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Die Pandemie als Herzschrittmacher

Rüdiger Jope

Im Auftrag der EKD führte die Ev. Arbeitsstelle midi eine Ad-hoc-Studie über „Digitale Verkündigungsformate“ während der Corona-Krise durch. Ein Ergebnis: Die Gottesdienstbesucherzahlen schnellten um 278 % nach oben. Im Gespräch mit dem Soziologen Daniel Hörsch.

Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Sonntagmorgen zu Corona-Zeiten: Wo haben Sie Gottesdienste gefeiert und welches Gottesdienstformat haben Sie im Shutdown erlebt?

Zu Beginn habe ich die Radiogottesdienste im RBB eingeschaltet. Später bin ich dann auf die Fernsehgottesdienste im dritten Programm des RBB umgestiegen. Da habe ich sehr berührende und bewegende Gottesdienste aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Gethsemane-Kirche in Berlin miterlebt.

Für die Studie haben Sie bei 1.464 Gemeinden nachgehakt, wie deren Verkündigungsformate in der Krise aussahen. 729 haben auf digitale Angebote gesetzt. Sind das viele oder wenige?

Wir waren sehr erstaunt darüber, wie viele Gemeinden auf digitale Angebote gesetzt haben. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Erhebungszeitraum der Studie nur zehn Tage betrifft, ist dies ein unglaublich hoher Wert.

Was waren die Favoriten bei den Formaten?

Mit weitem Abstand YouTube. Vor der Corona-Krise haben Kirchengemeinden vor allem auf das Einstellen von Textdokumenten gesetzt. Durch Covid-19 wurde zudem vermehrt zum Telefonhörer gegriffen, auf Kommunikationsformate wie Zoom, Instagram und Facebook gesetzt.

Würden Sie sagen, dass es durch die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub gegeben hat?

Unbedingt. Das ist eines unserer Hauptergebnisse. 78 % haben bei der Umfrage angegeben, dass sie vor dem Lockdown keine digitalen Verkündigungsformate im Portfolio hatten. In etwa genauso viele, nämlich 72 %, gaben an, dass sie diese Angebote nach dem Lockdown weiterführen wollen.

Wie kann der Schub nach einer „neuen Normalität“ anhalten?

(lacht) Gute Frage. Jetzt liegen theologische Grundsatzfragen auf dem Tisch. Es braucht die Diskussion, etwa über die Abendmahlsfrage, über kürzere Gottesdienst- und Andachtsformate und auch über interaktive Beteiligungsformate im Offline-Gottesdienst. Die gefühlte Überlänge der analogen Angebote waberte schon als Thema vor der Krise unter der Oberfläche. In der Krise waren nun gerade die kurzen Gottesdienste und Andachten gefragt. Die Frage ist also: Gelingt es der Kirche, im Analogen das aufzugreifen, was im Digitalen offensichtlich gut funktioniert hat? Der Schub wird zudem vermutlich nur anhalten, wenn die Landeskirchen ausreichend Unterstützung, Trainings, Materialien u.a. für die Ortsgemeinden gut aufbereitet anbieten. Hier sind noch viele Fragen zu klären und zu beantworten.

Sie beziffern die Steigerung eines durchschnittlichen Gottesdienstbesuches in absoluten Zahlen um + 287 %. Bildet diese sagenhafte Zahl mehr Wunschdenken ab oder ist sie repräsentativ?

Als Sozialwissenschaftler erhebe ich empirisch zunächst nackte Zahlen. Die Zahlen, die vorliegen, sind absolute Zahlen. Wir haben abgefragt: Wie war die durchschnittliche Gottesdienstbesucherzahl an einem ganz normalen Sonntag vor der Krise? Diese Zahlen konnten wir anhand von Stichproben auf ihre Validität prüfen, da wurde nichts geschönt. Dann haben wir gefragt: Wie hoch war die Reichweite ihres digitalen Gottesdienstes an einem ganz normalen Sonntag während der Krise? Diese Zahlen haben wir dann in Relation zueinander gesetzt. Und ob uns das gefällt oder nicht: Es hat eine signifikante Steigerung beim Gottesdienstbesuch gegeben, der nicht von der Hand zu weisen ist.

Kann man diese doch unterschiedlichen Gottesdienstformate miteinander vergleichen? In dem einen ist man körperlich präsent, im anderen klickt man sich vielleicht nur für einen Moment rein?

(lacht) Das ist die Frage, die mir am häufigsten von kritischen Zeitgenossen gestellt wird. Richtig ist: Ich weiß ohne Kenntnis der Metadaten etwa von YouTube-Clips nicht, wie lange die Leute ein digitales Angebot wahrgenommen haben. Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen sich hinter einer Klickzahl verbergen. Ich stelle aber in diesem Zusammenhang gerne eine Rückfrage: Wie lang ist die Aufmerksamkeitsspanne der Gottesdienstbesucher in der Kirchenbank? Legen wir da auch diesen Maßstab an? Wenn ich mich ganz ehrlich gebe als Gottesdienstbesucher, bin ich auch nicht 60 Minuten 100 % präsent. Wenn ein „Schuh draus werden soll“, müsste man fairerweise in beiden Formaten nachfragen: Wie lang war Ihre Aufmerksamkeitsspanne?

Unterm Strich fanden Sie heraus, dass sich durch den Gebrauch von YouTube & Co mehr Gottesdienstbesucher vor den Geräten versammeln. Bringen diese die gleiche Aufmerksamkeit mit wie die Besucher vor Ort?

Spannend ist, dass diese kritische Frage vornehmlich aus dem Kreis der Theologen gestellt wird. Plötzlich wird der Anspruch an die geistige Präsenz hoch angesetzt und kritisch hinterfragt, ob man das Wirken des Heiligen Geistes messen kann. Seltsam ist, dass man beim analogen Format diese Frage und diese Ansprüche selten gestellt hat.

In Bezug auf Interaktion haben Sie durch die Studie folgende Erkenntnisse gewonnen:

Rund ¼ der Gemeinden haben Live-Chats angeboten, etwa 1/3 das Einbringen von Gebetsanliegen. Das zeigt uns: Analoge Angebote wurden nicht nur – wie vielfach vorgeworfen –  1:1 ins Digitale übertragen, sondern Gemeinden haben Schritte in die Kultur der Digitalisierung gewagt. Ja, es ist noch Luft nach oben, aber es wird sichtbar: Gemeinden haben in der Krise und aus der Not heraus sehr mutig und beherzt gehandelt und sich den Fragen der Logiken der Digitalität gestellt.

Wenn digitale Formate mehr an Bedeutung gewinnen, was heißt dies für die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern, das geliebte Loblied auf die Parochie?

Die digitalen Gottesdienstformate haben vor allem dazu geführt, dass Leute reingeklickt haben, die sonst nicht im Gottesdienst sitzen, aber im Umfeld der Gemeinde, im Stadtteil, im Dorf leben. Sie wollten „ihre Pfarrerin, ihren Pfarrer“ live sehen. Wir haben die Beobachtung gemacht: In Zeiten des physical distancing haben Leute gerade darüber versucht, soziale Nähe herzustellen. Wir haben aber auch herausgefunden: Digitale Formate sorgen auch dafür, dass die Menschen sich global bewegen – auch gottesdienstlich. Wir haben es überschrieben mit der Feststellung: Fremdgehen leicht gemacht! Die Fragen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pfarrerschaft liegen auf der Hand: Das sind Fragen nach der inhaltlichen Qualität des Angebots, dem geistlichen Schwerpunkt, der Zielgruppe, der Performance, dem Musikstil, der Aufnahmequalität, der dauerhaften Finanzierung, der Professionalität. Zur Frage der Ausbildung: Es bedarf bei Pfarrerinnen und Pfarrern nicht nur einer Medienkompetenz, sondern auch einer digitalen Kompetenz. Da sind unsere Ausbildungsstätten gefordert, nochmals eine Schippe draufzulegen, nicht nur intellektuell, sondern auch ganz praktisch.

