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Einheit im Lobpreis

Daniel Harter

Wie kann es gelingen alle Generationen in eine Tiefe der Anbetung zu führen?

Vor Kurzem habe ich bei einer Konferenz eine Umfrage unter 100 Pastoren durchgeführt und sie gefragt, wie sie die Anbetungszeiten in ihrer Gemeinde einschätzen. Dabei stellte sich heraus, dass fast 80 Prozent der Befragten ihre Lobpreisarbeit als „spannungsreich“ und oftmals mühsam beschrieben. In vielen Gemeinden führt das unterschiedliche Verständnis von Lobpreis, die verschiedenen Musikgeschmäcker und schlichtweg das sehr unterschiedliche Liedgut dazu, dass Anbetung nicht zu einer tieferen Einheit führt, sondern oftmals zu einem Streitpunkt wird. Das Resultat ist häufig ein „Lobpreis-Block“, in dem man versucht, aus jeder Generation ein Lied zu integrieren, um es allen recht zu machen und dabei am Ende alle verliert.

Aber eigentlich sollte Anbetung doch dazu dienen, dass die Einheit wächst. Denn worin wir uns in unserer Unterschiedlichkeit einig sein müssten, ist die Tatsache, dass Gott Lob und Anbetung verdient, egal, wie alt wir sind, was unser Hintergrund ist und welche Lieder wir dabei singen. Doch wie können wir dazu beitragen, dass in unserer Gemeinde die Generationen im Lobpreis zusammenfinden?

Das Herz der Anbetung

Was am schnellsten zu einer tieferen Einheit führt ist ein besseres Verständnis davon, was Anbetung eigentlich ist. Deshalb ist es wichtig, dass ihr regelmäßig darüber lehrt und euch zum Beispiel in der Anmoderation der Lobpreiszeit Zeit nehmt zu erklären, was das Herz von Anbetung ist. Es geht hier nicht um Lieblingslieder, die wir singen, sondern darum, Jesus in den Mittelpunkt zu stellen, ihm zu danken, ihn zu verehren und unseren Blick von uns weg auf Gott zu richten. Dabei ist die Musik erst einmal zweitrangig und soll am Ende ja nur ein Hilfsmittel sein, um Gebete gemeinsam zu singen und unser Lob zum Ausdruck zu bringen.

Ansteckende Leidenschaft

Ich habe die Erfahrung ge-macht: Da, wo die Leidenschaft fehlt und die Liebe für Jesus nicht im Mittelpunkt steht, immer da streitet man sich über Musik und Nebensächlichkeiten. Aber dort, wo es uns gelingt, mit unserer Leidenschaft für Jesus andere anzustecken und sie in die Gegenwart Gottes zu führen, da führt Anbetung zur Einheit.

Gemeinsames Liedgut

Am Ende sind es aber manchmal auch ganz praktische Dinge, die uns dabei helfen können, Einheit zu fördern. Das können altersmäßig gemischte Musikteams sein, ein Musikstil, der der Mehrheit entspricht oder schlicht ein gemeinsames Liedgut. Das passiert nicht von heute auf morgen, aber wenn du anfängst, strategisch einen Liederpool zu entwickeln, der dem Herzen
deiner Gemeinde entspricht, dann wirst du merken, wie immer mehr Leute mitsingen werden und eure Anbetungszeiten an Tiefe gewinnen.

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Wegen Überfüllung geschlossen!

Tabea Gutmann

Bei der Geschwindigkeit, mit der wir mit Infos und verlockenden Angeboten bombardiert werden, kann einem schon mal schwindelig werden. „Höher, schneller, weiter“ ist das Mantra unserer Zeit. „Sei besser, schöner, reicher und klüger!“ Wen wundert es, wenn unsere Herzen immer öfter das Schild: „Wegen Überfüllung geschlossen“ tragen? Das Leben in Fülle – was soll das sein? Unsere Leben sind doch schon mehr als voll.

