Mein Lieblingsvers

Von Susanne Tobies

„Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch der Bedrängnisse, weil wir wissen, dass Bedrängnis Geduld bringt, Geduld aber Bewährung, Bewährung aber Hoffnung, Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Römer 5,3-5

Ein so unbequemer Abschnitt der Bibel als Lieblingsvers? Wer will schon Bedrängnis, geschweige denn sich dessen rühmen? Ich sicher nicht! Und doch war unsere Familie Ende der Neunzigerjahre in einer existenziellen Bedrängnis – und das für längere Zeit. Ich war emotional am Ende und fragte mich, ob Gott uns überhaupt sieht – keine unserer Bitten hatte er bis dahin erhört. Er schien taub und stumm uns gegenüber zu sein. Wieder einmal saß ich damals mit der Bibel in der Hand und rang mit Gott um Hilfe und Antwort. „Zufällig“ schlug ich Römer 5 auf. Vorher hatte ich diese Sätze nie wirklich verstanden – mir hatte meine Bedrängnis keine Geduld gebracht, und mit meiner Hoffnung war es nach Jahren unbeantworteter Gebete auch nicht mehr weit her.

Doch genau in diesem Moment passierte das Wunder, von dem der Vers sprach: Die Liebe Gottes wurde „ausgegossen in mein Herz durch den Heiligen Geist“. Ich wusste auf einmal mit absoluter Sicherheit, dass Gott mich liebt und daher auch nicht vergessen hat. Das war ein überwältigendes Gefühlserlebnis, das ich nie vergessen werde. Seitdem bin ich überzeugt, dass Gottes Liebe das Allerwichtigste ist, über das ich Gewissheit haben muss, damit ich befreit und unbesorgt leben kann. Alles andere tritt dagegen in den Hintergrund – unsere Lebensumstände, unsere Schwierigkeiten und sogar die erhoffte Hilfe. Heute glaube ich, dass meine „Bewährung“ darin bestand, trotz aller Bedrängnisse und Verwirrung beharrlich an Gott festzuhalten. Und Gott hat seine Zusage wahr gemacht: Hoffnung lässt uns nicht zuschanden werden; er hat uns damals geholfen, so wie wir es uns niemals selbst hätten ausdenken können. Immer wenn ich heute in Bedrängnis komme, erinnere ich mich daran, dass Gott mich liebt. In dieser Geborgenheit kann ich es wagen, auch schwierigen Situationen ins Auge zu schauen – und auf Gott zu vertrauen.

Susanne Tobies ist Redaktionsassistentin beim Magazin AUFATMEN. Jetzt kostenlos testen: www.aufatmen.de

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Aus der Gnade herausfallen?

Von Dr. Ulrich Wendel

Falsch verstandene Bibelverse erklärt

„Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade gefallen (Galater 5,4).“

„Man kann auch aus der Gnade herausfallen!“ Ich habe die besorgte Stimme desjenigen noch im Ohr, der mir das sagte. Erst viel später entdeckte ich, dass er sich auf diesen Vers aus der Bibel bezog. Alle, die ich über diesen Bibelvers sprechen hörte, waren im Glauben eher unsichere Menschen, denen der Zweifel näher lag als die Gewissheit. Diese Verunsicherung hat offenbar ihren biblischen Grund: Wenn man aus der Gnade herausfallen kann, dann scheint es ja noch keine ausgemachte Sache zu sein, dass Gott einen errettet und angenommen hat.

Was aber hat Paulus gemeint, als er den Galatern diesen Satz über das Gesetz und die Gnade schrieb?

Zunächst müsste man exakter übersetzen. Das Wort „aus“ steht nicht im Grundtext. In diesem Falle hat dann auch das Verb eine andere Bedeutung; es heißt: „etwas verlieren“. Unter bestimmten Voraussetzungen können Glaubende also das Geschenk Gottes – die Gnade – wieder verlieren. Welche Voraussetzungen sind das?

Paulus richtet sich im Galaterbrief an Christen, die zum Glauben gekommen sind, aber dann nachträglich noch eigene Leistungen hinzufügen wollen, um bei Gott anerkannt zu sein. Das bloße Glauben reicht ihnen nicht aus, es scheint ihnen nicht verlässlich genug zu sein. Sie halten zusätzlich noch Vorschriften ein, die Gott seinem Volk, den Juden gegeben hatte. Dabei waren die Christen aus Galatien mehrheitlich gar keine Juden.

