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No Pressure – Deine Story mit Gott ist einzigartig

Ira Schneider

Und, wie hast du Jesus kennengelernt? Eine wundervolle Frage. Jedes Mal, wenn ein Mensch anfängt, davon zu erzählen, werde ich ganz still und staune. Es gibt für mich fast nichts Spannenderes als zu hören, wie Gott das Leben von Menschen verändert. Mir ist noch nie eine Geschichte begegnet, die mich langweilt oder die es nicht wert ist, gehört zu werden.

Seltsamer Vergleich:
Was mich immer wieder irritiert, ist aber ein merkwürdiger Vergleich. Ein Vergleich, der Gott selbst nicht gerecht wird. Viel zu oft höre ich folgenden Satz: »Meine Geschichte ist nicht so spannend, bin halt in einem christlichen Elternhaus groß geworden.« Und dann wird mit bewundernder Haltung und großem Staunen von denen erzählt, denen Gott auf andere Art begegnet ist.

Dabei sollten wir wahrnehmen, wie viel komplexer, verwobener und tiefgreifender unsere Erfahrungen und Erlebnisse sind. In einem christlichen Elternhaus groß zu werden, bedeutet noch lange
nicht, dass Gott einem nicht an einem völlig anderen Ort, in einem völlig anderen Kontext begegnet. Außerhalb des Elternhauses Gott zu begegnen, bedeutet noch lange nicht, dass man zu Hause nie von Gott gehört hat. Die Geschichten, die Gott mit Menschen schreibt, sind facettenreicher als seine Schöpfung selbst. Jedes Wirken Gottes verdient eine besondere Anerkennung, weil Gott selbst alles stehen und liegen lässt, um mit jedem Menschen Geschichte zu schreiben: »Stellt euch vor, einer von euch hätte hundert Schafe und eins davon geht verloren, was wird er tun? Lässt er nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück, um das verlorene Schaf so lange zu suchen, bis er es gefunden hat?« (Lukas 15,4)

Jubelstürme:
Wenn das der Fall ist und du zu denen gehörst, die ihre Story mit Gott kleinreden, dann will ich dir sagen: Du bist ein riesiges Wunder! Denn statistisch gesehen liegt die Wahrscheinlichkeit,
in einem christlichen Elternhaus groß zu werden und auch darüber hinaus an Gott zu glauben bei ungefähr 20 Prozent. Das bedeutet, dass nur zwei von zehn Kindern, denen ihre Eltern ca. zwei
Jahrzehnte von Gott erzählen, auch danach noch eine Beziehung zu ihm haben. Die Bibel selbst erzählt von einem Sohn, der seinen Vater verließ und erst durch Begegnungen außerhalb seines
Elternhauses zu ihm zurück fand. Die Freude darüber war unbeschreiblich. Lies mal Lukas 15,11-32. Deine Geschichte mit Gott lässt den Himmel feiern. Er jubelt über dich! Egal, wo, wann und wie du ihm begegnet bist. Auch die Erfahrungen von meinem Mann und mir könnten nicht unterschiedlicher sein. Meine Eltern kommen aus Albanien. Mit dem Glauben hatten sie nicht viel am Hut. Jesus lernte ich kennen, als meine Sitznachbarin aus der Schule mich eines Abends etwas spontan mit in ihre Jugend schleppte. An diesen Abend werde ich mich mein ganzes Leben
erinnern. Mein Mann wiederum ist zwar in einem christlichen Elternhaus groß geworden, dennoch musste er sich selbst dafür entscheiden, mit dem lebendigen Gott unterwegs zu sein. Es berührt mich, wie Gott ihm auf faszinierende Weise nachgegangen ist und um sein Herz gekämpft hat. Seine Geschichte ist für mich ebenfalls einzigartig. Denn am Ende geht es nicht um die Umstände und die Wunder unserer Stories, sondern um unser Herz.

 

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Wenn flexibel auf organisiert trifft

Rüdiger Jope

Der Iraner Gholamreza Sadeghinejad liest das Johannesevangelium. Dabei begegnet ihm Jesus. Er konvertiert und muss fliehen. In Deutschland studiert er Theologie. Seit September 2018 ist Reza zuständig für die Beheimatung Geflüchteter in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern (ELKB).

Vor fünf Jahren sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Blick auf die Flüchtlingskrise den epochalen Satz „Wir schaffen das“. Würden Sie Ihr zustimmen?

Ich war froh, dass Angela Merkel damals Kanzlerin Deutschlands war. Sie hat mir als ehemaligem Flüchtling, der achtzehn Monate aus dem Iran unterwegs war, mit diesem epochalen Satz aus der Seele gesprochen. Ich finde, dass „wir“ politisch, gesellschaftlich und kirchlich gut unterwegs sind. Und ich bin sehr froh, dass sich unser Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm der Sache so engagiert angenommen hat und jetzt ein Schiff zur Rettung der Flüchtling auf dem Mittelmeer unterwegs ist.

