Missionarische Chance oder ethische Herausforderung?

Anna Maria Gerlach

Als Fachfrau für das Themenfeld „Kirche und Medien“ begleitete Johanna Haberer das Projekt „Multimediale Kirche“. Im Interview spricht sie über digitale Gebetswände, Datenkraken und die Verantwortung der Kirche.

 

Das Handbuch „Multimediale Kirche“ zeigt Möglichkeiten auf, wie Kirchengebäude multimedial ausgestattet werden können. Dies soll zeitgemäße Formen bieten, den Glauben zu kommunizieren und Kirchenräume zu erschließen. Es ist eine Veröffentlichung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), die während des Projekts von verschiedenen Partnern bergleitet und unterstützt wurde.

Johanna Haberer ist Professorin des Studiengangs „Medien – Ethik – Religion“ an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie begleitete das Projekt aus praktisch-theologischer Perspektive und entwickelte gemeinsam mit Studierenden Ideen für zwei Erprobungskirchen.

 

Worum geht es beim Projekt „Multimediale Kirche“?

Es geht darum, dass man die digitale Technologie und alles, was man an Wunderwerken damit machen kann, nutzt, um Kirchenräume sprechen zu lassen. Es gibt die unterschiedlichsten Möglichkeiten, um sie verständlicher zu machen und auch mit ihren Frömmigkeitspotenzialen zu erschließen. Es gibt die einfache Hilfsmittel-Funktion, indem man beispielsweise kleine Laptops als Kirchengesangbücher installiert, wo man die Textgröße einstellen kann. Dann gibt es die Möglichkeit der Raumerschließung: Audiofiles oder Videofiles erklären bestimmte Symbole in der Kirche.

Haben Sie eine bestimmte Zielgruppe vor Augen?

Wir haben zwei Versuche gemacht: zum einen mit einer Dorfkirche, zum anderen mit einer klassischen Hochzeitskirche. Es ist eine völlig andere Sache, mit einer Kirche zu arbeiten, in der im Jahr 200 Hochzeiten stattfinden, als mit einer mecklenburgischen Dorfkirche. In die eine Kirche kommen die Leute von außen, um genau in dieser Kirche zu heiraten. Im mecklenburgischen Dorf kommen im Sommer vielleicht ein paar Radler vorbei und wollen einfach nur, dass diese Kirche offen ist, und sich ein bisschen über die Gegend erkundigen.

Wie kann man auf diese unterschiedlichen Kirchen eingehen?

Man kann mit dem Kirchenraum Öffentlichkeitsarbeit für die Gemeinden machen. Zum Beispiel könnten in der Hochzeitskirche Paare, die sich dort trauen lassen, aus der Kirche ihre Fotos verschicken. In der Dorfkirche lässt man sich Geschichten erzählen, wie die ersten Kirchengemeinden gegründet wurden usw. Dabei braucht man dann auch kein Personal, weil man Kirchenführer mit Audio-Guides zur Verfügung stellen kann.

Und wie könnte man damit Gemeindearbeit machen?

Die Konfirmanden könnten sich auf diese Weise mit kleinen Filmen die Geschichte der eigenen Gemeinde erschließen. Oder die Kinder des Kindergottesdienstes könnten ihre Gebete online stellen: auf größeren Wänden in der Kirche, wo man früher analoge Gebetswände hatte. Man kann auch etwas ganz Einfaches machen: zum Beispiel die Kirche als Kinoraum nutzen. Hinterher kann man dann über die Filme, deren Wertorientierung und religiöse Grundierung sprechen. Es gibt eine ungeheure Fülle an Möglichkeiten, wie man mit dieser Technik Gemeindeaufbau betreiben kann.

Wie können Kirchengemeinden ein solches Projekt umsetzen?

Es gibt eine Webseite dazu und unser Büchlein – das ist so eine Art Handbuch der Anregungen. Dazu braucht man aber erst einmal Geld. Ich nehme an, so zwischen 5.000 Euro und 20.000 Euro muss man aufbringen. Und jede Gemeinde müsste sich ein eigenes Konzept überlegen. Außerdem braucht man jemanden, der die Technik wartet. Sie darf einem nicht im Wege sein und sie darf auch nicht in der Kirche verrotten, sondern man muss sie auch bespielen.

Sind digitale Medien in der Kirche gemeinschaftsstiftend oder gemeinschaftshinderlich?

Das kommt darauf an. Diese Technologie ist neutral – ein Spielzeug. Man kann sie auch falsch benutzen, indem man zum Beispiel übertechnisiert. Oder indem man die Leute nicht in die Kirche hineinführt, sondern hinaus. Was ich toll finde, ist aber, dass man generationenübergreifende Gemeindeaufbau-Projekte daraus machen könnte: Die jungen Leute bringen das technische Know-how ein und die älteren Leute bringen zum Beispiel das geschichtliche Wissen mit.

Ist im digitalen Lebensraum auch die Begegnung von Mensch und Gott möglich?

Das Problem am Internet ist, dass es eher schwache Beziehungen generiert und flüchtige Kontakte auslöst. Natürlich ist Gott so frei, jedem zu begegnen, wann und wie er will. Ich glaube aber, dass eine tiefe religiöse Erfahrung mehr Aufmerksamkeit braucht: viel Übung, tiefe Beziehungen zu anderen Menschen, konzentrierte Gespräche. Und das Netz ist eigentlich nicht der Ort der ungeteilten Aufmerksamkeit. Insofern würde ich sagen, man kann da vieles anbahnen, aber für eine wirkliche stabile, intensive Gotteserfahrung ist das Netz nicht prädestiniert.

Hat die Kirche eine besondere Verantwortung in der digitalen Welt?

Ich finde: Ja! Mit der Datensicherheit geht es los, zum Beispiel in Beratungsinstitutionen, bis hin zum Datenschutz der Mitarbeitenden und zu vorbildhafter Kommunikation mit den Gemeindegliedern. Da kann die Kirche exemplarisch etwas vormachen. Und dann muss die Kirche als theologische, geistliche und ethische Agentur in der Gesellschaft auch kommentieren, was diese neue Technologie mit uns als Menschen macht – mit unserer Kommunikation, unseren Biografien und unseren Gesellschaften.

Entstehen denn neue Fragestellungen, die es vorher so nicht gab?

Ja. Wir haben eine Technologie, die behauptet: „Ich weiß ganz genau, was du als nächstes machst!“ Was bedeutet unter diesen Bedingungen die Freiheit eines Menschen? Wie kann man dann Freiheit leben? Oder wir kommen irgendwann in die Situation, dass Krankenversicherungen Daten sammeln und auf dieser Grundlage entscheiden: „Den Physiotherapeuten zahlen wir nicht, weil du selbst zu wenig für deine Gesundheit getan hast.“ Man kann bei dieser gnadenlosen Vermessung auch das Wort Gnade wieder neu buchstabieren und verständlich machen. Denn da werden Menschen normiert. Das können wir als Kirchen nicht mitmachen!

Was sollten wir stattdessen tun?