Hunger nach mehr

Der Hunger nach dem Leben in Fülle verwandelt sich häufig in ein Völlegefühl. Dann stößt uns dieses Leben regelrecht auf. Zu viel von allem. Zu vollgestopft. Gleichzeitig irgendwie zu wenig wirklich Nahrhaftes. Vielleicht haben wir aber auch einfach zu wenig Zeit, um alles zu verdauen. Wir sind heute so vielen Reizen ausgesetzt wie noch nie in der Geschichte der Menschheit. Unser Kopf, Herz und Körper sind im Angesicht der vielen Informationen und Aufgaben oft überfordert.  Dann lähmt uns dieses Leben. Wir brechen den Kontakt zu uns selbst ab und lassen uns vom grellen Licht der Bildschirme in den Bann ziehen.  Es hilft uns, um uns von uns selbst abzulenken. Fast wie ferngesteuert, scrollen wir durch die Nacht, noch mal geklickt, nur noch eine Folge, noch das eine Video – liegen wir mal wie-der viel zu spät wach, mit müden Augen off en, wird unsere Innenwelt immer grauer. Wir werden blind für das Wahre, Echte und Schöne des Lebens. Und anstatt uns zu sammeln – verstreuen wir uns. Treten im Kampf gegen den Lärm mit noch mehr Lärm an und übertönen damit oft das Rufen unserer Seele.

(K)eine Antwort

Konsum scheint uns eine Antwort zu geben auf unsere Ängste, Hoffnungen, Unsicherheiten und Freuden. Wir konsumieren, um unsere Gefühle in den Griff zu bekommen. Dinge können für uns einen spirituellen Wert erhalten.  Sie helfen uns dabei, Langeweile zu umgehen, Schmerzen zu betäuben und bescheren uns – wenn auch nur vorübergehend – ein Gefühl des Glücks und einen „Kick“. Schokolade wird zum verfügbaren Trostspender und das Smartphone zum treuen Begleiter.  Die sorgfältig entwickelten Marketingmaßnahmen machen es uns so einfach, uns aus uns selbst herauszuhalten, uns abzulenken vom Unwohlsein und den drängenden Fragen.  Auch wenn uns die Werbewelt etwas anderes erzählt: Wahre Lebenszufriedenheit kann durch keinen „Bestell-Button“ frei Haus geliefert werden.

Sehnsucht auf der Spur

Warum fühlen wir uns oft so leer, wenngleich unsere Leben so voll sind? Woher speist sich unsere Rastlosigkeit? Und warum geraten wir so leicht in die Spirale, immer mehr Dinge zu kaufen, die am Ende uns besitzen? Wenn wir hartnäckig und mutig genug sind, dem Unwohlsein und unseren Bedürfnissen ins Gesicht zu schauen, dann kommen wir dem, was uns wirklich fehlt, mehr und mehr auf die Spur. Wir bekommen die Chance mit den echten Schmerzen und Sehnsüchten unserer Seele in Berührung zu kommen, von ihnen zu lernen und an ihnen zu wachsen – anstatt sie mit dem nächsten Onlineshop, Lieferando, Instagram oder Facebook zu betäuben. Wir haben uns nicht ausgesucht, in welche Gesellschaft und in welches Umfeld wir hineingeboren sind. Doch wir sind dem Einfluss der grellen Lichter und Banner auch nicht machtlos ausgeliefert. Es ist möglich, einem anderen Geist zu folgen als dem hypnotischen „Kauf mich, besitz mich und du wirst glücklich“-Werbejingle.

