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Q&A zum Bibellesen

Jasmin Neubauer

Auf ihrem Insta-Account „liebezurbibel“ beschäftigt sich Jasmin mit Gottes Wort. Im Gespräch gibt sie Tipps für die tägliche Lektüre.

Wieso sollten wir überhaupt in der Bibel lesen? Viele Christen kennen doch die Kernbotschaft des Evangeliums.
Je mehr ich in der Bibel lese, umso mehr merke ich auch, wie damit ein Erkenntnisprozess einhergeht. Gott offenbart mir in seinem Wort Schritt für Schritt, wer er ist. Für mich ist es auch nicht nur ein bestimmter Teil, der wichtig ist, sondern die komplette Schrift ist von Gott inspiriert. Und das hat eine große Kraft, in mein Leben zu sprechen und es komplett auf den Kopf zu stellen. Gottes Wort lebt. Es zeigt mir, wer ich bin, wer Gott ist und wie ich ein erfülltes Leben im Heiligen Geist führen kann. Es hat das Potenzial, Dinge, die ich vorher nie verstanden habe, plötzlich mit anderen Augen zu betrachten oder dass Verletzungen aus der Vergangenheit heil werden.

Wie bereitest du dich auf das Bibellesen vor?
Ich bitte den Heiligen Geist darum, dass er mir die Weisheit und die Erkenntnis schenkt, Gottes Wort zu verstehen. Meine Erfahrung ist: Bete, dass Gott spricht, und er wird sprechen!

Was tust du, um nicht abgelenkt zu werden?
Ich versuche, mein Handy auf stumm zu schalten und wegzulegen, wenn ich Bibel lese. Ein stiller Ort, an dem ich ungestört sein kann, hilft auch. Es ist nicht im Interesse des Teufels, dass ich in Gottes Wort lese, weil er sich der Macht bewusst ist, die in diesem Buch steckt. Ich bin überzeugt, dass er zum Beispiel Ablenkungen nutzt, um uns davon abzuhalten, die Bibel aufzuschlagen.

Was hilft dir dabei, das Gelesene zu verinnerlichen?
Fragen, Anmerkungen und meine Gedanken schreibe ich immer auf. Ein Notizbuch hilft dabei, das Gelesene festzuhalten und zu verstehen – hier halte ich auch meine Stille Zeit mit Gott fest. Ich empfehle außerdem aufzuzeichnen, welche Bücher der Bibel man schon gelesen hat, um einen besseren Überblick zu haben.

Nutzt du ein bestimmtes System, mit dem du Bibelstellen markierst?
Mir persönlich helfen Farben dabei, Themen in der Bibel zu kategorisieren. Für verschiedene Themen benutze ich unterschiedliche Farben, um mir einen besseren Überblick zu verschaffen. Ich arbeite zum Beispiel mit den Kategorien: Gottes Charakter, Sünde, Vergebung, Ermahnung, Ermutigung, Lebensstil usw.

Was heißt es für dich, dass wir uns von der Bibel „ernähren“ sollen?
Gottes Wort ist nicht nur ein Buch. Es sind Worte, die unser Leben verändern. Wenn wir auf die Worte der Schrift verzichten, werden wir geistlich hungern. Gottes Wort wird uns sättigen und füllen. Ich glaube, dass alles andere in meinem Leben mich mit einem Hunger zurücklassen wird, der sich nie richtig stillen lässt. Die Bibel hilft mir, diese Leerstelle zu füllen. Sie bereitet mich auf die Stürme meines Lebens vor und weist mir den richtigen Weg – auch, wenn es so scheint, als würde es keinen Weg mehr geben. Gott ist gut, sein Wort ist ein Geschenk an uns.

Manchmal kann die Lektüre ganz schön frustrierend sein, weil man die Zusammenhänge nicht versteht. Hast du da einen Tipp?
Es ist normal, nicht alle Zusammenhänge sofort zu verstehen, aber wir dürfen Gott im Gebet darum bitten, uns die Dinge zu erklären. Manchmal kann es auch hilfreich sein, sich eine Studienbibel dazu zu nehmen oder mit anderen Christen gemeinsam die Bibel zu studieren

 

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Wer hilf mir dabei, mich zu zeigen?

