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Unbekannte Personen der Bibel: Urija ben Schemaja

von Dr. Ulrich Wendel

Hat Gott seinen Diener vernachlässigt?

„Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ heißt ein erfolgreich verfilmter Roman, und es gab schon immer viele Menschen, die ihr eigenes Leben so beschreiben würden. Auch in der Bibel bildet sich die Ungerechtigkeit der Lebensschicksale häufig ab. Urija ben Schemaja ist so einer, dem das Leben offenbar unfair mitgespielt hat.

Urija war ein Zeitgenosse des Propheten Jeremia. Er stammte aus Kirjat-Jearim, einer Stadt, die gut 25 Kilometer von Jeremias Heimatort Anatot entfernt lag. Beide Männer hatten viel gemeinsam: Sie lebten unter demselben König, Jojakim. Wie Jeremia war auch Urija ein Prophet – und sie hatten dieselbe Botschaft: Sie sprachen im Namen Gottes gegen das Land Juda und die Mächtigen in Jerusalem, denn diese hatten Gottes Wege verlassen.

Für diese mutige Botschaft musste Urija einen hohen Preis bezahlen. Nichts war damals verwerflicher als die göttlichen Vorzüge von Jerusalem in Frage zu stellen. König Jojakim plante Urijas Hinrichtung. Der Prophet erfuhr davon und floh nach Ägypten. Doch Jojakim hatte politische Verbindungen dorthin. Er schickte ein Kommando hinterher, ließ Urija zurückholen, mit dem Schwert hinrichten und seinen Leichnam unehrenhaft verscharren (die Geschichte steht in Jeremia 26,20-24).

Kollege Jeremia stand in der gleichen Gefahr. Doch er hatte einen einflussreichen Beamten des Königshofes hinter sich stehen, der seine Hand über ihn hielt. So kam Jeremia mit dem Leben davon, und das mehr als einmal. Urija aber hatte niemanden auf seiner Seite. Und auch Gott schützte ihn nicht. So viel zum Thema Gerechtigkeit.

Keine falschen Schuldzuweisungen!

Manche Bibelausleger machen Urija zum Vorwurf, dass er nach Ägypten geflohen ist. Anstatt sich auf Gott zu verlassen, habe er selbst für seinen Schutz sorgen wollen. Doch diese Erklärung ist wohl nur ein Versuch, die drängende Frage nach der Gerechtigkeit zu übertünchen. Der biblische Bericht hat an der Flucht von Uirja nichts auszusetzen. Im Gegenteil – auch Jeremia musste sich in einer bestimmten Situation einmal vor König Jojakim verstecken. Der Bericht kommentiert das mit den Worten, dass Gott selbst ihn – den fliehenden Propheten – verborgen hielt (Jeremia 36,18). Auch früher schon war es ein Zeichen der Treue zu Gott gewesen, wenn jemand Propheten vor dem rachsüchtigen König versteckte (1. Könige 18,3-4). Man kann also Urija nicht vorwerfen, er sei eigenmächtig davongelaufen und also selbst Schuld an seinem Schicksal.

Wir müssen zunächst einfach anerkennen: Gott behandelt nicht jedes seiner Kinder gleich. Und Gott gibt auch nicht jedes Mal eine Erklärung dafür, warum er seine Leute ungleich behandelt. Wir leben in einer Welt, in der Menschen einander Schaden zufügen, ja einer den anderen tötet. Gott schiebt dem manchmal einen Riegel vor – aber nicht immer. Zuweilen lässt er dem Bösen seinen Lauf, auch wenn das seine Diener das Leben kostet. Auch im Neuen Testament steht beides hart nebeneinander: Der Apostel Petrus wird ins Gefängnis geworfen, aber durch ein Wunder befreit – und kurz vorher ist der Apostel Jakobus geköpft worden, ohne Wunder, ohne Rettung (Apostelgeschichte 12,2-11).

Aus dem Abstand betrachtet

Das einzige, was manchmal (!) hilft: Einen Schritt zurücktreten und das Gesamtbild betrachten. Die Jahre verstreichen lassen und sehen, was zu allerletzt herauskommt. Bei Jeremia war es so: Immer wieder hatte er einflussreiche Fürsprecher, die ihm das Leben retteten. Gott schenkte ihm eine längere Lebenszeit als Urija. Am Ende allerdings war Jeremia dann doch ein Spielball der Judäer, denen er die ganze Zeit treu Gottes Wort gesagt hatte. Sie verschleppten ihn nach Ägypten – wo sich dann sein Weg verliert. Der Überlieferung zufolge wurde er von seinen Landsleuten gesteinigt. Letzten Endes ging es ihm also nicht besser als Urija. Es traf ihn bloß später.

