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Nein!

Bettina Wendland

Nur vier Buchstaben … Warum fällt es vielen trotzdem so schwer, dieses kleine Wort „Nein“ auszusprechen? Und warum ist das überhaupt so wichtig? 

Kerstin lebt mit ihrem Mann Christoph und ihren zwei Kindern mit im Haus ihrer Schwiegereltern. Wenn Kerstin von ihrem Teilzeitjob nach Hause kommt, kann es schon mal passieren, dass ihre Schwiegermutter am Herd steht und sagt: „Ich hab schon mal für Christoph und die Kinder was gekocht. Du kommst ja immer so spät nach Hause, da müssen die Armen ja hungern.“ Kerstin ärgert sich jedes Mal darüber, aber Christoph meint, sie solle doch dankbar sein, dass seine Mutter ihr die Arbeit abnimmt.

Tobias ist in der Firma sehr beliebt. Er ist bekannt für seine Hilfsbereitschaft. Wenn ein neuer Kollege anfängt, wird er jedes Mal gefragt, ob er sich nicht um dessen Einarbeitung kümmern könne. Die arbeitsintensive Betreuung der Praktikanten ist auch meist seine Sache. Und immer wieder kommen Kollegen auf ihn zu und bitten ihn um Hilfe. Tobias möchte es sich mit ihnen nicht verderben.

Ein Schulfest steht an. Jana gehört zu denen, die jedes Mal auf der Kuchen-Liste stehen. Dieses Mal hätte sie eigentlich gar keine Zeit, weil sie in der Woche vor dem Schulfest ihre Wohnung renovieren wollen. Aber es sind erst drei Kuchen auf der Liste. Und schließlich regt sie sich ja auch immer über die auf, die sich drücken. Also trägt sie sich wieder ein.

Drei Geschichten von vielen. In allen drei Situationen wäre es sinnvoll, Nein zu sagen. Aber Kerstin, Tobias und Jana fällt das Nein-Sagen schwer. Vielen Menschen geht es so wie ihnen. Dabei ist Nein-Sagen eine unentbehrliche Fähigkeit.

Nein sagen bedeutet: Grenzen setzen

Ohne Grenzen können wir nicht leben. Wer schlecht „Nein“ sagen kann, dem fällt es oft schwer, Grenzen zu setzen. Sein Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Sicherheit ist groß. Damit verbunden ist die Angst, ausgegrenzt zu werden, wenn er oder sie Grenzen setzt. Dabei braucht jede Beziehung Grenzen. Beziehungen leben von einem ausgewogenen Verhältnis von Nähe und Distanz, von Freiheit und Geborgenheit.

Kerstins Schwiegermutter überschreitet eine Grenze, wenn sie ungefragt für die Familie kocht. Aber das kann man ihr nicht vorwerfen, denn sie ist sich dieser Grenze offensichtlich nicht bewusst. Es ist Kerstins Aufgabe, diese Grenze zu setzen – und sie bei Bedarf auch zu verteidigen. Aber vielleicht muss Kerstin sich auch erst einmal bewusst machen, warum es ihr so gegen den Strich geht, dass ihre Schwiegermutter die Familie bekocht. Um Grenzen auszuloten, muss ich mich damit auseinandersetzen, wer ich bin, was ich will und was mir wichtig ist. Und das dann auch meinem Umfeld deutlich kommunizieren.

Nein sagen bedeutet: ehrlich sein

Wer schlecht Nein sagen kann, möchte es anderen gern recht machen. Und betrügt dabei oft sich und andere. Dabei ist es so wichtig, ehrlich zu sich zu sein, sich zu fragen: Was will ich? Und auch: Was kann ich? Arbeite ich im Kindergottesdienstteam mit, weil ich die Arbeit mit Kindern liebe und eine Begabung dafür habe? Oder mache ich es, weil es sonst keiner macht? Weil meine Kinder sonst nicht betreut sind? Weil andere es von mir erwarten?