Was bedeutet die Studie mit Blick auf den „missionarischen Herzschlag“ der Kirche?

Dass das Herz unserer Kirche während der Corona-Pandemie unglaublich gepumpt und gearbeitet hat, dass die Pandemie geradezu Herzschrittmacherfunktion hatte.

Wie können praktische Anreize für Kirchengemeinden aussehen, die zu einer höheren Nutzung von Onlineangeboten der Gemeinden führen? Welche Hilfestellungen sind denkbar und geplant?

Eine Überlegung von uns als midi ist, dass wir zusammen mit Partnern einen Leitfaden rausgeben zur Frage, wie man die Meta-Daten nutzt. Wie lese ich diese? Was kann ich daraus ablesen? Zum anderen sollten wir uns verstärkt dranmachen, eine übersichtliche, praktisch zu handhabende Webseite zu erstellen, die aufführt, was man zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung digitaler Verkündigungsformate benötigt. Erste Schritte hierzu hat etwa die Nordkirche unternommen, aber auch die EKD.

Was kann ein digitaler Gottesdienst nicht, was der analoge kann?

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„Einheit – das ist für mich eine der größten Fragen“

Christof Klenk

Der Gemeindeberater Dr. Stefan Vatter erzählt im Interview, weshalb die Kleingruppenarbeit der Zukunft offene Strukturen braucht, was sich Menschen von Gemeinde erhoffen und warum er viele Gottesdienste für langweilig halt

Was bedeutet es für dich, wenn Paulus sagt, die Gemeinde sei ein Leib Christi? Wie sind Gemeinden gestrickt, in denen das ge- lebt wird?

Ich finde das meiste, was zum Thema „Einheit“ gesagt wird, nicht befriedigend. In Gemeinden wird viel über Einheit gesprochen, es gibt ein starkes Bestreben sowohl innerhalb einer Gemeinde als auch unter Gemeinden. Der Wunsch entspricht ja dem Wort von Jesus, dass wir eins sein sollen. Zugleich ist es für mich eine der größten Fragen in einzelnen Gemeinden, zwischen den Gemeinden, unter den Konfessionen. Ich glaube nicht, dass die säkulare Welt hier von uns etwas lernen kann. Das soll uns demütig machen. Sie kann vielleicht von uns lernen, wie groß die Gnade Gottes ist, trotz unserer exorbitanten Uneinheit.

 

Woran machst du das fest? Was führt am häufigsten zum Scheitern der Einheit?

In unseren Gemeinden tun wir gut daran, die Dimension der Demut neu zu erfassen. In Epheser 5 ist das so formuliert:

„Seid einander untertan in der Furcht Christi.“ Interessant ist, dass es hier nicht heißt „in der Liebe Christi“, was man heute eigentlich erwarten würde, weil die Liebe ja als Allzweckwaffe gilt. Das ist sie aber nicht. Hier steht nicht „in der Liebe Christi“, weil das nicht funktioniert, sondern „in der Furcht Christi“. Ich glaube, dass darin ein großes Geheimnis liegt. Wenn wir uns selbst zurücknehmen, weil wir Gott respektieren und achten, kann er Großes unter uns bewirken. Wenn unsere Kultur davon geprägt ist, ist das ein Nährboden für Einheit, für eine Einheit, die Substanz hat und auch von der Außenwelt wahrgenommen wird.

 

Du hast gesagt, Liebe als Allzweckwaffe funktioniert nicht. Kannst du noch was dazu sagen?

Wir hatten vor etwa 500 Jahren eine starke Einseitigkeit im Gottesbild: Gott als der Souveräne, Heilige, der Richter, der über alles schaut. Ein Gott, vor dem man Angst haben muss. Heute haben wir genau das Gegenteil, ein Gottesbild, das davon ausgeht, dass Gott die Liebe ist – und damit ist scheinbar alles über Gott gesagt. Doch das stimmt nicht. Erstens: Jesus hat nie explizit gesagt: Gott ist die Liebe. In keinem Evangelium ist der Satz überliefert. Das muss uns nachdenklich stimmen. Natürlich hat Jesus Gott als den liebenden Vater im Himmel offenbart, aber eben nicht nur das. Zweitens: Der Heilige Geist heißt so, weil mit „heilig“ sein Wesen beschrieben wird. Nach den heute gängigen Vorstellungen müsste er eigentlich der „liebende Geist“ heißen. Und ein Drittes: In Offenbarung 4,8 wird beschrieben, dass wir in der Gegenwart Gottes vor ihm niederfallen werden und etwas zum Ausdruck bringen, was uns ergreift. Wir werden rufen: „Heilig, heilig, heilig.“ Dazu kommt, dass das Wort „Liebe“ inflationär verwendet wird. Liebe kommt vom mittelhochdeutschen lib, und lib heißt: was mir angenehm ist. Das ist nicht gerade sehr aussagekräftig, wir wissen, dass es im Griechischen schon viel differenzierter ist: agape, eros und philia.

 

Für viele Christen sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kirchen kaum noch nachvollziehbar. Sie suchen vorallem eine Gemeinde, in der sie sich wohlfühlen.

Ich glaube, es geht nicht ums Wohlfühlen. Es geht darum, existenziell abgeholt zu werden. Man spürt, dass man etwas bekommt, was man für sein Leben dringend benötigt. Drei Ebenen: Im Lobpreis und in der Anbetung begegnen wir Gott. Ich habe die Möglichkeit, Gott meine Liebe zum Ausdruck zu bringen. Das berührt meine Seele im Tiefsten, ist Nahrung für die Seele. In der Wortverkündigung erhalte ich Impulse für mein Leben und Inspiration. Das übt eine Faszination aus. Die dritte Dimension ist Gemeinschaft. Echte Freundschaften zu Menschen, mit denen ich zusammen meinen Glauben teilen kann. Das hat eine hohe Zugkraft! Ich nehme bei allen Generationen wahr, aber besonders bei den Jüngeren, dass genau danach gesucht wird: Wo finde ich Inspirationen für mein Leben, wo finde ich Qualitätsbeziehungen und wo finde ich etwas, was emotional berührt? Das zeichnet gute Gottesdienste aus, diese drei Dimensionen …

 

Inwieweit hat es mit mir selbst zu tun, ob ich diese Dinge in meiner Gemeinde erlebe?

Ich kann nicht erwarten, dass ich in den zwei Stunden am Sonntagvormittag von einem tiefgefrorenen Zustand in einen Zustand der Wärme geführt werde. Wenn ich mit Freude in meinem Glauben lebe, werde ich ganz anders in den Gottesdienst kommen. Gerade bei jungen Menschen kann man das oft beobachten, wenn im Gottesdienst der Lobpreis anfängt, dann brauchen sie wenige Sekunden, dann sind sie im Lob- preis. Sie brauchen keine großen Anlaufzeiten, und das spricht dafür, dass hier Menschen zusammenkommen, die auch unter der Woche Gott loben und preisen. Wichtig ist, mit welcher inneren Haltung ich komme: „Mal schauen, wer mich heute segnen wird“ oder „Durch wen will Gott mich segnen?“ oder „Wie wird Gott mich gebrauchen, dass ich andere segnen kann?“. Wer bereit ist, andere zu segnen, wird gesegnet werden. Wer nur kommt, um zu empfangen, geht oft leer aus.

