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„Danke, dass ich heute hier lebe“

Lutz Barth

„Aber das ist doch selbstverständlich!“ Dieser Satz begegnet mir immer wieder, wenn ich mich für etwas bedankt habe. Meine Antwort darauf lautet dann oft: „Sie nehmen mir damit aber die Gelegenheit, dankbar zu sein! Denn wenn ich alles als selbstverständlich ansähe, würde mir die Freude der Dankbarkeit genommen!“ Außerdem: Wer sagt mir, dass das Gute selbstverständlich ist?

Wir müssen nur ein wenig die Augen öffnen und uns das Naheliegende anschauen, dann sind wir umgeben von vielen Möglichkeiten, für die wir dankbar sein könnten. Aber so leicht, wie es sich jetzt anhört, ist es natürlich auch nicht. In manchen Situationen ist das Ungute wirklich so dramatisch oder schlimm, dass es völlig unser Denken einnimmt und wir logischerweise Probleme mit dem Danken haben.

Keine Gefühlssache

Es gibt ein Prinzip in der Bibel, das uns bewusst davor schützen will, durch unsere Gefühle überfordert zu werden. So heißt es: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Oder: „Liebet eure Feinde.“ Diese Aufforderungen haben mit Gefühlen erst einmal gar nichts zu tun. Ich muss den anderen nicht sympathisch finden. Ich soll ihn nur so behandeln wie einen guten Freund. Genauso muss ich auch nicht erst gute Gefühle haben, wenn ich dankbar sein will.

Ein ungewöhnlicher Gedanke – oder? Richtig irritiert kann man aber sein, wenn man Psalm 50,14a liest: „Opfere Gott Dank!“ Wie bitte, Opfer und Dank sollen zusammengehören? Braucht Gott meinen Dank? Natürlich braucht er ihn nicht und wenn Gott meinen Dank als Opfer beschreibt, dann deshalb, um uns auf die richtige Spur zu setzten. Gefühle bremsen uns und versperren die Sicht. Wenn ich gegen meine Gefühle doch danke, dann hilft mir das. Nämlich über das Negative hinwegzuschauen und meinen Blick auf das zu lenken, was es Gutes um mich herum gibt. Und den dahinter zu entdecken, dem ich das alles verdanke.

In manchen Situationen fällt es leicht, dankbar zu sein – ­zum Beispiel nach einer gelungenen Operation oder wenn man liebe Menschen wiedersehen kann, was wegen der Corona-Regeln lange nicht möglich war. In den letzten Monaten wurden viele Videos versendet und geteilt. Eines berührte mich besonders. Darin wurde das Leben eines um 1900 geborenen Menschen mit unserer Situation heute verglichen: Zwei Weltkriege, Währungsreform, Spanische Grippe mit Millionen von Toten und vieles mehr musste jemand erleben, der vor 120 Jahren geboren wurde. Ich wollte mit diesem Jahrgang nicht tauschen!

Nicht selbstverständlich

Wenn ich auf meine Frau und mich schaue, dann muss ich staunen und bin dankbar dafür, was heute alles möglich ist. Vor 50 Jahren hätte ich mit meinen Augen nicht mehr arbeiten können. Solche komplizierten Brillengläser, wie ich sie heute trage, gab es da noch nicht. Meine Frau säße mit quälenden Schmerzen im Rollstuhl, weil man für sie nicht diese Hüftprothesen hätte anfertigen können.

Einiges, was für uns heute selbstverständlich ist, war vor 50 Jahren für viele ein Luxus: Als Kinder gingen wir mit unseren Eltern zum Baden in eine öffentliche Badeanstalt, weil wir wie viele weder Dusche noch Badewanne hatten. Heute leben wir in einer Zeit und in einer Region, die sich von den meisten Ländern der Welt gravierend abhebt: sauberes Wasser aus der Leitung, eine medizinische Versorgung, die ihresgleichen sucht. Alle Kinder können kostenlos ein breites Bildungsangebot in Anspruch nehmen – auch wenn es momentan wegen Corona eingeschränkt ist. Beim Essen müssen wir uns nicht aus Kostengründen zügeln, sondern, weil wir sonst unseren Körper belasten würden. Wir dürfen unsere Meinung äußern und müssen nicht hinter hohen Mauern und Stacheldraht zu unserem persönlichen Schutz leben.