Wer so etwas tut und zu Gottes Gnade sicherheitshalber noch eigene Leistung hinzufügen will, der ergänzt die Gnade nicht, sondern verliert sie. Das ist es, was Paulus warnend sagen will. Denn Gnade kann man nur ganz oder gar nicht annehmen.

Paulus wendet sich also nicht an unsichere, angefochtene Glaubende, sondern im Gegenteil: an allzu sichere Christen. Er meint niemanden, der in seinem Glauben auf schwankendem Boden steht, sondern er meint Leute, die ihren Glauben durch eine Extrakonstruktion stabilisieren wollen. Die laufen Gefahr, die Gnade zu verlieren.

Für unsichere oder zweifelnde Christen gilt eher das Pauluswort aus dem Philipperbrief (1,6): „Ich bin ganz sicher, dass Gott, der sein gutes Werk in euch angefangen hat, damit weitermachen und es vollenden wird bis zu dem Tag, an dem Christus Jesus wiederkommt.“

 

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Fakten über Luther

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Luther und die Seligkeit

von Melanie Eckmann

Einem alten Wort aus der Bibelsprache auf der Spur

„Wer’s glaubt wird selig!“ Das ist eine Redewendung, die heute Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer Aussage zum Ausdruck bringt. Dem, der den Glauben aufbringt, trotz schwacher Beweislage an dies oder jenes zu glauben, wird das eigene Seelenheil versprochen. Natürlich ist das ironisch gemeint.

Woher kommt diese Redensart? Der Ausspruch findet sich nicht wortwörtlich in der Bibel, weist aber Anklänge an den Missionsbefehl in Markus 16,16 auf, in dem es nach der Lutherübersetzung aus dem Jahr 1545 heißt: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.“ Noch enger werden die Worte „glauben“ und „selig“ in Johannes 20,29 kombiniert. Jesus begegnet Thomas, der an der Auferstehung zweifelt, mit den Worten: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Das klingt danach, als ob Jesus seinem Jünger das Seelenheil zuspricht, wenn dieser nur glaubt – also ganz auf der Linie seines Missionsbefehls.

Zwei Wege in die Seligkeit

Allerdings ist die Sache komplizierter. Das Wort „selig“ – es gehört zum Grundbestand der „Bibelsprache“ – steht in der Lutherübersetzung für zwei ganz verschiedene Worte des griechischen Grundtextes. Diese beiden Worte heißen, direkt übersetzt, „gerettet“ und „glücklich“. Es geht also einmal um ein Geschenk, das bis in die Ewigkeit hineinreicht, und das andere Mal um eine recht irdische, diesseitige Angelegenheit.

Im heutigen Deutsch sind diese beiden Aspekte kaum mit einem einzigen Wort zu erfassen. Die Medaille hat zwei Seiten. Ein Beispiel: Je nach Familienbeziehung kann der eine an Großmutters Grab der Verstorbenen einen sel’gen Frieden im ewigen Leben wünschen – und einem anderen kann ihr Tod ein seliges, glückliches, Lächeln über das Gesicht huschen lassen. Bei dem ersten geht es um das, was die Bibel mit „Rettung“ meint, beim zweiten um irdische Erleichterung, um Glück hier und jetzt.

Das Ringen um die Worte

Warum war das deutsche Wort „selig“ nun für Luther dennoch geeignet, um beide Aspekte auszudrücken? Beide Verwendungen des Adjektivs „selig“ sind aus dem Germanischen überliefert. Und das griechischen Wort für „gerettet werden“ (sōthēsesthai) hat seinerseits auch eine ziemliche Bedeutungsbreite. Es heißt – je nach Zusammenhang – „gerettet werden“, „beschützt/bewahrt werden“ und „geheilt werden“. Auch in Heilungsberichten wird es verwendet, wo jemand in irdischer Hinsicht gesund wird und die ewige Errettung noch kein Thema ist.

Um die Dinge noch komplizierter zu machen: Für die Übertragung des Neuen Testamentes in die deutsche Sprache verwandte Luther als Hilfsmittel die Vulgata, also die zu dem Zeitpunkt am weitesten verbreitete lateinische Bibelübersetzung. Am Beispiel von Markus 16,16 zeigt ein Blick zwischen ihre Buchdeckel, dass für sōthēsesthai der Ausdruck salvus erit hier seinen Platz gefunden hat. Salvus aber heißt im Lateinischen „gesund“ – obwohl der Missionsauftrag zweifellos die ewige Rettung, die Erlösung durch den Glauben, meint.

