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Dankstelle werden

Artur Wiebe

Dankbarkeit leben statt motzen

Der Gottesdienst ist gerade vorbei und man sitzt als Ehepaar im Auto auf dem Parkplatz des Gemeindehauses. Und schon geht sie los – die Motzerei. Es ist erstaunlich, was man alles kritisieren kann: den Musikstil, die Liedauswahl, die Predigtlänge oder was die Gottesdienstleiterin mal wieder für ein Outfit angehabt hat. Bei Gottesdiensten im virtuellen Raum ist es nicht besser, weil die Ansprüche aufgrund der eigenen Seh- und Mediengewohnheiten exorbitant hoch sind: Der Ton war zu leise, die Gitarre verstimmt und die Bildausleuchtung zu schwach … Wenn man schon zu Präsenzgottesdiensten keinen mitgebracht hat, lässt man es mit der Online-Einladung vor  lauter Kritik-Stolperfallen direkt bleiben.

Kultivierte Kritiksucht
Was steckt da in mir und in uns drin, dass wir Dinge und Personen automatisch kritisieren und runtermachen? Nicht nur in Bezug auf die äußerlichen Rahmenbedingungen, sondern erst Recht bei theologischen Themen steigt die Kritiksucht ins Unermessliche. Da wechseln wir ganz schnell den Nächsteliebehut aus und ziehen die Schirmmütze der Gesinnungspolizei tief ins Gesicht: „Das stimmt nicht!“ – „Das sehe ich anders …“.

Meistens sagen jedoch meine kritischen Äußerungen mehr über mich selbst und mein Bild von mir aus als über den, der von mir kritisiert wird. Ich behaupte, dass wir in Wirklichkeit nicht die barmherzigen und liebevollen Jesus-Geschwister sind, sondern stolze „arme Würstchen“, die ihren privilegierten Stand als Kinder Gottes durch den Glauben an Jesus Christus nicht im Tiefsten verinnerlicht haben. Stattdessen versuchen wir durch kultivierte Kritiksucht, uns selbst aufzupolieren, indem andere in Gedanken und Worten niedermacht werden.

Was sind wir doch für bruchstückhafte Abbilder des Höchsten, die ihren Zustand durch eine Atmosphäre der Kritik zu verschleiern versuchen?! Und schon geht es wieder los nach der nächsten (virtuellen) Begegnung mit dem Motzen und Rummäkeln – wohl wissend, dass der ganze Kritikmüll ein schales Gefühl zurücklässt. Denn in Wirklichkeit bleiben die kritiksüchtigen Gedanken, Verhaltensweisen und Worte wie in einem Teufelskreis magnetisch an einem selbst kleben.

Geheimnis Dankbarkeit
„Seid dankbar, denn das ist der Wille Gottes für Euch“, schreibt dagegen der Apostel Paulus im 1. Thessalonicher 5,17-18. Das sagt er zu Christen, für die er dem himmlischen Vater von Herzen dankbar ist. Und deren Mühe, Liebe, Standhaftigkeit und ŸHoffnung er durch seinen offenen Brief auf die christliche Welt- und Zeitenbühne stellt. Sein Brief – und damit auch sein Dank – hat Eingang gefunden in die Bibel, das Wort Gottes, das überall auf der Welt und zu allen Zeiten gelesen wird.

Ich ahne und spüre, dass hier ein offenes Geheimnis des christlichen Glaubens verborgen liegt. Das Danken mehr ist als ein Tischgebet oder eine pflichtbewusste Antwort auf erfahrene Wohltaten. Ich sehne mich nach einer Atmosphäre der Dankbarkeit Gott und Menschen gegenüber. Nach einem Beziehungsraum, in dem man Gott von Herzen dankbar ist für die Rettung aus ewiger Gottesferne und dem Bruder und der Schwester dankbar begegnet – nicht, weil man muss, sondern weil man sich dafür entschieden hat. Danach sehne ich mich mehr als nach müde und madig machender Kritisiererei: nach einer Kultur der Dankbarkeit.