Durch diese Vermessung bekommen Firmen wie Google, Amazon und Facebook einen ungeheuren Einfluss auf die einzelnen Biografien bzw. auch auf politische Systeme. Neben diesen großen Datenkraken sind die Kirchen ebenso globale Player. Das heißt, sie können auch einen Widerstand leisten. Ich habe nichts gegen diese Technologie – ich sehe ihre Schönheit und ich sehe ihre Möglichkeiten. Aber die Kirchen müssten international hier die Machtfrage stellen: Wem gehören die Daten? Und wer bestimmt über die Biografien der Menschen? Da müssen die Kirchen Einhalt gebieten.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Mitarbeiter gewinnen

Artur Wiebe

FeG Workshop zur motivierenden Mitarbeiterkultur

„Wer eine gute Kultur hat, der hat auch gute Mitarbeiter.“ Dieser Satz fasst das Anliegen des Workshops „Mitarbeiter gewinnen“ zusammen. Bundessekretäre Bernd Kanwischer und Matthias Knöppel haben ihn zusammen am 9. Juni in der FeG „Kirche für Bonn“ veranstaltet. Knapp 50 Teilnehmer und Teams aus Berlin, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen trafen sich, um Impulse zu einer gesunden Mitarbeiterkultur in der Gemeinde zu bekommen.

Jesus vertraut sein Vermögen an

„Jesus verteilt nicht zuerst Arbeit, sondern sein Vermögen!“ Anhand des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25,14-30) machte Matthias Knöppel deutlich, dass Jesus uns zuerst sein Vermögen anvertraut – und nicht zuerst die Aufträge. Jesus kennt uns mit unseren Gaben, Fähigkeiten, Begrenzungen und unserer Geschichte. Ihnen entsprechend stattet er uns aus mit seinem Vermögen. Bei so einem Herrn wäre er gern Mitarbeiter, hebt Knöppel diese Grundlage für eine veränderte Mitarbeiterkultur hervor.

Kultur verstehen, um sie zu verändern

„Kultur frisst die Strategie zum Frühstück.“ Der Workshop-Tag war neben diesem Zitat von Peter Drucker gespickt mit Impulsen der beiden FeG-Bundessekretäre zum Verständnis von „Kultur  als Summe der Denk- und Handlungsweisen“. Diese prägt unseren FeG-Gemeindealltag, ist aber nur sehr gering nach außen sichtbar. Gemeindeleitungen doktern häufig an den offensichtlichen Strukturen herum, haben aber keinen Blick für die unterschwellige Gemeindekultur. Doch prägt sie im Tiefsten den Umgang miteinander. Weil die „Struktur null Chance gegenüber der Kultur hat“, sollte der FeG-Workshop den Blick schärfen, die eigene Kultur zu verstehen, um sie Schritt für Schritt verändern zu können.

Kultureller Kopfstand

Das Gegenteil des Erwünschten ist oft lehrreich, um herauszubekommen, wie das Team aussehen müsste, in dem man gern mitarbeiten würde. Mithilfe der „Kopfstandmethode“ trugen die Teilnehmer zusammen, wie man die „Mitarbeiterkultur“ ins Minus treibt und auf keinen Fall Mitarbeitende gewinnt: Nörgeln, Überforderung sowie mangelnde Schulung sind Beispiele und Mangelzeichen einer schlechten Mitarbeiterkultur. Auf der Negativfolie wurde deutlich, dass die Veränderung der Gemeindekultur ein langer Weg ist, für den man sich entscheiden muss, der sich aber lohnt.

Kultur der Gemeindeleitung

„Was eine Gemeindeleitung nicht lebt, wird sie von der Gemeinde nicht erwarten können!“ Damit kamen die Gemeindeleitungen in den Blick. Welche Kultur wird hier gepflegt? Sind es gestresste Leute, die über ihre eigenen Grenzen gehen? Dann wird die Kultur der Gemeinde auch entsprechend geprägt sein. In thematischen Gruppen stellten sich die Teilnehmer ihre Ideen vor, wie man als Gemeindeleitung kulturverändernd Leidenschaft weckt, richtige Mitarbeiter gewinnt und motiviert, sie zu einem Team formt und fachlich weiterbildet.

Die Ernte im Blick

Umrahmt und versorgt durch das motivierte Team der FeG „Kirche für Bonn“ schloss der Tag mit Impulsen zur Mitarbeiterkultur Jesu: „Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte.“ (Lukas 10,2). Jesus sieht nicht zuerst die Arbeit, sondern die große Ernte. Von daher lautet die wichtigste Frage eines Mitarbeiters Jesu: „Jesus, wo arbeitest du? Da will ich mitarbeiten!“

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Wenn Kreative sich treffen

Anna Maria Gerlach

Im Februar fand am Vorabend der Missionale ein Atelier statt. Aus ganz Deutschland kamen Mitarbeitende origineller Projekte nach Köln, um sich zu vernetzen.

Es ist Freitagabend. Draußen wird es bereits dunkel, doch beim Missionale Atelier denkt noch lange keiner ans Zubettgehen. Hier drinnen herrscht ein reges Treiben: Etwa fünfzig Menschen tummeln sich in dem großen, schlichten Raum im Innovationshaus „Solution Space“, mitten in der Kölner Innenstadt. In kleinen Grüppchen stehen die Teilnehmenden des Ateliers an Stehtischen und unterhalten sich angeregt. Es wird gelacht, diskutiert, sich ausgetauscht. So mancher bedient sich noch einmal am Käsebuffet – das muss heute noch leer werden. Manche sitzen auch an den zwei Tischreihen oder ums Eck auf den grünen Stühlen, die ein bisschen schief hintereinander in Reihen aufgestellt sind. Der ein oder andere Stuhl steht umgedreht, als hätte hier gerade eben noch eine kleine Gruppe im Kreis gesessen.

Frustration gehört dazu

Mit einer guten halben Stunde am Käsebuffet beginnt der Abend. Man beschnuppert sich, trifft bekannte und unbekannte Gesichter. Dann ein Vortrag als Einstieg ins Thema: Frustration. Frank Berzbach nimmt in einem schicken Vintage-Sessel Platz – das passt zu diesem stilvollen Mann: Seine blonden Haare trägt er in einer hippen Frisur mit Seitenscheitel, an den Handgelenken schaut ein Tattoo unter den Ärmeln des schlichten Hemds hervor. Kleine Stecker zieren seine Ohren; dazu ein schwarzes Sakko über dem weißen Hemd. Er spricht ruhig und bedacht, das Skript liegt auf seinen übereinander geschlagenen Knien. Immer wieder schiebt er die runde Brille nach oben. So ganz einordnen kann man ihn nicht. Er unterrichtet Psychologie an der ecosign Akademie für Gestaltung und Kulturpädagogik an der Technischen Hochschule Köln und publiziert über Kreativität, Mode, Spiritualität. Kein Hauptamtlicher der Kirche, nicht einmal Mitglied der Evangelischen Kirche im Rheinland, die das Atelier veranstaltet. Das irritiert.

Und doch passt es irgendwie. Er spricht über kreative Prozesse, teilt seine ganz eigenen Gedanken darüber, wie man mit Frust umgehen kann. Hier beim Atelier treffen sich Pioniere, Kreative und Neudenker der Kirchen. Menschen, die ehrenamtlich und hauptamtlich in ihren Gemeinden mitarbeiten. Menschen, die sich manchmal alleine fühlen, die manchmal frustriert sind, die aber nicht aufgeben wollen.

