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Legenden über die Bibel: Der Feigenbaum

Von Dr. Ulrich Wendel

„Der blühende Feigenbaum ist Symbol für die Staatengründung Israels“

Über die Bibel kursieren viele Ideen, die zwar populär sind, aber der Nachprüfung nicht standhalten: Maria Magdalena war eine Prostituierte, das „Nadelöhr“ war ein Stadttor in Jerusalem – und manches mehr…

 

„Wenn der Feigenbaum blüht …“ – so oder ähnlich lauten die Titel von Predigten oder frommen Infoschriften über Israel. Im Ton einer gespannten Erwartung wird dann oft gesagt: Jesus habe Israel mit dem Feigenbaum verglichen. Wenn der blüht, sei die allerletzte Zeit angebrochen. Weil nun der Feigenbaum in der Bibel ein Symbol für Israel sei und weil 1948 die Welt zusehen konnte, wie der Staat Israel sich gründete, sei diese Prophetie von Jesus dabei, in Erfüllung zu gehen.

Zweifellos wäre es atemberaubend, direkter Zeitgenosse zu sein, wenn eine biblische Ankündigung sich erfüllt. Bloß: In der Bibel ist der Feigenbaum gar kein besonderes Symbol für Israel! Die Stellen, die dafür gelegentlich genannt werden, sprechen mal von zwei Sorten Feigen (Jeremia 24,1-10), mal von einer Feige zusammen mit Weintrauben (Hosea 9,10), mal von einem Weinstock und einem Feigenbaum (Joel 1,7). Wer das Alte Testament liest, käme kaum auf die Idee, unter den Bildworten für Israel würde gerade der Feigenbaum eine hervorstechende Rolle spielen.

Jesus hat den Feigenbaum dann als Gleichnis angeführt (Matthäus 24,32-44). Aber als Gleichnis wofür? Dafür, dass es Abläufe in der Geschichte gibt, die man an ihren Vorzeichen erkennen kann. So wie man den bevorstehenden Sommer daran erkennt, dass der Feigenbaum Blätter hervorbringt, so hat auch die letzte Zeit der Geschichte vorab ihre Hinweise. Jesus spricht hier weder speziell von Israel noch vom „Blühen“ des Feigenbaums. Und in der parallelen Stelle Lukas 21,29 sagt er: „Seht den Feigenbaum und [überhaupt] alle Bäume“. Es geht Jesus also gar nicht um einen speziellen Baum, sondern allgemein darum, dass Bäume eben zu bestimmter Zeit ausschlagen. Mehr ist nicht gesagt.

Dass die Staatengründung Israels eine Erfüllung des Jesuswortes vom Feigenbaum sei, ist leider ein Beispiel dafür, dass man ein Bibelwort erstens ungenau gelesen hat und zweitens noch mit Vorstellungen auffüllte, die weder dort noch im weiteren Zusammenhang zu finden sind.

Nun gibt es noch eine zweite Begebenheit, die mit Jesus und einem Feigenbaum zu tun hat. Als Jesus in Jerusalem kurz vor dem Passahfest einen Feigenbaum ohne Früchte sah und dort also nicht frühstücken konnte, kündigte er diesem Baum die Vernichtung an. Der verdorrte daraufhin augenblicklich (Matthäus 21,18-22) bzw. am nächsten Tag (Markus 11,20). Zu dieser Jahreszeit wären normalerweise die kleinen Vorfeigen zu erwarten gewesen, aber an diesem Baum nun fehlten sie. Immer wieder wird diese Stelle so ausgelegt, dass Jesus mit dieser Szene zeichenhaft Israel verflucht habe. Diese Auslegung hätte aber nur dann eine Basis, wenn man als Bibelleser beim Feigenbaum unwillkürlich an Israel denken müsste – dieser Zusammenhang fehlt aber eben in der Bibel! Allzu oft haben Christen gemeint, Gott habe sein Volk verflucht. Auch die Begebenheit mit dem Feigenbaum wurde dazu missbraucht. Zwar folgt im Markusevangelium auf die Verfluchung des Feigenbaums sogleich die Szene, in der Jesus im Tempel die Händler hinauswirft (Markus 11,16-19), aber das hat mit einem „Fluch“ über den Tempeldienst nichts zu tun. Jesus übt hier als Prophet eine Kritik am Tempel, wie sie schon aus dem Alten Testament (z.B. in Jeremia 7,1-15) bekannt ist.

