ich möchte etwas mit dir erleben. Zeig mir doch bitte, wenn du etwas Besonderes mit mir vorhast.“ Das war mein, zugegeben etwas abgedroschen klingendes, aber durchaus ernst gemeintes Standardgebet vor jedem Studiensemester. Nur einen Monat später hing ich an einem Drahtseil über einer Schlucht und schwor mir, so etwas Leichtsinniges nie, nie wieder zu beten. Aber der Reihe nach:

Grenzerfahrung statt Wanderurlaub

Meine Bibelschule bot einen viertägigen Aktivurlaub in Österreich an. Ich fahre nicht gerne mit Fremden weg, weil ich nicht gut im Smalltalk bin, aber Schweigen auch schlecht aushalten kann. Und ich schlafe nicht gerne in Mehrbettzimmern. Dennoch ließ mich das Gefühl nicht los, an dieser Fahrt teilnehmen zu sollen. Eine Woche vor dem Start, und damit in zeitlich sicherem Abstand hinter der Anmeldefrist, fragte ich dann doch beim zuständigen Dozenten nach. Er strahlte. Es wäre noch genau ein Platz frei, als hätte dieser auf mich gewartet. Ach. Wie sich herausstellte, ging es bei dem Urlaub gar nicht um sportliches Wandern, wie ich still angenommen hatte. Es ging darum, Gott in Grenzerfahrungen neu wahrzunehmen: Klettersteig, Aquädukt Jumping, Paragliding, eine Höhlentour und Canyoning (das ist sowas wie Wildwasserrafting, nur ohne Boot). Spätestens da war mir klar, dass Mehrbettzimmer und Smalltalk mein geringstes Problem werden würden.

Starr vor Angst

Unsere Schicksalsgemeinschaft bestand aus zwölf abenteuerlustigen Studierenden, einem Dozenten, einem Bergführer und mir. Allen war ziemlich schnell klar, dass das mit den Grenzerfahrungen ernst gemeint war. Irgendeiner heulte immer, meistens war ich es. Bereits am ersten Tag am Klettersteig betete ich, wie ich selten zuvor gebetet hatte. Darum, nicht abzustürzen, mich nicht zu blamieren und die Gruppe nicht aufzuhalten. Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte. Vielleicht irgendeine göttliche Offenbarung. Die Nähe Gottes in meiner Angst oder wenigstens ein wenig himmlischen Frieden. Doch als es vom Klettersteig an die Zip-Lines ging (das ist wie eine Tarzanbahn auf dem Spielplatz, nur hängt man an einem Seil im Klettergurt), verpasste ich bei der Landung den Felsen. Meine Beine waren zu kurz, ich kam nicht auf den Boden, fand keinen Halt und fuhr zurück über die Schlucht, wo ich schließlich hängen blieb. Ungefähr 30 Meter unter mir nichts als gähnende Leere. Ich war starr vor Angst und hilflos. Aber was am schlimmsten für mich war, war die scheinbar völlige Abwesenheit Gottes. Da war nichts. Kein Trost, kein Eingreifen. Ich hing über dem Abgrund und war völlig allein.

Nichts getan

Mir schoss durch den Kopf: „Wie immer. Wenn es schlimm wird, bist du nicht da. Was habe ich auch erwartet?“ Also griff ich nach dem Stahlseil über mir und zog mich selbst, Meter für Meter, zur nächsten Felswand, wo mir Kommilitonen von der Bahn halfen. Als ich ankam, war ich erschöpft. Enttäuscht. Müde. Ich betete an diesem Tag nicht mehr und auch nicht am nächsten. In der zweiten Nacht endlich brach es aus mir heraus und ich warf Gott meinen ganzen Schmerz an den Kopf. Ich hatte ihm vertraut, wie so oft. Und er hatte nichts getan. Nichts! Ich selbst war es gewesen und ich war es so leid. Die Frage, die Gott mir stellte, brachte mich (widerwillig) ins Nachdenken. „Was hättest du gebraucht, um dich sicher zu fühlen?“ Gute Frage. Wenn schon nicht göttliches Eingreifen, dann hätte ich mir wenigstens einen Menschen an meiner Seite gewünscht. Jemanden, der mich in meiner Angst nicht allein lässt. Mein nächster Gedanke war: „Du bist doch nicht allein. In der Gruppe sind viele wunderbare Menschen. Bitte doch das nächste Mal einfach jemanden um Hilfe, wenn du Angst hast.“ Ja, das klang einleuchtend. Aber es war das Letzte, was ich wollte. Ich möchte niemandem zur Last fallen. Und es ist bestimmt eine Last, sich am Berg nicht nur um sich selbst, sondern auch noch um einen anderen Menschen kümmern zu müssen.

Ein Ringen

Die nächsten beiden Tage waren ebenfalls vollgepackt mit Grenzerfahrungen, jedoch war keine so schlimm wie der Klettersteig. Zum Abschluss gab’s dann doch noch eine Wanderung, da das Aquädukt eingerüstet war und wir nicht herunterspringen durften. (Danke Jesus, geht doch.) Was sehr entspannt anfing, wurde einen Kilometer vor dem Gipfel zu meinem zweiten Albtraum. Nebel, schlüpfrige Steine, wieder Klettern, nur diesmal ohne Sicherung. Hoch kam ich noch, aber beim Abstieg setzte die Höhenangst wieder voll ein. Es war ein Ringen mit mir. Doch schließlich ging ich auf zwei Kommilitonen zu und bat sie, mir zu helfen. Was bedeutete: zurückzubleiben mit mir. Nicht ihr eigenes Tempo gehen zu können. Sie blieben. Allein ihre Anwesenheit half mir, mich weiter zu trauen. Sie zeigten mir ein paar Techniken und setzten mir sogar die Füße, wenn ich gar nicht weiterkam. Ich war unendlich dankbar und konnte, trotz Stress, das erste Mal seit Tagen wieder richtig herzlich lachen. Außerdem hießen beide Andreas, was sich als sehr praktisch herausstellte, weil ich nur einen Namen brüllen musste und gleich vier helfende Hände hatte. Ich habe viel über mich erfahren in diesen Tagen. Vor allem aber, dass ich nicht alles allein schaffen muss. Ich darf meinen Platz einnehmen, darf Hilfe anfragen und darf es riskieren, anderen zur Last zu fallen. Gott hat uns nicht umsonst in Gemeinschaft gestellt. Ich darf die Gaben und Kompetenzen anderer mitnutzen. Und ich durfte außerdem erfahren: Weder Schweigen noch Mehrbettzimmer bringen mich um.

 

Dieser Artikel erschien in Magazin JOYCE. Jetzt kostenlos testen: www.joyce-magazin.net

Mareike Weber in Äthiopien: Die Missionarin

Kerstin Hack

„Mein Highlight der Woche – ganz klar: Der Nobelpreis für Dr. Abiy!“ Mareike lebt schon seit über zwei Jahren in Äthiopien. Lange genug, dass sie sich gut verständigen kann und die Freude der Äthiopier zu ihrer eigenen Freude geworden ist. Wie etwa der Jubel darüber, dass der Premierminister Dr. Abiy Ahmad, den sie wie alle Äthiopier nur liebevoll Dr. Abiy nennt, für seine Anstrengungen und Erfolge für Frieden und Demokratie mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde.