Christiane Rösel

Wo wir Unterstützung bekommen und warum „sich zeigen“ für Vreni Theobald mehr mit Ankommen bei sich selbst zu tun hat, als mit einer Karriereleiter-Kletterübung, hat Christiane Rösel im Interview erfahren.

Manchmal denken wir: „Ich würde mich so gerne auf einen Weg machen, aber ganz alleine? Wenn mich jemand dabei unterstützen würde, das wäre super. Aber wo finde ich einen solchen Menschen?“ Christiane Rösel hat sich darüber mit Vreni Theobald unterhalten. Sie ist Autorin und Referentin und hat mit ihrem Mann einige Jahre ein Haus der Stille geleitet. Aber vor allem begleitet und ermutigt sie Frauen auf ihrem Weg.

Du hast viele Frauen gefördert und ermutigt – wie bist du dazu gekommen?
Ich habe das nicht gesucht, und hätte es mir auch nicht zugetraut! Es begann in der Gemeindearbeit, als ich als junge Pastorenfrau mit anderen jungen Frauen und Männern zusammen die Jugend-, Teenie- und Kinderarbeit leitete. Ich war auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen und wusste, dass sie nur bleiben, wenn sie ermutigt, bestätigt und gefördert werden. Durch dieses „learning by doing“ habe ich die Gabe der Ermutigung und Förderung anderer entdeckt und eingesetzt. Natürlich gab es dabei für mich auch Frusterfahrungen, wenn die anderen es dann eben anders machten, oder heimliche Eifersucht, wenn die, die ich fördern wollte, plötzlich besser und beliebter waren als ich. Aber ich habe mich dadurch auch besser kennengelernt und konnte an meinen eigenen Schwachstellen arbeiten (lassen). Später hat es sich dann einfach durch die Frauen- und Seelsorgearbeit so ergeben, dass Frauen meine Begleitung gesucht und darum gebeten haben. Mir geht es aber nicht in erster Linie darum, dass Frauen sich in Leitungsaufgaben zeigen oder auf der „Teppichetage“ ankommen. Ich verstehe mich als „Hebamme“, die zum Leben verhelfen will. Ich versuche mit meinem Herzen zu erfassen, wer die Frau ist, die bei mir ist, und was Gott wohl mit ihr vorhat. Wo ihre ganz persönliche Schönheit und Einzigartigkeit ist, die zum Vorschein kommen soll, wie ihre Stärken und Grenzen heißen, die gefördert oder akzeptiert werden sollen. Wie ich ihr in eine gesunde Balance helfen kann zwischen Einsetzen und Aussetzen, und wo auch noch Wunden und ungestillte Sehnsüchte oder unerfüllte Lebensträume sind. Ich versuche auch den Lebensrahmen in den Blick zu bekommen mit den Gegebenheiten, die es zu beachten gilt. Für mich ist das eine Zusammenarbeit mit dem Heiligen Geist. Ich bitte darum, dass ich die Person so sehen und erfassen kann, wie Gott sie sieht.

„Zeig dich, es ist dein Leben!“ heißt unser Dossier-Thema. Fällt das Frauen heute leichter? Und gilt das auch für Frauen in unserer Kirche und Gemeinde?
Ich empfinde schon, dass es heute jüngeren Frauen leichter fällt, sich zu zeigen. In den Schulen und Ausbildungen wird mehr Wert darauf gelegt, sich zu präsentieren oder sich mit seiner Meinung zu outen. In den christlichen Gemeinden gibt es beide: die Angepassten, die sich selten trauen, sich mit ihrer Meinung zu outen, sich vorne hinzustellen und etwas zu präsentieren oder darzustellen. Die Angst vor Kritik und Ablehnung sitzt vielen tief in den Knochen. Darum bleiben sie lieber in der zweiten Reihe oder im Hintergrund und arbeiten hier mit. Es gibt aber auch die Darstellungstypen, die die Bühne lieben und suchen und gerne von sich und über sich reden oder öffentlich etwas gestalten. Der Wunsch nach steter Selbstoptimierung ist aber auch in den christlichen Gemeinden angekommen und bringt – neben dem positiven Ergreifen von Verantwortung in verschiedenen Aufgaben und Gremien – auch Unzufriedenheiten mit sich, wenn die Möglichkeiten zu einem Engagement „kleinflächig“ und überschaubar bleiben. Unter „sich zeigen“ und „Ermutigung zum Leben“ verstehe ich aber nicht eine Karriereleiter-Kletterübung, sondern ein „Ankommen bei mir selbst“. Mich zu trauen, in innerer Freiheit und Bejahung zu mir zu stehen mit dem, wer ich bin und was ich kann.