Wieso kann Gemeinde nicht so ein heilender und heilsamer Ort sein: eine Dankstelle, wo Jesus Christus die Mitte ist und man Dank Gott und Menschen gegenüber erlebt, einübt sowie lebt? Und von dort hinausträgt in den Alltag: die Familie, die Arbeit und die Gesellschaft?

Wille zur Dankbarkeit
Das mag jetzt alles harmonisch uns schönfärbend klingen. Wir wissen doch genau, dass der Gemeindealltag sich oft anders gestaltet. Und Kritik ist an einigen Stellen durchaus angebracht und notwendig. Dennoch ist der Wille zur Dankbarkeit in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes und ein
Glaubens- und Lebensschatz, den es vielfach noch zu entdecken und zu kultivieren gilt.
• Dank setzt in Beziehung und überrascht,
• Dank schaŸfft eine positive und gelassene Atmosphäre,
• Dank ist eine tägliche geistliche Übung,
• Dank ist eine Glaubensantwort, die sich jetzt schon
über das freuen kann, was Gott bereits zugesagt hat,
• Dank macht demütig, weil wir im Tiefsten Empfangende
und Beschenkte sind und bleiben,
• Dank ist eine Botschaft der ŸHoffnung, weil sie letztlich
Gott als Empfänger und Adressaten hat …

Vielleicht fangen wir direkt auf dem Parkplatz nach dem Gottesdienst oder auf dem Sofa nach dem Livestream-Gottesdienst damit an. Denn dankbar sein, das ist der Wille Gottes für Sie und mich. Lassen Sie sich auf ein Neustart in ein dankbares Leben ein.

Dieser Artikel erschien im Magazin CHRISTSEIN HEUTE. Jetzt kostenlos testen: www.christsein-heute.de

Vom Ende der Gemütlichkeit

David Werner

Im vergangenen Dezember sieht sich David herausgefordert, seine festlich-familiäre Komfortzone zu verlassen. Er beschließt das Weihnachtswunder in diesem Jahr unter den Obdachlosen auf den Straßen Hannovers zu suchen. Dafür bekommt er eine neue Dankbarkeit geschenkt.

„Wenn Gott redet, ist die Gemütlichkeit zu Ende“. Als ich diese Worte von Peter Hahne, dem aus dem ZDF bekannten christlichen Fernsehmoderator und Buchautor, einige Wochen vor Weihnachten am Frühstückstisch höre, passiert erstmal nicht viel. Ich mache mich wie geplant auf den Weg zur Bahnhaltestelle, döse auf der 45-minütigen Fahrt durch die Dunkelheit immer wieder ein und bin doch nicht wirklich ausgeschlafen, als ich schließlich, so richtig hell ist es immer noch nicht, an meinem Arbeitsplatz ankomme.

Worte, die mich nicht mehr loslassen

Für gewöhnlich kann ich mir Bibelverse, Zitate oder andere Weisheiten eher schlecht merken. Auch bei der Kurzzeitbibelschule, die ich vor einigen Jahren besucht hatte, schafften es die meisten Verse, die es auswendig zu lernen galt, nur ins Kurzzeitgedächtnis. Dieses Mal ist es anders. Die Tage vergehen, Weihnachten rückt immer näher und Peter Hahnes provokant formulierter Vers geistert immer wieder durch meinen Kopf.

Zwar ziehe ich Ferienwohnungen dem Campingplatz vor und dusche auch nur dann mit kaltem Wasser, wenn die Warmwasseraufbereitung mal wieder nicht funktioniert. Trotzdem würde ich mich nicht als jemanden beschreiben, der sein Leben nach Komfort und Gemütlichkeit ausrichtet. Für Weihnachten im Kreis der Familie, den Spätgottesdienst an Heiligabend in der bekannten Kirche und ein bisschen Gemütlichkeit kann ich mich in diesem Jahr dennoch erwärmen.