Tipps für einen dankbaren Blick

Es gibt so viele Gründe, dankbar zu sein! Immer wieder auf das Nichtselbstverständliche zu schauen, hilft manches besser einzuordnen. Vielleicht ist unter den folgenden praktischen Ideen eine dabei, die Ihnen zusagt und hilft:

  1. Gestalten Sie eine Fotowand – real oder als Bildschirmschoner am Computer – mit dankbaren Erinnerungen an Personen, Orte, Erlebnisse – oder von Gegenständen.
  2. Schreiben Sie auf Zettel, wofür Sie dankbar sind. Führen Sie immer einen dieser Erinnerungszettel für einen Tag oder eine Woche mit sich und bewegen den Inhalt im Herzen.
  3. Richten Sie einen Dankes-Steinhaufen im Garten oder auf Ihrer Fensterbank auf: Für jeden Punkt, für den Sie dankbar sind, fügen Sie jeweils einen Stein nach dem anderen dazu.
  4. Legen Sie drei im Dunkeln leuchtende Steine an ihr Bett – und denken Sie dann darüber nach, für welche drei Dinge sie dankbar sind.
  5. Notieren Sie jeden Abend in einem Notizbüchlein drei oder mehr Punkte, für die Sie am Ende des Tages dankbar sind.
  6. Einmal las ich von der Idee, 10 Bohnen in die Tasche zu stecken. Immer, wenn ich für etwas danke, wandert eine Bohne von der einen auf die andere Seite.

Beeindruckt haben mich die Menschen in meinen Leben, die viel erleiden mussten, aber dankbar geblieben und nicht verbittert sind. Deshalb ist es mir sehr wichtig, dass vor allem meine Kinder und Enkelkinder mich als einen dankbaren Menschen in Erinnerung behalten. Das kann ich nicht von mir aus erreichen. Als ich diesen Artikel schrieb, stand ich kurz vor einer OP am Fuß – und ich musste bei mir erleben, wie Schmerzen mich mürbe, kraftlos und auch launischer gemacht haben. Hier hilft nur ein Lebensstil, der immer wieder die Augen von dem Notvollen abwendet und auf das sieht, was gut ist. Gott schenke mir, dass ich die Haltung bewahre und dankbar bleibe. Gott segne Sie und fülle Sie mit Dankbarkeit!

 

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Wo ist die Solidarität geblieben?

Bettina Wendland

Etwa eine Woche nach dem Lockdown im März hatten wir eine – zwangsweise virtuelle – Sitzung mit unserem freien Redaktionsteam. Wir wollten Dossier-Themen festlegen für 2021. Diese Überlegungen waren stark geprägt durch die aktuelle Situation. „Zusammenhalt“, „Nächstenliebe“, „Solidarität“ waren viel genannte Stichpunkte. Aber auch „Nähe“ oder „Umgang mit Krisen“.

Nun, ein halbes Jahr später, sind diese Themen immer noch aktuell. Aber sie fühlen sich ganz anders an. Vor allem die Solidarität, die wir in den ersten Wochen der Corona-Krise oft als so wohltuend erlebt haben, scheint uns abhandengekommen zu sein. Ein Blick in meinen Facebook-Newsfeed zeigt den Unterschied. Waren dort im März und April Videos von Balkonkonzerten zu sehen oder Hilfsaktionen für Menschen in Quarantäne, stoße ich mittlerweile immer öfter auf unschöne Diskussionen darüber, welchem Experten oder YouTuber nun zu trauen sei, ob die Corona-Maßnahmen sinnvoll oder nur „Verarschung“ sind oder ob der Mund-Nasen-Schutz ein Ausdruck von Nächstenliebe oder unterdrückter Meinungsfreiheit ist.