Das Glück im Jetzt

Die bekannten Seligpreisungen in Matthäus 5,3-11 sprechen nun noch einmal von einer anderen Art der „Seligkeit“. Das zugrunde liegende Wort makarios meint schlicht „glücklich“. Luther übersetzt auch hier: „Selig sind, die […]“.­ Die Worte von Jesus wirken bei genauerer Betrachtung paradox. Ein momentaner – meist unerfreulicher oder belastender – Lebensumstand bekommt das Prädikat „glücklich“. Die Seligpreisungen stellen das Leid in der Gegenwart in das Licht einer verheißungsvollen Zukunft. Und in diesem Licht kann der Leidende jetzt schon „glücklich“ sein. Auch hier geht es nicht um Erlösung in der Ewigkeit. Jesus meint ein irdisches Glück.

Genau das ist auch die Aussage gegenüber dem Zweifler Thomas. Die Seligkeit in Johannes 20,29 bezieht sich nicht auf das selige Leben bei Gott, sondern ein Glücklich-Sein auf Erden: „Wer’s glaubt, wird selig. Das Versprechen von Jesus zielt auf die Erde.

Greifbares Glück

Glück war für damalige Menschen aus der griechisch-römischen Kultur etwas durchaus Greifbares. Mit ihrem Wort für „glücklich“ – makarios – meinten sie Erfahrungen, die auch mit den Sinnen erfasst werden konnten. Sie dachten nicht bloß an irgendetwas in der Seele.

Genau hier entsteht eine weitere Schwierigkeit mit unserem Wort „selig“. Es klingt eben so sehr nach Seele. In früheren Jahrhunderten wurde dieses Wort tatsächlich noch mit zwei e geschrieben; da sprach die Kirche jemanden „seelig“ und man fragte sich, wie man „seelig“ sterben könne. Gemeint war: so sterben, dass man in die Erlösung eingeht. Wir würden das also als „errettet“ bezeichnen, das griechische Wort sōthēsesthai steht im Hintergrund.

Nun bezieht sich aber die biblische Auferstehungshoffung durchaus nicht nur auf die Seele. Paulus spricht von körperlicher Auferstehung. Das Wort „seelig“ verdeckt diesen Aspekt. Und auch heute noch sind die Seligpreisungen von Jesus diesem Missverständnis ausgesetzt, dass Jesus nur etwas Seelisches meine. Doch so ist es keineswegs. Egal ob das Glück auf Erden gemeint ist oder das Gerettet-Sein bei Gott – die Seligkeit hat in ihrer germanischen Wortherkunft nichts mit der „Seele“ gemeinsam. Von einer bloßen Innerlichkeit kann nicht die Rede sein. „Selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören“, sagte Jesus zu seinen Jüngern (Matthäus 13,16). Und was sahen ihre Augen, wovon hörten ihre Ohren? Doch zum Beispiel auch die Heilungswunder von Jesus. Etwas sehr Irdisch-Greifbares also. Daran beteiligt zu sein, auch das ist Glück.

Luther auf’s Maul geschaut

Luther führte für Jahrhunderte ein Wort in Sprachgebrauch und Volksglauben ein, das zwei Bedeutungen kombinierte. Das prägte. So hat der Volksmund Luther auf’s Maul geschaut und über die Zeit das Sprichwort gebildet: „Wer’s glaubt, wird selig.“ Wenn wir heute verstehen wollen, welche Bedeutung in welcher Bibelstelle genau gemeint ist, hilft uns das Wort „selig“ allerdings nicht mehr viel. Wer hier andere, heute präzisere Worte verwenden wollte, würde wohl ganz im Sinne Luthers handeln, der sagte: „Denn wer übersetzen will, muss einen großen Vorrat an Worten haben, dass er die Wahl haben könne, wo eins nicht an alle Stellen recht klingen will.“

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Was bringt’s?

von Pascal Görtz

Glaube und Vertrauen – wie sich beide gegenseitig bedingen, zeigt eine biblische Episode

