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Lobpreis zu Hause

Christof Klenk

Die Corona-Krise hat für Familie Klenk neue Möglichkeiten eröffnet. War das gemeinsam Musikzieren sonst eher schwierig, wurde es nun zum Segen.

Wir machen eigentlich alle gerne Musik. Unsere drei Töchter sowieso, aber auch meine Frau und ich. Jede/r von uns spielt mindestens ein Instrument. Zusammen haben wir das bis jetzt aber eher selten getan. Ich glaube, dass man sich das auch romantischer vorstellt, als es ist.

Tränen bei den Proben

Ich weiß noch, dass wir bei einer Hochzeit mal als Familienband aufgetreten sind. Danach haben uns alle gefragt, ob wir das öfter machen. Das wäre so nett gewesen, uns da vorne zusammen zu sehen. Zum Glück hat man damals unserem Auftritt nicht angemerkt, dass wir bei den Proben mehrfach vor dem Abbruch standen, weil es heftigen Zoff gab. Mal hat die eine geheult und wollte nicht mehr, mal die andere. Ich schätze, dass wir da kein Einzelfall sind. In einer Familie gibt es immer auch eine gewisse Rivalität. Beim Musikmachen lässt die sich nicht immer abschalten. Von der älteren Schwester zu hören, dass man gerade nicht mehr im Takt war, ist gar nicht so leicht zu verkraften.

Corona-Chance

Die Hochzeit liegt jetzt sechs Jahre zurück. Entsprechend sind auch unsere Kinder älter und ein bisschen reifer geworden, vor allem aber wir Eltern. Als in der Corona-Krise die Gottesdienste ausfallen mussten, haben wir das auch als Chance begriffen. Wir haben zusammen Gottesdienst gefeiert. Ganz am Anfang noch zusammen mit unserer Nachbarin, als das nicht mehr ging, im engsten Familienkreis. Jede/r durfte sich ein Lied wünschen und dann haben wir zusammen Lobpreislieder gesungen.

In den ersten sieben Wochen der Krise war noch unsere älteste Tochter bei uns, die vor zwei Jahren zum Studium nach Münster gezogen ist. Ihre Präsenz und ihre Stimme haben unseren Lobpreis sehr belebt. Jetzt ist sie wieder am Studienort und unser Gesang etwas dünner, die Instrumente stehen eher im Vordergrund und die anderen beiden Töchter sind auch nicht jeden Sonntag dabei. Aber es ist trotzdem eine sehr schöne Erfahrung, sich in diesen Zeiten gemeinsam zu erleben und den Blick nach oben zu richten.

Manchmal vermisse ich die großen Gottesdienste gar nicht so sehr: Im Familienkreis können wir uns auf die Lieder konzentrieren, die uns besonders viel Freude machen. Das macht den Lobpreis persönlicher. Ich habe in so einer kleinen, intimen Runde den Eindruck, dass es mir eher gelingt, ganz bei mir zu sein und mich auf Gott auszurichten, weil es wenig gibt, was mich ablenkt. Häufig vergessen wir dabei sogar die Rivalität … Trotzdem freue ich mich auch auf die großen Gottesdienste und den Gesang von 250 Leuten, wenn das denn wieder möglich ist.

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„Einheit – das ist für mich eine der größten Fragen“

Christof Klenk

Der Gemeindeberater Dr. Stefan Vatter erzählt im Interview, weshalb die Kleingruppenarbeit der Zukunft offene Strukturen braucht, was sich Menschen von Gemeinde erhoffen und warum er viele Gottesdienste für langweilig halt

Was bedeutet es für dich, wenn Paulus sagt, die Gemeinde sei ein Leib Christi? Wie sind Gemeinden gestrickt, in denen das ge- lebt wird?

Ich finde das meiste, was zum Thema „Einheit“ gesagt wird, nicht befriedigend. In Gemeinden wird viel über Einheit gesprochen, es gibt ein starkes Bestreben sowohl innerhalb einer Gemeinde als auch unter Gemeinden. Der Wunsch entspricht ja dem Wort von Jesus, dass wir eins sein sollen. Zugleich ist es für mich eine der größten Fragen in einzelnen Gemeinden, zwischen den Gemeinden, unter den Konfessionen. Ich glaube nicht, dass die säkulare Welt hier von uns etwas lernen kann. Das soll uns demütig machen. Sie kann vielleicht von uns lernen, wie groß die Gnade Gottes ist, trotz unserer exorbitanten Uneinheit.

 

Woran machst du das fest? Was führt am häufigsten zum Scheitern der Einheit?

In unseren Gemeinden tun wir gut daran, die Dimension der Demut neu zu erfassen. In Epheser 5 ist das so formuliert:

„Seid einander untertan in der Furcht Christi.“ Interessant ist, dass es hier nicht heißt „in der Liebe Christi“, was man heute eigentlich erwarten würde, weil die Liebe ja als Allzweckwaffe gilt. Das ist sie aber nicht. Hier steht nicht „in der Liebe Christi“, weil das nicht funktioniert, sondern „in der Furcht Christi“. Ich glaube, dass darin ein großes Geheimnis liegt. Wenn wir uns selbst zurücknehmen, weil wir Gott respektieren und achten, kann er Großes unter uns bewirken. Wenn unsere Kultur davon geprägt ist, ist das ein Nährboden für Einheit, für eine Einheit, die Substanz hat und auch von der Außenwelt wahrgenommen wird.

 

Du hast gesagt, Liebe als Allzweckwaffe funktioniert nicht. Kannst du noch was dazu sagen?

