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Gut, dass wir einander haben

Agnes Wedell

Meine Mutter war im Frühjahr im Krankenhaus. Nein, sie war nicht an Corona erkrankt. Aber wegen Corona durfte sie niemand aus unserer Familie besuchen. Gerade in einer Zeit, in der unsere Nähe für sie wichtig gewesen wäre, konnten wir sie ihr nicht geben. So wie uns erging es vielen anderen Familien. Aber anders als bei uns endeten diese Geschichten nicht immer mit einem Happy End. Alte und auch jüngere Menschen sind einsam im Krankenhaus gestorben – und ihre Angehörigen müssen jetzt damit leben, sie auf ihrem letzten Weg nicht begleitet zu haben.
Gemeinschaft  ist lebensnotwendig. Der dreieine Gott hat uns so geschaffen, dass wir einander brauchen. Von Anfang an wollen wir zu jemandem gehören. Das gibt Sicherheit und Geborgenheit.  Wer sind wir schon als Einzelkämpfer? „Der Mensch wird am Du zum Ich“, drückte der jüdische Philosoph Martin Buber dieses Bedürfnis nach Miteinander aus.
Das kann natürlich ganz  unterschiedlich aussehen: Der eine liebt es, in große Gruppen einzutauchen und unterhält mit Leichtigkeit alle Anwesenden. Die andere macht lieber mit einer Freundin einen Spaziergang, bei der sich beide rege austauschen, aber auch mal gemeinsam schweigen. Und natürlich braucht und verträgt nicht jeder dieselbe „Dosis“ an Gemeinschaft. Extrovertierte tanken im Miteinander auf.  Und leiden dementsprechend am Alleinsein. Ich bin introvertiert. Um neue Kraft zu schöpfen oder einen klaren Kopf zu bekommen, muss ich mich zurückziehen. Um danach eine Begegnung umso mehr genießen zu können.
Wenn das Bedürfnis nach Nähe und Distanz so unterschiedlich verteilt ist, kann das natürlich zu Konflikten führen – in der Familie, unter Freunden, aber auch in der Gemeinde. Zumal es ja noch so viele andere Aspekte gibt, die uns unterscheiden: Gott baut aus jungen und alten Frauen und Männern seine Gemeinde. Pedanten treffen in der Kirche auf  Chaoten, Streitlustige einigen sich mit Harmoniebedürftigen, Menschen aus verschiedenen Kulturen erleben miteinander Gemeinschaft. Ganz schön anstrengend – aber auch ein unglaublicher Reichtum!

 

Dieser Artikel erschien in LebensLauf. Jetzt kostenlos testen: www.lebenslauf-magazin.net

Stein für Stein

von Pascal Görtz

Hätte ich früher gewusst, wie sehr Räume mein Leben prägen, wäre ich Architekt oder Stadtplaner geworden. Ich liebe es, mich auf offenen Plätzen selbst wahrzunehmen, Häuserschluchten mit Jugendstilfassaden abzulaufen, die Spuren anderer Stadtbewohner im Straßenbild zu entdecken. Aber auch hohe Decken, Stadtgärten und schwer einsehbare Dachterrassen. Und Charakterecken, von denen nur wenige Notiz nehmen. Die Neugierde treibt mich. Das alles ist verbaute Sehnsucht nach Freiheit oder Größe oder Gemeinschaft oder einer besseren Zukunft. Die Gesichter unserer Städte tragen zutiefst menschliche Züge.

Als Christen haben wir naturgemäß ein gespaltenes Verhältnis zu dieser Form von „Menschlichkeit“. In Städten begegnen wir einer Kultur, die uns in manchem nahekommt, in vielem aber fremd ist. Als Bürger der zukünftigen Welt erleben wir uns als Fremde in der Diaspora. Wir sehen Menschenverachtendes, strukturelle Sünde, Egoismen, die unverheilten Brüche des Lebens auf engstem Raum. Gleichzeitig ist Flucht keine Option: Als christliche Gemeinschaften können wir dem Blick des Nächsten kaum ausweichen. Deshalb ist es nur logisch, wenn sich Gemeinden fragen, wie sie das Evangelium innerhalb der Kultur ihrer Städte zum Strahlen bringen können.

Verändere deine Stadt! Das ist kein Aufruf zum Starksein. Nicht aus uns selbst heraus, nicht als Selbstzweck werden wir die Kultur verändern. Sondern als Erlöste, die zu lieben gelernt haben, weil sie von Gott Liebe erfahren haben.

Schauen wir unseren Städten ins Gesicht – und krempeln dann die Ärmel hoch.

Stein für Stein eine neue Stadt.

Dieser Kommentar erschien in DRAN NEXT, dem Magazin zum Selberglauben. Jetzt kostenlos testen: www.dran-next.de