Und der Ton wird gefühlt immer schärfer. Reflexartig werden Beschimpfungen und Verachtung geäußert – von  beiden Seiten. Und ich habe den Eindruck, dass wir nicht nur unsere Solidarität verloren haben, sondern auch die Nächstenliebe und den Respekt voreinander. Ja, ich tappe selbst auch immer wieder in diese Falle. Weil ich nicht möchte, dass sich Falschaussagen und Verschwörungstheorien verbreiten, dass sie einfach so stehenbleiben, lasse ich mich auf Diskussionen ein – die schnell emotional werden.

Da wünsche ich mir manchmal fast den Lockdown zurück, als zumindest in meiner „Blase“ Zusammenhalt und Solidarität und die Sehnsucht nach Nähe die vorherrschenden Themen waren. Natürlich will ich nicht wirklich einen zweiten Lockdown. Aber diese Solidarität wieder zu erleben – das wünsche ich mir.

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Die Pandemie als Herzschrittmacher

Rüdiger Jope

Im Auftrag der EKD führte die Ev. Arbeitsstelle midi eine Ad-hoc-Studie über „Digitale Verkündigungsformate“ während der Corona-Krise durch. Ein Ergebnis: Die Gottesdienstbesucherzahlen schnellten um 278 % nach oben. Im Gespräch mit dem Soziologen Daniel Hörsch.

Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Sonntagmorgen zu Corona-Zeiten: Wo haben Sie Gottesdienste gefeiert und welches Gottesdienstformat haben Sie im Shutdown erlebt?

Zu Beginn habe ich die Radiogottesdienste im RBB eingeschaltet. Später bin ich dann auf die Fernsehgottesdienste im dritten Programm des RBB umgestiegen. Da habe ich sehr berührende und bewegende Gottesdienste aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Gethsemane-Kirche in Berlin miterlebt.

Für die Studie haben Sie bei 1.464 Gemeinden nachgehakt, wie deren Verkündigungsformate in der Krise aussahen. 729 haben auf digitale Angebote gesetzt. Sind das viele oder wenige?

Wir waren sehr erstaunt darüber, wie viele Gemeinden auf digitale Angebote gesetzt haben. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Erhebungszeitraum der Studie nur zehn Tage betrifft, ist dies ein unglaublich hoher Wert.

Was waren die Favoriten bei den Formaten?

Mit weitem Abstand YouTube. Vor der Corona-Krise haben Kirchengemeinden vor allem auf das Einstellen von Textdokumenten gesetzt. Durch Covid-19 wurde zudem vermehrt zum Telefonhörer gegriffen, auf Kommunikationsformate wie Zoom, Instagram und Facebook gesetzt.

Würden Sie sagen, dass es durch die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub gegeben hat?

Unbedingt. Das ist eines unserer Hauptergebnisse. 78 % haben bei der Umfrage angegeben, dass sie vor dem Lockdown keine digitalen Verkündigungsformate im Portfolio hatten. In etwa genauso viele, nämlich 72 %, gaben an, dass sie diese Angebote nach dem Lockdown weiterführen wollen.

Wie kann der Schub nach einer „neuen Normalität“ anhalten?

(lacht) Gute Frage. Jetzt liegen theologische Grundsatzfragen auf dem Tisch. Es braucht die Diskussion, etwa über die Abendmahlsfrage, über kürzere Gottesdienst- und Andachtsformate und auch über interaktive Beteiligungsformate im Offline-Gottesdienst. Die gefühlte Überlänge der analogen Angebote waberte schon als Thema vor der Krise unter der Oberfläche. In der Krise waren nun gerade die kurzen Gottesdienste und Andachten gefragt. Die Frage ist also: Gelingt es der Kirche, im Analogen das aufzugreifen, was im Digitalen offensichtlich gut funktioniert hat? Der Schub wird zudem vermutlich nur anhalten, wenn die Landeskirchen ausreichend Unterstützung, Trainings, Materialien u.a. für die Ortsgemeinden gut aufbereitet anbieten. Hier sind noch viele Fragen zu klären und zu beantworten.

Sie beziffern die Steigerung eines durchschnittlichen Gottesdienstbesuches in absoluten Zahlen um + 287 %. Bildet diese sagenhafte Zahl mehr Wunschdenken ab oder ist sie repräsentativ?