Es gibt Verse in der Bibel, die erstaunen einen auch noch nach dem 50. Mal lesen. Weil sie einem ermöglichen, Mäuschen zu spielen, wie die Jünger zweifelnd und stolpernd wichtige Fortschritte im Glauben machen. Da ist zum Beispiel die Episode, in der ein reicher, in vielerlei Hinsicht vorbildlicher Jüngling zu Jesus kommt und dieser ihm barsch die Grenzen seines Gottvertrauens aufzeigt. Die Szene muss ordentlich Eindruck bei den Aposteln hinterlassen haben. Es scheint, als seien sie mit dem armen Jung gleich mit abgebügelt worden. Von jetzt auf gleich wissen auch sie nicht mehr so genau, was sie von der Zukunft erwarten dürfen. Wenn der es nicht ins Reich Gottes packt, wer denn dann? Am Ende des kurzen Dialogs muss Petrus doch mal allen Mut zusammennehmen und so ganz offen fragen: „Wir haben alles aufgegeben, um dir nachzufolgen. Was werden wir dafür bekommen?“

Paulus‘ Frage könnte auch unsere sein: Was werden wir dafür bekommen, dass wir unsere Wochenenden zwischen 16 und 30 in muffigen Gemeinderäumen statt in der weiten Welt zugebracht haben, um Lobpreisbands auszuleuchten? Dass wir unsere Karrieren aufgegeben haben, ehe sie richtig ins Laufen kamen, weil wir dem missionarischen Herz nach Nepal gefolgt sind? Hat sich das gelohnt, alles auf eine Karte zu setzen?

 

Glaube – Vertrauen, das Werke fordert

In Momenten wie diesem merkt auch der Letzte, dass der Glaube mehr ist als das bloße Fürwahrhalten philosophischer Optionen. Er braucht den Vertrauensschritt, die Tat, fordert den Glaubenden mit Haut und Haaren heraus. Der Glaube betrifft das große Bild, nicht nur den philosophischen Zweikanalton.

Drastisch fasst das der Verfasser des Jakobus-Briefes in Worte, wenn er schreibt: „Ohne Taten ist der Glaube tot.“ (Jakobus 2,26). Was für eine radikale Zuspitzung! Kaum haben sich die ersten Christen von der Werkgerechtigkeit verabschiedet, da werden sie auch schon wieder von der Bedeutung der Tat eingeholt. Weil sich gelebter Glaube konsequenterweise in Taten äußert. Sie sind einerseits Resultat des Glaubens, aber auch sein Katalysator: Menschen, die gelernt haben, aus dem Boot auszusteigen und im übertragenden Sinne „auf dem Wasser zu gehen“, erleben Gottes Gegenwart als belastbares Fundament ihres Glaubens. Wer Gotteserfahrungen machen will, muss sich auf Wagnisse einlassen. Insofern fordern wir unseren Glauben durch unser Handeln tagtäglich heraus, indem wir Gott unser Vertrauen vorschießen. Mal bedeutet es, eine Sache anzupacken, wann anders, auf Gottes Moment zu warten oder uns auf neue Wege einzulassen.

Der Glaube ist nichts, was wir besitzen könnten. Er will in jedem Augenblick durch Vertrauen erworben werden. Denn unser Glaube ist nie letzte Gewissheit, sondern „Glaubensgewissheit“. Dazwischen passt eine gute Portion Vertrauen, ohne die es nicht geht. Zurück auf Anfang: Lohnt sich das Ganze? Wir haben alles aufgegeben. Was werden wir dafür bekommen? „Ich versichere euch: jeder, der um meines Namens willen sein Haus, seine Geschwister, seine Eltern, seine Kinder oder seinen Besitz aufgegeben hat, wird hundertmal so viel wiederbekommen und das ewige Leben erlangen. Doch viele, die heute wichtig erscheinen, werden dann die Geringsten sein, und die, die hier ganz unbedeutend sind, werden dort die Größten sein.“ (Matthäus 19, 29)

Der Rest ist Vertrauen.

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Kaugummi der Liebe Gottes

von Rüdiger Jope

„Auf welchem See war Jesus mit seinen Jüngern unterwegs?“, fragte der Pfarrer. Mein Finger schnellte nach oben. Für die richtige Antwort heimste ich als 7-jähriger DDR-Bürger einen West-Kaugummi ein. Anschließend schnappte sich der Pastor die Gitarre und stimmte das Lied „Gottes Liebe ist wie die Sonne“ an. Noch heute, 38 Jahre später, habe ich diesen paradiesischen Kaugummi-Geschmack in Mund und Nase, wenn ich diese Zeilen singe oder höre.