Die reich Gottes-Logik

Gott gibt uns durch die Bibel Hinweise auf seine Sicht der Dinge und spricht uns Mut zu – zum Denken und Handeln nach einer Logik, die so ganz anders ist als die unnachgiebige Forderung nach Selbstverbesserung, Effizienz- und Erfolgssteigerung. Der alttestamentliche Prophet Micha spricht recht eindeutig über das, was das wirklich gute Leben möglich macht: „Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist und was Gott von dir erwartet, nämlich: Gerechtigkeit üben, Gemeinschaftssinn lieben und aufmerksam mitgehen mit deinem Gott“ (Micha 6,8)Das gute Leben nach der Reich Gottes-Logik berücksichtigt unsere Fähigkeit zum Mitleiden und Mitfühlen mit und in dieser Welt; denn wirklich gutes Leben funktioniert nicht auf Kosten unserer Mitmenschen und Umwelt. Wohlstand und die Zufriedenheit, die wirklich allen Menschen zugutekommen, produziert keine Gewinner und Verlierer oder eine immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich. Das gute Leben in der Bibel ruft uns auf zur Solidarität. Es lässt uns unseren Lebenswandel hinterfragen. Wo bezahlen andere Menschen einen hohen Preis für das Glücksgefühl, das ich mir durch dieses Schnäppchen kurzweilig verschaffe? Wie sehr mache ich mich #solidarisch mit denen, die unter Ausgrenzung und Unterdrückung leiden? Aus dieser Perspektive kommen wir unserer Verantwortung, Fürsorgepflicht und Berufung als Menschen auf die Spur. Von Gottes Liebe und Heilswillen bewegt, können wir uns auch mit gesellschaftlichen Zusammenhängen konfrontieren und in diese hineinwirken.

Globales gutes Leben

Der Prophet Micha spricht unsere Sehnsucht nach echter Verbindung und Gemeinschaft an. In einer Welt, in der alles mit allem zusammenhängt, brauchen wir einander. Jede Handlung oder Nicht-Handlung hat Einfluss auf das, was uns umgibt. Wir können lernen, uns selbst als Teil von etwas wahrzunehmen, das so viel größer ist als unser einzelnes Leben – als Teil der Schöpfungsgemeinschaft. Diesem „Wir“ in allem Geschaffenen nachzuspüren, führt uns zu der Frage: Was ist das global gute Leben? Und wie kann es für alle wirksam werden? Wir sind in der Lage, uns in solche größeren Zusammenhänge hineinzudenken. Eine Fähigkeit, die diese Welt verändert hat und sie auch in Zukunft verändern kann. Und genau in dieser Fähigkeit liegt die einzigartige Würde und Berufung unseres Menschseins.

Die Hand am Schöpferherz

Das gute Leben im Reich Gottes tritt aber nicht mit dem Zeigefinger auf. Die Verantwortung, die uns als Menschen zukommt, wird uns nicht einfach übergestülpt. Ganz im Gegenteil, im Micha-Vers wird deutlich: Wir sind nicht auf uns allein gestellt. Wir stehen selbst unter der Fürsorge und Leitung Gottes. Wir dürfen „aufmerksam mitgehen mit Gott“, die Hand aufs Schöpferherz legen und seinem Herz-schlag nachspüren. Gott hat den Druck von uns genommen, im „Höher-schneller-weiter-Spiel“ mithalten zu müssen. Wir können aussteigen aus dem Hamsterrad der unaufhörlichen Selbstoptimierung und spüren: Ich bin genug. Und ich habe genug. Es ist möglich, das System der Konsumgesellschaft mit allen seinen Glaubenssätzen zu durchbrechen. Dafür müssen wir ab und zu den Stecker ziehen und der Stille Raum geben. Das Handy öfter mal auf Flugmodus schalten und das Herz auf „Empfang“ stellen. Beim Spaziergang im Wald dem Rauschen der Blätter zuhören. In der Bahn die vorbeiziehende Landschaft beobachten und unseren Gedanken freien Lauf lassen, anstatt die Geschichten und Gedanken anderer am Display zu verfolgen. Unsere Gefühle spüren und anschauen lernen – ganz ohne Filter. Wir können dem guten Leben auf die Spur kommen. Dafür müssen wir uns Räume zurückerobern, um ehrlich, achtsam und verbunden durch diese Welt zu gehen.

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Die Pandemie als Herzschrittmacher

Rüdiger Jope

Im Auftrag der EKD führte die Ev. Arbeitsstelle midi eine Ad-hoc-Studie über „Digitale Verkündigungsformate“ während der Corona-Krise durch. Ein Ergebnis: Die Gottesdienstbesucherzahlen schnellten um 278 % nach oben. Im Gespräch mit dem Soziologen Daniel Hörsch.

Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Sonntagmorgen zu Corona-Zeiten: Wo haben Sie Gottesdienste gefeiert und welches Gottesdienstformat haben Sie im Shutdown erlebt?

Zu Beginn habe ich die Radiogottesdienste im RBB eingeschaltet. Später bin ich dann auf die Fernsehgottesdienste im dritten Programm des RBB umgestiegen. Da habe ich sehr berührende und bewegende Gottesdienste aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Gethsemane-Kirche in Berlin miterlebt.

Für die Studie haben Sie bei 1.464 Gemeinden nachgehakt, wie deren Verkündigungsformate in der Krise aussahen. 729 haben auf digitale Angebote gesetzt. Sind das viele oder wenige?

Wir waren sehr erstaunt darüber, wie viele Gemeinden auf digitale Angebote gesetzt haben. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Erhebungszeitraum der Studie nur zehn Tage betrifft, ist dies ein unglaublich hoher Wert.

Was waren die Favoriten bei den Formaten?

Mit weitem Abstand YouTube. Vor der Corona-Krise haben Kirchengemeinden vor allem auf das Einstellen von Textdokumenten gesetzt. Durch Covid-19 wurde zudem vermehrt zum Telefonhörer gegriffen, auf Kommunikationsformate wie Zoom, Instagram und Facebook gesetzt.

Würden Sie sagen, dass es durch die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub gegeben hat?

Unbedingt. Das ist eines unserer Hauptergebnisse. 78 % haben bei der Umfrage angegeben, dass sie vor dem Lockdown keine digitalen Verkündigungsformate im Portfolio hatten. In etwa genauso viele, nämlich 72 %, gaben an, dass sie diese Angebote nach dem Lockdown weiterführen wollen.

Wie kann der Schub nach einer „neuen Normalität“ anhalten?

(lacht) Gute Frage. Jetzt liegen theologische Grundsatzfragen auf dem Tisch. Es braucht die Diskussion, etwa über die Abendmahlsfrage, über kürzere Gottesdienst- und Andachtsformate und auch über interaktive Beteiligungsformate im Offline-Gottesdienst. Die gefühlte Überlänge der analogen Angebote waberte schon als Thema vor der Krise unter der Oberfläche. In der Krise waren nun gerade die kurzen Gottesdienste und Andachten gefragt. Die Frage ist also: Gelingt es der Kirche, im Analogen das aufzugreifen, was im Digitalen offensichtlich gut funktioniert hat? Der Schub wird zudem vermutlich nur anhalten, wenn die Landeskirchen ausreichend Unterstützung, Trainings, Materialien u.a. für die Ortsgemeinden gut aufbereitet anbieten. Hier sind noch viele Fragen zu klären und zu beantworten.

Sie beziffern die Steigerung eines durchschnittlichen Gottesdienstbesuches in absoluten Zahlen um + 287 %. Bildet diese sagenhafte Zahl mehr Wunschdenken ab oder ist sie repräsentativ?

Als Sozialwissenschaftler erhebe ich empirisch zunächst nackte Zahlen. Die Zahlen, die vorliegen, sind absolute Zahlen. Wir haben abgefragt: Wie war die durchschnittliche Gottesdienstbesucherzahl an einem ganz normalen Sonntag vor der Krise? Diese Zahlen konnten wir anhand von Stichproben auf ihre Validität prüfen, da wurde nichts geschönt. Dann haben wir gefragt: Wie hoch war die Reichweite ihres digitalen Gottesdienstes an einem ganz normalen Sonntag während der Krise? Diese Zahlen haben wir dann in Relation zueinander gesetzt. Und ob uns das gefällt oder nicht: Es hat eine signifikante Steigerung beim Gottesdienstbesuch gegeben, der nicht von der Hand zu weisen ist.

Kann man diese doch unterschiedlichen Gottesdienstformate miteinander vergleichen? In dem einen ist man körperlich präsent, im anderen klickt man sich vielleicht nur für einen Moment rein?