Die eigentliche Bedeutung seines Wortes gegen den Feigenbaum hat Jesus seinen Jüngern selbst klar und deutlich gezeigt: Das glaubende Gebet hat eine genauso starke Wirkung wie das Vernichtungswort von Jesus an diesen Baum (Matthäus 21,21-22). Mehr wollte Jesus nicht sagen.

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Luther und die Seligkeit

von Melanie Eckmann

Einem alten Wort aus der Bibelsprache auf der Spur

„Wer’s glaubt wird selig!“ Das ist eine Redewendung, die heute Zweifel an der Glaubwürdigkeit einer Aussage zum Ausdruck bringt. Dem, der den Glauben aufbringt, trotz schwacher Beweislage an dies oder jenes zu glauben, wird das eigene Seelenheil versprochen. Natürlich ist das ironisch gemeint.

Woher kommt diese Redensart? Der Ausspruch findet sich nicht wortwörtlich in der Bibel, weist aber Anklänge an den Missionsbefehl in Markus 16,16 auf, in dem es nach der Lutherübersetzung aus dem Jahr 1545 heißt: „Wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammt werden.“ Noch enger werden die Worte „glauben“ und „selig“ in Johannes 20,29 kombiniert. Jesus begegnet Thomas, der an der Auferstehung zweifelt, mit den Worten: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ Das klingt danach, als ob Jesus seinem Jünger das Seelenheil zuspricht, wenn dieser nur glaubt – also ganz auf der Linie seines Missionsbefehls.

Zwei Wege in die Seligkeit

Allerdings ist die Sache komplizierter. Das Wort „selig“ – es gehört zum Grundbestand der „Bibelsprache“ – steht in der Lutherübersetzung für zwei ganz verschiedene Worte des griechischen Grundtextes. Diese beiden Worte heißen, direkt übersetzt, „gerettet“ und „glücklich“. Es geht also einmal um ein Geschenk, das bis in die Ewigkeit hineinreicht, und das andere Mal um eine recht irdische, diesseitige Angelegenheit.

Im heutigen Deutsch sind diese beiden Aspekte kaum mit einem einzigen Wort zu erfassen. Die Medaille hat zwei Seiten. Ein Beispiel: Je nach Familienbeziehung kann der eine an Großmutters Grab der Verstorbenen einen sel’gen Frieden im ewigen Leben wünschen – und einem anderen kann ihr Tod ein seliges, glückliches, Lächeln über das Gesicht huschen lassen. Bei dem ersten geht es um das, was die Bibel mit „Rettung“ meint, beim zweiten um irdische Erleichterung, um Glück hier und jetzt.

Das Ringen um die Worte

Warum war das deutsche Wort „selig“ nun für Luther dennoch geeignet, um beide Aspekte auszudrücken? Beide Verwendungen des Adjektivs „selig“ sind aus dem Germanischen überliefert. Und das griechischen Wort für „gerettet werden“ (sōthēsesthai) hat seinerseits auch eine ziemliche Bedeutungsbreite. Es heißt – je nach Zusammenhang – „gerettet werden“, „beschützt/bewahrt werden“ und „geheilt werden“. Auch in Heilungsberichten wird es verwendet, wo jemand in irdischer Hinsicht gesund wird und die ewige Errettung noch kein Thema ist.

Um die Dinge noch komplizierter zu machen: Für die Übertragung des Neuen Testamentes in die deutsche Sprache verwandte Luther als Hilfsmittel die Vulgata, also die zu dem Zeitpunkt am weitesten verbreitete lateinische Bibelübersetzung. Am Beispiel von Markus 16,16 zeigt ein Blick zwischen ihre Buchdeckel, dass für sōthēsesthai der Ausdruck salvus erit hier seinen Platz gefunden hat. Salvus aber heißt im Lateinischen „gesund“ – obwohl der Missionsauftrag zweifellos die ewige Rettung, die Erlösung durch den Glauben, meint.

Das Glück im Jetzt

Die bekannten Seligpreisungen in Matthäus 5,3-11 sprechen nun noch einmal von einer anderen Art der „Seligkeit“. Das zugrunde liegende Wort makarios meint schlicht „glücklich“. Luther übersetzt auch hier: „Selig sind, die […]“.­ Die Worte von Jesus wirken bei genauerer Betrachtung paradox. Ein momentaner – meist unerfreulicher oder belastender – Lebensumstand bekommt das Prädikat „glücklich“. Die Seligpreisungen stellen das Leid in der Gegenwart in das Licht einer verheißungsvollen Zukunft. Und in diesem Licht kann der Leidende jetzt schon „glücklich“ sein. Auch hier geht es nicht um Erlösung in der Ewigkeit. Jesus meint ein irdisches Glück.