Kreative Gestalterin

Sie arbeitet als einzige Ausländerin mit Äthiopiern in einem Team, das Mitarbeiter im Kinder- und Jugendbereich trainiert. Dort ist sie für Kreativität zuständig. Dazu gehört zum einen die kreative Gestaltung von Kinder- und Jugendevents. Aber vor allem auch, die Äthiopier selbst zu schulen, außerhalb des Rahmens zu denken, selbst nach Lösungen zu suchen und sie nicht von außen zu erwarten. Der äthiopische Gründer des Zentrums hat dieses sich selbst blockierende Denken als „Wir sitzen auf unseren eigenen Köpfen“ beschrieben. Mareike hat das in einem eindrücklichen Bild dargestellt, das Teil einer von ihr gestalteten Galerie ist, die Probleme, aber auch die Lösungen aufzeigt. Dort sieht man unter anderem ein Kind, das gefangen ist – von Worten wie den typisch äthiopischen Sprichwörtern „Kinder und Schuhe gehören unters Bett“. Später in der Galerie sieht man helle Wolken mit wertschätzenden Worten, die die Schlüssel sind, um die Kinder und Jugendlichen zu fördern, die immerhin gut 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen.

Die Kinder prägen

„Die Kinder sind die Zukunft des Landes. Wir müssen sie jetzt prägen.“ Da sind sich Mareike und die anderen Mitglieder des Teams einig. Sie trainieren Lehrer und andere pädagogische Kräfte, bieten Sommercamps an und führen in Regionen, in denen die Bevölkerung Trauma wie zum Beispiel Massenvergewaltigungen erlitten hat, Schulungen durch. Das äthiopische Team von Trainern, zu denen Mareike gehört, kämpft mit den Begrenzungen in den Köpfen. Bei vielen Äthiopiern ist kein Bewusstsein dafür vorhanden, dass Investition in Kinder wichtig ist. Auch in den meisten christlichen Gemeinden ist so etwas wie Kindergottesdienst praktisch unbekannt.

Grosse Herausforderungen

Und sie kämpfen mit den ganz praktischen Herausforderungen. Das Geld reicht oft kaum, um Mitarbeiter und Materialien zu bezahlen oder aktuell Steuern, die rückwirkend für 15 Jahre erhoben wurden. Keiner weiß bei dem schmalen Budget, wie das bewältigt werden soll. Um in das Zentrum zu kommen, das etwa eine Stunde außerhalb von Addis Abeba liegt, quetschen sich alle in einen Bus, der schon bessere Zeiten gesehen hat. Im Zentrum selbst gibt es seit Monaten kein fließendes Wasser, alles Wasser fürs Kochen, Händewaschen und die Toilettennutzung muss angeschleppt werden. Bei Unruhen im Land wird das Internet abgeschaltet – monatelang. Es gibt auch Zeiten, in denen es nur ein paar Stunden am Tag Strom gibt. Man sitzt wortwörtlich im Dunkeln – was besonders in der Regenzeit trübe und düster ist. Wenn man versäumt, sein Handy aufzuladen, kann man nicht mehr kommunizieren. Doch das gehört zu den Opfern, die man als Missionarin in einem der ärmsten Länder der Welt bringen muss. Genauso wie die Einsamkeit, die man als einzige Ferenchi (Ausländerin) in einem äthiopischen Team spürt oder die anstrengende Bürokratie. Das Jahreseinkommen pro Kopf liegt bei unter 800 Dollar. Ein Fahrer verdient nur etwa 4000 Birr – 150 Euro im Monat. Viele Menschen leben in Wellblechhütten ohne Strom oder Wasseranschluss.

Kraft schöpfen

Doch Mareike weiß, wie sie Kraft schöpfen kann – auf der Terrasse eines Hotels mit Weitblick über die Millionenstadt, durch Kunst und Gestaltung: „Gelb ist die Farbe dieses Lebens-Jahrzehnts“ – oder beim Bummeln über den Ledermarkt. Und im Gespräch mit ihrem Gott. Die Not treibt alle ins Gebet. Mareike ist eine Frau, die es liebt, Gott Dinge anzuvertrauen. Eine Wand ihrer Wohnung ist gepflastert mit Bibelversen, Lobpreis Gottes und Gebetsanliegen – vom Geld fürs Zentrum bis hin zum Wunsch, eine Augenlaser-OP für ihre stark kurzsichtigen Augen zu erhalten. Manchmal ist Mareike entmutigt, wenn sie die riesigen Herausforderungen und die großen Nöte sieht und das scheinbar zu wenige an Personal und Ressourcen. Doch zu anderen Zeiten strahlt sie, wenn sie von dem erzählt, wie Gott ihre Gebete erhört. Dass sie eine deutsche Freundin und eine geistliche Heimat in Addis gefunden hat. Dass ich gekommen bin, um dem Team extrem benötigtes Training in Stress- und Traumabewältigung zu geben. Oder eben ganz aktuell: der großen Freude darüber, dass Dr. Abiy den Friedensnobelpreis bekommen hat.

 

Dieser Artikel erschien in Magazin JOYCE. Jetzt kostenlos testen: www.joyce-magazin.net

Richtungsweisend im Auftrag Gottes

Artur Wiebe

Menschen in Leitungspositionen finden im Gemeindekontext oft zu wenig Unterstützung, meint Artur Wiebe. Dabei ruft Gott in die Verantwortung.

Als Pastor im Main-Taunus-Kreis sind mir immer wieder Menschen begegnet, die gesellschaftlich und beruflich in hohen Positionen leidenschaftlich Verantwortung tragen. Doch ihre Lebenswelt und ihre Themen kommen in der christlichen Gemeinde und Kirche so gut wie gar nicht vor. Während der Arbeitswoche abends tauchen sie – wenn überhaupt – wie ein Fremdkörper in den Hauskreis und das Gemeindeleben ein. Sie leben die Woche über in einer Welt und am Wochenende in einer anderen.

Manager als Fremdkörper

Diese Frauen und Männer stehen als Projektmanager/-in, Geschäftsführer/-in, leitende Angestellte und Politiker an exponierter Stelle und machen ihren Job mit Leidenschaft und Hingabe. Aber im Rahmen der christlichen Gemeinde sind sie selten Thema, dafür umso öfter Ziel kirchlicher Gesellschaftskritik, so als seien sie für alle „unchristlichen Gesellschaftsentwicklungen“ mitverantwortlich. Besonders Banker kamen in den vergangenen Jahren aufgrund der Finanzkrise besonders schlecht weg.

Wissenschaftler, Lehrer und Forscher stehen im Gemeindekontext nicht selten im Verdacht, mit dem christlichen Glauben zu fremdeln, da sie vermeintlich im Konflikt mit den biblischen Glaubensaussagen forschen und lehren. Und tatsächlich stehen der Schöpferglaube und ein „methodischer Atheismus“ als Forschungsgrundlage in Spannung zueinander – besonders in den Humanwissenschaften, der Physik und Biologie. Wo gibt es Tipps und Hilfestellungen mit dieser Spannung Glaube und Wissenschaft umzugehen?