Echte Gemeinschaft ist nur möglich, wenn ich ehrlich bin und dem anderen meine Bedürfnisse, meine Wünsche, meine Vorstellungen mitteile. Klar und deutlich! Dazu gibt es auch einen hilfreichen Vers in der Bibel. Im Jakobusbrief heißt es: „Wenn ihr Ja sagt, dann muss man sich darauf verlassen können, wenn ihr Nein sagt, dann steht auch dazu.“ (Jakobus 5,12). Wer ehrlich ist und verlässlich sein Ja oder Nein äußert, wird auf Dauer eher akzeptiert als jemand, der immer nur Ja sagt, es aber nicht wirklich meint.

Nein sagen bedeutet: Ja sagen

Jeder von uns muss täglich Entscheidungen treffen für oder gegen etwas: Wenn ich die rote Hose kaufe, muss ich die blaue liegen lassen, wenn ich mich am Nachmittag zum Schwimmen verabrede, kann ich nicht Eisessen gehen … Wir müssen auch immer wieder Prioritäten setzen. Das ist notwendig, sonst bekommen wir unser Leben nicht auf die Reihe und verlieren uns total. Wer zu allen oder vielen Anfragen Ja sagt, kann nichts davon richtig machen. Wer zu viele Aufgaben übernimmt, wird keine gut und erst recht nicht gern erledigen. Deshalb ist es besser, Nein zu sagen, als etwas schlecht oder halbherzig zu tun. Dann hat man auch wieder Kapazitäten und Möglichkeiten, bei einer anderen Anfrage aus vollem Herzen Ja zu sagen.

Natürlich sind Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit und Selbstlosigkeit grundsätzlich gute Eigenschaften. Und leider machen es sich manche Menschen zu einfach mit dem Nein-Sagen. In allen Gemeinden, Vereinen und Schulen ärgert man sich über diese Menschen, die Angebote gern wahrnehmen, deren Engagement aber zu wünschen übrig lässt. Und manche reagieren darauf mit einem Übermaß an Engagement und Pflichtbewusstsein. Das muss aber in einem gesunden Rahmen bleiben. Ein entschiedenes Nein heute ermöglicht mir ein freudiges Ja morgen. Ein Nein zum Kuchenbacken ermöglicht mir ein Ja zu einem wichtigen Gespräch. Ein Nein zum zweiten Ehrenamt ermöglicht mir ein Ja zu vollem Einsatz beim ersten.

Nein sagen bedeutet: Bedürfnisse, Fähigkeiten und Begrenzungen ernst nehmen

Menschen, die schlecht „Nein“ sagen können, haben manchmal ein eher geringes Selbstwertgefühl. Sie haben Angst, von den anderen nicht gemocht oder akzeptiert zu werden, wenn sie ein „Nein“ äußern. Andere haben eher ein überhöhtes Selbstwertgefühl. Sie meinen, unersetzlich zu sein und es am besten selbst machen zu können.

Weder das eine noch das andere ist wahr. Kein Mensch wird geliebt, weil er niemals Nein sagt. Und kein Mensch ist unersetzlich. Wir müssen den Menschen in unserem Umfeld nicht beweisen, wie toll wir sind. Beziehungen, die darauf aufgebaut sind, stehen auf tönernen Füßen. Andere können diese Aufgabe auch erledigen. Ja, sie werden es anders machen. Sie werden es vielleicht auch schlechter machen. Aber sie und ich – wir können beide an dieser Situation wachsen.

Nein sagen lernen

Was mache ich nun, wenn es mir schwer fällt, Nein zu sagen? Kann man Nein-Sagen lernen? Ich denke, ein erster Schritt ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Nachzudenken, warum ich an dieser Stelle Ja gesagt habe, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. Ging es mir um Anerkennung? Hatte ich Angst, mein Gegenüber zu enttäuschen? Habe ich die Sorge, dass der andere mich nicht mehr mag, wenn ich Nein sage? Oder denke ich, dass alles zusammenbricht, wenn ich mich an dieser Stelle zurückhalte?

Schon indem ich über die Ursachen und Zusammenhänge nachdenke, wird manches deutlich. Es ist wichtig, dass ich mir darüber klar werde: Was will ich? Was sind meine Ziele? Dabei geht es sowohl um die ganz großen Linien, als auch um die kleinen, alltäglichen Dinge.