Wir hatten vor etwa 500 Jahren eine starke Einseitigkeit im Gottesbild: Gott als der Souveräne, Heilige, der Richter, der über alles schaut. Ein Gott, vor dem man Angst haben muss. Heute haben wir genau das Gegenteil, ein Gottesbild, das davon ausgeht, dass Gott die Liebe ist – und damit ist scheinbar alles über Gott gesagt. Doch das stimmt nicht. Erstens: Jesus hat nie explizit gesagt: Gott ist die Liebe. In keinem Evangelium ist der Satz überliefert. Das muss uns nachdenklich stimmen. Natürlich hat Jesus Gott als den liebenden Vater im Himmel offenbart, aber eben nicht nur das. Zweitens: Der Heilige Geist heißt so, weil mit „heilig“ sein Wesen beschrieben wird. Nach den heute gängigen Vorstellungen müsste er eigentlich der „liebende Geist“ heißen. Und ein Drittes: In Offenbarung 4,8 wird beschrieben, dass wir in der Gegenwart Gottes vor ihm niederfallen werden und etwas zum Ausdruck bringen, was uns ergreift. Wir werden rufen: „Heilig, heilig, heilig.“ Dazu kommt, dass das Wort „Liebe“ inflationär verwendet wird. Liebe kommt vom mittelhochdeutschen lib, und lib heißt: was mir angenehm ist. Das ist nicht gerade sehr aussagekräftig, wir wissen, dass es im Griechischen schon viel differenzierter ist: agape, eros und philia.

 

Für viele Christen sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kirchen kaum noch nachvollziehbar. Sie suchen vorallem eine Gemeinde, in der sie sich wohlfühlen.

Ich glaube, es geht nicht ums Wohlfühlen. Es geht darum, existenziell abgeholt zu werden. Man spürt, dass man etwas bekommt, was man für sein Leben dringend benötigt. Drei Ebenen: Im Lobpreis und in der Anbetung begegnen wir Gott. Ich habe die Möglichkeit, Gott meine Liebe zum Ausdruck zu bringen. Das berührt meine Seele im Tiefsten, ist Nahrung für die Seele. In der Wortverkündigung erhalte ich Impulse für mein Leben und Inspiration. Das übt eine Faszination aus. Die dritte Dimension ist Gemeinschaft. Echte Freundschaften zu Menschen, mit denen ich zusammen meinen Glauben teilen kann. Das hat eine hohe Zugkraft! Ich nehme bei allen Generationen wahr, aber besonders bei den Jüngeren, dass genau danach gesucht wird: Wo finde ich Inspirationen für mein Leben, wo finde ich Qualitätsbeziehungen und wo finde ich etwas, was emotional berührt? Das zeichnet gute Gottesdienste aus, diese drei Dimensionen …

 

Inwieweit hat es mit mir selbst zu tun, ob ich diese Dinge in meiner Gemeinde erlebe?

Ich kann nicht erwarten, dass ich in den zwei Stunden am Sonntagvormittag von einem tiefgefrorenen Zustand in einen Zustand der Wärme geführt werde. Wenn ich mit Freude in meinem Glauben lebe, werde ich ganz anders in den Gottesdienst kommen. Gerade bei jungen Menschen kann man das oft beobachten, wenn im Gottesdienst der Lobpreis anfängt, dann brauchen sie wenige Sekunden, dann sind sie im Lob- preis. Sie brauchen keine großen Anlaufzeiten, und das spricht dafür, dass hier Menschen zusammenkommen, die auch unter der Woche Gott loben und preisen. Wichtig ist, mit welcher inneren Haltung ich komme: „Mal schauen, wer mich heute segnen wird“ oder „Durch wen will Gott mich segnen?“ oder „Wie wird Gott mich gebrauchen, dass ich andere segnen kann?“. Wer bereit ist, andere zu segnen, wird gesegnet werden. Wer nur kommt, um zu empfangen, geht oft leer aus.

 

Für manche Christen ist ihre Gemeinde vor allem eine Zumutung. Sie bringen sich ein, erleben aber Entäuschungen, Begrenzungen und Grabenkämpfe.

Ich glaube, dass hier dem fünffältigen Dienst nach Epheser 4,11 (mehr dazu in Einheit 6) eine große Bedeutung zukommt. Wenn in einer Gemeinde Hirten, Propheten, Evangelisten, Lehrer und Apostel gegenwärtig sind, dann werden wir viel mehr Menschen abholen. Wenn ich evangelistisch aktiv sein möchte und dafür in der Gemeinde keinen Raum finde, weil sie von einem Hirten dominiert wird, dann werde ich unzufrieden sein. Das ist keine gute Voraussetzung für eine Gemeinde. Deshalb glaube ich, dass es eine große Hilfe ist, sich darüber Gedanken zu machen: Wie können wir den unterschiedlichen Begabungen und Potenzialen gerecht werden?

 

Man hört immer wieder, dass Menschen so sehr unter ihrer Gemeinde leiden, dass sie daran kaputgehen. Wo ist die Grenze zwischen einer unperfekten Gemeinde – das sind ja alle– und einer missbräuchlichen?

Die Aussage, dass eine Gemeinde Menschen kaputtmacht, kenne ich von jeder größeren Gemeinde, die ein bisschen bekannt ist. Es gibt auch keinen geistlichen Leiter, der etwas Profil hat, über den das nicht auch irgendwann und irgendwo mal gesagt worden ist. Also, wie unterscheiden wir hier? Zum einen gibt es Projektionen oder sonstige Unzufriedenheiten, zum anderen gibt es auch Leute, die tatsächlich Missbrauch erleben. Ich glaube, dass geistlicher Missbrauch von Leitern dadurch kenntlich wird, dass mehrere voneinander unabhängige Personen das bestätigen. Nach dem biblischen Prinzip: Wenn zwei oder drei eine Komplikation bei einem Leiter feststellen, dann ist die Gemeindeleitung verpflichtet, dem nachzugehen. Oder auch die Leitung einer Freikirche oder Landeskirche.

