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Ist die Zeit der Ewigkeit abgelaufen?

von Marietta Steinhöfel

Nachgefragt bei Prof. Dr. Peter Zimmerling, Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig.

Die heutige Gesellschaft lebt im Hier und Jetzt. Auch unter Christen ist man viel beschäftigt – Gottesdienstvorbereitungen, Chorproben, Teamtreffen… Hat die Ewigkeit da überhaupt noch Platz?

Kaum. Für die Christenheit, und selbst für „heißtemperierte“ Gläubige, ist Ewigkeit in den Hintergrund gerückt. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist unsere Gesellschaft ebenso beschäftigt mit dieser Welt, dass die Perspektive auf eine andere, unsichtbare Welt schlechte Karten hat. In der ehemaligen DDR kommt hinzu, dass die Propaganda der SED – die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – die christliche Auferstehungshoffnung regelrecht diskreditiert hat. Man sagte: Die Jenseits-Hoffnung sei eine Form von Vertröstung, und hindere Menschen daran, mit aller Kraft für die Verbesserung der irdischen Verhältnisse zu kämpfen.

Bei allem Nicht-Perfekten in der Welt scheint die Vertröstung auf eine bessere Zukunft naheliegend. Doch ist dies erstrebenswert? Ewig das Gleiche, ewig orgellauschend?

Der Eindruck von einer Ewigkeit als nahtlose Fortsetzung des Jetzt-Zustandes ist unter anderem dadurch aufgekommen, dass die Evangelische Theologie aufgegeben hat, irgendetwas Inhaltliches über das ewige Leben auszusagen. Ja, es gibt eine Kontinuität zwischen unserem irdischen und dem ewigen Leben. Denken wir an das neue Jerusalem, das auf die Erde herabkommt, dann sehen wir auch, dass all das Schöne, der Reichtum der Kulturen, den es auf dieser Welt gibt, nicht verloren geht, sondern eingebracht wird in die himmlische Stadt. Aber es gibt auch eine Diskontinuität: Das neue Leben bei Gott ist etwas völlig anderes. Es kommt zu einer Verwandlung in eine andere Qualität. Und zwar nicht in Form von einem Weniger an Leben, sondern einem Mehr. Einem vollendeten Leben in Fülle, frei von Begrenzungen. Wir haben nur das Problem, dass wir diese biblische Botschaft irgendwie nicht richtig vermittelt bekommen.

Ewigkeit als Begriff ist schwer greifbar – vor allem für die Wissenschaft. Wie bekommen Sie ihn zu packen?

Ewigkeit wird oft versucht, allein auf der Zeitschiene zu verorten. Die Zeitlosigkeit ist aber nur ein Aspekt von Ewigkeit. Wir müssen auch die qualitative Dimension ins Gespräch bringen. Außerdem müssen wir versuchen zu vermeiden, dass der Himmel nur ganz jenseitig gedacht wird. Es gibt „Vorwegerfahrungen der Ewigkeit“, die wir alle erleben können; zum Beispiel bei Naturerfahrungen wie dem Anblick eines wunderschönen Sonnenuntergangs, im Gottesdienst durch himmlisch anmutende Musik und Gesänge, oder die unmittelbare Antwort auf ein Gebet. In solchen Momenten hat man doch den Eindruck, dass der Atem des Höchsten einen schon berührt. C.S. Lewis hat in seinem Buch „Die große Scheidung“ einen Versuch unternommen, Ewigkeit als Qualitätsbegriff in Bildern zu verorten. Symbole, die beschreiben, wie sich dieses „Mehr an Leben“ anfühlt: Das Schwimmen im frischen Bergsee, das all das Positive enthält, was wir auch im irdischen Leben erleben können, aber ohne das, was sonst noch an Negativem im Hintergrund dabei ist. Etwa das Gefühl des Unterkühlt-Werdens oder die Angst vorm Ertrinken. Es bleibt nur das Gefühl prickelnder Frische.

Das Cover Ihrer neusten Publikation (Evangelische Mystik) ist betitelt mit „Alles Ding währt seine Zeit – Gottes Lieb in Ewigkeit“. Was bedeutet das?

Mystiker und Mystikerinnen haben sich nicht damit zufrieden gegeben, erst nach dem Tod ungetrübte Gottesgemeinschaft und Seligkeit zu erfahren. Sie sind umgetrieben von der Sehnsucht, die „unio mystica“, die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott, schon jetzt zu erleben. In solchen Augenblicken verschwindet plötzlich die Zeit, so wie wir sie gewöhnt sind. Die Begegnung mit dem Göttlichen, so sagen die Mystiker, ist eine so intensive Erfahrung, dass die Schranken von Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft fallen.