Wie bist du zu einer Lebensermutigerin geworden?
Ich habe selbst viel Ermutigung gebraucht, und bin all denen dankbar, die das Gute in mir gesehen, herausgeliebt und gelockt haben. Allen voran mein Mann Dieter. Andere haben mir etwas zugetraut, und ich bin daran gewachsen.

Wie finde ich jemanden, der mich fördert?
Man darf Gott darum bitten! Aber selbst auch die Augen offen halten nach einer Person, von der man den Eindruck hat, dass man dort etwas lernen und abschauen könnte. Autorinnen und Autoren eines guten Buches oder Artikels, Seminarleiterinnen oder Referenten sprechen einen an und wecken das Vertrauen. Da kann man einen Versuch wagen! Es muss keine lebenslange Begleitung werden. Für eine gewisse Lebensphase, eine schwierige Situation oder eine berufliche Umorientierung oder Herausforderung kann eine Begleitung sehr hilfreich sein.

Heute im Zeitalter von Qualifizierung und Weiterbildung hat man ja oft den Eindruck: Ohne Zertifikat geht gar nichts. Kann ich andere auch „einfach so“ fördern und ermutigen? Oder was brauche ich dazu?
Eine Seelsorge- oder Coachingausbildung ist immer etwas überaus Hilfreiches – zuerst einmal für einen selbst – und dann auch für eine professionelle Begleitung anderer Menschen. Aber das „hörende oder sehende Herz“ kann man sich nicht mit einem Zertifikat erwerben. Das geht echt nur durchs eigene Gegründet- und Verbundensein in und mit Gott. Das „einfach so“ würde ich deshalb bejahen im Alltag, überall da, wo sich Gelegenheiten ergeben, andere zu ermutigen und zu fördern. Seien es die eigenen Kinder, eine Freundin, Nachbarin, Kollegin. Die Menschen um uns herum hungern nach Ermutigung und brauchen sie dringend!

Mir hilft es immer wieder, wenn Menschen mir gute Fragen stellen, auch wenn ich manches Mal daran herumknabbere. Welche Fragen fördern und ermutigen?
Ratschläge wie: „Ich würde es an deiner Stelle so machen …“, helfen wenig. Aber gute Fragen sind „Vorwärtsbringer“. Zum Beispiel die Fragen: Was bezweckst du mit diesem Tun? Was kannst du gut? Was bringt es dir? Wer profitiert davon? Was soll sich verändern? Wo willst du hin? Was möchtest du bewirken? Was sagt dein Herz dazu? Wo zieht es dich hin? Was hast du aus diesem Fehler gelernt?

Wie ist das in der Bibel – gibt es da auch die Ermutigung, sich zu zeigen?
Generell höre ich aus der Bibel Gottes großes Ja zum Leben heraus und zugleich Freude, wenn Menschen aufbrechen und ihre Gaben einsetzen oder Berufung finden. Mich persönlich hat die Stelle im Hohelied 2, 12-14 angesprochen: „Steh auf meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her! Meine Taube in den Felsklüften, im Versteck der Felswand, zeige mir deine Gestalt, lass mich hören deine Stimme; denn deine Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich.“

Danke für das Gespräch!

 

Vreni Theobald ist Autorin und Referentin und lebt mit ihrem Mann in CH-Turbenthal ZH.