 

Christian A. Schwarz hat vor einigen Jahren eine Veränderung in der Gemeindeteilnahme festgestellt. Er nennt das „participation shift“. Dass Leute sich zwar einer Gemeinde zugehörig fühlen, aber lange nicht mehr so oft zum Gotesdienst kommen. Machst du diese Beobachtung auch?

Es ist nach wie vor so, dass Menschen nach Heimat suchen, nach Identität, nach Geborgenheit, nach Beziehungen. Wenn Menschen wahrnehmen, dass sie gewollt sind, dass sie Möglichkeiten zur eigenen Entfaltung haben, dass sie echte Freundschaften finden, dann bin ich überzeugt, dass sie in solchen Gruppen  und Veranstaltungen sein wollen. Es gibt viele soziologische Untersuchungen, die genau in die Richtung gehen. Nur: Unsere Gottesdienste sind einfach oft sehr langweilig. Sie sind Gefäße theoretisch richtiger Verkündigung, aber nicht lebensnah und auch nicht vollmächtig im Sinne von: Was kann ich denn damit machen? Es fehlt auch ein Raum, wo man nach dem Gottesdienst zusammenkommen und Gemeinschaft haben kann. Was nach dem Gottesdienst passiert, ist mindestens so entscheidend wie das, was im Gottesdienst passiert. Man sieht an den neuen Bewegungen, also ICF, Hillsong, Ecclesia und wie sie alle heißen, dass hier keine Bindungskraft verloren gegangen ist. Da passiert genau das Gegenteil. Die jungen Leute sind mit ganzer Kraft dabei und voll motiviert. Dass man dableibt, weil sich das so gehört und es schon immer so war, das gibt es kaum noch. Das ist in allen Generationen wahrnehmbar.

 

Inspiration für mein Leben, emotional berührt werden, Gemeinschaft erleben – wie kommen bei den drei Dimensionen, die du benannt hast, die Hauskreise und Kleingruppen ins Spiel?

Ich glaube, dass Gefäße für persönliche Beziehungen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes berühren können, das dürfen wir nicht unterschätzen. Sich umarmen, sich sehen, sich wahrnehmen, sich riechen – das macht was mit uns Menschen. Gruppen, in denen ich Heimat, Freundschaft und Wärme erleben kann, sind absolut zeitgemäß. Durch die Begegnung mit dem „Du“ komme ich zum „Ich“. Da sind wir einem Geheimnis auf der Spur. Das hat Gott in uns angelegt.

 

Was ist das Modell der Zukunft aus deiner Sicht?

In meiner Gemeinde hatten wir nur sehr wenig Hauskreise und Kleingruppen, deshalb habe ich vor zwanzig Jahren intensiv darauf hingearbeitet, dass wir eine gute Struktur für die persönlichen kleinen Beziehungsgeflechte aufbauen. Zum Schluss hatten wir 60 Hauskreisleitende und Co-Leitende. Das war damals gut, aber heute muss man die Kleingruppenarbeit sehr flexibel gestalten. Da muss man Raum für ganz unterschiedliche Gruppen schaffen.

 

Könntest du ein paar Beispiele nennen?

Da kann es eine Gruppe für Selbstständige geben oder einen Alphakurs am Arbeitsplatz, wo man in der Mittagspause mit anderen Kollegen fünfzehn Minuten zusammenkommt. Organisches, das aus dem Leben kommt, hat Zukunft. Ein Extratermin am Abend, bei dem ich Leute treffen soll, mit denen ich sonst nicht zusammen bin – das ist Vergangenheit. Das wird es immer schwerer haben. Organisch wäre auch, die Familie neu als Kleingruppe zu entdecken. Zum Beispiel hatten wir in unserer Gemeinde den Impuls: Feiert doch zu Ostern gemeinsam als Familie Abendmahl! Unsere Kinder waren da, es war schönes Wetter, wir saßen zusammen auf der Terrasse, haben ein Gesellschaftsspiel gespielt und dann gemeinsam das Abendmahl gefeiert. Das war einfach und tief, weil alles sehr organisch daherkam. Wir sind sowieso zusammen, es ist alles da, alles vorbereitet, wir haben gemeinsam gebetet: alles kein großer Aufwand. Das hat Potenzial, dass wir das, was wir sowieso machen, mehr nutzen, um geistlich voneinander zu partizipieren. Entscheidend ist, dass wir Jesus in den Mittelpunkt stellen.

 

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„Klage auch an Weihnachten“

Brian Doerksen ist einer der bedeutendsten Künstler in der modernen Anbetungsmusik. Einige seiner Lieder („Kommt, jetzt ist die Zeit“) werden in vielen Gottesdiensten gesungen. Aber der Komponist und Musiker ist auch Ehemann und Vater von sechs inzwischen erwachsenen Kindern.

2003 hatten wir ihn schon einmal im Family-Interview. Damals sagte er, dass er am liebsten seinen Job als Musiker und Anbetungsleiter aufgegeben hätte, als klar wurde, dass auch sein zweiter Sohn die Fragile X–Diagnose hatte – eine geistige Behinderung. Wie sein Bruder würde er vermutlich nie ein „normales“ Leben führen können.

Brian, wie geht es deinen beiden Jungen heute?

Isiah ist inzwischen 18 Jahre alt. Er spricht immer noch nur drei Worte: „Ich“, „Nein“ und „Mama“. Aber er kann auch ohne Worte kommunizieren und ausdrücken, was er braucht. Er ist sehr gut darin, Liebe und Mitgefühl zu kommunizieren. Der Große, Benjamin, hat gerade seinen 26. Geburtstag gefeiert. Beide Jungs sind uns kostbare Geschenke, und wir danken Gott für sie.

Hattest du eine ähnliche Krise nochmal – wie damals in der Zeit, als Isiah geboren wurde? Damals warst du kurz davor, alles hinzuwerfen.