 

Für manche Christen ist ihre Gemeinde vor allem eine Zumutung. Sie bringen sich ein, erleben aber Entäuschungen, Begrenzungen und Grabenkämpfe.

Ich glaube, dass hier dem fünffältigen Dienst nach Epheser 4,11 (mehr dazu in Einheit 6) eine große Bedeutung zukommt. Wenn in einer Gemeinde Hirten, Propheten, Evangelisten, Lehrer und Apostel gegenwärtig sind, dann werden wir viel mehr Menschen abholen. Wenn ich evangelistisch aktiv sein möchte und dafür in der Gemeinde keinen Raum finde, weil sie von einem Hirten dominiert wird, dann werde ich unzufrieden sein. Das ist keine gute Voraussetzung für eine Gemeinde. Deshalb glaube ich, dass es eine große Hilfe ist, sich darüber Gedanken zu machen: Wie können wir den unterschiedlichen Begabungen und Potenzialen gerecht werden?

 

Man hört immer wieder, dass Menschen so sehr unter ihrer Gemeinde leiden, dass sie daran kaputgehen. Wo ist die Grenze zwischen einer unperfekten Gemeinde – das sind ja alle– und einer missbräuchlichen?

Die Aussage, dass eine Gemeinde Menschen kaputtmacht, kenne ich von jeder größeren Gemeinde, die ein bisschen bekannt ist. Es gibt auch keinen geistlichen Leiter, der etwas Profil hat, über den das nicht auch irgendwann und irgendwo mal gesagt worden ist. Also, wie unterscheiden wir hier? Zum einen gibt es Projektionen oder sonstige Unzufriedenheiten, zum anderen gibt es auch Leute, die tatsächlich Missbrauch erleben. Ich glaube, dass geistlicher Missbrauch von Leitern dadurch kenntlich wird, dass mehrere voneinander unabhängige Personen das bestätigen. Nach dem biblischen Prinzip: Wenn zwei oder drei eine Komplikation bei einem Leiter feststellen, dann ist die Gemeindeleitung verpflichtet, dem nachzugehen. Oder auch die Leitung einer Freikirche oder Landeskirche.

 

Christian A. Schwarz hat vor einigen Jahren eine Veränderung in der Gemeindeteilnahme festgestellt. Er nennt das „participation shift“. Dass Leute sich zwar einer Gemeinde zugehörig fühlen, aber lange nicht mehr so oft zum Gotesdienst kommen. Machst du diese Beobachtung auch?

Es ist nach wie vor so, dass Menschen nach Heimat suchen, nach Identität, nach Geborgenheit, nach Beziehungen. Wenn Menschen wahrnehmen, dass sie gewollt sind, dass sie Möglichkeiten zur eigenen Entfaltung haben, dass sie echte Freundschaften finden, dann bin ich überzeugt, dass sie in solchen Gruppen  und Veranstaltungen sein wollen. Es gibt viele soziologische Untersuchungen, die genau in die Richtung gehen. Nur: Unsere Gottesdienste sind einfach oft sehr langweilig. Sie sind Gefäße theoretisch richtiger Verkündigung, aber nicht lebensnah und auch nicht vollmächtig im Sinne von: Was kann ich denn damit machen? Es fehlt auch ein Raum, wo man nach dem Gottesdienst zusammenkommen und Gemeinschaft haben kann. Was nach dem Gottesdienst passiert, ist mindestens so entscheidend wie das, was im Gottesdienst passiert. Man sieht an den neuen Bewegungen, also ICF, Hillsong, Ecclesia und wie sie alle heißen, dass hier keine Bindungskraft verloren gegangen ist. Da passiert genau das Gegenteil. Die jungen Leute sind mit ganzer Kraft dabei und voll motiviert. Dass man dableibt, weil sich das so gehört und es schon immer so war, das gibt es kaum noch. Das ist in allen Generationen wahrnehmbar.

 

Inspiration für mein Leben, emotional berührt werden, Gemeinschaft erleben – wie kommen bei den drei Dimensionen, die du benannt hast, die Hauskreise und Kleingruppen ins Spiel?

Ich glaube, dass Gefäße für persönliche Beziehungen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes berühren können, das dürfen wir nicht unterschätzen. Sich umarmen, sich sehen, sich wahrnehmen, sich riechen – das macht was mit uns Menschen. Gruppen, in denen ich Heimat, Freundschaft und Wärme erleben kann, sind absolut zeitgemäß. Durch die Begegnung mit dem „Du“ komme ich zum „Ich“. Da sind wir einem Geheimnis auf der Spur. Das hat Gott in uns angelegt.

 

Was ist das Modell der Zukunft aus deiner Sicht?

In meiner Gemeinde hatten wir nur sehr wenig Hauskreise und Kleingruppen, deshalb habe ich vor zwanzig Jahren intensiv darauf hingearbeitet, dass wir eine gute Struktur für die persönlichen kleinen Beziehungsgeflechte aufbauen. Zum Schluss hatten wir 60 Hauskreisleitende und Co-Leitende. Das war damals gut, aber heute muss man die Kleingruppenarbeit sehr flexibel gestalten. Da muss man Raum für ganz unterschiedliche Gruppen schaffen.

 

Könntest du ein paar Beispiele nennen?

Da kann es eine Gruppe für Selbstständige geben oder einen Alphakurs am Arbeitsplatz, wo man in der Mittagspause mit anderen Kollegen fünfzehn Minuten zusammenkommt. Organisches, das aus dem Leben kommt, hat Zukunft. Ein Extratermin am Abend, bei dem ich Leute treffen soll, mit denen ich sonst nicht zusammen bin – das ist Vergangenheit. Das wird es immer schwerer haben. Organisch wäre auch, die Familie neu als Kleingruppe zu entdecken. Zum Beispiel hatten wir in unserer Gemeinde den Impuls: Feiert doch zu Ostern gemeinsam als Familie Abendmahl! Unsere Kinder waren da, es war schönes Wetter, wir saßen zusammen auf der Terrasse, haben ein Gesellschaftsspiel gespielt und dann gemeinsam das Abendmahl gefeiert. Das war einfach und tief, weil alles sehr organisch daherkam. Wir sind sowieso zusammen, es ist alles da, alles vorbereitet, wir haben gemeinsam gebetet: alles kein großer Aufwand. Das hat Potenzial, dass wir das, was wir sowieso machen, mehr nutzen, um geistlich voneinander zu partizipieren. Entscheidend ist, dass wir Jesus in den Mittelpunkt stellen.

 

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Der Wohnzimmergottesdienst

Anna Maria Gerlach

Junge Erwachsene tauchen in der Kirche oft nur als Mitarbeitende auf. Mit dem Sonday schafft die Gemeinde Nierenhof ein Angebot für sie.