Rückkehr in eine fremde Welt

Ein paar Wochen später, es sind nur noch wenige Tage bis zum Christfest, sitze ich in einem mit „Weihnachtstouristen“ gefüllten ICE und bin auf dem Weg in die niedersächsische Landeshauptstadt. Aller Vorfreude auf ein gemütliches Weihnachten zu Hause zum Trotz habe ich mich bei „Christmas in the City“, einer sozial-missionarischen Einsatzwoche in Hannovers Drogenszene, angemeldet. Was mich bei der von „Neues Land“, einer christlichen Drogenarbeit mit mehreren Therapiehäusern, organisierten Aktion erwartet, weiß ich einerseits schon, da es nicht das erste Mal ist, dass ich an diesem besonderen Weihnachtsprogramm teilnehme. Andererseits ist es wieder ein Schritt in eine fremde Welt: Es erwarten mich Begegnungen mit Menschen, die vom Leben nichts mehr erwarten und sich aufgegeben haben. Menschen, die die Hoffnungslosigkeit, in der sie gefangen sind, nicht mehr verstecken (können).

Meine neue Dankbarkeit

Es dauert ein paar Tage bis ich die ersten Berührungsängste überwunden habe, ohne Scheu auf die Menschen zugehen kann und dann häufig „nur“ zuhöre. Ich höre viel von Kinder- und Jugendzeiten, die alles andere als behütet waren und werde dabei neu dankbar für meine Familie und die Zuneigung, die ich von meinen Eltern erfahren habe. Es geht um gescheiterte Therapien, bei manchem waren es Dutzende, mal sind es betrogene Arbeiter aus Osteuropa, die auf Hannovers Straßen gestrandet sind, und von dort nicht mehr wegkommen.

Bei allem Zerbruch und Getrieben sein, dem man sich nicht entziehen kann, wenn man sich den Menschen zuwendet, nehme ich auch eine große Wertschätzung für unseren Dienst wahr. Ein ehrliches „Danke“ oder ein liebevolles Lächeln für einen Kaffee von einem vom Leben gezeichneten Mann, der ansonsten niemandem vertrauen kann, in der Obdachlosenunterkunft sogar sein Hab und Gut, zusammengepackt und verstaut in wenigen Gepäckstücken, mit auf die Toilette nimmt, sind in diesen Tagen unser Lohn.

Obdachlose, Alkoholiker und Drogenabhängige werden nicht nur in Hannover so gut es mit legalen Mitteln geht an den Rand der Gesellschaft geschoben. Die Substitutionsprogramme versorgen viele täglich auf Kosten der Beitragszahler mit der notwendigen Ration „Stoff“. Hilfe beim Ausweg gibt es kaum.

Jesus schenkt Freiheit

Je näher Heiligabend rückt, desto voller werden die Straßen. Reisende gehen eilenden Schrittes zum Bahnhof, um noch rechtzeitig daheim anzukommen.

Diejenigen, die kein Zuhause haben, ihre Nöte mit Alkohol und Drogen betäuben, haben wenig Vorfreude auf die Feiertage. Der Verlust von Angehörigen oder Weggefährten wiegt in diesen Tagen noch schwerer, die Einsamkeit verfolgt manchen wie ein treuer Begleiter.

Ich fühle mich in der Zwischenzeit angekommen, habe viele der 90 anderen Teilnehmenden von „Christmas in the City“ etwas besser kennengelernt und empfinde Freude daran, Zeit mit den Menschen auf der Straße zu verbringen. Besonders begeistern mich die Unterhaltungen mit anderen Mitarbeitenden, ehemaligen Drogenabhängigen, die bereits seit Jahren ein Leben in Freiheit führen, eine Therapie erfolgreich durchlaufen haben und nun auch mit Jesus durchs Leben gehen. Sie haben eine besondere Leidenschaft für ihre ehemaligen Weggefährten, die immer noch im Sumpf der Abhängigkeit feststecken und für die sich die Spirale fortwährend nach unten bewegt. Von Jahren auf der Straße, Gefängnisaufenthalten und der Zerstörung, die die illegalen Substanzen auch in ihrem Leben angerichtet haben, gezeichnet, verbreiten sie nicht nur in der Weihnachtszeit Hoffnung auf ein Leben in wirklicher Freiheit.