Genau das ist auch die Aussage gegenüber dem Zweifler Thomas. Die Seligkeit in Johannes 20,29 bezieht sich nicht auf das selige Leben bei Gott, sondern ein Glücklich-Sein auf Erden: „Wer’s glaubt, wird selig. Das Versprechen von Jesus zielt auf die Erde.

Greifbares Glück

Glück war für damalige Menschen aus der griechisch-römischen Kultur etwas durchaus Greifbares. Mit ihrem Wort für „glücklich“ – makarios – meinten sie Erfahrungen, die auch mit den Sinnen erfasst werden konnten. Sie dachten nicht bloß an irgendetwas in der Seele.

Genau hier entsteht eine weitere Schwierigkeit mit unserem Wort „selig“. Es klingt eben so sehr nach Seele. In früheren Jahrhunderten wurde dieses Wort tatsächlich noch mit zwei e geschrieben; da sprach die Kirche jemanden „seelig“ und man fragte sich, wie man „seelig“ sterben könne. Gemeint war: so sterben, dass man in die Erlösung eingeht. Wir würden das also als „errettet“ bezeichnen, das griechische Wort sōthēsesthai steht im Hintergrund.

Nun bezieht sich aber die biblische Auferstehungshoffung durchaus nicht nur auf die Seele. Paulus spricht von körperlicher Auferstehung. Das Wort „seelig“ verdeckt diesen Aspekt. Und auch heute noch sind die Seligpreisungen von Jesus diesem Missverständnis ausgesetzt, dass Jesus nur etwas Seelisches meine. Doch so ist es keineswegs. Egal ob das Glück auf Erden gemeint ist oder das Gerettet-Sein bei Gott – die Seligkeit hat in ihrer germanischen Wortherkunft nichts mit der „Seele“ gemeinsam. Von einer bloßen Innerlichkeit kann nicht die Rede sein. „Selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören“, sagte Jesus zu seinen Jüngern (Matthäus 13,16). Und was sahen ihre Augen, wovon hörten ihre Ohren? Doch zum Beispiel auch die Heilungswunder von Jesus. Etwas sehr Irdisch-Greifbares also. Daran beteiligt zu sein, auch das ist Glück.

Luther auf’s Maul geschaut

Luther führte für Jahrhunderte ein Wort in Sprachgebrauch und Volksglauben ein, das zwei Bedeutungen kombinierte. Das prägte. So hat der Volksmund Luther auf’s Maul geschaut und über die Zeit das Sprichwort gebildet: „Wer’s glaubt, wird selig.“ Wenn wir heute verstehen wollen, welche Bedeutung in welcher Bibelstelle genau gemeint ist, hilft uns das Wort „selig“ allerdings nicht mehr viel. Wer hier andere, heute präzisere Worte verwenden wollte, würde wohl ganz im Sinne Luthers handeln, der sagte: „Denn wer übersetzen will, muss einen großen Vorrat an Worten haben, dass er die Wahl haben könne, wo eins nicht an alle Stellen recht klingen will.“

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Den Dank-Tank wieder füllen

Von Martin Gundlach

Wer sich dafür entschieden hat, dankbar zu leben, braucht Orte, um diesen Lebensstil frisch zu halten. Aber wo sind diese Auftank-Orte zu finden?

Wer ein dankbarer Mensch werden will, trifft eine grundsätzliche Entscheidung dafür, diesen Weg zu beschreiten. Diese Entscheidung ist die Voraussetzung für Veränderung. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Denn das ist nicht die ganze Wahrheit. Der Alltagstest zeigt (zumindest bei mir): Der Danke-Lebensstil ist flüchtig. Zumindest mir wurde eine Haltung der Dankbarkeit nicht in die Wiege gelegt. Kaum jemand entscheidet sich einmal dafür, ein dankbarer Mensch zu sein – und bleibt es dann einfach für den Rest seines Lebens.

