Der Wohnzimmergottesdienst
Anna Maria Gerlach
Junge Erwachsene tauchen in der Kirche oft nur als Mitarbeitende auf. Mit dem Sonday schafft die Gemeinde Nierenhof ein Angebot für sie.
Es ist Sonntagabend, die Kirche ist dunkel, doch hinter der Kirche im Café Kostbar tönt Musik im Hintergrund; hier findet gleich ein Gottesdienst statt. Hinter der Bar steht eine junge Frau, Berit. Sie macht Kaffee, gibt Limo und Kuchen aus und plaudert mit den Gästen. Manche von ihnen sitzen an Tischen und quatschen oder spielen Dog, ein Brettspiel – so ähnlich wie „Mensch ärgere dich nicht“.
Die erste Idee
Die Gäste sind hier nicht fremd – es sind die jungen Erwachsenen der Kirchengemeinde Nierenhof im Ruhrgebiet. Vor zwei Jahren entstand die Idee, ein Angebot für sie zu schaffen, wo sie einfach ankommen, entspannen, auftanken können, ohne permanent ehrenamtlich mitarbeiten zu müssen. Berit bemerkte damals: Wenn Jugendliche erwachsen werden, gibt es keine Treffpunkte mehr für sie. Sie bringen sich ein, z. B. in den Programmen für Kinder; doch niemand kann immer nur in andere investieren. Deshalb wünschten Berit und ihre Freunde sich einen Ort nur für sich.
Berit begann, regelmäßig dafür zu beten, traf sich mit anderen, sie tauschten sich aus. Nach sechs Monaten stand das erste Konzept fest. Es sollte ein Wohnzimmergottesdienst mit dem Namen Sonday werden. Alle zwei Wochen wurden jede Menge Sofas und Tische in die ansonsten leere Kirche geschleppt. Ein Dart und ein Tischkicker ergänzten die gesellige Atmosphäre. Das Programm ähnelte einem aufwendigen Jugendgottesdienst, den Input lieferten Gastsprecher. Leider kam dieses erste Konzept nicht so gut an wie geplant. Die Sofas und Tische musste irgendjemand auch wieder wegschleppen, deshalb bedeutete der Sonntagabend eher Arbeit als Entspannung. Außerdem predigten die Gastredner so unterschiedlich, dass die Teilnehmenden nie genau wussten, was sie erwartet.
Umzug ins Café
Wegen dieser Überraschungstüte kamen manche der jungen Leute nicht mehr. Also musste das Konzept überarbeitet werden. Berit erzählt, dass es jetzt schon die dritte Version des Sonday gibt. Immer wieder muss überprüft werden, ob das Angebot zur Zielgruppe passt. Inzwischen finden die Wohnzimmergottesdienste im heimeligen Café Kostbar statt und das Programm ist schlicht und unaufwendig.
Ab 18 Uhr ist das Café für den Sonday offen. Gegen 19 Uhr beginnen zwei der jungen Erwachsenen, nur mit Klavierbegleitung einen Lobpreisteil anzuleiten. Die Gespräche an den Tischen verstummen, manche stehen auf. Später geht Josephin Jansen nach vorne, sie leitet mit ihrem Mann Nico die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Gemeinde. Josi liest eine Geschichte des Neuen Testaments vor und teilt ihre Gedanken dazu. Es ist keine wortgewaltige Predigt, sondern viel mehr eine persönliche Andacht. Bevor sie sich wieder in die Gruppe mischt, gibt Josi den jungen Leuten noch vier Gesprächsanregungen mit. An der Leinwand sind sie noch einmal zu sehen. An den Tischen beginnt das Gemurmel. Josi hat die Teilnehmenden dazu eingeladen, sich auszutauschen und miteinander zu beten. Nach einer Weile steht Nico auf und beendet die Gesprächsgruppen; er gibt aktuelle Infos aus der Gemeinde und zum Sonday weiter. Doch damit ist der Abend nicht beendet. Wie alles ganz offen begonnen hat, so endet es auch offen: Wer möchte, kann bleiben, Kuchen essen, einen Tee trinken, ins Gespräch kommen, ein Brettspiel spielen. Denn dieser Ort ist wie ein Wohnzimmer, in dem man einfach da ist und entspannt.
Flexibles Format
Abwechselnd zum Wohnzimmergottesdienst finden im zweiwöchigen Rhythmus Hauskreise statt. Wer mitmachen möchte, meldet sich für drei Monate an. Nach dieser Zeit werden neue Gruppen angeboten. Denn die Lebensphase zwischen 18 und 24 Jahren verändert sich meist schnell, z. B. wenn ein Auslandssemester oder ein Praktikum ansteht. Durch die dreimonatigen Angebote können alle frei entscheiden, ob sie gerade an einem Hauskreis teilnehmen möchten oder nicht.
Josephin Jansen erklärt: „Weil diese Generation so dynamisch ist, muss auch das Angebot so dynamisch sein.“ Etwa 30 junge Erwachsene gibt es in der Gemeinde, von denen ungefähr 20 zu einem Sonday kommen. Beim aktuellen Konzept wissen sie genau, was sie erwartet, sie können flexibel entscheiden, wann sie Zeit haben, und sie wissen: An diesem Ort kann ich mich fallen lassen.
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