Ich wünschte ich hätte mehr Zeit!

Melanie Carstens

Es gibt so viele sinnvolle Dinge, die man tun kann, um im Alltag nachhaltiger zu leben. Am liebsten würde ich sie alle tun. Aber ich schaffe es oft nicht. Neben meinem Job, meiner Familie, meinem Engagement in der Gemeinde und all den Extras, die in einem Vier-Personen-Haushalt zu regeln und organisieren sind, bleibt oft einfach keine Energie und keine Zeit mehr für allzu viel Selbstgemachtes. Außerdem gehöre ich zu der Gruppe von Menschen, die leider keinen grünen Daumen besitzen. Schon als Jugendliche habe ich lieber Sport gemacht und gelesen als meinen Eltern bei der Kartoffelernte zu helfen. Gartenarbeit und Landwirtschaft waren nie mein Ding. Und auch heute lebe ich lieber in der Stadt als auf dem Land.

Hoffnungsvolle Versuche

Immer mal wieder starte ich hoffnungsvolle Versuche. Letztes Jahr haben wir auf Wunsch meiner Tochter die geschenkten Tomatenpflanzen einer Freundin im Garten eingepflanzt. Doch obwohl wir sie gehegt, gepflegt, gegossen – und ihnen sogar kreative Namen gegeben haben – sind sie leider eingegangen.

Also alles vergeblich? Nein, keineswegs. Auch ohne selbst gezüchtetes Gemüse ist mir sehr wohl bewusst, dass unser westlicher Lebensstil des selbstverständlichen Konsums so nicht weitergehen kann. Der Preis, den unsere Umwelt und die Menschen in ärmeren Ländern für unseren Lebensstil bezahlen müssen, ist einfach zu hoch. So zu leben, ist nicht nachhaltig. Und vermutlich auch nicht in Gottes Sinne. Denn wenn ich mir ein gutes Leben nicht nur für mich und meine Kinder wünsche – sondern auch für die Menschen in wirtschaftlich schwächeren Ländern, dann muss sich etwas ändern. Bei uns. Bei mir. In meinem Alltag. Aber auch in der Wirtschaft und Politik.

Für Veränderungen einsetzen

Dafür braucht es engagierte Menschen, die sich in Politik und Gesellschaft konkret für diese Veränderungen einsetzen. Doch auch dieses Engagement mit vielen abendlichen Sitzungen und zusätzlichen Wochenendterminen schaffe ich momentan nicht. Dafür fehlt mir leider die Zeit. Vielleicht müsste ich meine Prioritäten ändern? Weniger Engagement in der Gemeinde – mehr Zeit in den Gremien im Stadtteil? Vielleicht ist das irgendwann dran. Momentan sehen meine Prioritäten anders aus. Weil ich glaube, dass unsere Kirchen und Gemeinden das Potenzial haben, „Hoffnung für unsere Welt“ zu sein, engagiere ich mich momentan an dieser Stelle. Um eine Gemeinde mitzugestalten, die einen unseren Mitmenschen zugewandten, gastfreundlichen, hilfsbereiten und einladenden Glauben lebt.

Kleine Schritte

Dennoch bleibt mein Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft. Dieser Wunsch motiviert mich, mein persönliches Verhalten im Alltag immer wieder zu überdenken. Und wenigstens kleine konkrete Schritte zu gehen. Zu einem Stromanbieter mit erneuerbarer Energie zu wechseln. Bewusst nachzudenken, wie viel Kleidung ich brauche und wo ich die kaufe. Ein Patenkind in Indien zu unterstützen, um diesem Mädchen die Chance auf ein besseres Leben zu ermöglichen. Ich gehe kleine Schritte. Kleine Schritte in die richtige Richtung.

Nur die selbst gezüchteten Tomaten, die überlasse ich lieber anderen.

Dieser Artikel erschien im Magazin andersLEBEN. Jetzt kostenlos testen: www.andersLEBEN-magazin.net