Als Sozialwissenschaftler erhebe ich empirisch zunächst nackte Zahlen. Die Zahlen, die vorliegen, sind absolute Zahlen. Wir haben abgefragt: Wie war die durchschnittliche Gottesdienstbesucherzahl an einem ganz normalen Sonntag vor der Krise? Diese Zahlen konnten wir anhand von Stichproben auf ihre Validität prüfen, da wurde nichts geschönt. Dann haben wir gefragt: Wie hoch war die Reichweite ihres digitalen Gottesdienstes an einem ganz normalen Sonntag während der Krise? Diese Zahlen haben wir dann in Relation zueinander gesetzt. Und ob uns das gefällt oder nicht: Es hat eine signifikante Steigerung beim Gottesdienstbesuch gegeben, der nicht von der Hand zu weisen ist.

Kann man diese doch unterschiedlichen Gottesdienstformate miteinander vergleichen? In dem einen ist man körperlich präsent, im anderen klickt man sich vielleicht nur für einen Moment rein?

(lacht) Das ist die Frage, die mir am häufigsten von kritischen Zeitgenossen gestellt wird. Richtig ist: Ich weiß ohne Kenntnis der Metadaten etwa von YouTube-Clips nicht, wie lange die Leute ein digitales Angebot wahrgenommen haben. Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen sich hinter einer Klickzahl verbergen. Ich stelle aber in diesem Zusammenhang gerne eine Rückfrage: Wie lang ist die Aufmerksamkeitsspanne der Gottesdienstbesucher in der Kirchenbank? Legen wir da auch diesen Maßstab an? Wenn ich mich ganz ehrlich gebe als Gottesdienstbesucher, bin ich auch nicht 60 Minuten 100 % präsent. Wenn ein „Schuh draus werden soll“, müsste man fairerweise in beiden Formaten nachfragen: Wie lang war Ihre Aufmerksamkeitsspanne?

Unterm Strich fanden Sie heraus, dass sich durch den Gebrauch von YouTube & Co mehr Gottesdienstbesucher vor den Geräten versammeln. Bringen diese die gleiche Aufmerksamkeit mit wie die Besucher vor Ort?

Spannend ist, dass diese kritische Frage vornehmlich aus dem Kreis der Theologen gestellt wird. Plötzlich wird der Anspruch an die geistige Präsenz hoch angesetzt und kritisch hinterfragt, ob man das Wirken des Heiligen Geistes messen kann. Seltsam ist, dass man beim analogen Format diese Frage und diese Ansprüche selten gestellt hat.

In Bezug auf Interaktion haben Sie durch die Studie folgende Erkenntnisse gewonnen:

Rund ¼ der Gemeinden haben Live-Chats angeboten, etwa 1/3 das Einbringen von Gebetsanliegen. Das zeigt uns: Analoge Angebote wurden nicht nur – wie vielfach vorgeworfen –  1:1 ins Digitale übertragen, sondern Gemeinden haben Schritte in die Kultur der Digitalisierung gewagt. Ja, es ist noch Luft nach oben, aber es wird sichtbar: Gemeinden haben in der Krise und aus der Not heraus sehr mutig und beherzt gehandelt und sich den Fragen der Logiken der Digitalität gestellt.

Wenn digitale Formate mehr an Bedeutung gewinnen, was heißt dies für die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern, das geliebte Loblied auf die Parochie?

Die digitalen Gottesdienstformate haben vor allem dazu geführt, dass Leute reingeklickt haben, die sonst nicht im Gottesdienst sitzen, aber im Umfeld der Gemeinde, im Stadtteil, im Dorf leben. Sie wollten „ihre Pfarrerin, ihren Pfarrer“ live sehen. Wir haben die Beobachtung gemacht: In Zeiten des physical distancing haben Leute gerade darüber versucht, soziale Nähe herzustellen. Wir haben aber auch herausgefunden: Digitale Formate sorgen auch dafür, dass die Menschen sich global bewegen – auch gottesdienstlich. Wir haben es überschrieben mit der Feststellung: Fremdgehen leicht gemacht! Die Fragen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pfarrerschaft liegen auf der Hand: Das sind Fragen nach der inhaltlichen Qualität des Angebots, dem geistlichen Schwerpunkt, der Zielgruppe, der Performance, dem Musikstil, der Aufnahmequalität, der dauerhaften Finanzierung, der Professionalität. Zur Frage der Ausbildung: Es bedarf bei Pfarrerinnen und Pfarrern nicht nur einer Medienkompetenz, sondern auch einer digitalen Kompetenz. Da sind unsere Ausbildungsstätten gefordert, nochmals eine Schippe draufzulegen, nicht nur intellektuell, sondern auch ganz praktisch.