Bei Petrus war es vermutlich ähnlich. Anders als Jakobus war er gerettet worden, doch frühe christliche Historiker sagen, er sei später in Rom hingerichtet worden. Dasselbe Muster also: Auch der, den Gott beschützte, blieb zum Schluss nicht verschont.

Vielleicht ist der Unterschied zwischen Urija und Jeremia doch nicht so groß. Aus menschlicher Perspektive zwar durchaus: Jahre und Jahrzehnte weiterleben dürfen oder nicht, das ist ein Riesenunterschied! Doch am Ende warteten auf beide die Mörder. Und am Ende hieß es für beide auch: Man hat ihnen nicht geglaubt, ihre Botschaft kam nicht an. Am Erfolg gemessen, war Jeremia gescheitert. Urija ebenso – bloß früher. Sein Leben blieb ein Fragment.

Lebenssinn trotz Scherben

Aber es gibt auch Fragmente, die in tieferem Sinn vollständig sind. „Es kommt wohl nur darauf an, ob man dem Fragment unseres Lebens noch ansieht, wie das Ganze eigentlich angelegt und gedacht war und aus welchem Material es besteht. Es gibt schließlich Fragmente … die bedeutsam sind auf Jahrhunderte hinaus, weil ihre Vollendung nur eine göttliche Sache sein kann, also Fragmente, die Fragmente sein müssen … Wenn unser Leben auch nur ein entfernter Abglanz eines solchen Fragmentes ist, … dann wollen wir uns auch über unser fragmentarisches Leben nicht beklagen, sondern daran sogar froh werden.“ Das schrieb Dietrich Bonhoeffer – auch einer, den Gott am Ende nicht beschützt hat, als er seinen Mördern in die Hände fiel.

Zum größeren Bild, aus dem Abstand betrachtet, gehört schließlich auch dies: König Jojakim, der Urija wie einen ehrlosen Verbrecher verscharren ließ, erlitt am Ende dasselbe Schicksal: Seine Leiche sollte den Tieren auf dem Feld vorgeworfen werden (Jeremia 22,19; 36,30). In der Tat – die Bibel erwähnt seinen Tod, aber weder Begräbnis noch Trauer (2. Könige 24,6).

Ist das ausgleichende Gerechtigkeit? Hat jemand wie Urija etwas davon, wenn es am Ende den anderen auch nicht besser geht? Unterm Strich hilft wohl nur das Vertrauen: Auch wenn Menschen einander töten – Gott ist es, der über die Dauer eines Lebens entscheidet. Und an Gott liegt es auch, dass ein Leben erfüllt sein kann, selbst wenn es zu früh endet. Nein, Gott behandelt nicht jeden gleich. Doch seine Zuwendung und Zuneigung sind nicht geringer, auch wenn jemand ein Leben voller Belastungen und Grenzen führen muss.

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Jesus, meine Zuversicht

Von Ansgar Hörsting

Das wohl dominanteste Lebensgefühl heutiger Zeit ist das der „Unsicherheit“.

Dafür gibt es viele Gründe: IS-Attentate, Diebstähle, Währungskrisen, Niedrigzinsphase, Altersarmut, demographischer Wandel – um nur einige zu nennen. Und dann bringen uns das Internet und die Nachrichten auch noch jedes Geschehen in Echtzeit direkt ins Wohnzimmer. Aber es gibt darüber hinaus eine Unsicherheit, die tiefer begründet ist, im Denken und Lebensgefühl des modernen oder postmodernen Menschen. Ihm geht jede Gewissheit verloren. Wir können heute nichts mit Sicherheit wissen. „Wissenschaft ist der aktuelle Stand des Irrtums“, sagen manche. Deswegen weiß der Mensch nicht, wer er ist und was wirklich verlässlich ist. Ganz extreme Leute sagen: Vielleicht ist alles, was wir sehen, hören und riechen eine einzige Sinnestäuschung und eigentlich sind wir Wesen, die irgendwo an Schläuchen hängen und unsere Hirnströme täuschen uns unsere Welt nur vor. Manche sind davon wirklich überzeugt. Und davon, dass wir eigentlich von Reptilien beherrscht werden, die im Hintergrund die Fäden ziehen. Sachen gibt’s. Schließlich: Ehe, Staat, Konventionen, Werte, das seien alles nur Konstruktionen der Mächtigen, um den Menschen am Laufen zu halten. Weg damit! Und nun weiß keiner mehr Bescheid.