Es ist Sonntagabend, die Kirche ist dunkel, doch hinter der Kirche im Café Kostbar tönt Musik im Hintergrund; hier findet gleich ein Gottesdienst statt. Hinter der Bar steht eine junge Frau, Berit. Sie macht Kaffee, gibt Limo und Kuchen aus und plaudert mit den Gästen. Manche von ihnen sitzen an Tischen und quatschen oder spielen Dog, ein Brettspiel – so ähnlich wie „Mensch ärgere dich nicht“.

Die erste Idee

Die Gäste sind hier nicht fremd – es sind die jungen Erwachsenen der Kirchengemeinde Nierenhof im Ruhrgebiet. Vor zwei Jahren entstand die Idee, ein Angebot für sie zu schaffen, wo sie einfach ankommen, entspannen, auftanken können, ohne permanent ehrenamtlich mitarbeiten zu müssen. Berit bemerkte damals: Wenn Jugendliche erwachsen werden, gibt es keine Treffpunkte mehr für sie. Sie bringen sich ein, z. B. in den Programmen für Kinder; doch niemand kann immer nur in andere investieren. Deshalb wünschten Berit und ihre Freunde sich einen Ort nur für sich.

Berit begann, regelmäßig dafür zu beten, traf sich mit anderen, sie tauschten sich aus. Nach sechs Monaten stand das erste Konzept fest. Es sollte ein Wohnzimmergottesdienst mit dem Namen Sonday werden. Alle zwei Wochen wurden jede Menge Sofas und Tische in die ansonsten leere Kirche geschleppt. Ein Dart und ein Tischkicker ergänzten die gesellige Atmosphäre. Das Programm ähnelte einem aufwendigen Jugendgottesdienst, den Input lieferten Gastsprecher. Leider kam dieses erste Konzept nicht so gut an wie geplant. Die Sofas und Tische musste irgendjemand auch wieder wegschleppen, deshalb bedeutete der Sonntagabend eher Arbeit als Entspannung. Außerdem predigten die Gastredner so unterschiedlich, dass die Teilnehmenden nie genau wussten, was sie erwartet.

Umzug ins Café

Wegen dieser Überraschungstüte kamen manche der jungen Leute nicht mehr. Also musste das Konzept überarbeitet werden. Berit erzählt, dass es jetzt schon die dritte Version des Sonday gibt. Immer wieder muss überprüft werden, ob das Angebot zur Zielgruppe passt. Inzwischen finden die Wohnzimmergottesdienste im heimeligen Café Kostbar statt und das Programm ist schlicht und unaufwendig.

Ab 18 Uhr ist das Café für den Sonday offen. Gegen 19 Uhr beginnen zwei der jungen Erwachsenen, nur mit Klavierbegleitung einen Lobpreisteil anzuleiten. Die Gespräche an den Tischen verstummen, manche stehen auf. Später geht Josephin Jansen nach vorne, sie leitet mit ihrem Mann Nico die Arbeit mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen der Gemeinde. Josi liest eine Geschichte des Neuen Testaments vor und teilt ihre Gedanken dazu. Es ist keine wortgewaltige Predigt, sondern viel mehr eine persönliche Andacht. Bevor sie sich wieder in die Gruppe mischt, gibt Josi den jungen Leuten noch vier Gesprächsanregungen mit. An der Leinwand sind sie noch einmal zu sehen. An den Tischen beginnt das Gemurmel. Josi hat die Teilnehmenden dazu eingeladen, sich auszutauschen und miteinander zu beten. Nach einer Weile steht Nico auf und beendet die Gesprächsgruppen; er gibt aktuelle Infos aus der Gemeinde und zum Sonday weiter. Doch damit ist der Abend nicht beendet. Wie alles ganz offen begonnen hat, so endet es auch offen: Wer möchte, kann bleiben, Kuchen essen, einen Tee trinken, ins Gespräch kommen, ein Brettspiel spielen. Denn dieser Ort ist wie ein Wohnzimmer, in dem man einfach da ist und entspannt.

Flexibles Format

Abwechselnd zum Wohnzimmergottesdienst finden im zweiwöchigen Rhythmus Hauskreise statt. Wer mitmachen möchte, meldet sich für drei Monate an. Nach dieser Zeit werden neue Gruppen angeboten. Denn die Lebensphase zwischen 18 und 24 Jahren verändert sich meist schnell, z. B. wenn ein Auslandssemester oder ein Praktikum ansteht. Durch die dreimonatigen Angebote können alle frei entscheiden, ob sie gerade an einem Hauskreis teilnehmen möchten oder nicht.

Josephin Jansen erklärt: „Weil diese Generation so dynamisch ist, muss auch das Angebot so dynamisch sein.“ Etwa 30 junge Erwachsene gibt es in der Gemeinde, von denen ungefähr 20 zu einem Sonday kommen. Beim aktuellen Konzept wissen sie genau, was sie erwartet, sie können flexibel entscheiden, wann sie Zeit haben, und sie wissen: An diesem Ort kann ich mich fallen lassen.

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Frischer Wind für die Kirchenmusik

Musik ist wesentlich für die Kirche. Wer die Musik der Kirche ändert, ändert die Kirche. Ein Gespräch mit Martin Bartelworth, Geschäftsführer der neu eröffneten Evangelischen Pop-Akademie in Witten, über neue Liturgien, Schlager und die wachsende Vielfalt von Kirche.

Welcher Pop-Song geht Ihnen gerade durch den Kopf?

„Mach‘s Maul auf!“ von Eddi Hüneke (Wise Guys). Da geht’s darum, dass es auf jeden ankommt und dass man sich einbringen soll, und ich finde, das kann man auch gut für die Musik der Gemeinden sagen. Unsere Vision ist die singende und musizierende Gemeinde.

Wie führte diese Vision zur Entstehung der Pop-Akademie?

Entstanden ist die Pop-Akademie aus der Frage heraus, was wir aus dem Reformationsjubiläum mitnehmen können. Luther ging es auch um die Kommunikation des Evangeliums durch Musik. Musik holt Glaubensimpulse, Glaubensgefühle und Glaubenserfahrungen in die Mitte des Lebens und macht sie abrufbar. Im Bereich der traditionellen Kirchenmusik sind wir da sehr gut. Aber es gab auf dem breiten Feld der Popmusik wenig strategische Qualifizierungsmaßnahmen. Da macht oft jeder selbst sein Geschrammel.

Setzen Sie nur auf zukünftige hauptamtliche Kirchenmusiker?

Wir hatten eine Hochschule erst mal gar nicht im Blick, sondern wir dachten an Erzieherinnen in Kitas. Es soll ein Qualitätsmerkmal einer evangelischen Kita sein, dass dort religions- und musikpädagogisch professionell gearbeitet wird. Im Moment ist es so, dass die Musikalität in Kitas Zufall ist. Und das zweite war die Gemeindepädagogik und Jugendarbeit. Und es geht um Neben- und Ehrenamtliche, denn 90 %  der Kirchenmusik wird gar nicht von Hauptamtlichen gemacht, sondern im Ehren- und Nebenamt.

In welchem Verhältnis steht die Pop-Akademie zu klassischen Musik-Hochschulen?

Ein klassischer Kirchenmusikstudent hat schon jetzt immer einen kleinen Teil Popmusik im Studium. Aber wenn Gemeinden wirklich wollen, dass es auch Schwerpunktstellen im Popbereich gibt, brauchen wir einen eigenen Studiengang. Die Hochschule für Kirchenmusik in Herford hat das ernst genommen, sodass wir jetzt in Westfalen eine Hochschule mit zwei Schwerpunktstudiengängen haben.