(lacht) Das ist die Frage, die mir am häufigsten von kritischen Zeitgenossen gestellt wird. Richtig ist: Ich weiß ohne Kenntnis der Metadaten etwa von YouTube-Clips nicht, wie lange die Leute ein digitales Angebot wahrgenommen haben. Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen sich hinter einer Klickzahl verbergen. Ich stelle aber in diesem Zusammenhang gerne eine Rückfrage: Wie lang ist die Aufmerksamkeitsspanne der Gottesdienstbesucher in der Kirchenbank? Legen wir da auch diesen Maßstab an? Wenn ich mich ganz ehrlich gebe als Gottesdienstbesucher, bin ich auch nicht 60 Minuten 100 % präsent. Wenn ein „Schuh draus werden soll“, müsste man fairerweise in beiden Formaten nachfragen: Wie lang war Ihre Aufmerksamkeitsspanne?

Unterm Strich fanden Sie heraus, dass sich durch den Gebrauch von YouTube & Co mehr Gottesdienstbesucher vor den Geräten versammeln. Bringen diese die gleiche Aufmerksamkeit mit wie die Besucher vor Ort?

Spannend ist, dass diese kritische Frage vornehmlich aus dem Kreis der Theologen gestellt wird. Plötzlich wird der Anspruch an die geistige Präsenz hoch angesetzt und kritisch hinterfragt, ob man das Wirken des Heiligen Geistes messen kann. Seltsam ist, dass man beim analogen Format diese Frage und diese Ansprüche selten gestellt hat.

In Bezug auf Interaktion haben Sie durch die Studie folgende Erkenntnisse gewonnen:

Rund ¼ der Gemeinden haben Live-Chats angeboten, etwa 1/3 das Einbringen von Gebetsanliegen. Das zeigt uns: Analoge Angebote wurden nicht nur – wie vielfach vorgeworfen –  1:1 ins Digitale übertragen, sondern Gemeinden haben Schritte in die Kultur der Digitalisierung gewagt. Ja, es ist noch Luft nach oben, aber es wird sichtbar: Gemeinden haben in der Krise und aus der Not heraus sehr mutig und beherzt gehandelt und sich den Fragen der Logiken der Digitalität gestellt.

Wenn digitale Formate mehr an Bedeutung gewinnen, was heißt dies für die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern, das geliebte Loblied auf die Parochie?

Die digitalen Gottesdienstformate haben vor allem dazu geführt, dass Leute reingeklickt haben, die sonst nicht im Gottesdienst sitzen, aber im Umfeld der Gemeinde, im Stadtteil, im Dorf leben. Sie wollten „ihre Pfarrerin, ihren Pfarrer“ live sehen. Wir haben die Beobachtung gemacht: In Zeiten des physical distancing haben Leute gerade darüber versucht, soziale Nähe herzustellen. Wir haben aber auch herausgefunden: Digitale Formate sorgen auch dafür, dass die Menschen sich global bewegen – auch gottesdienstlich. Wir haben es überschrieben mit der Feststellung: Fremdgehen leicht gemacht! Die Fragen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pfarrerschaft liegen auf der Hand: Das sind Fragen nach der inhaltlichen Qualität des Angebots, dem geistlichen Schwerpunkt, der Zielgruppe, der Performance, dem Musikstil, der Aufnahmequalität, der dauerhaften Finanzierung, der Professionalität. Zur Frage der Ausbildung: Es bedarf bei Pfarrerinnen und Pfarrern nicht nur einer Medienkompetenz, sondern auch einer digitalen Kompetenz. Da sind unsere Ausbildungsstätten gefordert, nochmals eine Schippe draufzulegen, nicht nur intellektuell, sondern auch ganz praktisch.

Was bedeutet die Studie mit Blick auf den „missionarischen Herzschlag“ der Kirche?

Dass das Herz unserer Kirche während der Corona-Pandemie unglaublich gepumpt und gearbeitet hat, dass die Pandemie geradezu Herzschrittmacherfunktion hatte.

Wie können praktische Anreize für Kirchengemeinden aussehen, die zu einer höheren Nutzung von Onlineangeboten der Gemeinden führen? Welche Hilfestellungen sind denkbar und geplant?