Das Außenseitertum sollen sie feiern, so tun, als gäbe es keine Bremser. „Gesunde Intoleranz“ nennt Berzbach das. Denn umgesetzte Kreativität wirkt immer als Traditionsunterbrecher. Da gehört ein bisschen Größenwahn dazu; und Unzufriedenheit. Wären alle zufrieden, bräuchte es keine neuen Ideen. Wer in seiner Kirche etwas verändern und weiterentwickeln will, muss also mit Frust rechnen. Doch Berzbach bleibt nicht dabei, sondern erzählt auch davon, wie er selbst damit umgeht. Von seinen Krisen und den Nischen, die er sich dann sucht, um seine Kreativität auszuleben. „Kreativität ist an Einsamkeit, Still-Sein, Konzentration gebunden.“ Der Satz ruft Widerspruch hervor: Was ist mit den Teamsitzungen und Brainstormings? In der Kirche braucht man sich doch gegenseitig. Die Teilnehmenden ergänzen sich in ihrer Kritik, Berzbach geht darauf ein, eine Diskussion entsteht.

Austausch, Ermutigung und Coaching

Genau darum soll es heute Abend gehen: Gespräch, Austausch, Diskussion. Während Janik Lill gegenüber der grünen Stühle im Bühnenbereich an seinem Keyboard sitzt und den Abend mit Musik untermalt, ist Zeit, um sich gegenseitig zu inspirieren und zu vernetzen. Viele der Teilnehmenden sind bereits involviert in innovative Projekte; sie erzählen begeistert vom eigenen Instagram-Account der Kirchengemeinde oder vom ehrenamtlich betriebenen Café. Andere wünschen sich Ideen, Ermutigung und Motivation, um etwas völlig Neues zu starten oder einfach die altbekannte Konfirmandenarbeit aufzupeppen.

Neben dem Buffet ist eine Leine gespannt. Ohne Erklärung stecken dort Bambusstangen in zwei Töpfen, dazwischen sind Schnüre gespannt: ein, zwei Postkarten, festgehalten von Wäscheklammern, hängen daran. Mehr noch nicht. Im Laufe der Zeit füllt sich die Leine. Gegen 22 Uhr hängen dort neon-grüne Karten aus Pappkarton – vier Millimeter dick – im Postkartenformat. Sie sind beschriftet mit den Projekten der Teilnehmenden. Auch auf den Tischen liegen einige der leuchtenden Karten – manche sind noch leer, auf anderen haben sich die Leute fleißig Notizen gemacht.

Wer den in grün und weiß gehaltenen Raum verlässt und durch den Flur in den benachbarten Raum geht, findet dort Bob und Mary Hopkins. Sie sind schon sehr lange in der Erneuerungsbewegung der Church of England unterwegs und bieten Coaching-Gespräche an. In einem Halbkreis sitzen etwa fünfzehn der Besucher rund um die beiden und lauschen gebannt ihren Tipps und Erzählungen.

Mit einer Andacht klingt der Abend aus. Man verteilt sich im Raum, kommt zur Ruhe, hört zu. Da ist die Rede von Moses und seinen Momenten der Frustration. Die Diskussionen sind verstummt; stattdessen liegt eine nachdenkliche Atmosphäre im Raum. Allmählich brechen nach dem Segen alle auf: Ermutigt und voll neuer Hoffnung verabschieden sie sich in die Nacht.

Sebastian Baer-Henney, Veranstalter und Organisator des Ateliers, ist zufrieden. Schon vor einem Jahr entstand die Idee für dieses Format. Die Veranstalter der Missionale wünschten sich, mehr Menschen zu erreichen, die mitten im kirchlichen Aufbruch stecken. Für sie schien das bestehende Konzept der Missionale nicht mehr ganz zu passen. Die Grundidee des Ateliers knüpft genau daran an: Anstatt sich nur frontal berieseln zu lassen, lebt es davon, dass die Teilnehmenden miteinander ins Gespräch kommen. Und das ist gelungen. Für bis zu hundert Teilnehmende war die Veranstaltung gedacht, fünfzig sind gekommen. Trotzdem: Wer hier war, geht ermutigt und inspiriert nach Hause.

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„Viele wollen nicht im Kreis sitzen und Tee trinken“

Marietta Steinhöfel

Im Frühjahr 2017 hat die Kirche im Pott in Bochum ihr Hauskreis-Konzept komplett umgestellt: Gruppen können ab sofort ihr Hobby zum Thema machen und sind zwölf Wochen lang zusammen unterwegs, um geistlich zu wachsen. Pastor Renke Bohlen und Bereichsleiter Markus Bräuer erklären das Modell.

 

Im März 2017 habt ihr als Kirche das „Trimester“ gestartet.  Zwölf Wochen lang sind Gruppen zu einem bestimmten Thema oder Hobby unterwegs. Es gibt zum Beispiel eine Longboard- und eine Playstation-Gruppen.

Markus Bräuer: (lacht) Playstationspielen ist voll okay! Aber drei Sachen sollten in Familygroups – so nennen wir unsere Kleingruppen – immer vorkommen: Gemeinschaft, Gebet und geistliches Wachstum.

Wie kann man beim Zocken oder beim Longboarden geistlich wachsen?

Markus Bräuer: Natürlich ist es beim Zocken oder Longboarden direkt nicht möglich geistlich zu wachsen. Allerdings können bei diesen Aktivitäten Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden. Mit diesen festeren und tieferen Beziehungen wird es dann auch leichter sein, sich geistlich zu öffnen und zu stützen. Wir geben unseren Leitern auch mit, dass sie mindestens einmal pro Treffen mit der Gruppe zusammen beten.

Wenn ich es recht verstanden habe, kann jeder die Leitung einer solchen Gruppe übernehmen.

Renke Bohlen: Ja, genau. Wir geben ganz viel Vertrauen in die Kirche hinein. Wir hoffen, dass Leute sagen: „Ich habe momentan Bock an diesem Thema zu arbeiten und vielleicht gibt es andere, die sich mir anschließen möchten!”

Das klingt herausfordernd für Leute, die so etwas noch nie gemacht haben. Gibt es eine Form der Begleitung?

Markus Bräuer: Ja, auf jeden Fall! Vor dem Trimester gibt es immer eine Schulung, wo wir Tipps geben und unsere Werte erklären. Wir haben mit jedem Leiter, der vorher noch nicht geleitet hat, ein persönliches Gespräch. Und während des Trimesters gibt es für jeden Family-Group-Leiter einen Coach, der sich regelmäßig bei ihm meldet, für ihn da ist und für ihn betet. Wir sprechen aber auch Leute von uns aus an, bei denen wir uns das gut vorstellen können, dass sie eine Gruppe leiten könnten.

Renke Bohlen: Das war sogar der Großteil der Leute! Die, die wir angesprochen haben, waren auch direkt begeistert und haben mitgemacht. Und das finde ich, ist das Schöne daran, dass man Menschen hilft und sie ermutigt etwas zu tun, das sie sich vorher vielleicht nie zugetraut hätten.