Wie wird das konkret?

Alle sind Studenten der Hochschule für Kirchenmusik Herford-Witten und sie besuchen sich auch. Der Semestereröffnungsgottesdienst und z.T. auch Seminare finden gemeinsam statt. Gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung sollen dadurch wachsen. Es geht nicht um Konkurrenz, sondern um eine notwendige Ergänzung.

Man könnte jetzt fragen: Popmusik höre ich im Alltag ständig. Warum soll es unruhige, profane Musik auch in der Kirche geben?

Weil sie Menschen anspricht und weil sie Teil der Verkündigung geworden ist. Das ist Fakt. Unter 400 Stellenausschreibungen der letzten Jahre war die Hälfte explizit mit dem Hinweis versehen, dass man eine Kompetenz im popmusikalischen Bereich mitbringen muss. Und da gab es bislang überhaupt keine geeigneten Kandidaten.

Welche Chancen bietet Musik für den Gemeindeaufbau?

Ich glaube, es ist die meistunterschätzte Chance. Die Creative Kirche haben wir nur mit Musik aufgebaut. Wir haben zielgruppenspezifisch musikalische Angebote entwickelt. Da kommen Menschen, um zu singen, und darüber finden sie zum Glauben.

Welche Rolle spielen liturgische Gesänge in der modernen Kirchenmusik? Können sie durch popmusikalische Ausdrücke ersetzt oder neu interpretiert werden?

Ja, können sie. Der umfassendste Beitrag dazu kommt aus Norwegen. Tore W. Aas, der Leiter des Oslo Gospel Choir, hat eine ganz neue popmusikalisch geprägte Liturgie geschrieben. Also alles: Agnus Dei, Gloria, Kyrie … Es gibt in der norwegischen Staatskirche jetzt zwei Liturgien! Und das funktioniert hervorragend.

Das bedeutet eine starke Veränderung der Gottesdienstkultur. Wie sieht Ihrer Meinung nach die musikalische Zukunft unserer Gottesdienste aus?

Wir müssen einen zeitgemäßen Umgang mit den Bedürfnissen der Menschen nach Sinneserfahrung finden, und dazu kann die Popmusik beitragen. Meine Prognose für die Zukunft ist: Es wird vielfältiger werden.

Also wird es dann sehr unterschiedliche Gottesdienste geben? Einen mit klassischer Musik, einen mit Rock, einen mit Schlagern?

Ja, das wäre noch was, mit Schlagermusik. Das fände ich super spannend, aber ich kann‘s nicht. (schmunzelt) Aber das wäre schon toll, wenn es da was gäbe. Man wechselt die Perspektive: Nicht mein Kirchturm ist das Entscheidende, sondern das Reich Gottes.

Mit welchem Popmusiker würden Sie gerne mal einen Gottesdienst gestalten?

Herbert Grönemeyer fänd‘ ich schon gut. Gerade weil er kein Christ ist. Das ist sehr erfrischend, wenn man nicht nur immer unter sich ist.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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Olé du fröhliche

In immer mehr Fußballstadien treffen sich Menschen zum Vor-Weihnachtssingen

Ein Fußballspiel dauert 90 Minuten. Das Weihnachtssingen auch. Und die Stadien in Deutschland werden immer voller. In der Adventszeit in ein Fußballstadion zu pilgern – um dort mit Tausenden anderen Weihnachtslieder zu singen – ist ein Trend, der Jahr für Jahr wächst.

In Aachen auf dem „Tivoli“ – für Nicht-Fußballer: das ist kein Vergnügungspark sondern so heißt das Stadion – wird es traditionell am 4. Advent weihnachtlich-stimmungsvoll; sofern der 4. Advent nicht (wie in diesem Jahr) mit Heiligabend zusammenfällt. Anno 2017 wird also am 17. Dezember gesungen. Um 19 Uhr läuten die Glocken des Aachener Doms ganz offiziell das Singen ein. Mit einem kleinen Schönheitsfehler: „Die Domklänge kommen vom Band“, verrät Siegmar Müller, Gründer und bis heute einer der Organisatoren des Aachener Weihnachtssingens.

Der Pastor im Ruhestand hatte von dem Weihnachtssingen in Berlin gehört und dachte sich: „Das könnten wir in Aachen doch auch probieren!“ Er sucht sich Mitstreiter in der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der Stadt Aachen, der Interessengemeinschaft der Aachener Fangruppen und dem Kongresszentrum „Eurogress“ (dem Stadion-Vermieter) – und 2013 findet mit 1.500 Mitsängern das erste Weihnachtssingen auf dem Aachener Tivoli statt. Zum „kleinen Jubiläum“, dem 5. Weihnachtssingen in diesem Jahr, werden wie schon 2016 wieder mehr als 21.000 Besucher erwartet.

Fußball-Clubs organisieren für ihre Fans Weihnachtssingen in den Stadien – oder sie sind selbst Gäste. Oder ein freier Organisator lädt ein. Die Modelle sind unterschiedlich. Der Hauptstadt-Club Union Berlin veranstaltet seit 2003 das Event, ist damit das Urgestein der modernen Gesangsbewegung – und mehrere Vereine der Republik zogen nach. Vor zwei Jahren (2015) waren es vier Traditionsvereine, die neben den Berlinern ein Vor-Weihnachtssingen arrangierten: Beim TSV 1860 München im Städtischen Stadion an der Grünwalder Straße (dort erlebte das Adventssingen seine dritte Auflage). Im – damals noch so genannten – „Rudolf-Harbig-Stadion“ von Dynamo Dresden (wo der Massen-Gesang von dem 128-köpfigen Kreuzchor begleitet wurde). Außerdem im Westen im „Wohnzimmer“ von Alemannia Aachen (ebenfalls zum 3. Mal), und im Rheinenergie-Stadion des 1. FC Köln (wo es klassisch kölsch hieß: „Loss mer Weihnachtsleeder singe“).

In München und Dresden war nach 2015 Schluss mit dem öffentlich-volkstümlichen Singen im Advent. Immerhin tritt in diesem Jahr (am 22. Dezember 2017) der Dresdner Kreuzchor im „DDV Stadion“ auf, allerdings ohne Mitsänger und zu entsprechenden Konzertpreisen. An die Stelle der bayerischen und sächsischen Metropole treten – seit 2016 – die Sängertreffen in Gelsenkirchen auf Schalke und in der MDCC-Arena des 1. FC Magdeburg.

Weihnachtslieder, Fangesänge

Was bringt die Menschen zum Singen ins Stadion? „Gemeinsame Anknüpfungspunkte“ gibt es „in der Musik und im Gesang“, glaubt Siegmar Müller: „In der Kirche wird gesungen – und auf dem Fußballplatz, mit Inbrunst und Begeisterung.“ Beim Weihnachtssingen wird das verbunden: christliche Weihnachtslieder, volkstümliche Weihnachtslieder und Fangesänge – „das bringt Fußball und Kirche zusammen“. Auch Nicht-Alemannia-Fans singen dann die Vereinshymne. „Es packt einen mitzusingen“, findet Müller. In den vergangenen Jahren hat der Trommler von Alemannia den Song begleitet.