Heiligabend im SOS-Bistro

Als in den Kirchen der Stadt Tausende gerührte Kehlen „O du Fröhliche“ schmettern, wird die Menschenschlange vor dem „SOS-Bistro“, dem Hauptquartier von „Neues Land“ in Hannover, immer länger. Die Weihnachtsfeier im Rahmen von „Christmas in the City“ ist für viele zu einer festen Institution an Heiligabend geworden. Es ist der Platz, der diejenigen aufnimmt, die (nicht nur) an Heiligabend niemanden haben.

Im Innern geht es kurz vor dem Einlass geschäftig zu: Die Helfer in der Küche nehmen Stellung, um das Essen zu servieren, der Punsch wird portioniert und findet schnell nach Öffnung der Türen dankbare Abnehmer. Nicht nur ich frage mich mit kindlicher Spannung: „Sehen wir einige von denen wieder, die wir in den vergangenen Tagen kennengelernt und eingeladen haben?“

Es wird ein stimmungsvoller Abend. Die vielen Gäste fühlen sich sichtlich wohl und sind erleichtert, den Heiligen Abend nicht allein verbringen zu müssen. Nach der Weihnachtsgeschichte überreichen Kinder den gerührten Gästen schließlich die Geschenke, gespendet von christlichen Gemeinden aus der Umgebung. Ich ertappe mich, wie meine Augen im Laufe des Programms umherstreifen und die Besucher mustern. So mancher Anblick führt zu einem Schmunzeln, z.B. über einen Gast, der während seines Aufenthalts seine überdimensionierten Kopfhörer nicht abnimmt. Auf vielen der von Enttäuschungen und Tiefschlägen gezeichneten Gesichtern ist ein Lächeln zu sehen. Es ist Weihnachten geworden, mitten in Hannover und hoffentlich in vielen Herzen.

Was bleibt

„Ich muss hier raus, das ist mir zu viel Liebe“, höre ich eine junge Frau von ihren Gefühlen überwältigt sagen, bevor sie mit glasigen Augen den Raum verlässt. Es gab schon schlimmere Gründe, warum Menschen gegangen sind, denke ich mir.

Was bleibt nach acht Tagen „Christmas in the City“? Es sind wohl die vielen Begegnungen mit den Menschen in den dunklen Ecken Hannovers. Es ist die Hoffnung, dass sich der eine oder andere im neuen Jahr auf den Weg macht, seine Drogensucht hinter sich zu lassen und mit einer Therapie zu beginnen. Und es bleibt die Gewissheit, dass Jesus diese Menschen liebt! So sehr, dass er es vor über 2.000 Jahren Weihnachten hat werden lassen.

 

Dieser Artikel erschien im Magazin DRAN. Jetzt kostenlos testen: www.dran.de

„Danke, dass ich heute hier lebe“

Lutz Barth

„Aber das ist doch selbstverständlich!“ Dieser Satz begegnet mir immer wieder, wenn ich mich für etwas bedankt habe. Meine Antwort darauf lautet dann oft: „Sie nehmen mir damit aber die Gelegenheit, dankbar zu sein! Denn wenn ich alles als selbstverständlich ansähe, würde mir die Freude der Dankbarkeit genommen!“ Außerdem: Wer sagt mir, dass das Gute selbstverständlich ist?

Wir müssen nur ein wenig die Augen öffnen und uns das Naheliegende anschauen, dann sind wir umgeben von vielen Möglichkeiten, für die wir dankbar sein könnten. Aber so leicht, wie es sich jetzt anhört, ist es natürlich auch nicht. In manchen Situationen ist das Ungute wirklich so dramatisch oder schlimm, dass es völlig unser Denken einnimmt und wir logischerweise Probleme mit dem Danken haben.

Keine Gefühlssache

Es gibt ein Prinzip in der Bibel, das uns bewusst davor schützen will, durch unsere Gefühle überfordert zu werden. So heißt es: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Oder: „Liebet eure Feinde.“ Diese Aufforderungen haben mit Gefühlen erst einmal gar nichts zu tun. Ich muss den anderen nicht sympathisch finden. Ich soll ihn nur so behandeln wie einen guten Freund. Genauso muss ich auch nicht erst gute Gefühle haben, wenn ich dankbar sein will.