Wo seid ihr erstmalig auf das Konzept gestoßen?

Renke Bohlen: Bei einer Konferenz in Nürnberg hat der Leiter der Church of the Highland, erzählt, dass sein Vater, der nie in einen Hauskreis gegangen ist, eine Motorradgruppe aufgemacht hat. Dort hat der Vater seine besten Kumpels kennengelernt und sie haben sich auch noch geistlich stärken können. Da dachte der Sohn: Boah, das will ich auch! Und das dachte ich mir auch. Ich kenne so viele unterschiedliche Menschen in unserer Kirche, die nicht im Kreis sitzen und Tee trinken wollen. Das ist für die nichts. Da wünsche ich mir, dass wir Gruppen bilden, auf die die Leute echt Bock haben – zum Beispiel eine Motorrad oder Angel-Gruppe. Wir sammeln uns dabei um ein gemeinsames Interesse – das ist aber nicht der Kern! –, sondern, dass wir uns geistlich fördern und füreinander da sind!

Was hat dich an dem Konzept im Vergleich zu vielleicht eher klassischen Hauskreisen angesprochen, die über einen langen Zeitraum hinweg laufen?

Renke Bohlen: Ich muss sagen, am Anfang war ich extrem skeptisch. Ich bin jahrelang leidenschaftlicher Jugendpastor gewesen und habe Kleingruppen begleitet, wo über drei, vier Jahren enge Verbindungen untereinander entstanden sind. Ich habe das geliebt! Das war auch mein Traum für die Kirche im Pott anfangs. Aber ich musste einsehen, dass eine Jugendgruppe in der Kleinstadt nicht mit einer Gesellschaft im Ballungsgebiet wie dem Ruhrgebiet zu vergleichen ist. Die Interessen der Menschen hier sind extrem verschieden und die Gruppen sind sehr dynamisch. Bei zwölf Wochen hat man nichts zu verlieren. Die Leute können es einfach ausprobieren. Auch wenn man nicht weiß, wo man in einem halben Jahr vielleicht wohnen wird, kann starten. Und man bekommt die Möglichkeit, Verantwortung und Mitarbeit auszutesten.

Können in einem kurzen Zeitraum überhaupt  enge Verbindungen entstehen?

Renke Bohlen: Wenn die Leute Bock haben nach den drei Monate zusammen weiterzumachen, können sie das natürlich tun! Wir ermuntern dazu, die Pausen zwischen den Trimester zu nutzen, aber in diesem Zeitraum wird es dann keine Begleitung unsererseits geben.

Und wie war die Resonanz der Gemeinde?

Markus Bräuer: Ich würde sagen, es ist sehr gut gelaufen. Wir haben sehr viel positives Feedback bekommen, haben von geistlichem Wachstum und Glaubenswundern gehört. Viele Gruppen haben auch gesagt, sie machen den Sommer über weiter. Es haben sich insgesamt dreihundert Leute angemeldet – als Leiter oder Teilnehmer. Im alten System mit den fortlaufenden Familygroups hatten wir weniger. Da waren etwa zweihundertvierzig registriert, von denen viele aber gar nicht mehr gekommen sind. Daran haben wir gemerkt, dass es einen Unterschied macht, dass die Leute sich aktiv für eine Gruppe entscheiden, anmelden oder sogar gründen mussten. Zuvor war es so, dass die Leute der Gruppe in ihrer Nähe zugewiesen wurden.

Was macht ihr beim nächsten Trimester anders?

Markus Bräuer: Wir möchten die Coaches noch besser begleiten. Wir haben beim Start relativ geringe Rahmenbedingungen für die Leitenden gesetzt und ihnen Freiheit gelassen, ihr Amt selbst auszugestalten. Hier haben sich die Leitenden gewünscht, genauer zu wissen, was von ihnen erwartet wird oder wie sie sich in bestimmten Situationen verhalten können. Dazu haben wir im Sommer über unser Material weiter ausgearbeitet.

Was versprecht ihr euch langfristig von der Umstellung?

Renke Bohlen: Dass Freundschaften entstehen und Menschen geistlich zusammenwachsen. Ich kann als Pastor nicht mehr alle in der Kirche kennen, aber ich möchte, dass jeder von jemandem gekannt wird. Mein Wunsch ist, dass sich Gruppen auf lange Sicht zusammentun und sagen: Wir hatten so eine gute Zeit zusammen, wir bleiben zusammen! Und vor allem, dass sie geistliche Erlebnisse haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Zwölf Wochen kreativ

Marietta Steinhöfel

Was haben Collagen, Rapmusik oder Lettering (kunstvolles Schreiben) mit dem Glauben zu tun? Eine Menge, wenn man sie zur Anbetung Gottes nutzt. In einer Kleingruppe in Bochum stehen unterschiedliche kreative Ausdrucksformen im Mittelpunkt.

 

Ich sitze in einer von vielen Stuhlreihen der Kirche im Pott, als Pastor Renke Bohlen von der Bühne des großzügigen Gebäudes am Bochumer Stadtpark ein neues Hauskreiskonzept ankündigt. Ab sofort seien zwei Wochen Zeit, sich für die Gruppen online anzumelden. Es würde Kleingruppen zu verschiedenen Themen geben, die sogenannten Familygroups, in denen sich Leute mindestens ein Trimester lang, also für zwölf Wochen zusammen tun. Ich möchte Menschen aus der Kirche kennenlernen und geistlich wachsen. Also die perfekte Gelegenheit für mich!

 

Wo Hobby und Glaube eins werden

Zuhause am Rechner schaue ich mir online eine Zusammenstellung der Kreise an. Bislang stehen 18 verschiedene Gruppen zur Auswahl. Von Playstation-Zockern bis Bibelstudium-Hockern ist alles dabei. Auch die Gruppe „Creative“. Sie weckt meine besondere Aufmerksamkeit. Sie verkörpert genau das, was ich schon lange auf dem Herzen habe, wofür mir aber bisher die richtigen Leuten in meiner Umgebung fehlten: Mich mit Menschen treffen, die es lieben, kreativ zu sein, um Kunst und Glauben zu vereinen. Mir gefällt die Vorstellung, Gott in unterschiedlichen Dinge zu begegnen und anzubeten, im Wort, aber auch im Malen, in lyrischen Texten, im Fotografieren. Hier bekomme ich also die Chance, andere Kunst-Begeisterte zu treffen. Nach kurzer Überlegung melde ich mich an und hoffe einen Platz in der Gruppe zu ergattern. Schon kurze Zeit später schreibt mich Gruppenleiterin Teresa an. Und schon bin ich Mitglied der Gruppe, erst virtuell via WhatsApp und schon bald live.

 

Ein Gebetsraum mitten im Szeneviertel

Endlich findet unser erstes wöchentliches Treffen statt. Mit Pinseln, Blöcken, Zeitschriften versammeln wir uns im dritten Stock einer Jugendherberge, wo ein Gebetsraum eingerichtet ist. Hier – unweit des Bochumer Ausgehviertel „Bermuda 3Eck“ – hätte ich eine solchen Ort nun wirklich nicht erwartet. Er passt jedenfalls gut zu den Kernwerten unserer Gruppe, die Leiterin Teresa zu Beginn vorstellt: Gebet, Gemeinschaft und Freiheit.