Das Weihnachtssingen entfaltet einen Charakter „fast wie ein Gottesdienst“ (Müller). Und ein katholischer Besucher erklärte zuletzt: „Das war meine eigentliche Weihnachtsmesse.“

Bevor es richtig losgeht, stimmen die Chöre die Gäste mit einem einstündigen Vorprogramm ein, dann folgen die 90 Minuten Hauptprogramm. Alle Texte werden in einem Liederbuch ausgeteilt, die Texte auch auf die Leinwände projiziert. Weihnachtslieder – darunter Klassiker wie „Stille Nacht“, „O du fröhliche“, „Vom Himmel hoch“, „White Christmas“ oder „Feliz Navidad“ stehen im Vordergrund. Instrumentalchöre begleiten die Lieder; (Gospel-)Chöre animieren die Leute zum Mitsingen. 2016 hat ein 9-jähriges afrikanisches Mädchen die 1. Strophe von „Stille Nacht“ allein gesungen. 2017 ist erstmals auch ein Kinderchor dabei.

Die Weihnachtsgeschichte aus der Bibel wird vorgelesen. Sie sorgt ebenso für Andacht und Stille im Stadionrund wie das Gebet, das sich anschließt. Obendrein ist das Aachener Weihnachtssingen ein wichtiges Stadtereignis: Der Oberbürgermeister begrüßt jedes Jahr die Gäste. Robert Moonen, der offizielle Stadionsprecher, moderiert das Programm. Und der Sänger Jupp Ebert, ein „Öcher Original“ (Müller), stimmt traditionell die Alemannia-Gesänge an.

Mit zunehmender Größe steigen Professionalisierung und Kosten. Der Etat liegt inzwischen bei rund 100.000 € (vor allem für Sicherheit und Technik), der zu gleichen Teilen geschultert wird von Spendern, Sponsoren und einer kleinen Reservierungsgebühr der Besucher (ab 5 Euro). „Bei 20.000 Menschen können wir die Besucherströme in die Stadionblöcke und auf die Tribünen nur lenken über die Ausgabe von Tickets“, erklärt Müller.

Gänsehautmomente

Philipp Scheufler (24) studiert Fahrzeug- und Antriebstechnik an der FH Aachen. Dreimal war er schon beim Weihnachtssingen; das erste Mal auf Einladung eines Freunds: „Der meinte, es wäre megacool, das müsste man unbedingt erlebt haben! Und ich dachte: Da gehe ich mal mit.“

Mit zigtausend anderen Menschen auf den Rängen zu singen, ist „etwas komplett anderes“ als zu Weihnachten in der Kirche. Scheufler hat zwischendurch „aufgehört mitzusingen, um einfach nur zu hören“. Das war „teilweise atemberaubend.“

Und jedes Mal gibt es ganz sicher einen „Gänsehautmoment“: Am Eingang werden Kerzen verteilt, jeder Besucher bekommt eine. Das Stadionlicht wird heruntergedimmt und auf allen Rängen leuchten allein die Kerzen. „Dieser Moment hat sich bei mir festgesetzt“, gesteht Scheufler, „es ist tatsächlich eine coole Atmosphäre.“ Und das Weihnachtssingen nicht nur für ihn „jedes Mal wieder ein Erlebnis; auf jeden Fall eine Sache, die sich lohnt“. Für ihn persönlich bedeutet es noch mehr: Hier wird, eine Woche vor dem Fest, „die Weihnachtszeit eingeläutet“.

 

Von Berlin bis Köln: Weihnachtssingen 2017

Berlin: Das älteste und größte Treffen dieser Art. Hier fing alles an, an der Alten Försterei in Berlin. Im Jahr 2003 trafen sich 89 Verrückte „halblegal“ mit Glühwein und Gebäck auf Höhe der Mittellinie im Stadion An der Alten Försterei zum Weihnachtsliedersingen. Von Jahr zu Jahr wuchs die Schar der Sänger. Weihnachten 2010 erfüllten schon die Stimmen von über 10.000 Menschen das „eiserne“ Wohnzimmer.

Der Fanclub Alt-Unioner organisiert das inzwischen traditionelle Weihnachtssingen. 2017 werden über 28.000 Menschen erwartet: Das Weihnachtssingen ist zu einem generations- und vereinsübergreifenden Ereignis geworden. Pfarrer Müller trägt die Weihnachtsgeschichte vor, der Chor des Emmy-Noether-Gymnasiums gibt Tonart und Takt vor und eine kleine Bläsergruppe sorgt für festlich-fröhliche Klänge. Liederbuch und Kerze gibt es gratis – eine kleine Spende für die Nachwuchsarbeit des Vereins ist immer willkommen (23.12.2017, 19 Uhr, Einlass 17 Uhr).

Köln: Die Karnevalsmitsinginitiative „Loss mer singe“ hat einen Ableger in der Weihnachtszeit: Am 23. Dezember klingen bei „Loss mer Weihnachtsleeder singe“ im Rheinenergie-Stadion Adventslieder aus Tausenden von Kehlen (23.12.2017, 19 Uhr; Tickets ab 5 Euro).

Weihnachtssingen auf Schalke: Wo sonst die Fußballprofis der Königsblauen spielen, stehen einen Tag vor Weihnachten wieder bekannte Musiker und Chöre zum Weihnachtssingen auf der Bühne. PUR-Frontsänger Hartmut Engler lässt es sich nicht nehmen, beim 2. Weihnachtssingen auf Schalke gemeinsam mit den Besuchern Weihnachtslieder zu singen (23.12.2017, 19 Uhr, Tickets 14 Euro).

Magdeburg: Das 2. Weihnachtssingen findet dieses Jahr am Tag vor Heiligabend statt. Die Tore werden um 16 Uhr geöffnet, es gibt ein kleines Vorprogramm auf den Vorplatz, mit kleiner Bühne und Weihnachtsmarkt. Aufgrund des Erfolgs beim Start im Vorjahr (7.000 Besucher) rechnen die Veranstalter in diesem Jahr mit 10.000 bis 15.000 Besuchern in die MDCC-Arena. Trotz steigender Besucherzahlen und Kosten für Bühne, Technik, Sicherheitskonzept und eine erhöhte Zahl an Liederheften und Kerzen bleibt der Eintritt zum Weihnachtssingen kostenlos (23.12.2017, 18 Uhr).

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Die Gottesdienst-Wirkung verstärken

Von Dr. Ulrich Wendel

Die Bibel mit in den Gottesdienst bringen: Ist das nützlich? Oder lenkt es ab von dem, was man von vorne hört?

Die Diskussionsteilnehmer in einem Forum auf www.jesus.de waren geteilter Meinung. Einige bringen aus Überzeugung ihre Bibel in die Kirche mit und lesen den Predigttext nach. Andere bringen ihre Bibel nicht mit – weil sie sie bereits in der Kirche deponiert haben. Manche empfinden es als respektlos dem Pfarrer gegenüber, während der Predigt Bibel zu lesen – als ob man ihn kontrollieren wolle.

Natürlich kann es sein, dass man eine andere Übersetzung dabei hat als die, aus der im Gottesdienst vorgelesen wird. Auch hier finden die einen das dann ablenkend, die anderen begrüßen die Variante als Ergänzung. Die Zahl derer aber ist groß, denen es zur Konzentration hilft, in ihrer eigenen Bibel mitzulesen. Und auch dieser Hinweis kam im Forum: Wenn die Predigt mal langweilig sein sollte, hat man immer noch was Interessantes dabei…

Ich persönlich meine, es kann die Wirkung einer Predigt oder eines Gottesdienstes ziemlich verstärken, wenn ich meine Bibel dabei habe und die Lesungstexte aufschlage. Ich begreife den Zusammenhang des Textes besser, um den es geht. Ich kann einen bedeutsamen Vers mit Bleistift unterstreichen. Und wenn ich den Predigttext zu Hause noch mal in derselben Bibel nachlese, vielleicht mit meinen Anstreichungen, ist das eine gute Verknüpfung zwischen Sonntag und Montag. Das sind Wirkungen, die der Bibeltext, der auf Leinwand gebeamt wird, so nicht leisten kann.