Ein ungewöhnlicher Gedanke – oder? Richtig irritiert kann man aber sein, wenn man Psalm 50,14a liest: „Opfere Gott Dank!“ Wie bitte, Opfer und Dank sollen zusammengehören? Braucht Gott meinen Dank? Natürlich braucht er ihn nicht und wenn Gott meinen Dank als Opfer beschreibt, dann deshalb, um uns auf die richtige Spur zu setzten. Gefühle bremsen uns und versperren die Sicht. Wenn ich gegen meine Gefühle doch danke, dann hilft mir das. Nämlich über das Negative hinwegzuschauen und meinen Blick auf das zu lenken, was es Gutes um mich herum gibt. Und den dahinter zu entdecken, dem ich das alles verdanke.

In manchen Situationen fällt es leicht, dankbar zu sein – ­zum Beispiel nach einer gelungenen Operation oder wenn man liebe Menschen wiedersehen kann, was wegen der Corona-Regeln lange nicht möglich war. In den letzten Monaten wurden viele Videos versendet und geteilt. Eines berührte mich besonders. Darin wurde das Leben eines um 1900 geborenen Menschen mit unserer Situation heute verglichen: Zwei Weltkriege, Währungsreform, Spanische Grippe mit Millionen von Toten und vieles mehr musste jemand erleben, der vor 120 Jahren geboren wurde. Ich wollte mit diesem Jahrgang nicht tauschen!

Nicht selbstverständlich

Wenn ich auf meine Frau und mich schaue, dann muss ich staunen und bin dankbar dafür, was heute alles möglich ist. Vor 50 Jahren hätte ich mit meinen Augen nicht mehr arbeiten können. Solche komplizierten Brillengläser, wie ich sie heute trage, gab es da noch nicht. Meine Frau säße mit quälenden Schmerzen im Rollstuhl, weil man für sie nicht diese Hüftprothesen hätte anfertigen können.

Einiges, was für uns heute selbstverständlich ist, war vor 50 Jahren für viele ein Luxus: Als Kinder gingen wir mit unseren Eltern zum Baden in eine öffentliche Badeanstalt, weil wir wie viele weder Dusche noch Badewanne hatten. Heute leben wir in einer Zeit und in einer Region, die sich von den meisten Ländern der Welt gravierend abhebt: sauberes Wasser aus der Leitung, eine medizinische Versorgung, die ihresgleichen sucht. Alle Kinder können kostenlos ein breites Bildungsangebot in Anspruch nehmen – auch wenn es momentan wegen Corona eingeschränkt ist. Beim Essen müssen wir uns nicht aus Kostengründen zügeln, sondern, weil wir sonst unseren Körper belasten würden. Wir dürfen unsere Meinung äußern und müssen nicht hinter hohen Mauern und Stacheldraht zu unserem persönlichen Schutz leben.

Tipps für einen dankbaren Blick

Es gibt so viele Gründe, dankbar zu sein! Immer wieder auf das Nichtselbstverständliche zu schauen, hilft manches besser einzuordnen. Vielleicht ist unter den folgenden praktischen Ideen eine dabei, die Ihnen zusagt und hilft:

  1. Gestalten Sie eine Fotowand – real oder als Bildschirmschoner am Computer – mit dankbaren Erinnerungen an Personen, Orte, Erlebnisse – oder von Gegenständen.
  2. Schreiben Sie auf Zettel, wofür Sie dankbar sind. Führen Sie immer einen dieser Erinnerungszettel für einen Tag oder eine Woche mit sich und bewegen den Inhalt im Herzen.
  3. Richten Sie einen Dankes-Steinhaufen im Garten oder auf Ihrer Fensterbank auf: Für jeden Punkt, für den Sie dankbar sind, fügen Sie jeweils einen Stein nach dem anderen dazu.
  4. Legen Sie drei im Dunkeln leuchtende Steine an ihr Bett – und denken Sie dann darüber nach, für welche drei Dinge sie dankbar sind.
  5. Notieren Sie jeden Abend in einem Notizbüchlein drei oder mehr Punkte, für die Sie am Ende des Tages dankbar sind.
  6. Einmal las ich von der Idee, 10 Bohnen in die Tasche zu stecken. Immer, wenn ich für etwas danke, wandert eine Bohne von der einen auf die andere Seite.