Überrascht bin ich nicht, als ich auf zehn bastelfreudige Mädels treffe, alle etwa in den Zwanzigern. „Insgesamt haben sich elf Teilnehmer angemeldet“, berichtet Teresa, die die Liste durchgeht, als plötzlich die Tür aufgeht und ein großer Mann in Anzug und Krawatte reinkommt. Ich frage mich kurz, ob er sich in der Tür geirrt hat und er sich vermutlich auch. “Hallo, bin ich hier richtig bei der Creative-Group? Ich bin Marcus, ich komme gerade von der Arbeit und bin deshalb ein bisschen zu spät.”

 

Wir erfahren, dass Marcus Mitte dreißig ist, seit ein paar Jahren Christ, bei der Sparkasse arbeitet und Rapmusik für Jesus macht. „Ich dachte, kreativ sein kann ja auch was mit Musik zu haben”, sagt er und legt eine CD von sich ein, die er mitgebracht hat. Augenblicklich ist Ruhe im Raum und alle hören gespannt zu. Ich bin sehr berührt von den Texten, die wie ein Gebet in Rapform klingen. Kunst und Gebet sind hier eins. Marcus und ich vertiefen uns in ein Gespräch, auch andere tun sich zu zweit zusammen, wieder andere, beginnen zu malen. Schon an diesem ersten Abend zeigt sich, dass Freiheit ein gelebter Wert unserer Gruppe ist – die Freiheit, das zu tun, was in diesem Moment wichtig ist. Ich bin inspiriert von Marcus’ Erzählungen und begeistert von diesem ersten Abend. Die Gruppe vereint so verschieden Persönlichkeiten, ich hätte sie mir niemals aussuchen können. So unterschiedlich die Gebiete auch sind, in denen wir kreativ agieren, es ist offensichtlich, was uns eint:

  • Im Kreativsein beten wir Gott an. Wir verstehen Kunst als Lobpreis, die Inspiration des Heiligen Geistes wirkt in uns.
  • Es geht nicht um Perfektion. Es geht um die Freiheit, zu schaffen. Kunst ist eine Ausdrucksform des persönlichen Gebets.
  • Wir wollen unsere Talente verbessern und voneinander lernen. Kunst kann Menschen zum Glauben einladen, wenn wir Kunstwerke schaffen und sie im öffentlichen Raum ausstellen.

 

Das Leben ist wie ein Aquarell: Nicht planbar

An diesem Abend führt uns Co-Leiterin Jana in ihre Lieblingsdisziplin ein: das Aquarellmalen. Nach gemeinsamer und privater Gebetszeit legt sie – ganz selbstverständlich – ihre hochwertigen Farben, Pinsel und das Aquarellpapier für alle in die Mitte. Sie zeigt uns einige ihrer privaten Bilder und gibt Tipps, wie man für gewöhnlich vorgeht. Es ist schön, in der Kunst die Begabungen des anderen „sehen“ zu können. Ich habe das Gefühl, dadurch zu sehen, wie Gott uns wunderbar gemacht hat. Das, was wir gerne tun oder gut können, sei es Kunst oder etwas anderes, ist so von Gott durchdrungen, wie alles in der Welt, das er geschaffen hat. Umso mehr festigt sich mein Verständnis, dass Hobby und Glaube eins sind.

Für mich ist es, wie so oft in der Kunst – eine Übertragung auf das ganze Leben: Aquarelle lassen sich nur bedingt planen. Man gibt Kontrolle ab, denn man hat nicht immer in der Hand, wie sich die wässrige Farbe auf dem grobfasrigen Papier ausbreitet. Auch ist es kaum möglich, Dinge „rückgängig“ zu machen. Mit vermeintlichen „Fehlern“ muss man plötzlich arbeiten, sie ins Gesamtkunstwerk einarbeiten und am Ende stellen doch gerade sie die Besonderheit im Bild dar. So wie der Wasserklecks in dem Blütenmotiv meiner Sitznachbarin, der die Bewunderung von uns allen auf sich zieht: “Wie hast du das gemacht? Das sieht toll aus!”, frage ich staunend.  “Das war ein Versehen”, lautet ihre Antwort.

 

Scheinbar unvereinbare Dinge

An einem sommerlichen Abend Mitte Mai bin ich an der Reihe und bringe ein Thema mit, bei dem ich erlebt habe, dass Gott mich darin inspiriert und Bilder entstehen, die ich nicht geplant habe. Es ist das Gestalten von Collagen. Dazu habe ich einen Stapel Zeitschriften mitgebracht. Oft hatte ich keine so rechte Idee, welches Thema oder Bild ich aus Magazin-Schnipseln zusammenstellen wollte. So habe ich durch die Hefte geblättert und herausgerissen, was mich intuitiv „angesprochen“ hat. Entstanden sind Collagen mit einer Botschaft – einer Botschaft für mich. Diese handelten von Neuanfängen und dem Mut, im Vertrauen auf Gott, Neues zu wagen, manchmal aber auch vom Wunsch anzukommen und Wurzeln zu schlagen. Diese Visionen visuell vor mir zu sehen, haben mich begleitet und mich daran erinnert, was gerade mein Weg ist  – manchmal für einen bestimmten Lebensabschnitt, für die Zeit einer Entscheidung, die es zu treffen galt, manchmal für ein ganzes Jahr.

Es ist für mich als Leiterin dieses Abends schön, mit der Gruppe ein Thema zu teilen, das zu mir gehört. Nichts Angelesenes, sondern Erlebtes. Wo Menschen von Erfahrungen wie diesen berichten, können wir entdecken, wie unterschiedlich Gott mit jedem und jeder von uns Beziehung lebt. An anderen Abenden haben wir uns zum Beispiel am „Lettering“ ausprobiert, bei dem es darum geht, Schriften kunstvoll zu zeichnen. Dadurch kann man einzelnen Worte oder ganze Sätzen und ihrer Bedeutung besonderes Gewicht verleihen. Bei einem anderen Treffen wurden Plakate für das Kinderprogramm der Gemeindefreizeit bemalt.

 

Wir bleiben bestehen – auch virtuell

Die zwölf Wochen sind wie im Flug vergangen und ein bisschen traurig war es schon, als die Zeit plötzlich vorbei war. Ich kann sagen, dass das Trimester eine bereichernde Erfahrung war, in der ich Menschen kennengelernt habe, denen ich so sicherlich nicht in der Kirche begegnet wäre. Das Wissen, dass man vorerst eine Gemeinschaft auf Zeit ist, hat meiner Meinung nach großes Potenzial, um den anderen viel offener zu begegnen. Man lässt sich darauf ein, weil es ein Experiment ist. Und im Anschluss hat man die Freiheit zu wählen, ob man weitermachen oder neue Wege zu gehen möchte. Ich finde, das ist in einer Zeit wie der unseren, ein großartiges Geschenk. Ausprobieren dürfen – als Teilnehmende oder Leitende. Die WhatsApp-Gruppe unserer Creative-Croup wird jedenfalls nicht gelöscht. Und ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.