Herr Prof. Dr. Zimmerling, vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview erschien im Magazin 3E. Jetzt kostenlos testen: www.magazin3e.net

Der Abend, als wir zu Jesus sangen

Von Gordon MacDonald

Oder: Spannende Spontan-Fragen und ein Blick in den Himmel

Manche Fragen stelle ich gern, wenn es Zeit genug für ein intensives Gespräch gibt. Wenn ich jemanden kennen lernen will, sage ich zum Beispiel: „Erzähl mir die Geschichte Deines Lebens in vier Minuten – und lass nichts aus!“

Natürlich ist das eine verrückte Bitte. Es ist erstaunlich, wie viele Leute es dennoch versuchen…

Ich liebe Fragen über jemandes Arbeit, seinen oder ihren Lieblingsverwandten, ihr Lieblingsbuch oder den engsten Freund.

Und dann gibt es noch eine Frage, die sehr unterschiedliche Antworten provoziert: „Wann“, frage ich, „hast du dich Gott am nahesten gefühlt?“

Viele Leute müssen dann erstmal eine Denkpause einlegen und intensiv grübeln, bevor sie antworten können. Man merkt, dass sie noch nie darüber nachgedacht haben. Manche antworten – und richten danach die Frage an mich: „Und wann hast du dich Gott am nahesten gefühlt?“ Und weil ich die Frage schon so oft gestellt habe, muss ich über meine Antwort nicht mehr lange nachdenken.

 

Vor einigen Jahren war ich einer von mehreren Sprechern bei einer großen Missionskonferenz. Am letzten Abend versammelten sich 18.000 Menschen – die meisten Studenten – in einer großen Basketball-Arena. Mit großer Begeisterung sangen wir Anbetungslieder. Ein Missionar erzählte eine fesselnde Missionsgeschichte aus Übersee. Dann war ein bekannter Bibellehrer mit seiner intensiven Predigt dran – die Leute hingen ihm an den Lippen. Und am Schluss des Abends gab es eine Abendmahlsfeier für die große Menge. Danach sangen wir das Schlusslied und empfingen einen wunderbaren Segen. Die Leute standen auf, kramten ihre Sachen zusammen und wollten den Heimweg antreten.

Auf einmal aber – mitten aus der aufbrechenden Menge heraus – hörte man eine schöne männliche Stimme einen Chorus anstimmen, den jeder kannte: „Sing Hallelujah To The Lord …“

Die Menge stockte, hörte ein paar Sekunden zu – und stimmte dann ein. Jeder – wirklich jeder, so schien es – blieb stehen und sang mit. Keine Instrumente, kein Leiter, keine Worte auf der Leinwand. Einfach nur 18.000 Menschen, gefangen von diesem schönen Anbetungslied.

Und als die Menge mit dem Lied durch war, wurde es erneut angestimmt. Und als die Strophen zum zweiten Mal endeten, begann es ein drittes Mal. Immer wieder, ohne Aufhören. Niemand wollte gehen. Niemand! Jeder – ich eingeschlossen – wollte immer wieder dieses eine Lied singen.

Als ich so von der Bühne in die Menge heruntersah, blickte ich in die Gesichter von Männern und Frauen, die sich ihrer Tränen nicht schämten. Ehrfurcht und Dankbarkeit war zu erkennen.

 

Wir alle wissen, wie ein Sonntagsgottesdienst sein kann. Wenn die Predigt durch ist und Abschlussgebet und Segen verklungen sind, will jeder schnell nach Haus. Manch einer will so schnell wie möglich zum Parkplatz zu seinem Auto. Kein Gespräch. Kein andächtiges Sitzen mit stillen Nachgedanken. Einfach nur Aufbruch, Abmarsch, fertig …

Dieser Moment, den ich beschreibe, war nicht so. Jeder wollte noch bleiben. Jeder wollte dabei sein. Wollte mitsingen. Keinen drängte es nach Hause.

Ich verließ die Bühne und ging hinüber zu dem Bereich, wo meine Frau Gail und unsere Kinder saßen. In diesem besonderen Moment wollte ich bei ihnen sein. Als mich unsere Tochter Kristi, damals neun, kommen sah, lief sie auf mich zu, schlang ihre Arme um meine Hüfte und barg ihren Kopf an meiner Brust. Ich konnte ihre Tränen spüren. Plötzlich sah sie auf und sagte: „Papa, so wird es im Himmel sein!“

Ich glaube, sie hat Recht. Wir werden viele Tausend unterschiedliche Dinge im Himmel machen, da bin ich mir sicher. Aber zu den wichtigsten wird gehören, beieinander zu stehen, all unsere kleinlichen Meinungsverschiedenheiten, Konflikte und Feindschaften zu vergessen und dem Herrn zuzusingen. Keine Instrumente, kein Beamer, keine Leinwand. Keine Musiker, keine Cheerleader, noch nicht einmal Pastoren. Wir werden einfach einen Chor bilden – so wie eine Gruppe von Sportlern eine Fußballmannschaft bildet. Und wir werden unglaublich schöne Musik für den Herrn machen.

Und niemand wird gehen wollen. Hey, es ist der Himmel. Wo sonst wollen wir hingehen?

 

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