Ich kenne eine Gemeinde, in der es fast schon zum Standard gehört, die eigene Bibel dabei zu haben. Es hat mich beeindruckt, wie die Gemeindemitglieder ermutigt werden, alles Gehörte mit der Bibel zu vergleichen. Auch das persönliche Bibellesen wird so geprägt.

Ich weiß aber, dass es natürlich auch noch die „andere Hälfte“ der Kirchgänger gibt, die im Gottesdienst lieber nur hören und nicht auch noch lesen. Zu welcher Gruppe gehören Sie – und warum?

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Kaugummi der Liebe Gottes

von Rüdiger Jope

„Auf welchem See war Jesus mit seinen Jüngern unterwegs?“, fragte der Pfarrer. Mein Finger schnellte nach oben. Für die richtige Antwort heimste ich als 7-jähriger DDR-Bürger einen West-Kaugummi ein. Anschließend schnappte sich der Pastor die Gitarre und stimmte das Lied „Gottes Liebe ist wie die Sonne“ an. Noch heute, 38 Jahre später, habe ich diesen paradiesischen Kaugummi-Geschmack in Mund und Nase, wenn ich diese Zeilen singe oder höre.

Kirche ist dazu da, dass den Menschen die Liebe Gottes auf der Zunge zergeht und sie eine Heimat finden. Noch eine Kostprobe? Zuhause funkte es im Teenageralter gewaltig. Der Hocker an der Heizung in der Küche des Pastors wurde für mich zum Heimathafen. Dort saß ich in schwierigen Zeiten mit einem Meerschweinchen auf dem Schoß. Dort fand ich ein hörendes Herz, ein ermutigendes Wort, ein freundliches Lächeln, ein gelebtes, gastfreies Evangelium.

Helfend und dienend

Das ist ein wesentlicher Kern der Kirche – oder wie Dietrich Bonhoeffer es formulierte: „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist. … Sie muss an den weltlichen Aufgaben des menschlichen Gemeinschaftslebens teilnehmen, nicht herrschend, sondern helfend und dienend.“ Kirche, Christsein ist kein Selbstzweck. Darin ist Kirche gut. Meistens.

Noch stapeln sich in der Wohnung die Umzugskisten. Egal. Es ist Sonntag. Wir besuchen den Gottesdienst im neuen Ort. Eine volle Windel sorgt für Verspätung. Die Glocken sind bereits verklungen, als wir mit dem Wagen vor einer Treppe zum Stehen kommen. Wo geht’s bloß rein? Schweißgebadet öffnen wir eine schwere Tür. Unsicher suchen wir Vier uns einen Platz. Starr nach vorne gerichtete Augen würdigen uns keines Blickes. Als die Orgel einsetzt, merken wir: Uns fehlen noch die Liederbücher. Nur wo gibt es die? In die Liturgie hinein quasselt unser Einjähriger. Einen Kindergottesdienst scheint es nicht zu geben. Vor der Predigt gehe ich mit den Kindern raus. Nur wohin? Im Raum nebenan krabbelt der Kleine los. Nach wenigen gekrabbelten Metern sind die Finger schwarz, seine Hose sieht aus wie ein Lappen nach dem Freitagsputz. Die für die Große gefunden Stifte benötigen erst einen Spitzer. Nur wo ist dieser?

Einladend und fehlerfreundlich

Kirche ist an vielen Orten gut, einladend, den Menschen zugewandt, aber es gibt auch noch viel Luft nach oben. Dr. Heinzpeter Hempelmann schlägt in seinem Buch „ZEITGEIST 2“ (Francke) folgendes vor: „Lassen Sie uns Gemeinde bauen, die nicht ideal, nicht perfekt, sondern Gemeinden unterwegs, auf Zeit, als Notbehelf, im Wechsel, Station eben, für eine Nacht oder für ein Glas Sprudel und eine Tasse Kaffee, eine Wegstrecke. Fehlerfreundlich, unvollkommen und gerade darin Hinweiser auf die eine große Heimat, das eine große Ziel, zu dem wir unterwegs sind.“

In der Hoffnung, dass Menschen durch diese Art Kirche auf den Geschmack kommen und sich die göttliche Liebe auf der Zunge zergehen lassen, wie den Kaugummi.

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Mit Gott auf der Rennstrecke

von Rüdiger Jope

Was kommt dabei heraus, wenn ein visionäres Team 100 Jahre Motorsport, ein abgehalftertes Hotel, Flüchtlinge und ehemalige Straffällige zusammenbringt? Eine Kirchengemeinde!

Wolkenloser Himmel. Langgezogene Kurven. Schattenspendende Bäume. Verkleidete Leitplanken. Dröhnend zieht eine Maschine an meiner heruntergelassenen Seitenscheibe vorbei. Sie signalisiert meiner Nase und meinen Ohren: Du bist auf der richtigen Spur Richtung Glemseck. Bis in die 60er-Jahre hinein trugen auf der legendären Solitude-Rennstrecke in der Nähe von Stuttgart zwei- und vierrädrige Legenden des Motorsports ihre PS-starken Fights um Lorbeerkränze und glänzende Pokale aus. Vor dem Hotel Glemseck parke ich. Auf mich wartet Tobias Merckle, der Gründer, Taktgeber und Vorstand von „Seehaus e.V.“. Mit leuchtenden Augen führt er mich durch die in die Jahre gekommenen Räume, die eine vergilbte, rauchgeschwängerte, aber reiche Motorsportvergangenheit atmen. „Eigentlich träumte ich schon 13 Jahre davon, hier an diesem Ort Motorradfahrer, Oldtimerfahrer und Motorsportbegeisterte in ihrem Umfeld mit dem Glauben in Berührung zu bringen“, so der Visionär.

Traditionen pflegen, Neues entwickeln

Als er sich Anfang 2016 auf die Suche nach weiteren Räumen für den „Jugendstrafvollzug in freien Formen“ macht, wird ihm dieses abgelebte Kleinod angeboten. Merckle ist in seinem Element: „Als ich dann in diesen Räumen stand, wusste ich: Mitarbeiterwohnungen sind hier fehl am Platz. Die über 100 Jahre alte Geschichte gehört unter neuen Vorzeichen fortgeschrieben.“ Auf einem Laptop bekomme ich die Zukunft präsentiert: Ein hippes Motorsporthotel. Detailverliebte Innenausstattung mit Fotos, Originalfahrzeugen und Oldtimern. Zudem sollen im Glemseck Flüchtlinge in der Gastronomie ausgebildet werden, um ihnen so einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu verschaffen. Motorsportbegeisterung mit Mehrwert zum Sehen, Hören, Fühlen, Schmecken, Helfen und Glauben.