Gemeindliche Hilfestellung Fehlanzeige

Kritisiert wird viel, doch Hilfestellung findet kaum statt. Diesen gesellschaftlich richtungsweisenden Christinnen und Christen werden von Gemeindeseite kaum konstruktive biblische Prinzipien, Leitlinien und Weisheiten an die Hand gegeben, die sie befähigen, gute und weise Entscheidungen in ihrem beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeitsfeld zu treffen und mit der großen Spannung zwischen Glaube und Lebenswelt umzugehen. Maximal treffen sich gleichgesinnte und Betroffene untereinander in gegenseitig stärkenden Spezialgruppen und Vereinigungen – außerhalb des Gemeindeumfeldes.

Die Auswirkungen sind fatal: Junge Menschen in der Gemeinde, die Leitungsbegabung haben und Verantwortung übernehmen wollen, bekommen dadurch den Eindruck vermittelt, dass christliche Gemeinde und der Job in einer gesellschaftlichen Führungsposition nichts miteinander zu tun haben. Mit der bedauernswerten Folge, dass je erfolgreicher die Karriere ist, desto mehr der Exit aus dem gemeindlichen Kontext erfolgt. Oder der Glaube an Jesus Christus wird in den berufsintensiven Jahren gleich ganz an den Nagel gehängt oder auf unbestimmte Zeit in die fromme Mottenkiste gelegt. Zum Leidwesen der Menschen und der Gemeinde, weil Menschen christliche Gemeinschaft brauchen und die Gemeinde Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen.

Leiten als gemeindliches Stiefkind

Im kirchlichen Raum vor Ort wird selten aktiv Mut gemacht, verantwortliche Positionen in der Gesellschaft, der Wirtschaft, Forschung und Politik als Berufung Gottes anzustreben. Sie gelten als prinzipiell verdächtig. Die Kirche Jesu Christi erweckt so den Anschein, als sei sie nur etwas für den kleinen Mann und die kleine Frau. Wenn man von „Berufung“ spricht, steht einem maximal der Dienst als hauptamtlich Tätigen vor Augen und nicht die Chefetage eines mittelständischen Betriebes oder der Dienst als Chefarzt Krankenhauses. Dies ist eine Prägung, die der Herrschaft Gottes in allen Bereichen des persönlichen Lebens widerspricht, und den Glauben an Jesus Christus auf den kirchlichen Bereich reduziert.

Dazu kommt die Beobachtung, dass Christen in der Gemeinde den Begriff „Leitung“ stiefmütterlich behandeln und scheuen. Sie machen sich klein und wollen nicht als Leiterin oder Leiter bezeichnet und gesehen werden. „Leitung“ kommt ihnen überhöht vor für das, was sie treu und beständig mit in die Gesellschaft oder das kirchliche Gemeindeleben einbringen. Sie tun das halt und merken nicht, wie entscheidend ihr unbewusster Leitungsdienst die Gruppe beeinflusst und nach vorne bringt. Sie stapeln tief und sind auch nicht greifbar, weil auf ihrem Einsatz nicht „Leitung“ draufsteht. Deshalb werden sie auch nicht aktiv für ihren Leitungsdienst geschult. Dadurch werden Chancen verpasst, in seiner Berufung Gottes zu wachsen und besser richtungsweisend zu werden.

Leiterschaft als zentrales Thema

In der Bibel finden wir zahlreiche Beispiele von Menschen, die von Gott verantwortliche Positionen im Kleinen und Großen zugedacht bekommen haben. Sie leiten Menschen oft durch schwierige und gute Zeiten. Diese Frauen und Männer haben mal mehr oder weniger freiwillig in ihrem Umfeld führende Positionen und Dienste übernommen und ausgefüllt. Ihre persönlichen Glaubensüberzeugungen und der Gehorsam Gott gegenüber fanden Ausdruck in ihren öffentlichen Entscheidungen und Äußerungen. Sie haben Gott vertraut und sind auch unter schwierigen Umständen seinen Maßstäben gefolgt.

Ebenso finden sich lehrreiche biblische Zeugnisse des Scheiterns, wenn Leiterinnen und Leiter ihre eigenen Interessen obenan gestellt haben oder dem Druck von außen nachgegeben haben, anstatt Gottes Geboten die erste Priorität zu geben. Nicht selten haben diese Führungspersönlichkeiten und Vorbilder durch ihr Verhalten sich selber und auch andere Menschen mit in den Abgrund gerissen oder sie in von Gott gesegnete und erfolgreiche Zeiten geführt. Leiterschaft ist ein biblisches Thema.

Schaue ich in die Kirchengeschichte, dann ist das gemeindliche Geschehen nicht selten auch von verantwortungsvollen und vermögenden Leitern und Fabrikanten ermöglicht worden, die als Mäzene und Sponsoren evangelistische, diakonische und künstlerische Aufträge der Gemeinde Jesu gefördert haben. Oder sich als Impulsgeber an die Spitze von kirchlichen Initiativen, Bewegungen und Gründungen gestellt haben. Bewusste und richtungsweisende Leiterschaft hat uns viel Segen gebracht.

Zum Leiten ermutigen

Ich möchte dazu ermutigen, Leitung und Verantwortung im Kleinen wie im Großen zu übernehmen: in der Gemeinde, in der Gesellschaft und im Beruf. Dazu bietet die Bibel eine Fülle von positiven und negativen Beispielen, damit wir neu entdecken und lernen, was es bedeutet, richtungsweisend im Auftrag und der Berufung Gottes unterwegs zu sein. Und als Gemeinde Menschen in Verantwortung fördern, mittragen und ermutigen.

 

Dieser Artikel erschien im HauskreisMagazin. Jetzt kostenlos testen: www.hauskreismagazin.net

„Jesus ist auferstanden! Andere Erklärungen tragen nicht“

Agnes Wedell

Mit dem auferstandenen Jesus kann man heute rechnen: Davon ist Alexander Garth überzeugt – und er nennt gute Gründe, den biblischen Berichten zu glauben.

Herr Garth, warum ist es Ihnen wichtig zu zeigen, dass der christliche Glaube der Vernunft nicht widerspricht? Reicht es nicht, auf die eigene Erfahrung zu bauen?

Mit Vernunft verbindet man Logik und Überprüfbarkeit. Aber die Auferstehung ist in diesem Sinne weder logisch noch überprüfbar. Auch Erfahrung ist kein Kriterium für Wahrheit – diese Welt ist voller religiöser Spinner! Aber an die Berichte der Bibel von der Auferstehung sollte man schon vernünftig herangehen. Die Bibel ist für mich ein Glaubensbuch, das uns von Gott gegeben ist, aber auch ein historisches Dokument. Als solches kann man es untersuchen und dabei sehr interessante Dinge herausfinden. Zum Beispiel, wenn es um die Auferstehung geht.

Was genau haben Sie untersucht?

Ich habe mich gefragt: Könnte Jesus wirklich auferstanden sein? Was sagen die biblischen Berichte dazu? Sind auch andere Deutungen möglich? Dann bin ich diese Deutungen durchgegangen und habe festgestellt: Sie sind alle nicht stimmig! Man landet immer wieder bei der Frage: Was ist denn nun wirklich passiert? Historisch sicher können wir nur eines sagen: Es gibt die, wie ich das ausdrücke, „vermaledeite Lücke“.