Beeindruckt haben mich die Menschen in meinen Leben, die viel erleiden mussten, aber dankbar geblieben und nicht verbittert sind. Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass vor allem meine Kinder und Enkelkinder mich als einen dankbaren Menschen in Erinnerung behalten. Das kann ich nicht von mir aus erreichen. Als ich diesen Artikel schrieb, stand ich kurz vor einer OP am Fuß – und ich musste bei mir erleben, wie Schmerzen mich mürbe, kraftlos und auch launischer gemacht haben. Hier hilft nur ein Lebensstil, der immer wieder die Augen von dem Notvollen abwendet und auf das sieht, was gut ist. Gott schenke mir, dass ich die Haltung bewahre und dankbar bleibe. Gott segne Sie und fülle Sie mit Dankbarkeit!

 

Dieses Interview erschien im Magazin LebensLauf. Jetzt kostenlos testen: www.lebenslauf-magazin.net

Den Dank-Tank wieder füllen

Von Martin Gundlach

Wer sich dafür entschieden hat, dankbar zu leben, braucht Orte, um diesen Lebensstil frisch zu halten. Aber wo sind diese Auftank-Orte zu finden?

Wer ein dankbarer Mensch werden will, trifft eine grundsätzliche Entscheidung dafür, diesen Weg zu beschreiten. Diese Entscheidung ist die Voraussetzung für Veränderung. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Denn das ist nicht die ganze Wahrheit. Der Alltagstest zeigt (zumindest bei mir): Der Danke-Lebensstil ist flüchtig. Zumindest mir wurde eine Haltung der Dankbarkeit nicht in die Wiege gelegt. Kaum jemand entscheidet sich einmal dafür, ein dankbarer Mensch zu sein – und bleibt es dann einfach für den Rest seines Lebens.

Es ist beim Danken ähnlich wie beim Laufen oder Autofahren: Ist der „Dank-Tank“ voll, dann ist man damit eine Weile gut unterwegs. Aber irgendwann ist der Tank leer. Der Blick, der eben noch auf die Geschenke Gottes in unserem Leben gerichtet war, sieht plötzlich wieder die herumliegenden Socken der Kinder und die Bartstoppel-Reste des Göttergatten im Waschbecken. Dann wandern die Gedanken zur kranken Freundin und hin zur weltweiten Ungerechtigkeit. Der Ärger über den bornierten Kollegen steigert noch den Unmut über die Überforderung am Arbeitsplatz. Dankbar? Jeder von uns kennt die Momente, in denen einem zu allem anderen zumute ist, nur nicht zum Danken. Und solche Momente, Menschen und Situationen wird es immer geben.

Es gibt zwei gute Möglichkeiten, den leeren Dankbarkeits-Tank aufzufüllen. Die eine ist ruhig und findet eher in der Einsamkeit und Stille statt. Die andere vollzieht sich in Gemeinschaft und ist mit mehr Lautstärke verbunden. Die eine Form ist der Rückzug, die andere Möglichkeit ist das Zusammensein mit anderen.

Ich glaube, dass den meisten von uns dabei eine der beiden Tankstellen typmäßig näher liegt. Die eine freut sich seit Wochen auf die Stille-Tage. Die andere ist froh, wenn es nicht zu ruhig wird. Der eine freut sich auf einen lauten Lobpreis-Abend, der andere ist glücklich, wenn er abends keinen Menschen mehr sehen muss und im Rückzug und Alleinsein auftanken kann.