Gerade Letzteres ist Merckles Leidenschaft. Ehemaligen Straffälligen eine Gemeinde als Zuhause anzubieten. Alle wohlgemeinten Versuche scheiterten. Die meisten Jugendlichen fanden nach der Zeit im Seehaus keine Beheimatung in einer normalen Gemeinde. „Die Lebenswelten, die Erfahrung, die Gesprächsthemen, die Interessen sind einfach ganz andere“, bilanziert der Gründer etwas ernüchtert. Doch Merckle hat das Unternehmer-Gen. Wo ein Problem ist, sucht er nach einer Lösung. Mit einer kleinen Gruppe von Mitstreitern setzt er sich mit Verantwortungsträgern aus der evangelischen Landeskirche Württemberg zusammen. Sie fragen: „Könnte Glemseck nicht eine ‚personale Gemeinde‘ werden für ein Milieu, welches die klassische Kirchengemeinde nicht erreicht?“ Sie kann. Seit Anfang Mai 2016 ist die „Gemeinde am Glemseck“ Teil der Gesamtkirchengemeinde Leonberg und der evangelischen Landeskirche Württemberg.

Beziehung statt Programm

Glemseck will dort mit dem Glauben hin, wo die Leute sind. Die Motorradfahrer und Motorsportbegeisterten sind da ein zusätzliches Pfund. Merckle gibt eine Begebenheit aus einem Motorradgottesdienst zum Besten. Auf dem WC ist die Pfarrerin dabei, sich ihren Talar überzustreifen. Nebendran schlüpfte eine Motorradfahrerin in ein Hasenkostüm. Der Pastorin rutschte ein schmunzelndes „sieht aber komisch aus“ raus. Ihr Gegenüber konterte lachend: „Ebenso!“

Knapp achtzig „komische“ Leute treffen sich inzwischen in dieser ökumenischen Mitmachgemeinde. Sie wird zum Zuhause für Suchende, Zweifler, Interessierte, Neugierige und Flüchtende. Ein besonderer Fokus liegt auf dem Thema Gemeinschaft. Lebensberichtsabende und gemeinsames Essen sind ein zentrales Element. „Menschen kommen vor allem wegen der Beziehungen, die Gottesdienste nehmen sie so mit“, ergänzt Merckle. Auf dem Rückweg zum Auto bückt sich der Visionär nach dem achtlos weggeworfenen Müll. Ich erlebe: Hier ist sich einer nicht zu schade, kleine und große Müllberge des Lebens beiseite zu räumen, damit Menschen sich mit Gott auf die Rennstrecke ihres Lebens begeben.

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Der Abend, als wir zu Jesus sangen

Von Gordon MacDonald

Oder: Spannende Spontan-Fragen und ein Blick in den Himmel

Manche Fragen stelle ich gern, wenn es Zeit genug für ein intensives Gespräch gibt. Wenn ich jemanden kennen lernen will, sage ich zum Beispiel: „Erzähl mir die Geschichte Deines Lebens in vier Minuten – und lass nichts aus!“

Natürlich ist das eine verrückte Bitte. Es ist erstaunlich, wie viele Leute es dennoch versuchen…

Ich liebe Fragen über jemandes Arbeit, seinen oder ihren Lieblingsverwandten, ihr Lieblingsbuch oder den engsten Freund.

Und dann gibt es noch eine Frage, die sehr unterschiedliche Antworten provoziert: „Wann“, frage ich, „hast du dich Gott am nahesten gefühlt?“

Viele Leute müssen dann erstmal eine Denkpause einlegen und intensiv grübeln, bevor sie antworten können. Man merkt, dass sie noch nie darüber nachgedacht haben. Manche antworten – und richten danach die Frage an mich: „Und wann hast du dich Gott am nahesten gefühlt?“ Und weil ich die Frage schon so oft gestellt habe, muss ich über meine Antwort nicht mehr lange nachdenken.

 

Vor einigen Jahren war ich einer von mehreren Sprechern bei einer großen Missionskonferenz. Am letzten Abend versammelten sich 18.000 Menschen – die meisten Studenten – in einer großen Basketball-Arena. Mit großer Begeisterung sangen wir Anbetungslieder. Ein Missionar erzählte eine fesselnde Missionsgeschichte aus Übersee. Dann war ein bekannter Bibellehrer mit seiner intensiven Predigt dran – die Leute hingen ihm an den Lippen. Und am Schluss des Abends gab es eine Abendmahlsfeier für die große Menge. Danach sangen wir das Schlusslied und empfingen einen wunderbaren Segen. Die Leute standen auf, kramten ihre Sachen zusammen und wollten den Heimweg antreten.

Auf einmal aber – mitten aus der aufbrechenden Menge heraus – hörte man eine schöne männliche Stimme einen Chorus anstimmen, den jeder kannte: „Sing Hallelujah To The Lord …“

Die Menge stockte, hörte ein paar Sekunden zu – und stimmte dann ein. Jeder – wirklich jeder, so schien es – blieb stehen und sang mit. Keine Instrumente, kein Leiter, keine Worte auf der Leinwand. Einfach nur 18.000 Menschen, gefangen von diesem schönen Anbetungslied.

Und als die Menge mit dem Lied durch war, wurde es erneut angestimmt. Und als die Strophen zum zweiten Mal endeten, begann es ein drittes Mal. Immer wieder, ohne Aufhören. Niemand wollte gehen. Niemand! Jeder – ich eingeschlossen – wollte immer wieder dieses eine Lied singen.

Als ich so von der Bühne in die Menge heruntersah, blickte ich in die Gesichter von Männern und Frauen, die sich ihrer Tränen nicht schämten. Ehrfurcht und Dankbarkeit war zu erkennen.

 

Wir alle wissen, wie ein Sonntagsgottesdienst sein kann. Wenn die Predigt durch ist und Abschlussgebet und Segen verklungen sind, will jeder schnell nach Haus. Manch einer will so schnell wie möglich zum Parkplatz zu seinem Auto. Kein Gespräch. Kein andächtiges Sitzen mit stillen Nachgedanken. Einfach nur Aufbruch, Abmarsch, fertig …

Dieser Moment, den ich beschreibe, war nicht so. Jeder wollte noch bleiben. Jeder wollte dabei sein. Wollte mitsingen. Keinen drängte es nach Hause.

Ich verließ die Bühne und ging hinüber zu dem Bereich, wo meine Frau Gail und unsere Kinder saßen. In diesem besonderen Moment wollte ich bei ihnen sein. Als mich unsere Tochter Kristi, damals neun, kommen sah, lief sie auf mich zu, schlang ihre Arme um meine Hüfte und barg ihren Kopf an meiner Brust. Ich konnte ihre Tränen spüren. Plötzlich sah sie auf und sagte: „Papa, so wird es im Himmel sein!“

Ich glaube, sie hat Recht. Wir werden viele Tausend unterschiedliche Dinge im Himmel machen, da bin ich mir sicher. Aber zu den wichtigsten wird gehören, beieinander zu stehen, all unsere kleinlichen Meinungsverschiedenheiten, Konflikte und Feindschaften zu vergessen und dem Herrn zuzusingen. Keine Instrumente, kein Beamer, keine Leinwand. Keine Musiker, keine Cheerleader, noch nicht einmal Pastoren. Wir werden einfach einen Chor bilden – so wie eine Gruppe von Sportlern eine Fußballmannschaft bildet. Und wir werden unglaublich schöne Musik für den Herrn machen.

Und niemand wird gehen wollen. Hey, es ist der Himmel. Wo sonst wollen wir hingehen?

 

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