Was verstehen Sie darunter?

Am Karfreitag waren die Jünger durch den Tod von Jesus zutiefst frustriert. Sie hatten alles auf eine Karte gesetzt, und diese Karte hatte sich als Lusche erwiesen. Ihr Herr und Meister, an den sie geglaubt haben, von dem sie gedacht haben, dass mit ihm eine strahlende Zukunft beginnt, ist einen grausamen Verbrechertod gestorben. Deshalb haben sie sich in ihr altes Leben verkrümelt. Sie hatten vor, im Grau der Geschichte zu verschwinden.

Und dann, drei Tage später, findet man die gleichen Jünger, wie sie positiv und todesmutig bezeugen, dass Jesus Christus lebt. Da muss man sich doch fragen: Was ist in der Zwischenzeit passiert? Dabei bin ich immer wieder auf die Auferstehung gestoßen: Es muss etwas von Gott her passiert sein, denn alle anderen Erklärungsversuche tragen nicht, sie erweisen sich als reines Fantasieprodukt.

Welche Erklärungsversuche gibt es denn?

Die älteste Hypothese lautet: Die Jünger konnten sich mit dem Tod ihres Meisters nicht abfinden. Sie wollten den Behörden eins auswischen und gleichzeitig groß rauskommen. Deshalb sagten sie: Wir inszenieren eine Auferstehung! Wie macht man das? Indem man die Leiche klaut und versteckt. In der religiös aufgeheizten Stimmung der damaligen Zeit würde es bestimmt Leute geben, die dann an die Auferstehung glauben.

Das klingt erst mal ganz plausibel. Es macht aber gar keinen Sinn, weil die Jünger bereit sind, für die Überzeugung, dass Jesus lebt, in den Tod zu gehen. Für eine Lüge riskiert man nicht sein Leben! Es dauerte auch nicht lange, da gab es den ersten Toten unter den Christen: Stephanus ist gesteinigt worden wegen der Botschaft von der Auferstehung Jesu.

Welche anderen Erklärungen führen in eine Sackgasse?

Am leichtesten zu widerlegen ist die Scheintodhypothese: Jesus war gar nicht wirklich tot. In der Kühle des Grabes kam er wieder zu sich, rappelte sich auf und erschien dann seinen Freunden. Man übersieht dabei drei Fakten: 1. Jesus ist bereits vor der Kreuzigung halb tot geprügelt worden. Diese „Geißelung“ war so schlimm, dass viele Verurteilte sie nicht überlebten. 2. Jesus sind bei der Kreuzigung die Fersenknöchel zerstört worden. Danach rappelt man sich nicht wieder auf. 3. Man hat Jesus mit einem Speer von der Seite in die Herzkammer gestochen – um sicherzugehen, dass er wirklich tot ist. Denn über den Sabbat durfte man keine Leiche hängenlassen, und der begann um 18.00 Uhr. Bei diesem Speerstich sind getrennt Wasser und Blut herausgetreten. Das zeigt, dass der Tod vor mindestens einer Stunde eingetreten war. Aus diesen drei Fakten kann man sehen, dass die Scheintodhypothese reinste Fantasie ist.

Sie beziehen sich auf die Berichte in den Evangelien. Die wurden aber von Anhängern Jesu geschrieben, sind also nicht objektiv.

Alle Berichte aus dieser Zeit sind gefärbt. Aber keine andere Person ist so gut bezeugt wie Jesus Christus. Es gibt von ihm die meisten Handschriften – und viele von ihnen sind sehr früh entstanden. Die frühesten Zeugnisse, die wir über das Leben von Alexander dem Großen haben, sind erst 500 Jahre später aufgeschrieben worden. Und bei Cäsar sieht es nicht viel besser aus.

Die vielen Handschriften sind also ein sicherer Beweis, dass Jesus auferstanden ist?

Nein, man kann die Auferstehung Jesu natürlich nicht beweisen. Es ist ein göttliches Faktum, das sich unserer Beweisbarkeit entzieht. Aber es gibt vernünftige Hinweise dafür. Außerdem bezeugen nicht nur die Evangelien, dass Jesus auferstanden ist. Die interessanteste Schrift dazu stammt von einem ehemaligen Gegner von Jesus Christus, nämlich von dem Pharisäer Saulus, den wir auch als Paulus kennen. In seinem ersten Brief an die Korinther zitiert er ein altes Glaubensbekenntnis.

Im Kapitel 15, Vers 3 bis 8 steht, dass Jesus für unsere Sünden gestorben ist, dass er begraben wurde und am dritten Tag auferstand. Und dass er von Kephas, den übrigen Jüngern und schließlich von mehr als 500 Nachfolgern gleichzeitig gesehen wurde, von denen die meisten heute noch leben. Es gab als dieser Brief verfasst wurde also noch viele Leute, die bezeugen konnten, dass sie eine Begegnung mit dem Auferstanden hatten. Paulus sagt, dass er mit diesem Glaubensbekenntnis weitergibt, was er selbst empfangen hat. Es ist damit das älteste Zeugnis von der Auferstehung.

Wann ist es entstanden?

Entweder wurde Paulus dieser Text bei seinem eigenen Taufunterricht weitergegeben, also bald nachdem er gläubig wurde. Das wäre etwa zwei Jahre nach der Auferstehung Jesu. Oder er hat ihn bei seinem ersten Besuch in Jerusalem empfangen, etwa drei Jahre später.

Interessant ist auch, dass Paulus von „Kephas“ spricht. Das ist die aramäische Form von Petrus. Also kommt dieses alte Glaubensbekenntnis noch ganz aus dem aramäischen Sprachraum, in dem das Christentum ursprünglich zu Hause war. Das zeigt auch das hohe Alter.

Es gibt also gute Gründe zu glauben, dass Jesus auferstanden ist. Aber wieso ist das überhaupt so wichtig?

Jesus wäre, wenn er nicht auferstanden wäre, als einer der vielen, die sich für den Messias hielten, aber gescheitert sind, im Nebel der Geschichte verschwunden. Alles, was wir sonst über Jesus zu sagen haben – seine Geburt im Stall, seine Predigten, seine Heilungswunder, seine Partys mit Zöllnern und anderen fragwürdigen Leuten – das alles wissen wir nur, weil durch die Auferstehung klar wird: Das ist der von Gott Gesandte. Er hat der Welt die Freundschaft mit Gott gebracht. Was er sagt und tut ist wichtig. Die Auferstehung ist sozusagen die Unterschrift Gottes unter dem Leben von Jesus.

Vielen Dank, Herr Garth, für dieses Gespräch!

Zurück zu den Wurzeln

Nathanael Ullmann

Thomas Sackmann (45) hat den Wald für sich entdeckt. Als zertifizierter Waldbademeister unternimmt er mit Interessierten Ausflüge in die Natur. Stets mit im Rucksack: der Glaube.

 

Ich muss gestehen: Als ich das erste Mal das Wort „Waldbaden“ gehört habe, dachte ich an Planschen im Weiher.

Tatsächlich denkt man bei dem Wort zuerst an Badehose und Bikini und ab in den Wald. Das ging mir auch so. Eigentlich ist es aber eine Übersetzung des japanischen Ausdrucks „Shinrin Yoku“.

Was genau passiert beim Waldbaden?