 

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Richtungsweisend im Auftrag Gottes

Artur Wiebe

Menschen in Leitungspositionen finden im Gemeindekontext oft zu wenig Unterstützung, meint Artur Wiebe. Dabei ruft Gott in die Verantwortung.

Als Pastor im Main-Taunus-Kreis sind mir immer wieder Menschen begegnet, die gesellschaftlich und beruflich in hohen Positionen leidenschaftlich Verantwortung tragen. Doch ihre Lebenswelt und ihre Themen kommen in der christlichen Gemeinde und Kirche so gut wie gar nicht vor. Während der Arbeitswoche abends tauchen sie – wenn überhaupt – wie ein Fremdkörper in den Hauskreis und das Gemeindeleben ein. Sie leben die Woche über in einer Welt und am Wochenende in einer anderen.

Manager als Fremdkörper

Diese Frauen und Männer stehen als Projektmanager/-in, Geschäftsführer/-in, leitende Angestellte und Politiker an exponierter Stelle und machen ihren Job mit Leidenschaft und Hingabe. Aber im Rahmen der christlichen Gemeinde sind sie selten Thema, dafür umso öfter Ziel kirchlicher Gesellschaftskritik, so als seien sie für alle „unchristlichen Gesellschaftsentwicklungen“ mitverantwortlich. Besonders Banker kamen in den vergangenen Jahren aufgrund der Finanzkrise besonders schlecht weg.

Wissenschaftler, Lehrer und Forscher stehen im Gemeindekontext nicht selten im Verdacht, mit dem christlichen Glauben zu fremdeln, da sie vermeintlich im Konflikt mit den biblischen Glaubensaussagen forschen und lehren. Und tatsächlich stehen der Schöpferglaube und ein „methodischer Atheismus“ als Forschungsgrundlage in Spannung zueinander – besonders in den Humanwissenschaften, der Physik und Biologie. Wo gibt es Tipps und Hilfestellungen mit dieser Spannung Glaube und Wissenschaft umzugehen?

Gemeindliche Hilfestellung Fehlanzeige

Kritisiert wird viel, doch Hilfestellung findet kaum statt. Diesen gesellschaftlich richtungsweisenden Christinnen und Christen werden von Gemeindeseite kaum konstruktive biblische Prinzipien, Leitlinien und Weisheiten an die Hand gegeben, die sie befähigen, gute und weise Entscheidungen in ihrem beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeitsfeld zu treffen und mit der großen Spannung zwischen Glaube und Lebenswelt umzugehen. Maximal treffen sich gleichgesinnte und Betroffene untereinander in gegenseitig stärkenden Spezialgruppen und Vereinigungen – außerhalb des Gemeindeumfeldes.

Die Auswirkungen sind fatal: Junge Menschen in der Gemeinde, die Leitungsbegabung haben und Verantwortung übernehmen wollen, bekommen dadurch den Eindruck vermittelt, dass christliche Gemeinde und der Job in einer gesellschaftlichen Führungsposition nichts miteinander zu tun haben. Mit der bedauernswerten Folge, dass je erfolgreicher die Karriere ist, desto mehr der Exit aus dem gemeindlichen Kontext erfolgt. Oder der Glaube an Jesus Christus wird in den berufsintensiven Jahren gleich ganz an den Nagel gehängt oder auf unbestimmte Zeit in die fromme Mottenkiste gelegt. Zum Leidwesen der Menschen und der Gemeinde, weil Menschen christliche Gemeinschaft brauchen und die Gemeinde Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen.

Leiten als gemeindliches Stiefkind

Im kirchlichen Raum vor Ort wird selten aktiv Mut gemacht, verantwortliche Positionen in der Gesellschaft, der Wirtschaft, Forschung und Politik als Berufung Gottes anzustreben. Sie gelten als prinzipiell verdächtig. Die Kirche Jesu Christi erweckt so den Anschein, als sei sie nur etwas für den kleinen Mann und die kleine Frau. Wenn man von „Berufung“ spricht, steht einem maximal der Dienst als hauptamtlich Tätigen vor Augen und nicht die Chefetage eines mittelständischen Betriebes oder der Dienst als Chefarzt Krankenhauses. Dies ist eine Prägung, die der Herrschaft Gottes in allen Bereichen des persönlichen Lebens widerspricht, und den Glauben an Jesus Christus auf den kirchlichen Bereich reduziert.