Das Leben ist voller Herausforderungen: Nach einer Minikrise folgt die nächste Minikrise. Doch meine Frau Joyce und ich lernen, im Vertrauen zu leben und uns dabei zu entwickeln – von der Ängstlichkeit hin zur Dankbarkeit. Ich bin ganz versöhnt damit, dass diese beiden Jungs so sind, wie sie sind. Sie sind ein Geschenk. Und ja, an manchen Tagen liegt die Last schwer auf uns, wie wohl die Zukunft wird. Aber nie lange, denn dann passiert irgendetwas Witziges oder Süßes – dann merken Joyce und ich wieder, wie gesegnet wir doch sind.

Heute sind deine Kinder groß, nur Isiah wohnt noch bei euch. Was beschäftigt dich, wenn du an deine erwachsenen Kinder denkst?

Ich trage jedes meiner Kinder jeden Tag in meinem Herzen. Ich bin stolz auf sie – wie sie sind, wie sie füreinander sorgen. Und wie sie sich freuen, wenn sie zusammen sind. Unsere Kinder sind keine „Hochleistungsmenschen“, aber sie sind Menschen, die für andere Sorge tragen. Wenn es im Leben wirklich darum geht, Liebe zu geben und zu empfangen, sind meine Kinder darin sehr gesegnet – und leben dies auch aus. Natürlich mache ich mir auch manchmal Sorgen um die Finanzen und wie sie es in dieser Welt schaffen werden.

Wie gelingt es euch, dass eure Ehe vital bleibt?

Wir gehen immer noch regelmäßig miteinander aus. Wir haben einen Abend pro Woche für ein Date reserviert. Wie bemühen uns umeinander und um die kleinen Dinge, die die Romantik aufrechterhalten. Ich weiß, dass meine Ehe mit Joyce wahrscheinlich das größte Glück ist, das ich in meinem Leben habe. Deshalb ist das für mich auch so wertvoll. Natürlich haben wir auch unsere Missverständnisse. Oder Joyce will bei einer anstehenden Entscheidung in die eine Richtung — und ich in die andere. Doch wir finden immer einen Weg, wie wir unsere Verbindung aufrechterhalten. Manchmal tun wir das auch, indem wir dem anderen die Freiheit geben, anders sein zu können. Aber es beglückt mich noch immer, wenn sie meine Hand beim Spazierengehen halten möchte.

Ihr seid ja schon lange miteinander unterwegs: Du hast mit 19 geheiratet – und bist jetzt 52. Hast du jemals bereut, so früh geheiratet zu haben?

Nicht ein einziges Mal! Das war die beste Entscheidung, die wir je getroffen haben. Wir sind gemeinsam ins Erwachsenendasein hineingewachsen. Wir kennen einander besser, weil wir mehr miteinander durchgestanden haben. Als kreative Persönlichkeit bin ich durch einige Hochs und Tiefs hindurchgegangen – und wir halten daran fest, dass wir in jeder dieser Phasen zueinander gehörten und gehören. Da wir eine sexuelle Beziehung nur im Rahmen unserer Ehe hatten, erleben wir Stabilität und Sicherheit in diesem tiefen Vertrauen. Dankenswerterweise sieht Joyce in mir, obwohl ich Anfang 50 bin, immer noch den 19 Jahre alten Mann. Wie sollte ich das jemals bedauern?

Wie macht ihr es mit den erwachsenen Kindern? Wie haltet ihr den Draht, die innere Verbundenheit?

Wir haben mindestens einmal im Monat sonntagabends „Familienabend“, Wir sind durch Text-Botschaften und Video-Chats in Kontakt. Zwei unserer Töchter studieren auch am Prairie College, sodass wir uns dort oft sehen.

Für wen ist das Loslassen schwerer, Mama oder Papa?

Für Mama. Isiah und Joyce sind sehr miteinander verbunden – er ist das Nesthäkchen der Familie. Es wird für Joyce ein harter Tag werden, wenn er ausziehen sollte – falls er das mit seinen besonderen Bedürfnissen je tun wird! Wir würden für ihn ein besonderes Zuhause benötigen und Menschen, die nach ihm sehen … Und doch hoffe ich, dass wir das finden werden und dann in eine Ehephase eintreten können, in der alle unsere Kinder ausgeflogen sind.

Was hat euch in der Zeit geholfen, in der das Haus leerer geworden ist?

Wir lieben diese Phase. Wir haben mehr Zeit füreinander und können mehr tiefe Gespräche miteinander führen. Wir lieben es, miteinander auf der Couch zu liegen und einen Historienfilm zu gucken. Und wir haben oft Gäste. Joyce hat eine außergewöhnliche Gabe der Gastfreundschaft und führt nun ein 5-Sterne-AirBnB in dem Studio über der Garage, wenn ich es nicht für meine Aufnahmen oder das Komponieren benötige. Obwohl also fünf der sechs Kinder das Haus verlassen haben, sind immer Menschen bei uns … Und Joyce liebt es so.

Du sagtest in unserem Gespräch 2003, dass ihr vier Paare habt, denen ihr euch verantwortet, die in euer Leben hineinsprechen dürfen. Ist das noch so?

Absolut. Wir haben mehrere Paare, mit denen wir in enger Beziehung stehen, die in unser Leben und wir in ihre Leben hineinsprechen. Inzwischen sind wir Teil einer kleinen Hausgemeinde, die aus vier Familien besteht. Wir meinen: In christliche Beziehungen geht es nicht um Bequemlichkeit; sondern es geht darum, füreinander in harten Zeiten einzustehen. Und durch die verschiedenen Phasen gemeinsam hindurchzugehen.

Stichwort „harte Zeiten“: Ich habe vor zwei Jahren ein Konzert von dir auf dem Dünenhof gehört, zu den Psalmen. Gerade die Klagepsalmen scheinst du zu lieben. Warum?