Wichtig ist, sich klar zu machen: Die anderen mögen mich auch, wenn ich anderer Meinung bin, wenn ich etwas anders oder nicht mache. Wenn ich mein Nein klar und ehrlich begründe, kann das mein Gegenüber in der Regel nachvollziehen oder zumindest akzeptieren. Hilfreich ist es auch, sich vor Augen zu führen: Mein Wert liegt darin, dass der ewige Gott mich liebt. Ich muss mir nichts „verdienen“ – nicht vor Gott und nicht vor Menschen.

Und ein ganz praktischer Tipp: Wer Nein sagen lernen möchte, sollte sich Verbündete suchen. Ein offenes Gespräch mit dem Partner, der Partnerin oder einem Freund, einer Freundin kann helfen. Mein Gegenüber kann mir spiegeln, wie er oder sie meinen Umgang mit dem Ja und dem Nein empfindet. Und ich kann um Rat fragen: „Ich habe hier eine Anfrage vom Sportverein. Wie soll ich reagieren?“ Nicht zuletzt kann ich in einem solchen Vertrauensverhältnis das Nein-Sagen üben. Vielleicht in ganz kleinen Schritten. Vielleicht auch, indem ich ein anstehendes Gespräch mit dem Chef, dem Vereinsvorsitzenden oder der Schwiegermutter vorher durchspiele und überlege: Wie kann ich auf Einwände reagieren? Wie kann ich klar bleiben?

Nein-Sagen kann man lernen. Es sind ja nur vier Buchstaben …

 

Dieses Interview erschien in der Zeitschrift FamilyNEXT. Jetzt kostenlos testen: www.family-next.de

 

Daniel Kallauch

Interview: Bettina Wendland

Kinder stark machen

Über ein Vierteljahrhundert steht Daniel Kallauch schon auf der Bühne. Und macht dabei nicht nur eine professionelle Show für Kinder und Eltern, sondern vermittelt auch wichtige Werte.

Du bist seit über 25 Jahren Kindermusiker. Macht es dir immer noch Spaß?

Ja, es macht mir richtig Spaß. Vor einigen Jahren dachte ich, mit Mitte 50 mache ich mehr für Erwachsene. Aber dann hatte ich so etwas wie ein Gotteserlebnis, wo ich auf einmal wusste: „Du bist und bleibst bei den Kindern.“ Das war befreiend für mich.

Wie bist du denn überhaupt zur Kindermusik gekommen?

Seit ich 16 bin, bin ich mit Musik unterwegs – zuerst mit einem Freund, dann mit Anke, meiner Frau. Bei meiner ersten Arbeitsstelle als Vikar bin ich im Kinderbereich gelandet. Der Diakon brauchte für einen Einschulungsgottesdienst ein Lied zur Speisung der 5.000. Da ich kein passendes Lied kannte, habe ich eins geschrieben: „4999 und 1“. Danach entstand ein Kinderlied nach dem anderen und die kamen viel besser an als die Lieder, die ich vorher gemacht hatte.

Ist der Willibald auch schon 26 Jahre dabei?

Ja. Vom ersten Kinderkonzert im Januar 1991 bis heute. Der Spaßvogel sah zwar noch etwas anders aus, hatte aber immer seinen Charakter, der sich im Lauf der Jahre weiterentwickelte. So wie bei mir!

Wie hast du das Bauchreden gelernt?

Bei einen Wochenend-Kurs. Mit dem Bauchreden ist es wie mit dem Klavierspielen. Man braucht eine halbe Stunde, um zu wissen, wo welcher Ton ist. Aber es dauert zehn Jahre, bis es klingt.

Du hast in den letzten  Jahren viele Kinder erlebt. Würdest du sagen, dass die Kinder sich verändert haben?

Ja, die Aufnahmefähigkeit hat nachgelassen. Aber auch die Eltern haben sich verändert. Viele sind nicht mehr so konzentriert dabei. Bei fast jedem Auftritt gibt es eine Mutter, die mit ihrem Kind auf dem Schoß ihr Smartphone bearbeitet. Für die Veranstalter ist es auch nicht leichter geworden. Früher war eine Familienshow oft zwei Wochen vorher ausverkauft. Heute bezahlen die Leute lieber den teureren Tagespreis, um spontan entscheiden zu können, ob sie hingehen.

