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Weggeben!

Von Martin Gundlach

Wir haben ein kleines Haus und wenig Platz für Überflüssiges. Trotzdem staut sich bei uns eine Menge, in den Regalen, auf Schränken und in den Zimmerecken. Gerade merken wir, wie befreiend es ist zu entrümpeln. Kaputte und wertlose Dinge zu entsorgen und gut erhaltene an Menschen weiter zu geben, die sie richtig gut gebrauchen können. Wir haben das Gefühl, dass mit dem gewonnenen Platz auch Raum für neue Gedanken entsteht – und dass wir so manche verschütteten Dinge oder Themen überhaupt erst wieder in den Blick bekommen. Deshalb an dieser Stelle zwei Anregungen aus den beiden letzten Wochen.

  • Leben Sie nicht in der Vergangenheit! Hoffen Sie nicht, dass Ihre Kinder irgendwann einmal die alten vergilbten Reclam-Hefte lesen wollen. Ihr altes Telefon reaktivieren? Das Geschirr von Oma übernehmen? Ja, ein oder zwei Nostalgiestücke sind okay. Trennen Sie sich vom Rest. Klamotten, aus denen die Kinder herausgewachsen sind, Spielzeug, mit dem keiner mehr spielt. Weg damit, wenn Sie es nicht mehr brauchen. Es gibt ganze Regale voller Literatur, wie befreiend dieser Schritt ist. Ich weiß das – und trotzdem tue ich mich oft überraschend schwer mit dem Weggeben.
  • Für uns gibt es zwei Optionen: Die schönen Teile verschenken, die unnützen Dinge wegwerfen. Wir verkaufen nichts. Wir fühlen uns beschenkt und schenken weiter. Es gibt momentan so unendlich viel Bedarf im Land bei denen, die als Flüchtlinge zu uns kommen. Ja, Sie können aus Ihrer Entrümpelungstour noch ein paar Euro oder Franken herausholen. Das ist nicht verwerflich und vielleicht im Einzelfall richtig. Sie können sich aber auch überlegen, wer sich drüber freuen würde oder wer diese Dinge wirklich noch gebrauchen kann. Und sie dann fröhlich weiter geben.

Auch andere sind auf dieser Spur unterwegs: „Eines Tages fällt dir auf, dass du 99 Prozent nicht brauchst“, singt Silbermond auf ihrem aktuellen Album in „Leichtes Gepäck“. Das erinnert mich an ein Buch des US-Autors Richard Foster, das ich gelesen habe, als ich Anfang 20 war. In „Leben mit leichtem Gepäck“ geht es um einen Lebensstil, der auf Unnötiges leicht verzichten kann und sich auf Wesentliches konzentriert. Ich werde das Buch heute mit ganz anderen Augen betrachten. (Und seit letzter Woche ist meine Chance gewachsen, dieses Buch auch wieder zu finden.)

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So wäre ich gerne …

Von Pfarrer Hanspeter Wolfsberger

Der 13. Opferkasten im Tempel – aussehend wie eine auf dem Trichter stehende Posaune –war der Platz für Spenden mit dem Zweck „wo am Nötigsten“. Der dabei stehende Priester nahm die laut zu äußernde Spendensumme zur Kenntnis, bestätigte sie, kommentierte sie wohl auch manchmal – vor allem, wenn sie gering war in seinen Augen –, und wer in der Nähe war, hörte es.

Jesus war in der Nähe. Und hörte deshalb, wieviel diese Frau einlegte. Eine verarmte Witwe, heißt es. Das heißt: So sah sie auch aus. Sie hatte einen ungünstigen Moment erwischt, ihre Gabe abzugeben. Vor ihr waren etliche reiche Leute „benannt“ worden. Nun kam sie – mit fast nichts. Der laut gewordene Unterschied war schon akustisch krass. Als die Frau abdrehte und die sogenannten „Schatzkammer“ verließ, kam sie an Jesus vorbei. Er sah sie an, und er sah – das Mehr. Das in ihrer Gabe Verborgene umwehte sie. Das Eigentliche. Der von Gott gesuchte „wohlgefällige Geruch“, wie die Rabbinen lehrten. Das, was Gott aufregend findet, weil es sein Herz berührt. Und Jesus sagte leise zu seinen Jüngern: „Sie hat ihre Armut gegeben, ihren bios, ihr Leben.“ (Markus 12,41ff / Lukas 21,1 ff)

Was da in den Opferkasten hinunter klimperte, war materiell zu vernachlässigen. Schon das Porto für eine Zuwendungsbescheinigung war teurer als die Gabe selbst. Aber diese Mini-Gabe war etwas seltsam Ganzes. Etwas zum Himmel hinauf Gegebenes. Etwas dort Angekommenes und Verwandeltes.

 

Man erlaube mir die Assoziation: Wenn so meine Mitarbeit im Reich Gottes wäre, auch und vor allem als Verkündiger und in Beziehungen: Das Wenige, die eigene Armut Gott hinhalten, weil ich mehr nicht habe: „Da, Jesus, mein Leben. Mach was draus. Egal was. Aber mach was draus!“

Zeuge sein ohne künstliche Ergänzungsmittel. Ohne die Armut schönredende Performance. Ohne „Auftritt“, ohne verbale Vorführung. Ohne gestische oder auditive Wirkungsverstärker. Dafür zutiefst bescheiden, entwaffnend ehrlich, heiter und spürbar darauf angewiesen, dass der Himmel selbst sich erbarmt und Feuer auf die hingehaltene Opfergabe fallen lässt…

Ein chassidischer Rabbi besuchte ein auswärtiges Bethaus. Unter der Tür blieb er jedoch stehen und weigerte sich, hinein zu gehen. Er erklärte: „Ich kann nicht hinein. Das Haus ist vom Boden bis zur Decke voll mit hier geäußerter Lehre und mit Gebeten.“ Er fuhr fort: „Die Worte, die über die Lippen der Lehrer und Beter gehen und die nicht aus einem auf den Himmel ausgerichteten Herzen kommen, die verlassen den Raum nicht, sondern füllen ihn nur. Darum ist hier kein Platz mehr.“

„Sie hat ihre Armut gegeben, ihren bios, ihr Leben.“

Dieser Artikel erschien in AUFATMEN. Jetzt kostenlos testen unter www.aufatmen.de