 

Den Tank füllen: Rückzug in die Stille

Christen aller Jahrhunderte haben sich in die Stille zurückgezogen. Von den Wüstenmönchen im 6. Jahrhundert bis hin zu den Stille-Tagen, die heute auch wieder viele christliche Freizeitveranstalter anbieten, gibt es eine lange Tradition. Im Neuen Testament lesen wir: Jesus selbst zog sich immer wieder aus dem Trubel zurück, um in der Stille Kraft zu schöpfen.

Am nächsten Morgen ging Jesus allein an einen einsamen Ort, um zu beten. Später suchten ihn Simon und die anderen. Als sie ihn gefunden hatten, sagten sie zu ihm: „Alle fragen nach dir.“ Doch er entgegnete: „Wir müssen auch in die anderen Städte gehen, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.“  Markus 1,35-38 (NLB)

Zwischen zwei herausfordernden Tagen ging Jesus in die Stille, um zu beten. Das tat er nicht aus pädagogischen Gründen. Um ein „gutes Vorbild“ zu sein nach dem Motto: „Schaut her, so sollt ihr das auch machen!“ Nein, er verschwindet eher heimlich, still, unauffällig und leise. Die Jünger mussten ihn erst suchen.

„Wo ist Jesus?“

„Keine Ahnung.“

„Dann ausschwärmen und suchen.“

Irgendwann finden sie ihn. Leicht vorwurfsvoll klingt es, wenn sie sagen:

„Alle suchen nach dir!“

Sie meinen: „Wo bist du? Was tust du? Wir haben doch noch viel vor!“ Jesus geht auf diesen Vorwurf gar nicht ein. Er hat in der Stille Kraft getankt. Jetzt ist er wieder voller Tatendrang:

„Wir müssen los, in die anderen Städte …“

Er weiß: Wer sich für andere einsetzen will, wer anderen helfen will, der braucht die Besinnung, den Rückzug.

Ähnliche Szenen finden wir im Neuen Testament immer wieder: Jesus allein an abgeschiedenen Orten. Dann wieder unterwegs und in Aktion. Stille. Trubel. Stille. Trubel. Es ist fast ein Takt zwischen Aktion und Ruhe zu erspüren im Wanderleben von Jesus.

Um ehrlich zu sein: Wir wissen nicht, wie Jesus diese einsamen Zeiten gestaltet hat. Aber offensichtlich ist: Er braucht die Ruhe. Er braucht das Alleinsein. Im Rückzug findet für ihn eine Konzentration auf das Wesentliche statt, ein Zurechtrücken der Prioritäten, Gottesbegegnung. Daraus kommt die Kraft für alles Weitere.

Ich will mich nicht mit Jesus vergleichen, aber die Erfahrung kenne ich auch. Wenn ich morgens zur Arbeit fahre und in Ruhe über den gerade begonnenen Tag nachdenke, anstatt Radio zu hören, in frühmorgendlicher Muffel-Laune vor mich hin zu nörgeln oder schon in Gedanken die ersten Fragestellungen aus meinem Büroalltag zu klären. Dann werde ich dankbar: für meine Frau, für meine Arbeitsstelle, für die Tatsache, dass ich lebe, mich bewegen kann, für meine Kinder, für die Großzügigkeit Gottes und und und… Dass ich all das erleben darf! Dass ich all diese Menschen kennen darf. Mit ihnen leben darf. Dass Gott so gnädig ist… Solche ruhigen Zeiten geben dem Tag ein völlig anderes Lebensgefühl, in dem Dankbarkeit unaufhaltsam wächst.

 

Den Tank füllen: in der Gemeinschaft

Für viele füllt sich der Dank-Tank eher in gemeinsamen Aktivitäten. Die können ganz unterschiedlich aussehen, haben aber eines gemeinsam: dass ich mich auf Augenhöhe und mit einem offenen Herzen mit anderen zusammentue.

Gemeinsam beten

Immer brauchen wir die anderen, die uns dabei helfen, die Danke-Spur zu halten. Alleine hängen wir vielleicht trüben Gedanken nach – und benötigen andere, um den Kopf wieder hoch zu bekommen. Das Beten ist manchmal einfacher, wenn wir es gemeinsam tun. Denn dann bleiben wir nicht nur bei uns und unserer Sicht, sondern können uns von den anderen inspirieren, ermutigen und mitnehmen lassen. Denn das Dankgebet des anderen hilft auch mir zum Danken – und umgekehrt.