Eine Überlegung von uns als midi ist, dass wir zusammen mit Partnern einen Leitfaden rausgeben zur Frage, wie man die Meta-Daten nutzt. Wie lese ich diese? Was kann ich daraus ablesen? Zum anderen sollten wir uns verstärkt dranmachen, eine übersichtliche, praktisch zu handhabende Webseite zu erstellen, die aufführt, was man zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung digitaler Verkündigungsformate benötigt. Erste Schritte hierzu hat etwa die Nordkirche unternommen, aber auch die EKD.

Was kann ein digitaler Gottesdienst nicht, was der analoge kann?

Umarmungen verschenken!

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Legenden über die Bibel: Die Rauchsäule

Von Dr. Ulrich Wendel

„Die Rauchsäule zeigt, was Gott gefällt“

Über die Bibel kursieren viele Ideen, die zwar populär sind, aber der Nachprüfung nicht standhalten: Maria Magdalena war eine Prostituierte, das „Nadelöhr“ war ein Stadttor in Jerusalem – und manches mehr…

Schon in der zweiten Generation der Menschheit passierte ein Mord. Kain erschlug seinen Bruder Abel. Die Szene gehört zu den bekanntesten Geschichten der Bibel: Kain, der Bauer, bringt einen Teil seiner Ernte als Opfergabe zu Gott. Abel, der Viehzüchter, macht es ebenso mit den erstgeborenen Schafen oder Ziegen seiner Herde. Gott nimmt das Opfer von Abel an, das von Kain aber nicht. Aus Neid und Zorn bringt Kain dann seinen Bruder um.

Wenn man versucht, sich die Szene plastisch vorzustellen, als die beiden Brüder ihre Gaben zu Gott bringen, dann erscheinen von dem inneren Auge ganz häufig ein oder zwei Altare. Dort lassen Kain und Abel ihre Gaben als Brandopfer in Rauch aufgehen. Und wer diese Geschichte im Kindergottesdienst gehört hat, der glaubt auch zu wissen, wie Kain erkennen konnte, dass Gott sein Opfer ablehnt: Während die Rauchsäule von Abels Opfer schön senkrecht aufsteigt, qualmt Kains Opfer vor sich hin und der Rauch verweht.

Ein so klares Erkennungszeichen dafür, was Gott gefällt, wäre vielleicht praktisch. Es würde uns auch helfen, diese biblische Geschichte besser zu verstehen. Aber die Sache mit der Rauchsäule steht schlicht so nicht in der Bibel.

Brandopfer – hier nicht!

Die Nacherzählungen der Bibel und die Illustratoren haben sich vielleicht davon anregen lassen, dass Gott bei anderen Brandopfern schon mal eingriff und anhand des Feuers klarmachte, wie er dachte. So wurde das Brandopfer Elias von Gott selbst entzündet, mit Feuer, das vom Himmel fiel (1. Könige 18,38). Das Fleisch und das Brot, das Gideon einem Boten Gottes vorsetzen wollte, wurde ebenfalls von Feuer verzehrt, als der Engel mit seinem Stab daran tippte. Hier schlug die Flamme vom Felsen zum Himmel empor (Richter 6,21). Und als die Eltern von Simson ein Brandopfer brachten, fuhr der Engel Gottes in der aufsteigenden Flamme aufwärts (Richter 13,20). All das waren Momente, in denen Gott sich zu erkennen gab.

Bloß: Bei Kain und Abel ist überhaupt nicht von einem Brandopfer die Rede, und auch einen Altar findet man im Bericht nicht. Im hebräischen Text steht einfach „Gabe“ – ein Wort, das später auch für eine Opfergabe verwendet wurde, aber sonst einfach „Dankgeschenk“ heißt.