Was bedeutet die Studie mit Blick auf den „missionarischen Herzschlag“ der Kirche?

Dass das Herz unserer Kirche während der Corona-Pandemie unglaublich gepumpt und gearbeitet hat, dass die Pandemie geradezu Herzschrittmacherfunktion hatte.

Wie können praktische Anreize für Kirchengemeinden aussehen, die zu einer höheren Nutzung von Onlineangeboten der Gemeinden führen? Welche Hilfestellungen sind denkbar und geplant?

Eine Überlegung von uns als midi ist, dass wir zusammen mit Partnern einen Leitfaden rausgeben zur Frage, wie man die Meta-Daten nutzt. Wie lese ich diese? Was kann ich daraus ablesen? Zum anderen sollten wir uns verstärkt dranmachen, eine übersichtliche, praktisch zu handhabende Webseite zu erstellen, die aufführt, was man zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung digitaler Verkündigungsformate benötigt. Erste Schritte hierzu hat etwa die Nordkirche unternommen, aber auch die EKD.

Was kann ein digitaler Gottesdienst nicht, was der analoge kann?

Umarmungen verschenken!

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Bewegende Gemeinde im 21. Jahrhundert bauen

Jörg Podworny

In diesen außergewöhnlichen Wochen und Monaten findet das Gemeindeleben vor allem in kleineren Zirkeln statt, in Hauskreisen, Arbeitsgruppen, Gebetsgemeinschaften, immer wieder Online-Treffen unterschiedlicher Größe oder „Präsenz“-Gottesdiensten, zu denen sich deutlich weniger Menschen versammeln als gewohnt. Viele Gemeindeaktivitäten, die sonst das ganze Jahr über stattfinden, werden erst allmählich wieder „hochgefahren“, mit vielen Ausnahmeregeln.

Immerhin: Die Nachrichten aus den Gemeinden berichten weiter auch von Wechseln: Pastorinnen und Pastoren gehen und kommen. Eine hochspannende und ungemein wichtige Phase, für beide „Seiten“: die Gemeinden und die (neuen) Hauptamtlichen. Jahre-, vielleicht jahrzehntelang waren die Gemeindemitglieder und ihre leitenden Personen im Pastorenamt miteinander unterwegs, aufeinander eingespielt, alle waren gut miteinander bekannt, eine Routine hatte sich eingespielt, die (hoffentlich) regelmäßig neu justiert und mit Blick auf die Zukunft weiterentwickelt wurde.

Und dann steht der Abschied vor der Tür. Auch wenn er lange angekündigt wurde: Irgendwann ist er dann doch sehr plötzlich Wirklichkeit. Und in der (vielleicht längeren) Wechselphase müssen wesentliche Fragen beantwortet werden: Wie sehen und verstehen wir uns als Gemeinde? Was ist unsere Leitvorstellung, wo sind wir und wo wollen wir hin? Und welche Erwartungen verbinden wir mit der neuen Person einer Pastorin oder eines Pastors? Umgekehrt stellen sich die Fragen genauso: Was sind meine Stärken und Schwächen als Pastorin oder Pastor? Wo schlägt mein Herz?  Wenn ich noch in einer anderen Gemeinde bin – höre ich in der Gemeindeanfrage auch Gottes Berufung? Und was möchte ich in und mit meiner neuen Gemeinde bewegen? Welche „Rolle“ kann und will ich „spielen“? Daraus erwächst dann die ganz entscheidende Frage: Wie finden (neue/r) Kandidat/in und (alte) Gemeinde so zusammen, dass „es passt“, am besten für viele gute Jahre? Der Arbeitskreis für Pastorenwechsel (AKPW) hat hier über seine vielen Jahre eine mal schön, mal knifflige, in jedem Fall verantwortungsvolle, herausfordernde und wertvolle Aufgabe gemeistert.