Dazu kommt die Beobachtung, dass Christen in der Gemeinde den Begriff „Leitung“ stiefmütterlich behandeln und scheuen. Sie machen sich klein und wollen nicht als Leiterin oder Leiter bezeichnet und gesehen werden. „Leitung“ kommt ihnen überhöht vor für das, was sie treu und beständig mit in die Gesellschaft oder das kirchliche Gemeindeleben einbringen. Sie tun das halt und merken nicht, wie entscheidend ihr unbewusster Leitungsdienst die Gruppe beeinflusst und nach vorne bringt. Sie stapeln tief und sind auch nicht greifbar, weil auf ihrem Einsatz nicht „Leitung“ draufsteht. Deshalb werden sie auch nicht aktiv für ihren Leitungsdienst geschult. Dadurch werden Chancen verpasst, in seiner Berufung Gottes zu wachsen und besser richtungsweisend zu werden.

Leiterschaft als zentrales Thema

In der Bibel finden wir zahlreiche Beispiele von Menschen, die von Gott verantwortliche Positionen im Kleinen und Großen zugedacht bekommen haben. Sie leiten Menschen oft durch schwierige und gute Zeiten. Diese Frauen und Männer haben mal mehr oder weniger freiwillig in ihrem Umfeld führende Positionen und Dienste übernommen und ausgefüllt. Ihre persönlichen Glaubensüberzeugungen und der Gehorsam Gott gegenüber fanden Ausdruck in ihren öffentlichen Entscheidungen und Äußerungen. Sie haben Gott vertraut und sind auch unter schwierigen Umständen seinen Maßstäben gefolgt.

Ebenso finden sich lehrreiche biblische Zeugnisse des Scheiterns, wenn Leiterinnen und Leiter ihre eigenen Interessen obenan gestellt haben oder dem Druck von außen nachgegeben haben, anstatt Gottes Geboten die erste Priorität zu geben. Nicht selten haben diese Führungspersönlichkeiten und Vorbilder durch ihr Verhalten sich selber und auch andere Menschen mit in den Abgrund gerissen oder sie in von Gott gesegnete und erfolgreiche Zeiten geführt. Leiterschaft ist ein biblisches Thema.

Schaue ich in die Kirchengeschichte, dann ist das gemeindliche Geschehen nicht selten auch von verantwortungsvollen und vermögenden Leitern und Fabrikanten ermöglicht worden, die als Mäzene und Sponsoren evangelistische, diakonische und künstlerische Aufträge der Gemeinde Jesu gefördert haben. Oder sich als Impulsgeber an die Spitze von kirchlichen Initiativen, Bewegungen und Gründungen gestellt haben. Bewusste und richtungsweisende Leiterschaft hat uns viel Segen gebracht.

Zum Leiten ermutigen

Ich möchte dazu ermutigen, Leitung und Verantwortung im Kleinen wie im Großen zu übernehmen: in der Gemeinde, in der Gesellschaft und im Beruf. Dazu bietet die Bibel eine Fülle von positiven und negativen Beispielen, damit wir neu entdecken und lernen, was es bedeutet, richtungsweisend im Auftrag und der Berufung Gottes unterwegs zu sein. Und als Gemeinde Menschen in Verantwortung fördern, mittragen und ermutigen.

 

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„Einheit – das ist für mich eine der größten Fragen“

Christof Klenk

Der Gemeindeberater Dr. Stefan Vatter erzählt im Interview, weshalb die Kleingruppenarbeit der Zukunft offene Strukturen braucht, was sich Menschen von Gemeinde erhoffen und warum er viele Gottesdienste für langweilig halt

Was bedeutet es für dich, wenn Paulus sagt, die Gemeinde sei ein Leib Christi? Wie sind Gemeinden gestrickt, in denen das ge- lebt wird?