Es geht um ungezwungenes In-den-Wald-Gehen. Wenn Männer in die Natur gehen, dann geht es oft um Ziele, um Kondition, darum, Strecke zu machen. Waldbaden hat nur einen Sinn: zu entschleunigen, achtsam sich selber wahrzunehmen und in die Atmosphäre des Waldes einzutauchen.

Was begeistert dich daran?

Ich bin durch eigene Erfahrungen auf das Waldbaden gekommen. 2016 hatte ich selber eine Krisenzeit. Ich war für 16 Wochen krankgeschrieben. In der Zeit war ich oft alleine im Wald unterwegs. Jedes Mal bin ich ruhiger und sortierter zurückgekommen. Aber es ist auch wissenschaftlich erwiesen, dass Waldbaden die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol verringert, die Krebsabwehr unterstützt, das Immunsystem stärkt und den Blutdruck senkt.

Um die Natur zu erleben, braucht es da wirklich einen Waldbademeister?

Sicher kann man auch alleine in den Wald gehen. Aber der moderne Mensch hat sich von der Natur entfremdet. Es gab jetzt eine Studie, dass die Millennials so gut wie nicht mehr draußen sind. Da kann man Hilfe geben.

In Videos zum Waldbaden sieht man Menschen, die an Blättern riechen und Bäume umarmen …

Das ist der Klassiker, den die Leute mich fragen: Muss ich jetzt Bäume umarmen? Das muss man nicht, aber man kann es machen. Eine Buche hat zum Beispiel eine ganz kalte Rinde, die Eiche ist warm. Und wenn wir an irgendetwas im Wald riechen, kommen vielleicht plötzlich Erinnerungen wieder.

Du willst das Waldbaden mit christlichen Inhalten füllen, richtig?

Richtig. Als Theologe möchte ich mir das Thema nicht von Esoterikern aus der Hand nehmen lassen. In der Natur gibt es ganz viele biblische Bezüge. Es gibt Geschichten in der Bibel, wo Gott den Menschen durch die Natur und in der Natur begegnet ist. Auch durch die Schöpfung kann ich Gott erfahren.

Wie beschreiben die Teilnehmer das Erlebnis?

Als ungewohnte Erfahrung. Bei allen ist spürbar, dass sie runterkommen. Anfangs sagen die Teilnehmer zum Beispiel, dass sie gestresst, traurig oder frustriert sind. Am Ende hat sich das ins Positive verkehrt, ohne dass man viel gemacht hat.

 

Dieses Interview erschien in der MOVO. Jetzt kostenlos testen auf https://www.movo.net/

 

Der verlorene Sohn

Nathanael Ullmann

Als Manager war Thomas Middelhoff ganz oben – speiste mit US-Präsidenten und Milliardären. Dann wurde er wegen Untreue und Steuerhinterziehung noch im Gerichtssaal verhaftet. In seinem Buch „Schuldig“ beschreibt er seinen Absturz und wie er zum Glauben zurückgefunden hat. Die Redaktion hat sich mit ihm getroffen – und ihn als ehrlich bereuenden Menschen erlebt.

Wenn Sie in den Spiegel schauen, was sehen Sie heute?

Middelhoff: Einen glücklichen Menschen.

Glücklich inwiefern?

Glücklich im Sinne von: im Gleichgewicht, hat seine Lebensideale gefunden und sich von Irrwegen befreit.

Was haben Sie noch vor fünf Jahren gesehen?

Einen gehetzten Menschen.

Sie haben ein neues Buch herausgebracht. Wie tief kann man da in Sie reinschauen?

Ich glaube, dass es kaum eine Nuance gibt, die da nicht offen zutage tritt. Vor allen Dingen in selbstkritischer Hinsicht. Sie finden da einen Menschen, der schonungslos offen mit den Gründen seines Scheiterns umgeht.

Was sich durch das Buch zieht, ist die Formulierung vom „Ich bin ich“-Prinzip. Wie sieht das idealtypisch aus?

Ich habe mich als Student als einen christlichen konservativen Menschen gesehen, der glücklich ist, wenn er andere Menschen glücklich macht. Und dieses „Ich bin ich“-Prinzip ist pervertiert im Laufe der Zeit, auch als Ergebnis meiner Karriere, zu einem „Ich bin wichtig“-Prinzip: „Ich bin wichtig, ich, Thomas Middelhoff.“

Sie haben als Manager alles erreicht, dann sind Sie gescheitert. Hat das etwas mit Ihrer Männlichkeit gemacht oder mit Ihrem Begriff von Männlichkeit?

Ich sag mal so: Als ich mir mein Scheitern eingestehen konnte, und dass ich selber dran schuld bin, habe ich mich sehr männlich gefühlt – weil ich finde, dass dazu viel Kraft gehört.

Heißt auf den Punkt gebracht: Scheitern ist männlich?

Scheitern macht stark. Stark können Frauen und Männer sein.

Wovon leben Sie heute? Sie sagen ja, Sie haben alles verloren.

Ich habe alles, was ich an Vermögen hatte, verloren. Was ich behalten habe, sind meine Pensionsansprüche. Die sind gepfändet bis auf das Existenzminimum, was laut Gesetz jedem Bürger dieser Gesellschaft zur Verfügung steht. Das bekomme ich und davon lebe ich.

Das heißt? Wovon muss ein Thomas Middelhoff heute so in Zahlen leben?

Können Sie nachlesen. Ich habe die Zahlen bisher nicht gesagt. Die können Sie in jeder Pfändungstabelle nachlesen. Sonst haben Sie die Schlagzeile „Er lebt jetzt genau von dem Betrag“.

In Ihrem Buch gehen Sie immer wieder darauf ein, dass Sie früher narzisstisch waren und es heute nicht mehr sind. Geht das tatsächlich von jetzt auf gleich, solche Charaktereigenschaften abzulegen?

Ich glaube, dass Charakter sich weiterentwickelt, auch bei einem Mann, der älter ist als 60 Jahre. Ich glaube nicht, dass man als narzisstischer Mensch geboren wird. Sondern ich glaube, dass ich durch die Rolle, die ich übernommen habe, einen Anspruch damit verbunden habe. Und daraus ist dann Arroganz und Narzissmus entstanden. Ich glaube, in der Phase, in der ich jetzt lebe, spielt Narzissmus gar keine Rolle mehr. Meine Reputation habe ich verloren, daraus kann ich keinen Narzissmus mehr entwickeln.

Das heißt, bei Ihnen besteht keine Gefahr mehr, in die alten Muster zurückzufallen?

Klar besteht noch die Gefahr. Sie haben ja ein gewisses Rollenverhalten, was konditioniert ist. Wenn mich jemand frech am Lufthansa-Schalter anspricht, dann kann’s passieren, dass das alte Rollenverhalten bei mir wiederkommt. Aber das merk ich auch sofort! Nach ein oder zwei Sätzen spricht schon innerlich eine Stimme, die sagt: „Das bist du doch gar nicht mehr, Thomas!“

Ihre Arbeit für eine der Behindertenwerkstätten von Bethel während Ihrer Haftstrafe war für Sie ein einschneidendes Erlebnis, da fand ein Paradigmenwechsel statt.