Ich gehe jetzt jedenfalls mit einem anderen Gefühl in den Gottesdienst. Denn ich weiß, ich treffe auf bekannte Gesichter, Schwestern und Brüder, mit denen ich einen gemeinsamen Weg gegangen bin, Inneres geteilt und viel gebetet habe.

 

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Frischer Wind für die Kirchenmusik

Musik ist wesentlich für die Kirche. Wer die Musik der Kirche ändert, ändert die Kirche. Ein Gespräch mit Martin Bartelworth, Geschäftsführer der neu eröffneten Evangelischen Pop-Akademie in Witten, über neue Liturgien, Schlager und die wachsende Vielfalt von Kirche.

Welcher Pop-Song geht Ihnen gerade durch den Kopf?

„Mach‘s Maul auf!“ von Eddi Hüneke (Wise Guys). Da geht’s darum, dass es auf jeden ankommt und dass man sich einbringen soll, und ich finde, das kann man auch gut für die Musik der Gemeinden sagen. Unsere Vision ist die singende und musizierende Gemeinde.

Wie führte diese Vision zur Entstehung der Pop-Akademie?

Entstanden ist die Pop-Akademie aus der Frage heraus, was wir aus dem Reformationsjubiläum mitnehmen können. Luther ging es auch um die Kommunikation des Evangeliums durch Musik. Musik holt Glaubensimpulse, Glaubensgefühle und Glaubenserfahrungen in die Mitte des Lebens und macht sie abrufbar. Im Bereich der traditionellen Kirchenmusik sind wir da sehr gut. Aber es gab auf dem breiten Feld der Popmusik wenig strategische Qualifizierungsmaßnahmen. Da macht oft jeder selbst sein Geschrammel.

Setzen Sie nur auf zukünftige hauptamtliche Kirchenmusiker?

Wir hatten eine Hochschule erst mal gar nicht im Blick, sondern wir dachten an Erzieherinnen in Kitas. Es soll ein Qualitätsmerkmal einer evangelischen Kita sein, dass dort religions- und musikpädagogisch professionell gearbeitet wird. Im Moment ist es so, dass die Musikalität in Kitas Zufall ist. Und das zweite war die Gemeindepädagogik und Jugendarbeit. Und es geht um Neben- und Ehrenamtliche, denn 90 %  der Kirchenmusik wird gar nicht von Hauptamtlichen gemacht, sondern im Ehren- und Nebenamt.

In welchem Verhältnis steht die Pop-Akademie zu klassischen Musik-Hochschulen?

Ein klassischer Kirchenmusikstudent hat schon jetzt immer einen kleinen Teil Popmusik im Studium. Aber wenn Gemeinden wirklich wollen, dass es auch Schwerpunktstellen im Popbereich gibt, brauchen wir einen eigenen Studiengang. Die Hochschule für Kirchenmusik in Herford hat das ernst genommen, sodass wir jetzt in Westfalen eine Hochschule mit zwei Schwerpunktstudiengängen haben.

Wie wird das konkret?

Alle sind Studenten der Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten und sie besuchen sich auch. Der Semestereröffnungsgottesdienst und z.T. auch Seminare finden gemeinsam statt. Gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung sollen dadurch wachsen. Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um eine notwendige Ergänzung.

Man könnte jetzt fragen: Popmusik höre ich im Alltag ständig. Warum soll es unruhige, profane Musik auch in der Kirche geben?

Weil sie Menschen anspricht und weil sie Teil der Verkündigung geworden ist. Das ist Fakt. Unter 400 Stellenausschreibungen der letzten Jahre war die Hälfte explizit mit dem Hinweis versehen, dass man eine Kompetenz im popmusikalischen Bereich mitbringen muss. Und da gab es bislang überhaupt keine geeigneten Kandidaten.

Welche Chancen bietet Musik für den Gemeindeaufbau?

Ich glaube, es ist die meistunterschätzte Chance. Die Creative Kirche haben wir nur mit Musik aufgebaut. Wir haben zielgruppenspezifisch musikalische Angebote entwickelt. Da kommen Menschen, um zu singen, und darüber finden sie zum Glauben.

Welche Rolle spielen liturgische Gesänge in der modernen Kirchenmusik? Können sie durch popmusikalische Ausdrücke ersetzt oder neu interpretiert werden?

Ja, können sie. Der umfassendste Beitrag dazu kommt aus Norwegen. Tore W. Aas, der Leiter des Oslo Gospel Choir, hat eine ganz neue popmusikalisch geprägte Liturgie geschrieben. Also alles: Agnus Dei, Gloria, Kyrie … Es gibt in der norwegischen Staatskirche jetzt zwei Liturgien! Und das funktioniert hervorragend.

Das bedeutet eine starke Veränderung der Gottesdienstkultur. Wie sieht Ihrer Meinung nach die musikalische Zukunft unserer Gottesdienste aus?

Wir müssen einen zeitgemäßen Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen nach Sinneserfahrung finden, und dazu kann die Popmusik beitragen. Meine Prognose für die Zukunft ist: Es wird vielfältiger werden.

Also wird es dann sehr unterschiedliche Gottesdienste geben? Einen mit klassischer Musik, einen mit Rock, einen mit Schlagern?

Ja, das wäre noch was, mit Schlagermusik. Das fände ich super spannend, aber ich kann‘s nicht. (schmunzelt) Aber das wäre schon toll, wenn es da was gäbe. Man wechselt die Perspektive: Nicht mein Kirchturm ist das Entscheidende, sondern das Reich Gottes.

Mit welchem Popmusiker würden Sie gerne mal einen Gottesdienst gestalten?

Herbert Grönemeyer fänd‘ ich schon gut. Gerade weil er kein Christ ist. Das ist sehr erfrischend, wenn man nicht nur immer unter sich ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Dieses Interview erschien in der Zeitschrift 3E. Jetzt kostenlos testen: www.bundes-verlag.net/3E

Fakten über Luther

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Luther und die Seligkeit

von Melanie Eckmann

Einem alten Wort aus der Bibelsprache auf der Spur

„Wer’s glaubt wird selig!“ Das ist eine Redewendung, die heute Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer Aussage zum Ausdruck bringt. Dem, der den Glauben aufbringt, trotz schwacher Beweislage an dies oder jenes zu glauben, wird das eigene Seelenheil versprochen. Natürlich ist das ironisch gemeint.

Woher kommt diese Redensart? Der Ausspruch findet sich nicht wortwörtlich in der Bibel, weist aber Anklänge an den Missionsbefehl in Markus 16,16 auf, in dem es nach der Lutherübersetzung aus dem Jahr 1545 heißt: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.“ Noch enger werden die Worte „glauben“ und „selig“ in Johannes 20,29 kombiniert. Jesus begegnet Thomas, der an der Auferstehung zweifelt, mit den Worten: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Das klingt danach, als ob Jesus seinem Jünger das Seelenheil zuspricht, wenn dieser nur glaubt – also ganz auf der Linie seines Missionsbefehls.