Hast du dein Showprogramm an diese Veränderungen angepasst?

Eigentlich nicht. Häufig bekomme ich die Rückmeldung von Eltern, sie hätten noch nie erlebt, dass ihr Kind 80 bis 90 Minuten so konzentriert bei einer Sache dabei war. Mal hören sie zu, dann kommt Willibald wieder, kurz darauf heißt es aufstehen zum Mitmachen … Wir wechseln ständig die Impulse, alles mit Regisseur und viel Erfahrung geplant.

Auf deiner neuen CD „Ganz schön stark“ geht es darum, Kinder stark zu machen. Was sind denn die größten Herausforderungen für sie?

In unserer Gesellschaft müssen alle richtig viel Leistung bringen, auch die Kinder schon. Unser Schulsystem ist darauf aufgebaut. Das ist zunehmend eine große Herausforderung für Kinder und Familien. Kreativität zum Beispiel ist kaum gefragt. Ich hoffe, dass ich Kindern, die sensibler und kreativer sind, Mut mache, stark zu sein und zu sich zu stehen.

Wie können Eltern das fördern?

Eltern müssen sich nicht dem Diktat der Schule und der Gesellschaft unterwerfen. Sie sollten den Mut haben, ihren eigenen Weg mit ihren Kindern zu gehen und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu entfalten. Eltern dürfen mutig als Vorbilder vorangehen und dem Nachwuchs zeigen, dass nicht immer alles glatt läuft. Sie sollten bereit sein, ihre Kinder mehr in ihr Leben mit hineinzunehmen und ihnen zeigen, wie jemand mit Schwierigkeiten umgeht, der Gott vertraut.

Dieses Interview erschien in der Zeitschrift Family. Jetzt kostenlos testen: www.family.de

Unterlassene Hilfeleistung

Von Bettina Wendland

Ein 82-jähriger Mann brach im Vorraum einer Bank zusammen. Vier Menschen sind achtlos an ihm vorbeigegangen oder sogar über ihn hinweggestiegen. Erst der fünfte Mann hat einen Notarzt gerufen. Da war es aber schon zu spät …

Eine uralte Geschichte. Schon Jesus hat sie als Gleichnis erzählt: der barmherzige Samariter. Es ist vielleicht ein natürlicher Reflex: Augen zu und durch. Oder: Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Aber es ist und bleibt unterlassene Hilfeleistung. Es ist und bleibt falsch.

Aber ist es nur dann unterlassene Hilfeleistung, wenn etwas direkt vor meinen Augen passiert und ich nicht reagiere? Ist es nicht auch unterlassene Hilfeleistung, wenn ich weiß, dass im Sudan Menschen hungern und ich nichts dagegen unternehme? Wenn ich lese, dass in Bangladesch keine fairen Löhne gezahlt werden, ich aber trotzdem Klamotten bei H&M kaufe?

Diese Liste ließe sich unendlich erweitern. Not und Hilfsbedürftigkeit begegnen mir auf allen Kanälen. Aber ich kann ja nicht die ganze Welt retten. Es gibt nicht den Ausweg aus diesem Dilemma. Es gibt keine Lösung, um allen gerecht zu werden. Aber das Entscheidende ist, dass ich erst mal hingucke. Dass ich anfange. Dass ich Schritt für Schritt losgehe.

Natürlich ist mein Nächster zunächst mein Nächster: meine Familie, meine Freunde, meine Nachbarn. Die alte Frau im Supermarkt. Die Flüchtlinge in meinem Stadtteil. Hier soll ich helfen, wo ich kann. Aber ich darf die Nächsten, die weiter weg leben, auch nicht vergessen.

Alles richtig machen kann ich nicht. Aber aus lauter Angst, etwas falsch zu machen, gar nichts zu tun, ist erst recht verkehrt. Da gibt es ja noch das andere Gleichnis von Jesus, in dem es darum geht, wie die Knechte mit dem Geld umgehen, dass ihnen ihr Herr anvertraut hat. Dabei kommt der Knecht am schlechtesten weg, der das Geld vergräbt, statt damit zu arbeiten – aus Angst, er könne einen Fehler machen.