Ich finde das meiste, was zum Thema „Einheit“ gesagt wird, nicht befriedigend. In Gemeinden wird viel über Einheit gesprochen, es gibt ein starkes Bestreben sowohl innerhalb einer Gemeinde als auch unter Gemeinden. Der Wunsch entspricht ja dem Wort von Jesus, dass wir eins sein sollen. Zugleich ist es für mich eine der größten Fragen in einzelnen Gemeinden, zwischen den Gemeinden, unter den Konfessionen. Ich glaube nicht, dass die säkulare Welt hier von uns etwas lernen kann. Das soll uns demütig machen. Sie kann vielleicht von uns lernen, wie groß die Gnade Gottes ist, trotz unserer exorbitanten Uneinheit.

 

Woran machst du das fest? Was führt am häufigsten zum Scheitern der Einheit?

In unseren Gemeinden tun wir gut daran, die Dimension der Demut neu zu erfassen. In Epheser 5 ist das so formuliert:

„Seid einander untertan in der Furcht Christi.“ Interessant ist, dass es hier nicht heißt „in der Liebe Christi“, was man heute eigentlich erwarten würde, weil die Liebe ja als Allzweckwaffe gilt. Das ist sie aber nicht. Hier steht nicht „in der Liebe Christi“, weil das nicht funktioniert, sondern „in der Furcht Christi“. Ich glaube, dass darin ein großes Geheimnis liegt. Wenn wir uns selbst zurücknehmen, weil wir Gott respektieren und achten, kann er Großes unter uns bewirken. Wenn unsere Kultur davon geprägt ist, ist das ein Nährboden für Einheit, für eine Einheit, die Substanz hat und auch von der Außenwelt wahrgenommen wird.

 

Du hast gesagt, Liebe als Allzweckwaffe funktioniert nicht. Kannst du noch was dazu sagen?

Wir hatten vor etwa 500 Jahren eine starke Einseitigkeit im Gottesbild: Gott als der Souveräne, Heilige, der Richter, der über alles schaut. Ein Gott, vor dem man Angst haben muss. Heute haben wir genau das Gegenteil, ein Gottesbild, das davon ausgeht, dass Gott die Liebe ist – und damit ist scheinbar alles über Gott gesagt. Doch das stimmt nicht. Erstens: Jesus hat nie explizit gesagt: Gott ist die Liebe. In keinem Evangelium ist der Satz überliefert. Das muss uns nachdenklich stimmen. Natürlich hat Jesus Gott als den liebenden Vater im Himmel offenbart, aber eben nicht nur das. Zweitens: Der Heilige Geist heißt so, weil mit „heilig“ sein Wesen beschrieben wird. Nach den heute gängigen Vorstellungen müsste er eigentlich der „liebende Geist“ heißen. Und ein Drittes: In Offenbarung 4,8 wird beschrieben, dass wir in der Gegenwart Gottes vor ihm niederfallen werden und etwas zum Ausdruck bringen, was uns ergreift. Wir werden rufen: „Heilig, heilig, heilig.“ Dazu kommt, dass das Wort „Liebe“ inflationär verwendet wird. Liebe kommt vom mittelhochdeutschen lib, und lib heißt: was mir angenehm ist. Das ist nicht gerade sehr aussagekräftig, wir wissen, dass es im Griechischen schon viel differenzierter ist: agape, eros und philia.

 

Für viele Christen sind die Unterschiede zwischen den verschiedenen Kirchen kaum noch nachvollziehbar. Sie suchen vorallem eine Gemeinde, in der sie sich wohlfühlen.

Ich glaube, es geht nicht ums Wohlfühlen. Es geht darum, existenziell abgeholt zu werden. Man spürt, dass man etwas bekommt, was man für sein Leben dringend benötigt. Drei Ebenen: Im Lobpreis und in der Anbetung begegnen wir Gott. Ich habe die Möglichkeit, Gott meine Liebe zum Ausdruck zu bringen. Das berührt meine Seele im Tiefsten, ist Nahrung für die Seele. In der Wortverkündigung erhalte ich Impulse für mein Leben und Inspiration. Das übt eine Faszination aus. Die dritte Dimension ist Gemeinschaft. Echte Freundschaften zu Menschen, mit denen ich zusammen meinen Glauben teilen kann. Das hat eine hohe Zugkraft! Ich nehme bei allen Generationen wahr, aber besonders bei den Jüngeren, dass genau danach gesucht wird: Wo finde ich Inspirationen für mein Leben, wo finde ich Qualitätsbeziehungen und wo finde ich etwas, was emotional berührt? Das zeichnet gute Gottesdienste aus, diese drei Dimensionen …

 

Inwieweit hat es mit mir selbst zu tun, ob ich diese Dinge in meiner Gemeinde erlebe?