Kirche ist dazu da, dass den Menschen die Liebe Gottes auf der Zunge zergeht und sie eine Heimat finden. Noch eine Kostprobe? Zuhause funkte es im Teenageralter gewaltig. Der Hocker an der Heizung in der Küche des Pastors wurde für mich zum Heimathafen. Dort saß ich in schwierigen Zeiten mit einem Meerschweinchen auf dem Schoß. Dort fand ich ein hörendes Herz, ein ermutigendes Wort, ein freundliches Lächeln, ein gelebtes, gastfreies Evangelium.

Helfend und dienend

Das ist ein wesentlicher Kern der Kirche – oder wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. … Sie muss an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend.“ Kirche, Christsein ist kein Selbstzweck. Darin ist Kirche gut. Meistens.

Noch stapeln sich in der Wohnung die Umzugskisten. Egal. Es ist Sonntag. Wir besuchen den Gottesdienst im neuen Ort. Eine volle Windel sorgt für Verspätung. Die Glocken sind bereits verklungen, als wir mit dem Wagen vor einer Treppe zum Stehen kommen. Wo geht’s bloß rein? Schweißgebadet öffnen wir eine schwere Tür. Unsicher suchen wir Vier uns einen Platz. Starr nach vorne gerichtete Augen würdigen uns keines Blickes. Als die Orgel einsetzt, merken wir: Uns fehlen noch die Liederbücher. Nur wo gibt es die? In die Liturgie hinein quasselt unser Einjähriger. Einen Kindergottesdienst scheint es nicht zu geben. Vor der Predigt gehe ich mit den Kindern raus. Nur wohin? Im Raum nebenan krabbelt der Kleine los. Nach wenigen gekrabbelten Metern sind die Finger schwarz, seine Hose sieht aus wie ein Lappen nach dem Freitagsputz. Die für die Große gefunden Stifte benötigen erst einen Spitzer. Nur wo ist dieser?

Einladend und fehlerfreundlich

Kirche ist an vielen Orten gut, einladend, den Menschen zugewandt, aber es gibt auch noch viel Luft nach oben. Dr. Heinzpeter Hempelmann schlägt in seinem Buch „ZEITGEIST 2“ (Francke) folgendes vor: „Lassen Sie uns Gemeinde bauen, die nicht ideal, nicht perfekt, sondern Gemeinden unterwegs, auf Zeit, als Notbehelf, im Wechsel, Station eben, für eine Nacht oder für ein Glas Sprudel und eine Tasse Kaffee, eine Wegstrecke. Fehlerfreundlich, unvollkommen und gerade darin Hinweiser auf die eine große Heimat, das eine große Ziel, zu dem wir unterwegs sind.“

In der Hoffnung, dass Menschen durch diese Art Kirche auf den Geschmack kommen und sich die göttliche Liebe auf der Zunge zergehen lassen, wie den Kaugummi.

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Es gibt keine biblischen Prinzipien

Von Dr. Ulrich Wendel

Man begegnet ihr immer wieder: der Redeweise von „biblischen Prinzipien“. In zahlreichen Predigten, aber auch in Büchern und Schulungskonzepten. Da gibt es zum Beispiel „biblische Prinzipien für gelungene Kommunikation“ nach Epheser 4, ferner biblische Prinzipien für den Umgang mit Geld (unter dem Titel „Mäuse, Motten und Mercedes“) oder auch biblische Geschäftsprinzipien: „Die Bibel, das beste Managementhandbuch der Welt!“ Nicht zu vergessen die biblischen Prinzipien des Gemeindewachstums.

Keine Frage, Prinzipien sind nützlich. Weil man wenige allgemeine Grundsätze dann auf seine spezielle Situation anwenden kann. Ein Prinzip passt „im Prinzip“ erst mal immer und überall. Es ist handhabbar und funktioniert aus sich heraus.

Genau das ist es, was mich misstrauisch macht gegenüber der inflationären Verwendung von sogenannten biblischen Prinzipien. Denn der Glaube, den die Bibel beschreibt, ist nicht handhabbar und funktioniert auch nicht aus sich heraus. Er „funktioniert“ überhaupt nicht, sondern er lebt aus der Begegnung mit Gott.