Klage auszudrücken ist eines der wichtigsten Dinge, die wir tun können. Jeder leidet, auch Menschen, die einen starken Glauben haben. Die moderne Kulturwelt – und auch ein Großteil der modernen Kirche — reagiert auf Leid und Schmerz mit Verleugnung und Zerstreuung. Die biblische Antwort ist aber: zu klagen. Die Psalmen geben uns die Sprache dafür, um dies gut zu lernen, und so sehe ich die Psalmen als eins der größten Geschenke, die der Menschheit gegeben wurden. Sie helfen uns, eine emotional gesunde Spiritualität in unserem Leben zu entwickeln. Die SHIYR Poets (Anm. d. Red.: die kanadische Band von Brian Doerksen) und ich arbeiten derzeit am Volume 3 der Psalmen, den Kapiteln 21 bis 30. Zum Beispiel Psalm 22: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Ich finde es sehr bemerkenswert, dass Psalm 22 vor dem Trost von Psalm 23 kommt. Und es ist sehr wichtig, diesen schwierigen Emotionen in unserer heutigen Welt eine Stimme zu verleihen. Es ist ein zentraler Schlüssel, um zu erkennen, was es heißt, Mensch zu sein.

Was singt ihr, wenn an Weihnachten die ganze Familie da ist?

Wir singen einige klassische Weihnachtslieder wie „Silent Night“ – ein deutsches Lied! Ich habe selbst einige Weihnachtslieder geschrieben. Wir lieben es, Schallplatten aufzulegen und mitzusingen. Ich singe wahrscheinlich am lautesten und mache damit meine Familie verrückt. „It’s the most wonderful time of the year“ – es ist die wundervollste Zeit im Jahr. Aber es ist nicht immer rein schimmernde Freude. Meine Mutter starb vor drei Jahren kurz vor Weihnachten, und um meine Trauer zu verarbeiten, schrieb ich ein Lied: „Christmas is the saddest season“ –„Weihnachten ist die traurigste Jahreszeit“. Das singe ich dann auch. Weihnachten ist die Zeit, in der wir wirklich merken, welche unserer Lieben uns für immer fehlen. Klage ist also auch an Weihnachten wichtig. Aber die Grundstimmung, die du bei uns zu Hause erleben würdest, ist die Haltung der Dankbarkeit, wenn wir gemeinsam auf ein Jahr zurückschauen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Martin Gundlach. Übersetzung: Ulrike Propach.

Dieses Interview erschien in der Zeitschrift FamilyNEXT. Jetzt kostenlos testen: www.family-next.de

 

Info zu Brian Doerksen:

Mit 22 Jahren wurde Brian Doerksen Pastor mit dem Schwerpunkt Lobpreismusik in der Langley Vineyard Christian Fellowship in Kanada. In dieser Zeit erschienen bei Vineyard Music die ersten Worship-Alben mit seiner Beteiligung. Brian Doerksen hatte einen großen Einfluss auf die Entwicklung der Lobpreis-Musik. Zu seinen bekanntesten Liedern zählen „I lift my eyes up“, „Hallelujah (Your Love is Amazing)“, „Refiner’s Fire“ und „Come Now is the Time to Worship“.

1994 veröffentlichte er das Musical „Father’s House“. Zwei Jahre lang wurde es mit Erfolg aufgeführt, danach folgte eine Flaute und schließlich der finanzielle Bankrott. Zur selben Zeit suchte die Vineyard-Kirche in Großbritannien eine Lobpreis-Leiter und Trainer für Songwriter. Brian zog mit seiner Familie nach England, wo er an zahlreichen erfolgreichen Alben mitarbeitete. 1999 kehrte er nach Kanada zurück, seit 2014 hat er eine Professur am Prairie College in Alberta.

Daniel Kallauch

Interview: Bettina Wendland

Kinder stark machen

Über ein Vierteljahrhundert steht Daniel Kallauch schon auf der Bühne. Und macht dabei nicht nur eine professionelle Show für Kinder und Eltern, sondern vermittelt auch wichtige Werte.

Du bist seit über 25 Jahren Kindermusiker. Macht es dir immer noch Spaß?

Ja, es macht mir richtig Spaß. Vor einigen Jahren dachte ich, mit Mitte 50 mache ich mehr für Erwachsene. Aber dann hatte ich so etwas wie ein Gotteserlebnis, wo ich auf einmal wusste: „Du bist und bleibst bei den Kindern.“ Das war befreiend für mich.

Wie bist du denn überhaupt zur Kindermusik gekommen?

Seit ich 16 bin, bin ich mit Musik unterwegs – zuerst mit einem Freund, dann mit Anke, meiner Frau. Bei meiner ersten Arbeitsstelle als Vikar bin ich im Kinderbereich gelandet. Der Diakon brauchte für einen Einschulungsgottesdienst ein Lied zur Speisung der 5.000. Da ich kein passendes Lied kannte, habe ich eins geschrieben: „4999 und 1“. Danach entstand ein Kinderlied nach dem anderen und die kamen viel besser an als die Lieder, die ich vorher gemacht hatte.

Ist der Willibald auch schon 26 Jahre dabei?

Ja. Vom ersten Kinderkonzert im Januar 1991 bis heute. Der Spaßvogel sah zwar noch etwas anders aus, hatte aber immer seinen Charakter, der sich im Lauf der Jahre weiterentwickelte. So wie bei mir!

Wie hast du das Bauchreden gelernt?

Bei einen Wochenend-Kurs. Mit dem Bauchreden ist es wie mit dem Klavierspielen. Man braucht eine halbe Stunde, um zu wissen, wo welcher Ton ist. Aber es dauert zehn Jahre, bis es klingt.

Du hast in den letzten  Jahren viele Kinder erlebt. Würdest du sagen, dass die Kinder sich verändert haben?