 

Populismus und Fundamentalismus

Zu diesem Lebensgefühl gibt es Reaktionen und Gegentrends. Eine Reaktion auf diese Unsicherheit ist, so sagt man heute, der Populismus. Das sind Schwarz-Weiß-Antworten, an denen man sich leicht orientieren kann. Eine andere Reaktion ist der Fundamentalismus, sagen andere. Fundamentalisten seien müde, ob all der ungeklärten Fragen und ziehen sich zurück auf ihr Glaubenssystem, auf ihre nicht mehr hinterfragbaren Fundamente. Wieder andere reagieren mit Verschwörungstheorien. „Postfaktisch“  ist das Wort des Jahres 2016. Fakten werden ignoriert. Sie spielen keine Rolle. Die Lügen-Posts auf Facebook setzen sich durch. Wobei ich mich wundere, dass sich viele darüber so wundern. Denn gelogen wurde schon immer, Fakten wurden immer zurechtgebogen. Es ist noch fast jeder Krieg mit einer Lüge begründet worden. Und überhaupt: Wenn lange genug gesagt wird, es gebe ja gar nicht „die Wahrheit“ und alles sei Interpretationssache, dann ruft man eben alle möglichen Interpretatoren auf den Plan. Fakten braucht dann kein Mensch mehr, da es die sowieso nicht gebe, wie wir es lange gehört haben.

So kann man unsere Zeit beschreiben. Und auch wenn es nicht für jeden und immer zutrifft, insgesamt gilt: Unsicherheit und ihre Gegentrends sind ganz hoch im Kurs. Und deswegen hat auch das Lebensgefühl der Angst Hochkonjunktur. Keiner weiß mehr genau Bescheid über Wahrheit, über Zukunft, über Frieden, über Politik, über Gewissheiten, und über Gott sowieso nicht. Das macht Angst.

 

Jesus, egal was kommt

2017 ist das Jahr des Reformationsjubiläums. Die Evangelischen haben das Thema entdeckt und begreifen es als Chance. Sie sagen: Wir haben etwas, oder besser jemanden, der sicher ist, der Gewissheit schenkt, zuverlässig und treu ist: Jesus Christus. Und ja, da bin ich dabei! Ich bin überzeugt, dass wir ein Angebot haben, das sehr hohen „Marktwert“ hat: ein sicheres Fundament unseres Lebens, eine gute Orientierung für unsere Fragen, eine letzte Sicherheit in Tod und Leben und Gewissheit, weil wir als Jesus-Nachfolger nicht uns selbst gehören, sondern ihm: Jesus, meine Zuversicht. Und deswegen finde ich die Bezeichnung „Christusfest“ für dieses Jubiläumsjahr sehr gut. Da mache ich mit.

Eine Frage müssen wir dennoch klären. Wenn wir Jesus als diesen Fixpunkt haben, wer sagt uns mit Gewissheit etwas über ihn? Woher haben wir Informationen, auf die wir uns verlassen können? Es ist die Bibel, das Wort Gottes. Sie bezeugt, wer er ist, was er gesagt hat, wer er sein wird und was kommen wird. Ohne diesen Bezug zur Bibel als das Wort Gottes, werden wir keine Sicherheit haben und bieten können. Manche Reformationsjubiläumseuphorie wird versanden, weil das reformatorische „sola scriptura“ müde belächelt wird. Natürlich beten wir Gott an, nicht die Bibel! Und ganz sicher ist das Wort Gottes zugleich Menschenwort, also nicht vom Himmel gefallen, sondern durchzogen von menschlichen Perspektiven. Aber eben darin offenbart sich Gott. Bis heute. Wir beten den Gott an, der sich in der Bibel bekannt macht und wir beten ihn durch Jesus an, von dem wir in der Bibel erfahren. Wie gut, sie zu haben, egal was kommt.

 

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