Gott zeigt sich in der Bibel nicht in abstrakten Prinzipien, sondern durch sein Handeln in der Geschichte. Das ist ein pulsierendes Geschehen. Der lebendige Gott bleibt sich treu – aber er unterwirft sich keinen Prinzipien. Wer biblische Prinzipien sucht, läuft Gefahr, ein Christentum zu produzieren, das letztlich ohne Gott auskommt. Man hat ja Prinzipien…

Außerdem: Sind die Bibeltexte, die für bestimmte Prinzipien herhalten müssen, nicht oft willkürlich ausgewählt? Wer sagt denn, dass ein bestimmtes Prinzip gerade in diesem Briefabschnitt von Paulus oder in jenem Spruch Salomos steckt? Was ist mit den vielen anderen Texten, die auch noch etwas zu sagen haben? Fallen die aus dem Prinzip heraus? Oft fügen sich die Texte der Bibel eben in kein Prinzip ein.

Natürlich gibt es wiederkehrende Grundmuster, wie Gott handelt. So z.B. das Muster von Saat und Ernte: Was der Mensch sät, wird er ernten (vgl. Galater 6,7-8; 2. Korinther 9,6). Aber hier gibt es auch zahlreiche Ausnahmen. Und das wichtigste Grundmuster der Bibel ist kein Prinzip, sondern ein Geschenk: Gott ist Liebe. Die wichtigste Berufung ist keine Maxime, sondern der Ruf eines liebenden Gottes: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben.“

Wie wir als Christen leben sollen, sei es im Blick auf Kommunikation, Geld, Geschäftsverhalten oder Gemeindewachstum, es wird immer nur gehen im engen Gespräch mit Gott. Und nie ohne den Heiligen Geist.

Gottes Wort ist nicht unübersichtlich, nicht unberechenbar. Aber auch nicht starr festgelegt auf Prinzipien. Sondern reich und weit und lebendig und von Gottes Charakter durchdrungen. Es ist jedem Prinzip überlegen.

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Was uns bewegt

von Ansgar Hörsting

 

Seit einigen Wochen spreche ich in Gemeinden immer wieder einmal über die Leitsätze, die unser Leben bestimmen. Oft unbewusst, aber doch sehr wirksam. Oder Leitsätze, die wir über unsere Gemeinden stellen. Sie wirken wie Überschriften über einem Zeitungsartikel. Sie bestimmen darüber, was wir als Hauptnachricht mitnehmen werden, egal, was im Artikel selbst steht.

Irgendwo haben wir sie gelernt. Irgendwann haben sie sich uns tief eingeprägt, die Leitsätze unseres Lebens. So wie diese: „Aus dir wird nie etwas.“ − „Was sollen die Leute denken?“ − „Eigentlich solltest du gar nicht geboren werden.“ Solche Leitsätze können eine Macht ausüben und uns sogar zerstören. Es gibt auch diese hier: „Egal was passiert: Wir stehen immer zu dir.“ oder „Du darfst alles, du darfst dich nur nicht erwischen lassen.“

Bei mir kamen später andere Sätze hinzu: „Weil es dir gut geht, geht es anderen Menschen auf der Welt schlecht.“ − „Denke an die hungernden Kinder in Afrika und iss deinen Teller leer“ − „Pass immer auf deine Sachen auf!“

 

Fromme Leitsätze

Andere erzählten mir von frommen Leitsätzen: „Pass auf, kleines Auge, was du siehst!“ − „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“ Viele haben das als Druck empfunden und Gott als Aufpasser erlebt. Nicht alle jedoch! Denn solche Sätze wirken immer im Gesamtbild der Herkunftsfamilie und der Verlässlichkeit und Liebe, die dort herrschen.

Es gibt hilfreiche und lähmende Leitsätze. Und oft ist einem gar nicht bewusst, welche Sätze wirklich leiten. Es kann sein, dass man zwar ein Lebensmotto haben möchte, aber tief drinnen wird man von einem ganz anderen regiert.

Ich bekomme viel Resonanz auf meine Predigten, wenn ich auf die Leitsätze zu sprechen komme. Wir verlieren viel Lebenskraft durch schlechte Leitsätze. Ich bin überzeugt: Satan kann uns durch seine Lügen verführen. Er liebt es, Menschen mit lügenhaften Leitsätzen zu quälen.