Ja, die Aufnahmefähigkeit hat nachgelassen. Aber auch die Eltern haben sich verändert. Viele sind nicht mehr so konzentriert dabei. Bei fast jedem Auftritt gibt es eine Mutter, die mit ihrem Kind auf dem Schoß ihr Smartphone bearbeitet. Für die Veranstalter ist es auch nicht leichter geworden. Früher war eine Familienshow oft zwei Wochen vorher ausverkauft. Heute bezahlen die Leute lieber den teureren Tagespreis, um spontan entscheiden zu können, ob sie hingehen.

Hast du dein Showprogramm an diese Veränderungen angepasst?

Eigentlich nicht. Häufig bekomme ich die Rückmeldung von Eltern, sie hätten noch nie erlebt, dass ihr Kind 80 bis 90 Minuten so konzentriert bei einer Sache dabei war. Mal hören sie zu, dann kommt Willibald wieder, kurz darauf heißt es aufstehen zum Mitmachen … Wir wechseln ständig die Impulse, alles mit Regisseur und viel Erfahrung geplant.

Auf deiner neuen CD „Ganz schön stark“ geht es darum, Kinder stark zu machen. Was sind denn die größten Herausforderungen für sie?

In unserer Gesellschaft müssen alle richtig viel Leistung bringen, auch die Kinder schon. Unser Schulsystem ist darauf aufgebaut. Das ist zunehmend eine große Herausforderung für Kinder und Familien. Kreativität zum Beispiel ist kaum gefragt. Ich hoffe, dass ich Kindern, die sensibler und kreativer sind, Mut mache, stark zu sein und zu sich zu stehen.

Wie können Eltern das fördern?

Eltern müssen sich nicht dem Diktat der Schule und der Gesellschaft unterwerfen. Sie sollten den Mut haben, ihren eigenen Weg mit ihren Kindern zu gehen und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu entfalten. Eltern dürfen mutig als Vorbilder vorangehen und dem Nachwuchs zeigen, dass nicht immer alles glatt läuft. Sie sollten bereit sein, ihre Kinder mehr in ihr Leben mit hineinzunehmen und ihnen zeigen, wie jemand mit Schwierigkeiten umgeht, der Gott vertraut.

Dieses Interview erschien in der Zeitschrift Family. Jetzt kostenlos testen: www.family.de

Judy Bailey

Interview: Jörg Podworny

„Wir sind eine Welt“

Die Sängerin Judy Bailey über Songs zwischen Reggae und Disco und die vereinende Kraft der Musik.

Judy, du bist schon von deiner Lebensgeschichte her – auf Barbados aufgewachsen, jetzt in Deutschland – eine Weltmusikerin und Weltbürgerin, die in vielen Teilen der Welt unterwegs ist. Welche Rolle spielt das für deine Art, Musik zu machen?

Es hat auf jeden Fall etwas miteinander zu tun. Ich bin auf Barbados aufgewachsen – das ist sowieso viel Reggae, Rhythmus, Calypso, afrikanische Einflüsse … Aber auch da hatte ich schon viele Poplieder in meinem Kopf. Und das ist weiter gegangen, seit ich mit Musik um die Welt reise: Was ich erlebe, das taucht auch in meiner Musik auf. Was mir gefällt, das fließt mit ein, auch unbewusst. Und wenn Leute fragen: „Wie nennst du deine Musik?“, dann ist das wirklich schwer zu beantworten. Weil es ist so gemischt: Reggae, Rock, Soul, Balladen, auch ein Disco-Song ist auf meinem neuen Album. Es ist schwer für mich, zu sagen: Das ist jetzt meine Musik. Es ist alles meine Musik irgendwie.

„Judy-Music“ sozusagen.

Ja, wirklich (lacht). Und Menschen aus buchstäblich aller Welt singen mit mir gemeinsam.

Neue Lieder haben oft zu tun mit Erinnerungen und Begegnungen. Gibt es im Rückblick auf die vergangenen Monate besonders bewegende Geschichten?

Oh, da gibt es einige! Ich habe eine ruhige Ballade getextet: „Let love have the last word“. Die habe ich geschrieben, als mein Schwiegervater gestorben ist. Das war keine einfache Geschichte. Vieles war nicht gelöst. Es gab noch viele Fragen, es war eine Herausforderung für die ganze Familie. Und das Lied soll ausdrücken: Obwohl man nicht alles versteht, soll die Liebe das letzte Wort haben – ohne dass es naiv oder simpel ist. Egal, was deine Gefühle sagen: Lass Liebe das letzte Wort haben! Auch wenn es schwer ist – lass nicht deine Wut oder deine Gefühle gewinnen! Das hat natürlich viel mit Vergebung zu tun.

Und eine zweite Geschichte: Als bei uns im Dorf viele Flüchtlinge ankamen, sind nach einiger Zeit ganz viele Leute zusammengekommen und wir haben ein Begegnungsfest gefeiert. Daraus ist das Lied „Home“ entstanden: ein Lied über Zuhause, besonders für die Flüchtlinge in meinem Dorf. Es begleitet uns irgendwie jeden Tag.

Gleichzeitig lag mein Bruder in diesen Tagen auf dem Sterbebett. Er hatte nicht das beste Verhältnis zu meinen Eltern, aber jetzt war er wieder zu Hause. Und als er gestorben ist, war das auch wie nach Hause gehen, zu Gott.

Zwei sehr eindrückliche Geschichten. Nun hat das Album den Titel One – und es trägt diesen Titel nicht einfach so …  

Ja. Ganz allgemein heißt „One“: Egal, wer du bist, wo du herkommst, wie du aussiehst und nach welcher Religion du lebst – wir sind eins! Durch die Adern jedes Menschen fließt Blut, jeder atmet, kennt Enttäuschungen, hat Freude: Wir teilen so viel gemeinsam. Als Christ heißt „One“ für mich: Wir sind eins, egal welcher Glaubensrichtung wir angehören, wenn wir den grundsätzlichen Kern des Glaubens haben. Und zusammen: Wir sind eine Kirche, haben einen Glauben, eine Hoffnung. Wir sind eine Welt.