Zwei Wege in die Seligkeit

Allerdings ist die Sache komplizierter. Das Wort „selig“ – es gehört zum Grundbestand der „Bibelsprache“ – steht in der Lutherübersetzung für zwei ganz verschiedene Worte des griechischen Grundtextes. Diese beiden Worte heißen, direkt übersetzt, „gerettet“ und „glücklich“. Es geht also einmal um ein Geschenk, das bis in die Ewigkeit hineinreicht, und das andere Mal um eine recht irdische, diesseitige Angelegenheit.

Im heutigen Deutsch sind diese beiden Aspekte kaum mit einem einzigen Wort zu erfassen. Die Medaille hat zwei Seiten. Ein Beispiel: Je nach Familienbeziehung kann der eine an Großmutters Grab der Verstorbenen einen sel’gen Frieden im ewigen Leben wünschen – und einem anderen kann ihr Tod ein seliges, glückliches, Lächeln über das Gesicht huschen lassen. Bei dem ersten geht es um das, was die Bibel mit „Rettung“ meint, beim zweiten um irdische Erleichterung, um Glück hier und jetzt.

Das Ringen um die Worte

Warum war das deutsche Wort „selig“ nun für Luther dennoch geeignet, um beide Aspekte auszudrücken? Beide Verwendungen des Adjektivs „selig“ sind aus dem Germanischen überliefert. Und das griechischen Wort für „gerettet werden“ (sōthēsesthai) hat seinerseits auch eine ziemliche Bedeutungsbreite. Es heißt – je nach Zusammenhang – „gerettet werden“, „beschützt/bewahrt werden“ und „geheilt werden“. Auch in Heilungsberichten wird es verwendet, wo jemand in irdischer Hinsicht gesund wird und die ewige Errettung noch kein Thema ist.

Um die Dinge noch komplizierter zu machen: Für die Übertragung des Neuen Testamentes in die deutsche Sprache verwandte Luther als Hilfsmittel die Vulgata, also die zu dem Zeitpunkt am weitesten verbreitete lateinische Bibelübersetzung. Am Beispiel von Markus 16,16 zeigt ein Blick zwischen ihre Buchdeckel, dass für sōthēsesthai der Ausdruck salvus erit hier seinen Platz gefunden hat. Salvus aber heißt im Lateinischen „gesund“ – obwohl der Missionsauftrag zweifellos die ewige Rettung, die Erlösung durch den Glauben, meint.

Das Glück im Jetzt

Die bekannten Seligpreisungen in Matthäus 5,3-11 sprechen nun noch einmal von einer anderen Art der „Seligkeit“. Das zugrunde liegende Wort makarios meint schlicht „glücklich“. Luther übersetzt auch hier: „Selig sind, die […]“.­ Die Worte von Jesus wirken bei genauerer Betrachtung paradox. Ein momentaner – meist unerfreulicher oder belastender – Lebensumstand bekommt das Prädikat „glücklich“. Die Seligpreisungen stellen das Leid in der Gegenwart in das Licht einer verheißungsvollen Zukunft. Und in diesem Licht kann der Leidende jetzt schon „glücklich“ sein. Auch hier geht es nicht um Erlösung in der Ewigkeit. Jesus meint ein irdisches Glück.

Genau das ist auch die Aussage gegenüber dem Zweifler Thomas. Die Seligkeit in Johannes 20,29 bezieht sich nicht auf das selige Leben bei Gott, sondern ein Glücklich-Sein auf Erden: „Wer’s glaubt, wird selig. Das Versprechen von Jesus zielt auf die Erde.

Greifbares Glück

Glück war für damalige Menschen aus der griechisch-römischen Kultur etwas durchaus Greifbares. Mit ihrem Wort für „glücklich“ – makarios – meinten sie Erfahrungen, die auch mit den Sinnen erfasst werden konnten. Sie dachten nicht bloß an irgendetwas in der Seele.

Genau hier entsteht eine weitere Schwierigkeit mit unserem Wort „selig“. Es klingt eben so sehr nach Seele. In früheren Jahrhunderten wurde dieses Wort tatsächlich noch mit zwei e geschrieben; da sprach die Kirche jemanden „seelig“ und man fragte sich, wie man „seelig“ sterben könne. Gemeint war: so sterben, dass man in die Erlösung eingeht. Wir würden das also als „errettet“ bezeichnen, das griechische Wort sōthēsesthai steht im Hintergrund.

Nun bezieht sich aber die biblische Auferstehungshoffung durchaus nicht nur auf die Seele. Paulus spricht von körperlicher Auferstehung. Das Wort „seelig“ verdeckt diesen Aspekt. Und auch heute noch sind die Seligpreisungen von Jesus diesem Missverständnis ausgesetzt, dass Jesus nur etwas Seelisches meine. Doch so ist es keineswegs. Egal ob das Glück auf Erden gemeint ist oder das Gerettet-Sein bei Gott – die Seligkeit hat in ihrer germanischen Wortherkunft nichts mit der „Seele“ gemeinsam. Von einer bloßen Innerlichkeit kann nicht die Rede sein. „Selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören“, sagte Jesus zu seinen Jüngern (Matthäus 13,16). Und was sahen ihre Augen, wovon hörten ihre Ohren? Doch zum Beispiel auch die Heilungswunder von Jesus. Etwas sehr Irdisch-Greifbares also. Daran beteiligt zu sein, auch das ist Glück.

Luther auf’s Maul geschaut

Luther führte für Jahrhunderte ein Wort in Sprachgebrauch und Volksglauben ein, das zwei Bedeutungen kombinierte. Das prägte. So hat der Volksmund Luther auf’s Maul geschaut und über die Zeit das Sprichwort gebildet: „Wer’s glaubt, wird selig.“ Wenn wir heute verstehen wollen, welche Bedeutung in welcher Bibelstelle genau gemeint ist, hilft uns das Wort „selig“ allerdings nicht mehr viel. Wer hier andere, heute präzisere Worte verwenden wollte, würde wohl ganz im Sinne Luthers handeln, der sagte: „Denn wer übersetzen will, muss einen großen Vorrat an Worten haben, dass er die Wahl haben könne, wo eins nicht an alle Stellen recht klingen will.“

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Kaugummi der Liebe Gottes

von Rüdiger Jope

„Auf welchem See war Jesus mit seinen Jüngern unterwegs?“, fragte der Pfarrer. Mein Finger schnellte nach oben. Für die richtige Antwort heimste ich als 7-jähriger DDR-Bürger einen West-Kaugummi ein. Anschließend schnappte sich der Pastor die Gitarre und stimmte das Lied „Gottes Liebe ist wie die Sonne“ an. Noch heute, 38 Jahre später, habe ich diesen paradiesischen Kaugummi-Geschmack in Mund und Nase, wenn ich diese Zeilen singe oder höre.

Kirche ist dazu da, dass den Menschen die Liebe Gottes auf der Zunge zergeht und sie eine Heimat finden. Noch eine Kostprobe? Zuhause funkte es im Teenageralter gewaltig. Der Hocker an der Heizung in der Küche des Pastors wurde für mich zum Heimathafen. Dort saß ich in schwierigen Zeiten mit einem Meerschweinchen auf dem Schoß. Dort fand ich ein hörendes Herz, ein ermutigendes Wort, ein freundliches Lächeln, ein gelebtes, gastfreies Evangelium.