Also, Augen auf und helfen! Da, wo es am dringendsten scheint. Da, wo Gott mir etwas aufs Herz legt. Da, wo meine Fähigkeiten und Talente, mein Geld und meine Zeit besonders gebraucht werden. Ohne Anspruch, alles richtig zu machen. Nur wegsehen – das geht gar nicht!

Dieser Kommentar erschien in FamilyNEXT. Jetzt kostenlos testen: www.familynext.net

 

 

Kraftvoll gegen die Angst

Von Bettina Wendland

Sind wir auf dem Weg zu einer angsterfüllten Gesellschaft? Wie reagieren wir angemessen auf Hassparolen, Terrorangst und „besorgte Bürger“?

Die Angst greift um sich: Zum ersten Mal seit Jahren sind die Deutschen 2016 nicht mit Optimismus, sondern sorgenvoll ins neue Jahr gestartet. Blickten in den vergangenen Jahren nur jeweils um die 30 Prozent angstvoll in die Zukunft, sind es nun mehr als 50 Prozent. Eine ähnliche Umfrage in der Schweiz ergab eine etwas optimistischere Einschätzung, allerdings stand hier auch die häufig gewählte Option „Ich nehme es, wie es kommt“ zur Auswahl, die bei der deutschen Umfrage nicht angeboten wurde.

Die „besorgten Bürger“ sind in den letzten Monaten zum Schlagwort geworden. Sie sorgen sich, dass der Zustrom der Flüchtlinge zu groß sei, um ihn zu bewältigen. Dass die Menschen, die zu uns kommen, nicht ausreichend integriert werden können. Sie haben Angst, dass unser Wohlstand und unser innerer Friede leiden könnte. Diese Angst teile ich nicht. Aber ich bemerke auch bei mir, dass die Angst zugenommen hat. Ende letzten Jahres war es vor allem die Angst vor Terroranschlägen. Wenn  mein Mann mit den Kindern zum Bundesligaspiel fährt, habe ich immer wieder ein mulmiges Gefühl.

Flagge zeigen gegen Hass

Ich bin immer wieder erschrocken über Brandanschläge, Hassparolen, offene Feindseligkeiten gegenüber Menschen, die aus anderen Ländern schutzsuchend zu uns kommen. Was manche früher vielleicht am Stammtisch hinter vorgehaltener Hand gesagt haben, ist nun fast salonfähig geworden. Zumindest facebook-fähig. Woher kommt dieser Hass? Und vor allem: Wo führt er hin? Wie wird sich mein Land verändern, wenn Menschen mit dieser Geisteshaltung mehr Einfluss bekommen?

Zum Glück gibt es immer wieder Hoffnungszeichen. Da lehnen die Schweizer eine Volksinitiative der SVP ab, die bewirken sollte, dass Ausländer schneller abgeschoben werden können. Viele Menschen zeigen Flagge gegen Hass und Rassismus. Und eine ZEIT-Studie hat ergeben, dass mehr als die Hälfte der Deutschen Angst hat vor Ausländerfeindlichkeit. Angst vor Überfremdung hat nur ein Drittel der Bürger.

Angst ernstnehmen

Es ist wohl kein Zufall, dass etwa in der Bibel gefühlt auf jeder zweiten Seite steht: „Fürchte dich nicht!“. Es gehört zu unserem Menschsein dazu, Angst zu haben. „In der Welt habt ihr Angst“, stellte Jesus einmal fest. Aber dann ergänzt er: „Seid getrost, ich habe die Welt überwunden.“ Für mich bedeutet das, dass ich meine und die Ängste anderer Menschen erst einmal wahrnehme. Und dann auch ernstnehme. Dass ich mich ihnen stelle, mich aber nicht von ihnen bestimmen lasse.

Ermutigend finde ich einen Bibelvers im Neuen Testament: „Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern einen Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.“ (2. Timotheus 1,7). Mit dieser Haltung will ich meiner Angst begegnen: mit Kraft, mit Liebe und mit Besonnenheit. Das bedeutet für mich, dass ich zu meinen Überzeugungen stehe, sie kraftvoll und besonnen vertrete. Ohne Hass, dafür mit Liebe. Wie würde sich unsere Gesellschaft ändern, wenn wir es schafften, diesem Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit mehr Raum zu geben?

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