Was ist dein Wunsch, wenn Menschen sich begegnen, wenn sie deine Musik hören oder auch gemeinsam singen?

Ich wünsche mir, dass meine Musik Leute zusammenbringt, dass wir zusammen tanzen und singen und sehen, dass wir eins sind. Und wenn wir von unserem Glauben singen, dann kann man den nicht sehen, nicht mit Händen greifen. Aber ich hoffe, dass Menschen es spüren und dass der Glaube anziehend ist für Menschen. Dazu möchte ich ermutigen mit meiner Musik.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift lebenslust. Jetzt kostenlos testen: www.lebenslust-magazin.net

Den Dank-Tank wieder füllen

Von Martin Gundlach

Wer sich dafür entschieden hat, dankbar zu leben, braucht Orte, um diesen Lebensstil frisch zu halten. Aber wo sind diese Auftank-Orte zu finden?

Wer ein dankbarer Mensch werden will, trifft eine grundsätzliche Entscheidung dafür, diesen Weg zu beschreiten. Diese Entscheidung ist die Voraussetzung für Veränderung. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Denn das ist nicht die ganze Wahrheit. Der Alltagstest zeigt (zumindest bei mir): Der Danke-Lebensstil ist flüchtig. Zumindest mir wurde eine Haltung der Dankbarkeit nicht in die Wiege gelegt. Kaum jemand entscheidet sich einmal dafür, ein dankbarer Mensch zu sein – und bleibt es dann einfach für den Rest seines Lebens.

Es ist beim Danken ähnlich wie beim Laufen oder Autofahren: Ist der „Dank-Tank“ voll, dann ist man damit eine Weile gut unterwegs. Aber irgendwann ist der Tank leer. Der Blick, der eben noch auf die Geschenke Gottes in unserem Leben gerichtet war, sieht plötzlich wieder die herumliegenden Socken der Kinder und die Bartstoppel-Reste des Göttergatten im Waschbecken. Dann wandern die Gedanken zur kranken Freundin und hin zur weltweiten Ungerechtigkeit. Der Ärger über den bornierten Kollegen steigert noch den Unmut über die Überforderung am Arbeitsplatz. Dankbar? Jeder von uns kennt die Momente, in denen einem zu allem anderen zumute ist, nur nicht zum Danken. Und solche Momente, Menschen und Situationen wird es immer geben.

Es gibt zwei gute Möglichkeiten, den leeren Dankbarkeits-Tank aufzufüllen. Die eine ist ruhig und findet eher in der Einsamkeit und Stille statt. Die andere vollzieht sich in Gemeinschaft und ist mit mehr Lautstärke verbunden. Die eine Form ist der Rückzug, die andere Möglichkeit ist das Zusammensein mit anderen.

Ich glaube, dass den meisten von uns dabei eine der beiden Tankstellen typmäßig näher liegt. Die eine freut sich seit Wochen auf die Stille-Tage. Die andere ist froh, wenn es nicht zu ruhig wird. Der eine freut sich auf einen lauten Lobpreis-Abend, der andere ist glücklich, wenn er abends keinen Menschen mehr sehen muss und im Rückzug und Alleinsein auftanken kann.

 

Den Tank füllen: Rückzug in die Stille

Christen aller Jahrhunderte haben sich in die Stille zurückgezogen. Von den Wüstenmönchen im 6. Jahrhundert bis hin zu den Stille-Tagen, die heute auch wieder viele christliche Freizeitveranstalter anbieten, gibt es eine lange Tradition. Im Neuen Testament lesen wir: Jesus selbst zog sich immer wieder aus dem Trubel zurück, um in der Stille Kraft zu schöpfen.

Am nächsten Morgen ging Jesus allein an einen einsamen Ort, um zu beten. Später suchten ihn Simon und die anderen. Als sie ihn gefunden hatten, sagten sie zu ihm: „Alle fragen nach dir.“ Doch er entgegnete: „Wir müssen auch in die anderen Städte gehen, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.“  Markus 1,35-38 (NLB)

Zwischen zwei herausfordernden Tagen ging Jesus in die Stille, um zu beten. Das tat er nicht aus pädagogischen Gründen. Um ein „gutes Vorbild“ zu sein nach dem Motto: „Schaut her, so sollt ihr das auch machen!“ Nein, er verschwindet eher heimlich, still, unauffällig und leise. Die Jünger mussten ihn erst suchen.

„Wo ist Jesus?“

„Keine Ahnung.“

„Dann ausschwärmen und suchen.“

Irgendwann finden sie ihn. Leicht vorwurfsvoll klingt es, wenn sie sagen:

„Alle suchen nach dir!“

Sie meinen: „Wo bist du? Was tust du? Wir haben doch noch viel vor!“ Jesus geht auf diesen Vorwurf gar nicht ein. Er hat in der Stille Kraft getankt. Jetzt ist er wieder voller Tatendrang:

„Wir müssen los, in die anderen Städte …“

Er weiß: Wer sich für andere einsetzen will, wer anderen helfen will, der braucht die Besinnung, den Rückzug.

Ähnliche Szenen finden wir im Neuen Testament immer wieder: Jesus allein an abgeschiedenen Orten. Dann wieder unterwegs und in Aktion. Stille. Trubel. Stille. Trubel. Es ist fast ein Takt zwischen Aktion und Ruhe zu erspüren im Wanderleben von Jesus.