Helfend und dienend

Das ist ein wesentlicher Kern der Kirche – oder wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. … Sie muss an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend.“ Kirche, Christsein ist kein Selbstzweck. Darin ist Kirche gut. Meistens.

Noch stapeln sich in der Wohnung die Umzugskisten. Egal. Es ist Sonntag. Wir besuchen den Gottesdienst im neuen Ort. Eine volle Windel sorgt für Verspätung. Die Glocken sind bereits verklungen, als wir mit dem Wagen vor einer Treppe zum Stehen kommen. Wo geht’s bloß rein? Schweißgebadet öffnen wir eine schwere Tür. Unsicher suchen wir Vier uns einen Platz. Starr nach vorne gerichtete Augen würdigen uns keines Blickes. Als die Orgel einsetzt, merken wir: Uns fehlen noch die Liederbücher. Nur wo gibt es die? In die Liturgie hinein quasselt unser Einjähriger. Einen Kindergottesdienst scheint es nicht zu geben. Vor der Predigt gehe ich mit den Kindern raus. Nur wohin? Im Raum nebenan krabbelt der Kleine los. Nach wenigen gekrabbelten Metern sind die Finger schwarz, seine Hose sieht aus wie ein Lappen nach dem Freitagsputz. Die für die Große gefunden Stifte benötigen erst einen Spitzer. Nur wo ist dieser?

Einladend und fehlerfreundlich

Kirche ist an vielen Orten gut, einladend, den Menschen zugewandt, aber es gibt auch noch viel Luft nach oben. Dr. Heinzpeter Hempelmann schlägt in seinem Buch „ZEITGEIST 2“ (Francke) folgendes vor: „Lassen Sie uns Gemeinde bauen, die nicht ideal, nicht perfekt, sondern Gemeinden unterwegs, auf Zeit, als Notbehelf, im Wechsel, Station eben, für eine Nacht oder für ein Glas Sprudel und eine Tasse Kaffee, eine Wegstrecke. Fehlerfreundlich, unvollkommen und gerade darin Hinweiser auf die eine große Heimat, das eine große Ziel, zu dem wir unterwegs sind.“

In der Hoffnung, dass Menschen durch diese Art Kirche auf den Geschmack kommen und sich die göttliche Liebe auf der Zunge zergehen lassen, wie den Kaugummi.

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Was uns bewegt

von Ansgar Hörsting

 

Seit einigen Wochen spreche ich in Gemeinden immer wieder einmal über die Leitsätze, die unser Leben bestimmen. Oft unbewusst, aber doch sehr wirksam. Oder Leitsätze, die wir über unsere Gemeinden stellen. Sie wirken wie Überschriften über einem Zeitungsartikel. Sie bestimmen darüber, was wir als Hauptnachricht mitnehmen werden, egal, was im Artikel selbst steht.

Irgendwo haben wir sie gelernt. Irgendwann haben sie sich uns tief eingeprägt, die Leitsätze unseres Lebens. So wie diese: „Aus dir wird nie etwas.“ − „Was sollen die Leute denken?“ − „Eigentlich solltest du gar nicht geboren werden.“ Solche Leitsätze können eine Macht ausüben und uns sogar zerstören. Es gibt auch diese hier: „Egal was passiert: Wir stehen immer zu dir.“ oder „Du darfst alles, du darfst dich nur nicht erwischen lassen.“

Bei mir kamen später andere Sätze hinzu: „Weil es dir gut geht, geht es anderen Menschen auf der Welt schlecht.“ − „Denke an die hungernden Kinder in Afrika und iss deinen Teller leer“ − „Pass immer auf deine Sachen auf!“

 

Fromme Leitsätze

Andere erzählten mir von frommen Leitsätzen: „Pass auf, kleines Auge, was du siehst!“ − „Lieber Gott, mach mich fromm, dass ich in den Himmel komm.“ Viele haben das als Druck empfunden und Gott als Aufpasser erlebt. Nicht alle jedoch! Denn solche Sätze wirken immer im Gesamtbild der Herkunftsfamilie und der Verlässlichkeit und Liebe, die dort herrschen.

Es gibt hilfreiche und lähmende Leitsätze. Und oft ist einem gar nicht bewusst, welche Sätze wirklich leiten. Es kann sein, dass man zwar ein Lebensmotto haben möchte, aber tief drinnen wird man von einem ganz anderen regiert.

Ich bekomme viel Resonanz auf meine Predigten, wenn ich auf die Leitsätze zu sprechen komme. Wir verlieren viel Lebenskraft durch schlechte Leitsätze. Ich bin überzeugt: Satan kann uns durch seine Lügen verführen. Er liebt es, Menschen mit lügenhaften Leitsätzen zu quälen.

 

Das sagt Gott

Deswegen ist es eine entscheidende Frage, was Gott eigentlich über unser Leben sagt. Ich bin überzeugt, dass die Antwort darauf immer zwei Aspekte hat. Der eine ist negativ. Gott sieht unser Leben, wie es ohne ihn aussieht: verloren, abgeschnitten vom Leben, in Schuld verwickelt, in Lügen verstrickt. Beladen mit Sorgen, mit Bitterkeit, mit eigener Schuld oder auch der Schuld anderer. „Der Lohn der Sünde ist der Tod.“, diagnostiziert die Bibel (Röm 6,23). Es nützt nichts, diese Wahrheit zu leugnen, denn wer sie leugnet, kann ihr nicht begegnen.

Aber als Lebensmotto, als Leitsatz, taugt dieser Aspekt nicht. Dafür müssen wir uns den zweiten Aspekt ansehen, die Wahrheit, die Gott in Jesus über uns ausspricht. Zum Beispiel diese hier: „Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes, die in Jesus Christus ist.“ (Röm 8,38f) oder: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein.“ (Jes 43,1). In Jesus hat Gott uns alles geschenkt (Röm 8,32). Er macht unsere Leben reich. Nicht durch unser Tun, sondern durch Gott allein können wir leben. „Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Tim 1,7). Das sind Leitbilder, die uns lebenstauglich machen.

 

Bewegt von Gottes Liebe

Dieses Prinzip betrifft auch Gemeinden. Wir sehen sie häufig mit negativen Vorzeichen: Wir sehen die Fehler, die problematischen Leute, die Streitereien. Und keine Frage, das alles gibt es ja auch. Aber wenn uns das leitet, dann werden wir irgendwann der Gemeinde Jesu den Rücken zuwenden.

Gemeinden geben sich häufig Leitbilder. Drucken diese vierfarbig in unsere Veröffentlichungen oder schreiben es auf Leinwände. Aber es kommt darauf an, dass diese Leitbilder in unsere Herzen geschrieben werden. Dazu braucht es die ständige Erinnerung und positive Erfahrungen. Dann wird ein Leitbild zu dem, was es sein soll: Es leitet unser Denken, Fühlen und Handeln. Es ist die Überschrift über unser Tun und Lassen. In diesem Sinne: „Bewegt von Gottes Liebe bauen wir lebendige Gemeinden.“

 

Dieser Artikel erschien im Magazin Christsein Heute. Jetzt kostenlos testen: www.christsein-heute.de