Es ist beim Danken ähnlich wie beim Laufen oder Autofahren: Ist der „Dank-Tank“ voll, dann ist man damit eine Weile gut unterwegs. Aber irgendwann ist der Tank leer. Der Blick, der eben noch auf die Geschenke Gottes in unserem Leben gerichtet war, sieht plötzlich wieder die herumliegenden Socken der Kinder und die Bartstoppel-Reste des Göttergatten im Waschbecken. Dann wandern die Gedanken zur kranken Freundin und hin zur weltweiten Ungerechtigkeit. Der Ärger über den bornierten Kollegen steigert noch den Unmut über die Überforderung am Arbeitsplatz. Dankbar? Jeder von uns kennt die Momente, in denen einem zu allem anderen zumute ist, nur nicht zum Danken. Und solche Momente, Menschen und Situationen wird es immer geben.

Es gibt zwei gute Möglichkeiten, den leeren Dankbarkeits-Tank aufzufüllen. Die eine ist ruhig und findet eher in der Einsamkeit und Stille statt. Die andere vollzieht sich in Gemeinschaft und ist mit mehr Lautstärke verbunden. Die eine Form ist der Rückzug, die andere Möglichkeit ist das Zusammensein mit anderen.

Ich glaube, dass den meisten von uns dabei eine der beiden Tankstellen typmäßig näher liegt. Die eine freut sich seit Wochen auf die Stille-Tage. Die andere ist froh, wenn es nicht zu ruhig wird. Der eine freut sich auf einen lauten Lobpreis-Abend, der andere ist glücklich, wenn er abends keinen Menschen mehr sehen muss und im Rückzug und Alleinsein auftanken kann.

 

Den Tank füllen: Rückzug in die Stille

Christen aller Jahrhunderte haben sich in die Stille zurückgezogen. Von den Wüstenmönchen im 6. Jahrhundert bis hin zu den Stille-Tagen, die heute auch wieder viele christliche Freizeitveranstalter anbieten, gibt es eine lange Tradition. Im Neuen Testament lesen wir: Jesus selbst zog sich immer wieder aus dem Trubel zurück, um in der Stille Kraft zu schöpfen.

Am nächsten Morgen ging Jesus allein an einen einsamen Ort, um zu beten. Später suchten ihn Simon und die anderen. Als sie ihn gefunden hatten, sagten sie zu ihm: „Alle fragen nach dir.“ Doch er entgegnete: „Wir müssen auch in die anderen Städte gehen, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.“  Markus 1,35-38 (NLB)

Zwischen zwei herausfordernden Tagen ging Jesus in die Stille, um zu beten. Das tat er nicht aus pädagogischen Gründen. Um ein „gutes Vorbild“ zu sein nach dem Motto: „Schaut her, so sollt ihr das auch machen!“ Nein, er verschwindet eher heimlich, still, unauffällig und leise. Die Jünger mussten ihn erst suchen.

„Wo ist Jesus?“

„Keine Ahnung.“

„Dann ausschwärmen und suchen.“

Irgendwann finden sie ihn. Leicht vorwurfsvoll klingt es, wenn sie sagen:

„Alle suchen nach dir!“

Sie meinen: „Wo bist du? Was tust du? Wir haben doch noch viel vor!“ Jesus geht auf diesen Vorwurf gar nicht ein. Er hat in der Stille Kraft getankt. Jetzt ist er wieder voller Tatendrang:

„Wir müssen los, in die anderen Städte …“

Er weiß: Wer sich für andere einsetzen will, wer anderen helfen will, der braucht die Besinnung, den Rückzug.

Ähnliche Szenen finden wir im Neuen Testament immer wieder: Jesus allein an abgeschiedenen Orten. Dann wieder unterwegs und in Aktion. Stille. Trubel. Stille. Trubel. Es ist fast ein Takt zwischen Aktion und Ruhe zu erspüren im Wanderleben von Jesus.

Um ehrlich zu sein: Wir wissen nicht, wie Jesus diese einsamen Zeiten gestaltet hat. Aber offensichtlich ist: Er braucht die Ruhe. Er braucht das Alleinsein. Im Rückzug findet für ihn eine Konzentration auf das Wesentliche statt, ein Zurechtrücken der Prioritäten, Gottesbegegnung. Daraus kommt die Kraft für alles Weitere.