Ja. In Bethel habe ich zu mir selber gefunden und auch zu der Erkenntnis, was falsch ist an mir. Dass ich meine, alles muss sich um mich drehen. Die Menschen dort sind von Geburt an oder durch einen Eingriff in ihrem Leben fundamental benachteiligt. Wenn man mal gesehen hat, wie sie trotzdem in Glück leben und auch noch menschliche Wärme geben können, dann relativiert das alles sehr stark.

Gibt es da vielleicht eine Beispielszene, die Sie beschreiben können?

Ja, die erste Beispielszene war schon am ersten Arbeitstag. Die dort tätigen Behinderten kamen ganz offen auf mich zu. Jeder hatte seine besondere Form der Benachteiligung, die aber gar keine Rolle spielte. Sie haben mich mit offenen Armen aufgenommen. Ich war kein Fremdkörper, ich war sofort integriert, und das hat mich sehr berührt.

Heute arbeiten Sie, soweit ich weiß, nicht mehr in Bethel, nicht wahr?

Nein.

Auch nicht mehr ehrenamtlich?

Auch nicht ehrenamtlich. Ich hatte ursprünglich vorgehabt, weiter in Bethel engagiert zu sein, aber dann habe ich meinen Wohnort nach Hamburg verlagert und bin zum Bücherschreiben gekommen.

Könnten Sie es sich denn noch mal vorstellen – vielleicht in Hamburg – in einer anderen Behindertenwerkstatt?

Klar!

Sind Sie sowas wie der moderne verlorene Sohn? Verloren und wiedergefunden?

(lacht) Das ist eine gute Frage! Ich glaube, ein Kollege von Ihnen hat mich mal gefragt: „Vom Saulus zum Paulus?“ Ja, in gewisser Weise kann man das so sehen. Jedenfalls, was die christlichen Wertgrundlagen meines Lebens anbetrifft. Ich war auch vorher Christ, ich habe sogar bei Geschäftsessen gebetet. Aber das war ein rein formaler Prozess, wie ihn ein Katholik eben beigebracht bekommt in seiner Jugend. Heute besteht das Beten bei mir aus einem tiefen Bedürfnis, mich mit Gott auszutauschen. Eigentlich gefällt mir der Begriff des verlorenen Sohns besser als Saulus/Paulus, weil Saulus ja nicht vorher der Sohn war, der schon mit Werten gesegnet oder erzogen war. Und das war bei mir eigentlich der Fall.

Wie schauen Sie heute auf mächtige Menschen?

Ich glaube, dass ich mit sehr viel größerer Distanz auf diese Personen schaue, als es vielleicht ein normaler Bürger tut. Und zwar, weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie verführerisch Macht sein kann und der damit verbundene, vielleicht auch unwissentliche Machtmissbrauch. Ich glaube, ich habe in meiner beruflichen Laufbahn viele Menschen verletzt, ohne dass ich das wollte. Es war ja nicht so, dass ich wie Django durch die Landschaft gestapft bin und gesagt habe: „Heute muss ich 20 verletzen.“ Aber wahrscheinlich habe ich es getan. Ich würde mir einen Mechanismus wünschen, der mächtige Personen mit einem Korrektiv ausstattet. Das Korrektiv reflektiert, wann Macht missbraucht wird oder die Stufe der Arroganz und Selbstüberhöhung erreicht ist.

Wenn Sie jetzt eine Aufzugfahrt Zeit hätten: Wie würden Sie Ihren Glauben beschreiben?

Mein Glaube ist der festen Überzeugung, dass Gott existent ist, dass Jesus uns durch seinen Tod befreit hat und dass der Heilige Geist uns mit all dem ausstattet oder ausstatten kann, was uns zu wertvollen Menschen macht.

Inwiefern hat Ihnen das Gefängnis geholfen, diesen Glauben neu oder wieder stärker zu entdecken?

Im Gefängnis ist es sehr naheliegend, dass man nach irgendetwas greift, was einem helfen kann. Und bei mir war es ganz einfach so, dass ich danach gegriffen habe: „Was will Gott mir hier eigentlich beibringen? Ich bin doch hier nicht aus Zufall. Wie kann ich Ruhe finden in meinen Gedanken und wie kann ich meine Panik, meinen Schock irgendwie unter Kontrolle bringen?“ Da war der erste Schritt der Besuch der sonntäglichen Messe. Freitagabend bin ich im Gefängnis eingerückt worden und Sonntag konnte ich in die Kirche gehen. Das war für mich ein unglaublich wichtiger Schritt. Und am Montag habe ich, glaube ich, schon beantragt, dass ich die Bibel in die Zelle bekomme, weil ich ganz einfach ein Bedürfnis danach hatte. Ich habe dann angefangen, morgens um fünf/halb sechs in der Bibel zu lesen. Das hat mich mehr und mehr innerlich ruhig werden lassen trotz aller Herausforderungen, die da waren.

Gibt’s irgendeine Bibelstelle, die Ihnen noch bewusst ist aus dieser Zeit?

Für mich war die zentrale Stelle, als ich dann bei Hiob angekommen war und las: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen.“

Vielen lieben Dank!

 

Dieses Interview erschien in der MOVO. Jetzt kostenlos testen auf https://www.movo.net/

Gott kann mit unseren Zweifeln umgehen

Erika Weiss im Gespräch mit Elke Werner über die Jahreslosung 2020

Jahreslosungen sind oft trostreiche Zusprüche oder konkrete Aufforderungen. Bei der Jahreslosung 2020 ist das anders. Was war Ihre spontane Reaktion, als Sie die Jahreslosung zum ersten Mal hörten?

Ich war zuerst total überrascht! In dem Satz sind Aussage und Bitte enthalten. „Ich glaube“ – das ist die Aussage und „hilf meinem Unglauben“ – das spricht ja von dem Gegenteil. Dieser Zwiespalt ist sehr interessant. Der erklärt sich eigentlich nur durch die Geschichte, aus der die Jahreslosung stammt.

Was genau hat Sie da angesprochen?

Dazu muss man sich die Rahmengeschichte näher anschauen. Der Vater, dessen Sohn von einem Dämon besessen ist, geht voller Hoffnung zu Jesus. Doch der ist nicht da, er ist auf dem Berg der Verklärung. Die Jünger versuchen alles, was sie von Jesus gelernt haben – nichts funktioniert. Die Jünger beten und nichts passiert. Da wächst natürlich der Zweifel bei allen, ob Jesus wirklich helfen kann. Trotzdem geht der Vater auf Jesus zu und bittet um Hilfe. Somit knüpft er wieder an seinen Glauben an, auch wenn sein Unglaube durch den Frust gewachsen ist. Diese Spannung hat mich total angesprochen.

Wie erging es Ihnen, darüber ein Buch zu schreiben?

Ich persönlich bin keine Zweiflerin. Ich gehe fröhlich im Glauben auf Dinge zu. Wie geht es Menschen, die zweifeln?

Ich arbeite seit Jahren in der Seelsorge und sprach mit zweifelnden Menschen. In diese Empfindungen musste ich mich erstmal einfühlen. Ich las viele Geschichten in der Bibel über Menschen, die auch zweifelten. Da merkte ich, Zweifel gehören zum Glauben dazu. Es ist sogar ein Zeichen von Glauben, wenn man diese Spannung aushält: Ich glaube und trotzdem gibt es da noch Zweifel und Unglauben in meinem Leben.