Auf der Suche nach dem Erkennungszeichen

Wie haben die beiden dann erkannt, dass der eine von Gott angenommen, der andere aber abgelehnt wurde? Hier gibt es verschiedene Antwortversuche. Das Nächstliegende scheint zu sein, dass Abel später einen guten Ertrag seiner Herden hatte, Kain aber keine guten Ernten. Segen war im Alten Orient und im Alten Testament oft materiell erfahrbar. Die Szene von 1. Mose 4 hätte sich dann nicht innerhalb einer Stunde abgespielt, sondern zwischen Opfer und Mord hätte eine längere Zeit gelegen. Andere suchen die Erklärung in einer inneren Gewissheit der Opfernden. Abel hätte demnach irgendwie gespürt, dass er bei Gott willkommen war – vielleicht an der ungetrübten Freude, die er beim Opfern hatte. Kain hätte diese Freude gefehlt; vielleicht tat es ihm Leid um die schönen Feldfrüchte, die er da aus der Hand gab. Und dass solcher Missmut von Gott abgewiesen würde, das kann ihm dann klar geworden sein.

Diese Deutungsversuche zeigen: Man will etwas erklären, das die Bibel eben gerade nicht erklärt. Aus diesem Bedürfnis, vermeintliche Lücken im Bericht aufzufüllen, kommt wohl auch die Vorstellung von der senkrecht aufsteigenden Rauchsäule. Viele Bibelleser merken beim Lesen kaum, dass sie etwas „sehen“, was da gar nicht steht, das Feuer und die Altäre zum Beispiel.

Gott sieht das Herz an

Oft überlesen wird auch eine andere Einzelheit: wen oder was Gott denn genau wohlwollend ansah und wen oder was Gott ablehnte. Es war nicht das Opfer, mit dem bei Kain etwas schief lief. Gemeint ist nicht, dass seine Feldfrüchte nicht wertvoll genug gewesen wären, und auch nicht, dass Gott nur solche Opfer gemocht hätte, die mit Blutvergießen einhergehen (ja, auch so deuten einige diese Geschichte: Kains Fehler sei gewesen, dass er Gott ein unblutiges Opfer angeboten hätte)!

In Wirklichkeit sagt der biblische Bericht: „Der Herr blickte auf Abel und auf seine Opfergabe; aber auf Kain und auf seine Opfergabe blickte er nicht.“ Gott interessiert sich also nicht für die Sache, sondern für die Person. „Der Herr sieht das Herz an“ (1. Samuel 16,7) – dieser Grundsatz ist schon auf den ersten Seiten der Bibel gültig. Was Gott an Kain auszusetzen hat und was ihm an Abel gefällt, das bleibt wieder im Unklaren. Auch hier füllen Leser und Ausleger gern die Lücke auf – zum Beispiel damit, dass Kain von vornherein neidisch auf Abel gewesen wäre. Aber auch das steht nicht im Bericht. Und Neid hätte ja allenfalls erst nach dem Opfer aufkommen können – nachdem Kain merkte, dass er zurückgesetzt worden war. Der Hebräerbrief sagt im Rückblick, Abel habe im Glauben geopfert, er habe Gott also vertraut. Vielleicht war dies der „Vorsprung“ von Abel (Hebräer 11,4).

Religion und Glaube

Äußerlich ist aber kein Unterschied erkennbar. Beide Männer kommen zu Gott und geben ihm etwas. Genau dies ist ja die Definition von Religion: Menschen suchen Gott und leisten etwas für ihn. Glaube im Sinne der Bibel ist gerade das Gegenteil: Gott sucht die Menschen und erwartet, dass sie sich einfach auf ihn verlassen. Der Unterschied zwischen Religion und Glauben ist von außen meist nicht erkennbar. Er wird auch im Bericht von 1. Mose 4 nicht aufgezeigt. Nur Gott hat den Durchblick.

Legenden über die Bibel wollen manchmal die biblischen Texte leichter fassbar machen. Sie tragen eine Anschaulichkeit hinein, die nicht alle Texte in sich haben. Für Bibelleser ist es immer eine gute Übung, das sehen zu lernen, was da steht. Das zu erkennen, was da nicht steht. Und manchmal die Schroffheit der biblischen Texte auszuhalten.

Dieser Artikel erschien im Magazin Faszination Bibel. Jetzt kostenlos testen: www.faszination-bibel.net