Ich will mich nicht mit Jesus vergleichen, aber die Erfahrung kenne ich auch. Wenn ich morgens zur Arbeit fahre und in Ruhe über den gerade begonnenen Tag nachdenke, anstatt Radio zu hören, in frühmorgendlicher Muffel-Laune vor mich hin zu nörgeln oder schon in Gedanken die ersten Fragestellungen aus meinem Büroalltag zu klären. Dann werde ich dankbar: für meine Frau, für meine Arbeitsstelle, für die Tatsache, dass ich lebe, mich bewegen kann, für meine Kinder, für die Großzügigkeit Gottes und und und… Dass ich all das erleben darf! Dass ich all diese Menschen kennen darf. Mit ihnen leben darf. Dass Gott so gnädig ist… Solche ruhigen Zeiten geben dem Tag ein völlig anderes Lebensgefühl, in dem Dankbarkeit unaufhaltsam wächst.

 

Den Tank füllen: in der Gemeinschaft

Für viele füllt sich der Dank-Tank eher in gemeinsamen Aktivitäten. Die können ganz unterschiedlich aussehen, haben aber eines gemeinsam: dass ich mich auf Augenhöhe und mit einem offenen Herzen mit anderen zusammentue.

Gemeinsam beten

Immer brauchen wir die anderen, die uns dabei helfen, die Danke-Spur zu halten. Alleine hängen wir vielleicht trüben Gedanken nach – und benötigen andere, um den Kopf wieder hoch zu bekommen. Das Beten ist manchmal einfacher, wenn wir es gemeinsam tun. Denn dann bleiben wir nicht nur bei uns und unserer Sicht, sondern können uns von den anderen inspirieren, ermutigen und mitnehmen lassen. Denn das Dankgebet des anderen hilft auch mir zum Danken – und umgekehrt.

Gemeinsam singen

Gerade Musik und Gesang sind eine wunderbare Form, gemeinsam unsere Dankbarkeit Gott gegenüber auszudrücken. Lieder helfen uns, eine Haltung der Dankbarkeit zu üben und sie zu bewahren.

Danke-Lieder haben eine lange Geschichte. Die Bibel ist voll von Lob-Psalmen, mit denen der einzelne oder die singende Gemeinde ihre Dankbarkeit Gott gegenüber ausdrückt. Immer und immer wieder wurden diese Lieder gesungen, weil man immer und immer wieder die Erinnerung brauchte und auch die Erfahrung machte: Es gibt so viele Gründe, Gott zu danken. „Danke, für alles, was du gibst, Herr!“

Gemeinsam etwas tun

Für manche ist es auch das Größte, gemeinsam mit anderen etwas zu tun. „Wie schön ist es, wenn wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen!“ Gemeinsam einen Umzug stemmen, bei Freunden im Haus helfen, mit einer Gruppe eigener und fremder Kinder in den Zoo fahren. In der Gemeinschaft entwickelt sich Freude. Wer anderen hilft, hat am Ende müde Knochen, aber meistens ein dankbares, zufriedenes Grundgefühl:  Wir haben etwas Sinnvolles geschafft und vielleicht noch eine positive Rückmeldung bekommen.

Freiwillige aus den unterschiedlichsten Hilfsorganisationen sagen: „Die Menschen, denen wir geholfen haben, waren unendlich dankbar. Aber am meisten beschenkt waren wir, die wir ihnen geholfen haben.“ Andere freuen sich, wenn sie Geld zusammen bekommen haben, um Menschen in Not zu helfen oder eine besondere Freude zu machen. Das muss nicht immer etwas Spektakuläres sein. Einem Kind aus der Nachbarschaft bei den Hausaufgaben helfen, einen anderen zu einem schwierigen Arzttermin begleiten, sich gemeinsam um vernachlässigte Menschen kümmern – auch das sind wichtige Dinge.

Gemeinsam feiern

Die großen Dank-Feste Israels waren Gelegenheiten, sich zu freuen, sich an Gottes Heilshandeln zu erinnern und es zu feiern. Für die Israeliten war klar: Erinnern an die Gottestaten in der Vergangenheit und das Danken gehören zusammen.

So auch bei uns: Spontane Feste, lang geplante Feiern. Geburtstage, Feste im Kirchenjahr, Jubiläen, Hochzeitstage – das sind Erinnerungsorte, an denen wir uns bewusst machen können: Gott war mit uns – und er wird auch in Zukunft mit uns sein. Der Blick zurück bewirkt Dankbarkeit. Wir feiern das Gute, das uns widerfahren ist. Und schöpfen daraus Mut und Kraft für die Zukunft.