Um den Vers richtig zu verstehen, müsste man ja zunächst klären, was „glauben“ heißt …

Das Wort „glauben“ wird bei uns im Deutschen sehr unterschiedlich genutzt. Wir sagen zum Beispiel: „Ich glaube, dass es morgen regnet.“ Oder in der Zeit der Abitur-Prüfungen habe ich gesehen, dass Eltern auf große Plakate schreiben „Wir glauben an dich!“, um die Abiturienten zu ermutigen. Das ist ein anderer Glaube als der an Gott.

Das griechische Wort pistis bedeutet „Vertrauen und Treue“ und hat nochmal eine andere Bedeutung als das lateinische Wort credo, welches „Herz schenken“ bedeutet. In verschiedenen Sprachen sucht man nach Möglichkeiten, das Phänomen „Ich mache mich bei Gott fest“ auszudrücken. Das hebräische Wort aman bedeutet „sich fest gründen“. Diese drei Arten, das Wort zu übersetzen, zeigen, welche Spannbreite da drin liegt.

Mögen Sie einen dieser drei Begriffe besonders gerne?

Der Begriff credo hat mich besonders angesprochen: Ich schenke Gott mein Herz. Ich möchte mein Leben, mein Innerstes Gott anvertrauen und sehe, ich brauche ein neues, lebendiges Herz, in dem Gott zu Hause ist. Mein persönlicher Glaube stützt sich auch viel auf Fakten und Tatsachen, z. B. archäologische Funde. Der Begriff pistis gefällt mir auch sehr. Kann ich in bestimmten Lebenssituationen Gott vertrauen, gerade wenn es hart wird; halte ich fest? Oder gehe ich eigene Wege? Der Glaube hat verschiedene Gesichter und Phasen in meinem Leben: Mal stehe ich auf festem Grund und habe das Gefühl, mein Herz ist ganz nah bei Gott. Und mal ist es ganz weit weg. Ich möchte mich auf die verschiedenen Phasen einlassen, dabei an Gott festhalten und ihm vertrauen, denn er ist an der Beziehung zu mir interessiert und hält an mir fest.

Unglaube entsteht ja auch, wenn wir uns zu viele Gedanken machen: ständig hinterfragen und zweifeln …

Ich glaube, es ist gar nicht schlecht zu hinterfragen. Im Gegenteil: Die Gefahr für den Glauben ist eher, wenn wir alles für wahr halten. Dieses Fragen und Hinterfragen zeigt, dass ich mehr wissen und erkennen will, dass ich tiefer gehen möchte. Wir brauchen einen begründeten und keinen übernommenen Glauben. Das heißt, Forschen und Dranbleiben gehört für mich zum Glauben dazu. Denn so kann ich noch mehr von Christus erkennen.

Wie können wir konstruktiv mit unserem Unglauben bzw. unseren Zweifeln umgehen?

Wir können es so wie der Vater in der biblischen Geschichte machen: Zu Jesus gehen, trotz unseres Unglaubens, und ihn um Hilfe bitten. Mit ihm über unsere Zweifel sprechen, damit kann er umgehen. Schon in den Psalmen lesen wir, wie ehrlich Menschen beteten. Im Zweifeln und auch Verzweifeln haben sie alles an Gott gerichtet und erlebten, dass Gott antwortet und da ist. So wie es in Hebräer 10,35 heißt: „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches eine große Belohnung hat.“

Sie bringen in Ihrem Buch viele Beispiele über Glaubenshelden, die durch schwere Zeiten gehen mussten. Wer ist ihr Glaubensvorbild?

Ganz viele Menschen. Ich liebe Biographien über Frauen. All diese Menschen gingen durch schwere Zeiten, da ist keiner dabei, der nur von strahlendem Sonnenschein umgeben war. Ich sage manchmal: „Nur beladene Schiffe haben Tiefgang“. Das ist ein Spruch, der sich in meinem Leben bewahrheitet hat. Da wo Gott uns Lasten auflegt, wird auch unser Tiefgang im Glauben gefördert. Der Glaube an den lebendigen Gott braucht diesen Tiefgang. Bei vielen Menschen sehe ich, dass sie gerade durch diese schweren Zeiten gereift und im Glauben gewachsen sind.

Wir brauchen ein festes Fundament, um zu glauben. Was gibt Ihnen Halt im Leben?

Jesu Tod und Auferstehung sind mein Fundament. Ich weiß, meine Schuld ist vergeben. Gott nimmt mich an und liebt mich, auch wenn es mir manchmal schwerfällt, mich selber zu lieben. Zu ihm kann ich kommen, so wie ich bin.

Als ich schwer an Krebs erkrankte, konnte ich nicht mehr in den Gottesdienst gehen oder verreisen. Ich konnte gar nicht mehr tun. Aber ich habe erlebt, dass Gott da war. Ich spürte seinen Trost. Gott ist allezeit bei mir: Das ist mein Fundament.

Wie haben Sie Gott in Krisen erlebt?

Ich habe ihn nicht so emotional erlebt mit einem Kribbeln im Bauch oder einem Gefühl, sondern als eine Kraftquelle. Eine Quelle, die mir innerlich Kraft gegeben hat. Sobald ich zu Gott schrie, auch manchmal voller Panik, wenn die nächste Chemo anstand oder ich Angst vor dem Tod hatte, durfte ich Gott als Kraftquelle erleben. Ich merkte, wie ich innerlich ruhig und getröstet wurde. Ich konnte wieder durchatmen. Ich persönlich darf erleben, wann immer ich zu Gott rufe: Er ist da.

Wie läuft der Prozess von Unglauben zu Glauben ab, geschieht es nacheinander oder nebeneinander?

Ich glaube, dass es um eine Umorientierung im Glauben geht: Wohin lenke ich meine Aufmerksamkeit, wenn es um den Sinn im Leben geht? Danach suchen wir alle. Ob wir ihn in Menschen oder Religionen suchen, diese Suche beschäftigt alle Menschen. Die Frage ist nur: Wie lenke ich meinen Glauben hin zum lebendigen Gott? Und dazu brauche ich die Bibel, wo Gott sich zeigt. Der Schritt vom Glauben an irgendetwas hin zum Glauben an den lebendigen Gott beginnt damit, dass ich ihn kennenlernen will und das kann ich, wenn ich die Bibel lese.

Was würden Sie jemandem raten, dem es schwerfällt zu glauben?

Ich würde ihm raten, im Kontakt mit anderen Christen zu sein. Menschen sind in unterschiedlichen Phasen ihres Lebens an unterschiedlichen Punkten mit Gott unterwegs. Wenn ich dann miterlebe, wie sie Gott erleben, kann ich mich davon ermutigen lassen. Denn wenn die das erleben, dann kann und will ich das auch erleben.

Auch die Jünger zweifelten und waren nicht von Anfang an die Glaubenshelden. Aber trotzdem hielten sie an Jesus fest. Daraus können wir lernen: Wir sollten bei Jesus bleiben, auch wenn wir vielleicht nicht selber großartige Erfahrungen gemacht haben. Bei Jesus bleiben, das heißt auch, bei seinen Leuten bleiben. Denn bei und in denen lebt Jesus.