Gemeinsam singen

Gerade Musik und Gesang sind eine wunderbare Form, gemeinsam unsere Dankbarkeit Gott gegenüber auszudrücken. Lieder helfen uns, eine Haltung der Dankbarkeit zu üben und sie zu bewahren.

Danke-Lieder haben eine lange Geschichte. Die Bibel ist voll von Lob-Psalmen, mit denen der einzelne oder die singende Gemeinde ihre Dankbarkeit Gott gegenüber ausdrückt. Immer und immer wieder wurden diese Lieder gesungen, weil man immer und immer wieder die Erinnerung brauchte und auch die Erfahrung machte: Es gibt so viele Gründe, Gott zu danken. „Danke, für alles, was du gibst, Herr!“

Gemeinsam etwas tun

Für manche ist es auch das Größte, gemeinsam mit anderen etwas zu tun. „Wie schön ist es, wenn wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen!“ Gemeinsam einen Umzug stemmen, bei Freunden im Haus helfen, mit einer Gruppe eigener und fremder Kinder in den Zoo fahren. In der Gemeinschaft entwickelt sich Freude. Wer anderen hilft, hat am Ende müde Knochen, aber meistens ein dankbares, zufriedenes Grundgefühl:  Wir haben etwas Sinnvolles geschafft und vielleicht noch eine positive Rückmeldung bekommen.

Freiwillige aus den unterschiedlichsten Hilfsorganisationen sagen: „Die Menschen, denen wir geholfen haben, waren unendlich dankbar. Aber am meisten beschenkt waren wir, die wir ihnen geholfen haben.“ Andere freuen sich, wenn sie Geld zusammen bekommen haben, um Menschen in Not zu helfen oder eine besondere Freude zu machen. Das muss nicht immer etwas Spektakuläres sein. Einem Kind aus der Nachbarschaft bei den Hausaufgaben helfen, einen anderen zu einem schwierigen Arzttermin begleiten, sich gemeinsam um vernachlässigte Menschen kümmern – auch das sind wichtige Dinge.

Gemeinsam feiern

Die großen Dank-Feste Israels waren Gelegenheiten, sich zu freuen, sich an Gottes Heilshandeln zu erinnern und es zu feiern. Für die Israeliten war klar: Erinnern an die Gottestaten in der Vergangenheit und das Danken gehören zusammen.

So auch bei uns: Spontane Feste, lang geplante Feiern. Geburtstage, Feste im Kirchenjahr, Jubiläen, Hochzeitstage – das sind Erinnerungsorte, an denen wir uns bewusst machen können: Gott war mit uns – und er wird auch in Zukunft mit uns sein. Der Blick zurück bewirkt Dankbarkeit. Wir feiern das Gute, das uns widerfahren ist. Und schöpfen daraus Mut und Kraft für die Zukunft.

 

Leise oder laut?

Wie füllen Sie Ihren Dank-Tank auf? Eher in der Stille? Oder eher in der Gemeinschaft? Jedem Menschen liegt vielleicht einer der beiden Wege vom Typ her näher: Manche lieben es, alleine zu sein und müssen sich zu gemeinsamen Aktionen erst aufraffen. Andere lieben die Gemeinschaft, können aber mit Alleinsein oder Einsamkeit zunächst mal nichts anfangen. Und natürlich hat das auch etwas mit der persönlichen Lebenssituation und den Möglichkeiten zu tun. Das ist normal, das ist okay, diese Unterschiede zeichnen uns als Menschen aus.

Aber ich merke: Über die Länge der Zeit brauche ich beides. Und vielleicht profitiere ich am Ende vor allem in dem Bereich, der mir zunächst einmal fremd scheint. Als eher „lauter“ Typ taste ich mich also gerade an die Stille heran…

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Family.  Jetzt kostenlos testen: www.family.de