Um ehrlich zu sein: Wir wissen nicht, wie Jesus diese einsamen Zeiten gestaltet hat. Aber offensichtlich ist: Er braucht die Ruhe. Er braucht das Alleinsein. Im Rückzug findet für ihn eine Konzentration auf das Wesentliche statt, ein Zurechtrücken der Prioritäten, Gottesbegegnung. Daraus kommt die Kraft für alles Weitere.

Ich will mich nicht mit Jesus vergleichen, aber die Erfahrung kenne ich auch. Wenn ich morgens zur Arbeit fahre und in Ruhe über den gerade begonnenen Tag nachdenke, anstatt Radio zu hören, in frühmorgendlicher Muffel-Laune vor mich hin zu nörgeln oder schon in Gedanken die ersten Fragestellungen aus meinem Büroalltag zu klären. Dann werde ich dankbar: für meine Frau, für meine Arbeitsstelle, für die Tatsache, dass ich lebe, mich bewegen kann, für meine Kinder, für die Großzügigkeit Gottes und und und… Dass ich all das erleben darf! Dass ich all diese Menschen kennen darf. Mit ihnen leben darf. Dass Gott so gnädig ist… Solche ruhigen Zeiten geben dem Tag ein völlig anderes Lebensgefühl, in dem Dankbarkeit unaufhaltsam wächst.

 

Den Tank füllen: in der Gemeinschaft

Für viele füllt sich der Dank-Tank eher in gemeinsamen Aktivitäten. Die können ganz unterschiedlich aussehen, haben aber eines gemeinsam: dass ich mich auf Augenhöhe und mit einem offenen Herzen mit anderen zusammentue.

Gemeinsam beten

Immer brauchen wir die anderen, die uns dabei helfen, die Danke-Spur zu halten. Alleine hängen wir vielleicht trüben Gedanken nach – und benötigen andere, um den Kopf wieder hoch zu bekommen. Das Beten ist manchmal einfacher, wenn wir es gemeinsam tun. Denn dann bleiben wir nicht nur bei uns und unserer Sicht, sondern können uns von den anderen inspirieren, ermutigen und mitnehmen lassen. Denn das Dankgebet des anderen hilft auch mir zum Danken – und umgekehrt.

Gemeinsam singen

Gerade Musik und Gesang sind eine wunderbare Form, gemeinsam unsere Dankbarkeit Gott gegenüber auszudrücken. Lieder helfen uns, eine Haltung der Dankbarkeit zu üben und sie zu bewahren.

Danke-Lieder haben eine lange Geschichte. Die Bibel ist voll von Lob-Psalmen, mit denen der einzelne oder die singende Gemeinde ihre Dankbarkeit Gott gegenüber ausdrückt. Immer und immer wieder wurden diese Lieder gesungen, weil man immer und immer wieder die Erinnerung brauchte und auch die Erfahrung machte: Es gibt so viele Gründe, Gott zu danken. „Danke, für alles, was du gibst, Herr!“

Gemeinsam etwas tun

Für manche ist es auch das Größte, gemeinsam mit anderen etwas zu tun. „Wie schön ist es, wenn wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen!“ Gemeinsam einen Umzug stemmen, bei Freunden im Haus helfen, mit einer Gruppe eigener und fremder Kinder in den Zoo fahren. In der Gemeinschaft entwickelt sich Freude. Wer anderen hilft, hat am Ende müde Knochen, aber meistens ein dankbares, zufriedenes Grundgefühl:  Wir haben etwas Sinnvolles geschafft und vielleicht noch eine positive Rückmeldung bekommen.

Freiwillige aus den unterschiedlichsten Hilfsorganisationen sagen: „Die Menschen, denen wir geholfen haben, waren unendlich dankbar. Aber am meisten beschenkt waren wir, die wir ihnen geholfen haben.“ Andere freuen sich, wenn sie Geld zusammen bekommen haben, um Menschen in Not zu helfen oder eine besondere Freude zu machen. Das muss nicht immer etwas Spektakuläres sein. Einem Kind aus der Nachbarschaft bei den Hausaufgaben helfen, einen anderen zu einem schwierigen Arzttermin begleiten, sich gemeinsam um vernachlässigte Menschen kümmern – auch das sind wichtige Dinge.

Gemeinsam feiern

Die großen Dank-Feste Israels waren Gelegenheiten, sich zu freuen, sich an Gottes Heilshandeln zu erinnern und es zu feiern. Für die Israeliten war klar: Erinnern an die Gottestaten in der Vergangenheit und das Danken gehören zusammen.

So auch bei uns: Spontane Feste, lang geplante Feiern. Geburtstage, Feste im Kirchenjahr, Jubiläen, Hochzeitstage – das sind Erinnerungsorte, an denen wir uns bewusst machen können: Gott war mit uns – und er wird auch in Zukunft mit uns sein. Der Blick zurück bewirkt Dankbarkeit. Wir feiern das Gute, das uns widerfahren ist. Und schöpfen daraus Mut und Kraft für die Zukunft.

 

Leise oder laut?

Wie füllen Sie Ihren Dank-Tank auf? Eher in der Stille? Oder eher in der Gemeinschaft? Jedem Menschen liegt vielleicht einer der beiden Wege vom Typ her näher: Manche lieben es, alleine zu sein und müssen sich zu gemeinsamen Aktionen erst aufraffen. Andere lieben die Gemeinschaft, können aber mit Alleinsein oder Einsamkeit zunächst mal nichts anfangen. Und natürlich hat das auch etwas mit der persönlichen Lebenssituation und den Möglichkeiten zu tun. Das ist normal, das ist okay, diese Unterschiede zeichnen uns als Menschen aus.

Aber ich merke: Über die Länge der Zeit brauche ich beides. Und vielleicht profitiere ich am Ende vor allem in dem Bereich, der mir zunächst einmal fremd scheint. Als eher „lauter“ Typ taste ich mich also gerade an die Stille heran…

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