Vielen Dank für dieses Gespräch!

 

Dieses Interview erschien im Magazin LebensLauf. Jetzt kostenlos testen: www.lebenslauf-magazin.net

Das Bibel Projekt

Liesa Dieckhoff

Neuer Zugang zu alten Schätzen

Ist die Bibel in gedruckter Form noch zeitgemäße Verkündigung? Müsste jetzt nicht alles digital werden? Nein, meint Philipp Kruse. Er hat mit dem Bibel Projekt eine Kombination aus digitalen und analogen Inhalten nach Deutschland gebracht. Animierte Videos und übersichtliche Poster sollen das Buch der Bücher neu anschlussfähig machen.

Philipp, wie bist du mit dem Bibel Projekt in Kontakt gekommen?

Als Jugendpastor habe ich nach einem Tool gesucht, um meine Jugendlichen besser mit biblischen Inhalten zu schulen. Vor drei Jahren bin ich dann in Amerika während einer Schulung auf das original amerikanische Bibelprojekt gestoßen. Und da dachte ich, das ist so cool, das muss es auch in Deutschland geben.

Und dann habt ihr die Videos einfach aus dem Englischen übersetzen lassen?b

Das amerikanische Projekt war damals noch gar nicht so groß, aber schon am Durchstarten. Als ich nachgehört habe, ob sie sich sowas vorstellen könnten, meinten sie: Mach einfach mal, du bist der erste, der gefragt hat. Mittlerweile haben sie Anfragen aus der ganzen Welt.

Warum ist das Interesse auf einmal so groß?

Ich glaube, gerade Jugendlichen fällt es oft schwer, die Zusammenhänge der Bibel zu verstehen. Für viele sind das einfach Geschichten, die aneinandergereiht sind. Aber das große Ganze zu sehen, die eine Geschichte, die Gott mit uns Menschen schreibt und darin seinen Platz zu finden, ist eine echte Herausforderung. Genau dort wollen wir ansetzen und aufzeigen: Wie hängt das Alles zusammen? Was ist der rote Faden der Bibel? Und was hat das mit meinem Leben zu tun?

Trotz dieser großen Perspektive kommt man um konkrete Auslegungen nicht herum. Wer legt die theologische Deutung der Videos fest?

Das große theologische Konzept kommt von Tim Becky. Er war Professor für Theologie in Portland, Oregon. Den Videos liegt eine Mischung aus evangelikaler und reformierter Theologie zugrunde – und das unterstützen wir von Herzen. Die Freiheit, Kleinigkeiten zu ändern, haben wir natürlich. Zum Beispiel müssen wir sprachlich oft Anpassungen vornehmen. Aber das große Konzept brechen wir nicht auf.

Wieso ist euch dieses Medium ein besonderes Anliegen?

Ich glaube, weil es digital und analog nicht gegeneinander ausspielt, sondern auf eine coole Art und Weise miteinander verbindet. Ich werde oft zu Diskussionen eingeladen und gefragt: Muss jetzt alles digital werden? Liegt die Zukunft in digitaler Jugendarbeit? Aber ich glaube nicht, dass die Frage nach analog oder digital entscheidend ist, sondern ob es ästhetisch schön ist, ob es sinnvoll und gut gemacht ist und ob es eine gewisse Tiefe hat. Sinnvoll ist oft eine Kombination aus beidem. Ein gutes Beispiel dafür sind die Micro-Influencer, die es gerade im Bereich Bible-Lettering gibt. Die verkaufen auch alle ihre Karten und Poster, Tagebücher und T-Shirts und generieren damit eine beeindruckende Reichweite.

Wie können Gemeinden oder Privatpersonen die Videos für sich nutzen?

Vor allem Hauskreise nutzen unser Material, bestellen sich die Poster und diskutieren darüber. Seit ein paar Monaten läuft auch das Zusatzmaterial an. Damit wird das Bibel Projekt runtergebrochen in die einzelnen Facetten von theologischer Ausbildung, Jugendarbeit, Religionsunterricht, und so weiter. Es soll zum Beispiel noch eine Toolbox für Jugendarbeit entstehen, so eine Art Schuhkarton, wo Gruppenstunden-Entwürfe zu unseren Videos drin sind. Wir wissen auch, dass viele Studierende mit unserem Material lernen – zum Teil sogar von Dozierenden, die es im Unterricht einsetzten.

Und ihr finanziert die Übersetzungen über Spenden?

Genau, wir geben alles kostenlos raus und finanzieren uns allein über Spenden. Wir haben vor, bis Januar die Read-Scripture-Serie zu beenden. Aber natürlich ist deshalb das Bibelprojekt nicht zu Ende! Es gibt mittlerweile schon acht Serien und es kommen noch mehr. Wir haben Material für die nächsten fünf Jahre.

Und wie priorisiert ihr dann, was ihr als nächstes herausgebt?

Die Landeskirche Württemberg ist vor eineinhalb Jahren als Partner bei uns eingestiegen. Gemeinsam haben wir eine Prioritätenliste erstellt: Welche Bücher sollten wir zügig vorliegen haben, weil sie am meisten gelesen und gebraucht werden? Das sind zum Beispiel die Evangelien, alle Paulusbriefe oder die kleinen Propheten.

Wie viel Aufwand investiert ihr in ein Video?

Wir brauchen mindestens vierzehn Tage für ein Video, und das mit sieben Hauptamtlichen. Das war auch die Herausforderung: Den Prozess so zu optimieren, dass wir relativ schnell sind. Aber dafür braucht es eben mehrere Menschen, die das beruflich machen und das Know-how mitbringen. Die Animationen sind komplex und sehr zeitintensiv.

Lohnt sich der Aufwand?

Absolut. Wir sind anfangs fast überrannt worden und konnten die Anfragen zeitweise kaum kanalisieren. Manchmal haben wir schon ein schlechtes Gewissen, weil wir so schnell gar nicht auf alles reagieren können.

Welche Kanäle für digitale Bibelvermittlung wollt ihr künftig noch nutzen?

Zukunftsmusik ist definitiv Virtual Reality. Das heißt, du gehst zum Beispiel mit einer VR-Brille durch den Tempel in Jerusalem und bekommst alles erklärt. Da sind die Amerikaner schon dran. Wir müssen dann sehen, wie wir das nach Deutschland holen können. Hierzulande fehlt oft das Verständnis für den erhöhten Kostenaufwand solcher Technologien.

Gibt es auch kritische Stimmen auf Grund des Mediums?

Es gibt auch Leute, die meinen, wir würden durch unsere Videos Leute vom klassischen Bibellesen ablenken. Aber wir wollen das Bibellesen ja nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen. Wir wollen die Bibel wieder anschlussfähig für die junge Generation machen, die sich häufig schwertut, einen Einstieg zu finden. Wir wollen Tür und Tor öffnen und damit das Bibellesen aktiv fördern.

Habt ihr auch erlebt, dass Leute über eure Videos zurück zur Buchversion gefunden haben?

Absolut. Viele bedanken sich bei uns. Sie hätten endlich etwas verstanden und dadurch wieder mehr Freude am Bibellesen.

 

Dieses Interview erschien in DRAN. Jetzt kostenlos testen: www.dran.de