 

Das sagt Gott

Deswegen ist es eine entscheidende Frage, was Gott eigentlich über unser Leben sagt. Ich bin überzeugt, dass die Antwort darauf immer zwei Aspekte hat. Der eine ist negativ. Gott sieht unser Leben, wie es ohne ihn aussieht: verloren, abgeschnitten vom Leben, in Schuld verwickelt, in Lügen verstrickt. Beladen mit Sorgen, mit Bitterkeit, mit eigener Schuld oder auch der Schuld anderer. „Der Lohn der Sünde ist der Tod.“, diagnostiziert die Bibel (Röm 6,23). Es nützt nichts, diese Wahrheit zu leugnen, denn wer sie leugnet, kann ihr nicht begegnen.

Aber als Lebensmotto, als Leitsatz, taugt dieser Aspekt nicht. Dafür müssen wir uns den zweiten Aspekt ansehen, die Wahrheit, die Gott in Jesus über uns ausspricht. Zum Beispiel diese hier: „Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist.“ (Röm 8,38f) oder: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ (Jes 43,1). In Jesus hat Gott uns alles geschenkt (Röm 8,32). Er macht unsere Leben reich. Nicht durch unser Tun, sondern durch Gott allein können wir leben. „Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1,7). Das sind Leitbilder, die uns lebenstauglich machen.

 

Bewegt von Gottes Liebe

Dieses Prinzip betrifft auch Gemeinden. Wir sehen sie häufig mit negativen Vorzeichen: Wir sehen die Fehler, die problematischen Leute, die Streitereien. Und keine Frage, das alles gibt es ja auch. Aber wenn uns das leitet, dann werden wir irgendwann der Gemeinde Jesu den Rücken zuwenden.

Gemeinden geben sich häufig Leitbilder. Drucken diese vierfarbig in unsere Veröffentlichungen oder schreiben es auf Leinwände. Aber es kommt darauf an, dass diese Leitbilder in unsere Herzen geschrieben werden. Dazu braucht es die ständige Erinnerung und positive Erfahrungen. Dann wird ein Leitbild zu dem, was es sein soll: Es leitet unser Denken, Fühlen und Handeln. Es ist die Überschrift über unser Tun und Lassen. In diesem Sinne: „Bewegt von Gottes Liebe bauen wir lebendige Gemeinden.“

 

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Die Gottesdienst-Wirkung verstärken

Von Dr. Ulrich Wendel

Die Bibel mit in den Gottesdienst bringen: Ist das nützlich? Oder lenkt es ab von dem, was man von vorne hört?

Die Diskussionsteilnehmer in einem Forum auf www.jesus.de waren geteilter Meinung. Einige bringen aus Überzeugung ihre Bibel in die Kirche mit und lesen den Predigttext nach. Andere bringen ihre Bibel nicht mit – weil sie sie bereits in der Kirche deponiert haben. Manche empfinden es als respektlos dem Pfarrer gegenüber, während der Predigt Bibel zu lesen – als ob man ihn kontrollieren wolle.

Natürlich kann es sein, dass man eine andere Übersetzung dabei hat als die, aus der im Gottesdienst vorgelesen wird. Auch hier finden die einen das dann ablenkend, die anderen begrüßen die Variante als Ergänzung. Die Zahl derer aber ist groß, denen es zur Konzentration hilft, in ihrer eigenen Bibel mitzulesen. Und auch dieser Hinweis kam im Forum: Wenn die Predigt mal langweilig sein sollte, hat man immer noch was Interessantes dabei…

Ich persönlich meine, es kann die Wirkung einer Predigt oder eines Gottesdienstes ziemlich verstärken, wenn ich meine Bibel dabei habe und die Lesungstexte aufschlage. Ich begreife den Zusammenhang des Textes besser, um den es geht. Ich kann einen bedeutsamen Vers mit Bleistift unterstreichen. Und wenn ich den Predigttext zu Hause noch mal in derselben Bibel nachlese, vielleicht mit meinen Anstreichungen, ist das eine gute Verknüpfung zwischen Sonntag und Montag. Das sind Wirkungen, die der Bibeltext, der auf Leinwand gebeamt wird, so nicht leisten kann.

Ich kenne eine Gemeinde, in der es fast schon zum Standard gehört, die eigene Bibel dabei zu haben. Es hat mich beeindruckt, wie die Gemeindemitglieder ermutigt werden, alles Gehörte mit der Bibel zu vergleichen. Auch das persönliche Bibellesen wird so geprägt.

Ich weiß aber, dass es natürlich auch noch die „andere Hälfte“ der Kirchgänger gibt, die im Gottesdienst lieber nur hören und nicht auch noch lesen. Zu welcher Gruppe gehören Sie – und warum?

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