 

Leise oder laut?

Wie füllen Sie Ihren Dank-Tank auf? Eher in der Stille? Oder eher in der Gemeinschaft? Jedem Menschen liegt vielleicht einer der beiden Wege vom Typ her näher: Manche lieben es, alleine zu sein und müssen sich zu gemeinsamen Aktionen erst aufraffen. Andere lieben die Gemeinschaft, können aber mit Alleinsein oder Einsamkeit zunächst mal nichts anfangen. Und natürlich hat das auch etwas mit der persönlichen Lebenssituation und den Möglichkeiten zu tun. Das ist normal, das ist okay, diese Unterschiede zeichnen uns als Menschen aus.

Aber ich merke: Über die Länge der Zeit brauche ich beides. Und vielleicht profitiere ich am Ende vor allem in dem Bereich, der mir zunächst einmal fremd scheint. Als eher „lauter“ Typ taste ich mich also gerade an die Stille heran…

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So wäre ich gerne …

Von Pfarrer Hanspeter Wolfsberger

Der 13. Opferkasten im Tempel – aussehend wie eine auf dem Trichter stehende Posaune –war der Platz für Spenden mit dem Zweck „wo am Nötigsten“. Der dabei stehende Priester nahm die laut zu äußernde Spendensumme zur Kenntnis, bestätigte sie, kommentierte sie wohl auch manchmal – vor allem, wenn sie gering war in seinen Augen –, und wer in der Nähe war, hörte es.

Jesus war in der Nähe. Und hörte deshalb, wieviel diese Frau einlegte. Eine verarmte Witwe, heißt es. Das heißt: So sah sie auch aus. Sie hatte einen ungünstigen Moment erwischt, ihre Gabe abzugeben. Vor ihr waren etliche reiche Leute „benannt“ worden. Nun kam sie – mit fast nichts. Der laut gewordene Unterschied war schon akustisch krass. Als die Frau abdrehte und die sogenannten „Schatzkammer“ verließ, kam sie an Jesus vorbei. Er sah sie an, und er sah – das Mehr. Das in ihrer Gabe Verborgene umwehte sie. Das Eigentliche. Der von Gott gesuchte „wohlgefällige Geruch“, wie die Rabbinen lehrten. Das, was Gott aufregend findet, weil es sein Herz berührt. Und Jesus sagte leise zu seinen Jüngern: „Sie hat ihre Armut gegeben, ihren bios, ihr Leben.“ (Markus 12,41ff / Lukas 21,1 ff)

Was da in den Opferkasten hinunter klimperte, war materiell zu vernachlässigen. Schon das Porto für eine Zuwendungsbescheinigung war teurer als die Gabe selbst. Aber diese Mini-Gabe war etwas seltsam Ganzes. Etwas zum Himmel hinauf Gegebenes. Etwas dort Angekommenes und Verwandeltes.

 

Man erlaube mir die Assoziation: Wenn so meine Mitarbeit im Reich Gottes wäre, auch und vor allem als Verkündiger und in Beziehungen: Das Wenige, die eigene Armut Gott hinhalten, weil ich mehr nicht habe: „Da, Jesus, mein Leben. Mach was draus. Egal was. Aber mach was draus!“

Zeuge sein ohne künstliche Ergänzungsmittel. Ohne die Armut schönredende Performance. Ohne „Auftritt“, ohne verbale Vorführung. Ohne gestische oder auditive Wirkungsverstärker. Dafür zutiefst bescheiden, entwaffnend ehrlich, heiter und spürbar darauf angewiesen, dass der Himmel selbst sich erbarmt und Feuer auf die hingehaltene Opfergabe fallen lässt…

Ein chassidischer Rabbi besuchte ein auswärtiges Bethaus. Unter der Tür blieb er jedoch stehen und weigerte sich, hinein zu gehen. Er erklärte: „Ich kann nicht hinein. Das Haus ist vom Boden bis zur Decke voll mit hier geäußerter Lehre und mit Gebeten.“ Er fuhr fort: „Die Worte, die über die Lippen der Lehrer und Beter gehen und die nicht aus einem auf den Himmel ausgerichteten Herzen kommen, die verlassen den Raum nicht, sondern füllen ihn nur. Darum ist hier kein Platz mehr.“

„Sie hat ihre Armut gegeben, ihren bios, ihr Leben.“

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