Ich kann nicht erwarten, dass ich in den zwei Stunden am Sonntagvormittag von einem tiefgefrorenen Zustand in einen Zustand der Wärme geführt werde. Wenn ich mit Freude in meinem Glauben lebe, werde ich ganz anders in den Gottesdienst kommen. Gerade bei jungen Menschen kann man das oft beobachten, wenn im Gottesdienst der Lobpreis anfängt, dann brauchen sie wenige Sekunden, dann sind sie im Lob- preis. Sie brauchen keine großen Anlaufzeiten, und das spricht dafür, dass hier Menschen zusammenkommen, die auch unter der Woche Gott loben und preisen. Wichtig ist, mit welcher inneren Haltung ich komme: „Mal schauen, wer mich heute segnen wird“ oder „Durch wen will Gott mich segnen?“ oder „Wie wird Gott mich gebrauchen, dass ich andere segnen kann?“. Wer bereit ist, andere zu segnen, wird gesegnet werden. Wer nur kommt, um zu empfangen, geht oft leer aus.

 

Für manche Christen ist ihre Gemeinde vor allem eine Zumutung. Sie bringen sich ein, erleben aber Entäuschungen, Begrenzungen und Grabenkämpfe.

Ich glaube, dass hier dem fünffältigen Dienst nach Epheser 4,11 (mehr dazu in Einheit 6) eine große Bedeutung zukommt. Wenn in einer Gemeinde Hirten, Propheten, Evangelisten, Lehrer und Apostel gegenwärtig sind, dann werden wir viel mehr Menschen abholen. Wenn ich evangelistisch aktiv sein möchte und dafür in der Gemeinde keinen Raum finde, weil sie von einem Hirten dominiert wird, dann werde ich unzufrieden sein. Das ist keine gute Voraussetzung für eine Gemeinde. Deshalb glaube ich, dass es eine große Hilfe ist, sich darüber Gedanken zu machen: Wie können wir den unterschiedlichen Begabungen und Potenzialen gerecht werden?

 

Man hört immer wieder, dass Menschen so sehr unter ihrer Gemeinde leiden, dass sie daran kaputgehen. Wo ist die Grenze zwischen einer unperfekten Gemeinde – das sind ja alle– und einer missbräuchlichen?

Die Aussage, dass eine Gemeinde Menschen kaputtmacht, kenne ich von jeder größeren Gemeinde, die ein bisschen bekannt ist. Es gibt auch keinen geistlichen Leiter, der etwas Profil hat, über den das nicht auch irgendwann und irgendwo mal gesagt worden ist. Also, wie unterscheiden wir hier? Zum einen gibt es Projektionen oder sonstige Unzufriedenheiten, zum anderen gibt es auch Leute, die tatsächlich Missbrauch erleben. Ich glaube, dass geistlicher Missbrauch von Leitern dadurch kenntlich wird, dass mehrere voneinander unabhängige Personen das bestätigen. Nach dem biblischen Prinzip: Wenn zwei oder drei eine Komplikation bei einem Leiter feststellen, dann ist die Gemeindeleitung verpflichtet, dem nachzugehen. Oder auch die Leitung einer Freikirche oder Landeskirche.

 

Christian A. Schwarz hat vor einigen Jahren eine Veränderung in der Gemeindeteilnahme festgestellt. Er nennt das „participation shift“. Dass Leute sich zwar einer Gemeinde zugehörig fühlen, aber lange nicht mehr so oft zum Gotesdienst kommen. Machst du diese Beobachtung auch?