In wesentlichen Teilen spielt aber natürlich auch das geistliche Miteinander von Gemeinde, Pastorinnen und Pastoren mit hinein. Wie gut gelingt es, die jahrtausendealte, jederzeit aktuelle und wesentliche christliche Botschaft und das Gemeindeleben zeitgemäß im 21. Jahrhundert zu gestalten? Sind und bleiben Gemeinden immer auch offen für neue Impulse und Strategien, für neue Wege im Gemeindeleben? Und leben sie das allgemeine Priestertum aller Gläubigen, gemeinsam mit ihrem Pastor oder Pastorin?

Aus der Redaktion wünschen wir Ihnen, dass Sie bewegende Gemeinde bauen können – gemeinsam mit altem Pastor oder neuer Pastorin.

 

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Lobpreis zu Hause

Christof Klenk

Die Corona-Krise hat für Familie Klenk neue Möglichkeiten eröffnet. War das gemeinsam Musikzieren sonst eher schwierig, wurde es nun zum Segen.

Wir machen eigentlich alle gerne Musik. Unsere drei Töchter sowieso, aber auch meine Frau und ich. Jede/r von uns spielt mindestens ein Instrument. Zusammen haben wir das bis jetzt aber eher selten getan. Ich glaube, dass man sich das auch romantischer vorstellt, als es ist.

Tränen bei den Proben

Ich weiß noch, dass wir bei einer Hochzeit mal als Familienband aufgetreten sind. Danach haben uns alle gefragt, ob wir das öfter machen. Das wäre so nett gewesen, uns da vorne zusammen zu sehen. Zum Glück hat man damals unserem Auftritt nicht angemerkt, dass wir bei den Proben mehrfach vor dem Abbruch standen, weil es heftigen Zoff gab. Mal hat die eine geheult und wollte nicht mehr, mal die andere. Ich schätze, dass wir da kein Einzelfall sind. In einer Familie gibt es immer auch eine gewisse Rivalität. Beim Musikmachen lässt die sich nicht immer abschalten. Von der älteren Schwester zu hören, dass man gerade nicht mehr im Takt war, ist gar nicht so leicht zu verkraften.

Corona-Chance

Die Hochzeit liegt jetzt sechs Jahre zurück. Entsprechend sind auch unsere Kinder älter und ein bisschen reifer geworden, vor allem aber wir Eltern. Als in der Corona-Krise die Gottesdienste ausfallen mussten, haben wir das auch als Chance begriffen. Wir haben zusammen Gottesdienst gefeiert. Ganz am Anfang noch zusammen mit unserer Nachbarin, als das nicht mehr ging, im engsten Familienkreis. Jede/r durfte sich ein Lied wünschen und dann haben wir zusammen Lobpreislieder gesungen.

In den ersten sieben Wochen der Krise war noch unsere älteste Tochter bei uns, die vor zwei Jahren zum Studium nach Münster gezogen ist. Ihre Präsenz und ihre Stimme haben unseren Lobpreis sehr belebt. Jetzt ist sie wieder am Studienort und unser Gesang etwas dünner, die Instrumente stehen eher im Vordergrund und die anderen beiden Töchter sind auch nicht jeden Sonntag dabei. Aber es ist trotzdem eine sehr schöne Erfahrung, sich in diesen Zeiten gemeinsam zu erleben und den Blick nach oben zu richten.

Manchmal vermisse ich die großen Gottesdienste gar nicht so sehr: Im Familienkreis können wir uns auf die Lieder konzentrieren, die uns besonders viel Freude machen. Das macht den Lobpreis persönlicher. Ich habe in so einer kleinen, intimen Runde den Eindruck, dass es mir eher gelingt, ganz bei mir zu sein und mich auf Gott auszurichten, weil es wenig gibt, was mich ablenkt. Häufig vergessen wir dabei sogar die Rivalität … Trotzdem freue ich mich auch auf die großen Gottesdienste und den Gesang von 250 Leuten, wenn das denn wieder möglich ist.

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