Es ist nach wie vor so, dass Menschen nach Heimat suchen, nach Identität, nach Geborgenheit, nach Beziehungen. Wenn Menschen wahrnehmen, dass sie gewollt sind, dass sie Möglichkeiten zur eigenen Entfaltung haben, dass sie echte Freundschaften finden, dann bin ich überzeugt, dass sie in solchen Gruppen  und Veranstaltungen sein wollen. Es gibt viele soziologische Untersuchungen, die genau in die Richtung gehen. Nur: Unsere Gottesdienste sind einfach oft sehr langweilig. Sie sind Gefäße theoretisch richtiger Verkündigung, aber nicht lebensnah und auch nicht vollmächtig im Sinne von: Was kann ich denn damit machen? Es fehlt auch ein Raum, wo man nach dem Gottesdienst zusammenkommen und Gemeinschaft haben kann. Was nach dem Gottesdienst passiert, ist mindestens so entscheidend wie das, was im Gottesdienst passiert. Man sieht an den neuen Bewegungen, also ICF, Hillsong, Ecclesia und wie sie alle heißen, dass hier keine Bindungskraft verloren gegangen ist. Da passiert genau das Gegenteil. Die jungen Leute sind mit ganzer Kraft dabei und voll motiviert. Dass man dableibt, weil sich das so gehört und es schon immer so war, das gibt es kaum noch. Das ist in allen Generationen wahrnehmbar.

 

Inspiration für mein Leben, emotional berührt werden, Gemeinschaft erleben – wie kommen bei den drei Dimensionen, die du benannt hast, die Hauskreise und Kleingruppen ins Spiel?

Ich glaube, dass Gefäße für persönliche Beziehungen Menschen im wahrsten Sinne des Wortes berühren können, das dürfen wir nicht unterschätzen. Sich umarmen, sich sehen, sich wahrnehmen, sich riechen – das macht was mit uns Menschen. Gruppen, in denen ich Heimat, Freundschaft und Wärme erleben kann, sind absolut zeitgemäß. Durch die Begegnung mit dem „Du“ komme ich zum „Ich“. Da sind wir einem Geheimnis auf der Spur. Das hat Gott in uns angelegt.

 

Was ist das Modell der Zukunft aus deiner Sicht?

In meiner Gemeinde hatten wir nur sehr wenig Hauskreise und Kleingruppen, deshalb habe ich vor zwanzig Jahren intensiv darauf hingearbeitet, dass wir eine gute Struktur für die persönlichen kleinen Beziehungsgeflechte aufbauen. Zum Schluss hatten wir 60 Hauskreisleitende und Co-Leitende. Das war damals gut, aber heute muss man die Kleingruppenarbeit sehr flexibel gestalten. Da muss man Raum für ganz unterschiedliche Gruppen schaffen.

 

Könntest du ein paar Beispiele nennen?

Da kann es eine Gruppe für Selbstständige geben oder einen Alphakurs am Arbeitsplatz, wo man in der Mittagspause mit anderen Kollegen fünfzehn Minuten zusammenkommt. Organisches, das aus dem Leben kommt, hat Zukunft. Ein Extratermin am Abend, bei dem ich Leute treffen soll, mit denen ich sonst nicht zusammen bin – das ist Vergangenheit. Das wird es immer schwerer haben. Organisch wäre auch, die Familie neu als Kleingruppe zu entdecken. Zum Beispiel hatten wir in unserer Gemeinde den Impuls: Feiert doch zu Ostern gemeinsam als Familie Abendmahl! Unsere Kinder waren da, es war schönes Wetter, wir saßen zusammen auf der Terrasse, haben ein Gesellschaftsspiel gespielt und dann gemeinsam das Abendmahl gefeiert. Das war einfach und tief, weil alles sehr organisch daherkam. Wir sind sowieso zusammen, es ist alles da, alles vorbereitet, wir haben gemeinsam gebetet: alles kein großer Aufwand. Das hat Potenzial, dass wir das, was wir sowieso machen, mehr nutzen, um geistlich voneinander zu partizipieren. Entscheidend ist, dass wir Jesus in den Mittelpunkt stellen.

 

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