Was hat Sie zum Flüchtling gemacht?

(holt tief Luft) Wollen Sie nur ein Kirchenmagazin über mich machen? Stoff hätte ich genug. (lacht) Über einen Arbeitskollegen, der auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft hatte, habe ich mir ein Johannesevangelium ausgeliehen. Ich las die Seiten, war wie gefesselt. Dabei hatte ich förmlich das Gefühl, dass mein Kopf in Flammen steht. Mir war plötzlich klar: Ich bin Christ. Ich habe mich daraufhin einer Untergrundgemeinde angeschlossen. 2009 ließ ich mich taufen. 2010 flog die Gemeinde auf, der Imam des Ortes erklärte sämtliche Christen für vogelfrei. Dies bedeutete: Jeder konnte dich töten ohne dafür belangt zu werden. Über die Türkei, Tansania, Kenia, Nairobi und Mombasa floh ich nach Europa.

Wie wird ein Vierzigjährige Iraner zum Ansprechpartner für evangelische Kirchengemeinden in ganz Bayern?

2012 kam ich nach Deutschland. Ich hatte den brennenden Wunsch Theologie zu studieren. Das Johanneum in Wuppertal räumte mir diese Möglichkeit ein. Bereits während dem Studium wurde ich von der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Bayerns angefragt: Können Sie sich vorstellen, die über 1100 iranischen Christen in Bayern zu begleiten?

Sie sind seit 2018 Ansprechpartner für konvertierte Flüchtlinge. Was ist ihre Aufgabe?

Ich kümmere mich um Farsi sprechende Christen aus dem Iran und Afghanistan zwischen Aschaffenburg und Obersdorf. Ich bin deren Seelsorger und Ansprechpartner. Ich gestalte persische Gottesdienste. Ich bin bayernweit für Gottesdienste, Bibelstunden und Hauskreise unterwegs. Ich stehe Ehren- und Hauptamtlichen aus den Gemeinden als Ansprechpartner und Ratgeber zur Seite.

Iranische Christen werden Teil der evangelischen Kirche Bayerns. Alles Bestens? Was sind große Stolperfallen auf Seiten der Iraner, der Deutschen?

Manche Iraner kommen eigentlich nie pünktlich zum Gottesdienst. Wir passen von unserer Kultur gar nicht in die protestantische Kultur mit einem Gottesdienstbeginn um Punkt 10.00 Uhr. Iraner sind von ihrem Naturell her sehr flexibel und locker. Wenn dann diese Art auf die Deutschen trifft, die alles 100% vorbereiten, im Griff haben, organisieren…, dann knistert es schon mal in Gemeinden, weil Iraner einfach sehr „flexibel“ sind. (lacht) Auch kommunikativ gibt es große Unterschiede.

Zum Beispiel?

Wenn ein Iraner sagt „Du musst mir helfen!“ drückt er damit die Bitte und Frage aus „Kannst du mir helfen?“ Diese Art zu kommunizieren sorgt bei Helfenden schnell für Frust und Überforderung.

Was ist für einen Iraner gewöhnungsbedürftig bei dem Besuch eines herkömmlichen Gottesdienstes?

Die kühle, anonyme Distanziertheit, die es auch ohne den Coronaabstand in den meisten Kirchengemeinden vorherrscht. In kleinen Orten passiert es immer mal wieder, dass Geflüchtete sich in der Kirche hinsetzen und plötzlich eine Person kommt und sagt: Dies ist mein Platz. Ein großer Stolperstein ist in der Landeskirche auch die traditionelle Liturgie. Hier braucht es viel Geduld, den Willen, die Dinge gut und verständlich zu erklären, aber auch Mut zur Lücke, zum Auslassen oder zur Veränderung.

Iraner bringen ihre Kultur mit.  Welchen Reichtum bringen iranische Christen ein?

Gute Frage. Meine Überzeugung ist: Diese beiden Kulturen können sich gerade im Gottesdienst gegenseitig befruchten. Wir bringen einen einfachen Glauben, eine Freude an Jesus mit. Wenn Sie einen Iraner fragen, warum bist du Christ geworden, antwortet er: Weil ich meinen Frieden in Jesus gefunden habe. Stellen Sie diese Frage mal einem deutschen Pfarrer mit seiner durchreflektierten Theologie oder einem durchschnittlichen Gottesdienstbesucher. (lacht) Dieses Feuer und Flamme sein für Jesus kann deutsche Gemeinden ungemein bereichern, ihnen helfen mal aus dem verkopften Glauben rauszukommen.

Erleben Sie Gemeinden, die durch Iraner verändert werden?

Ja, unbedingt! Lesungen werden in Farsi gehalten, Lieder werden in Farsi gesungen. Teil der Liturgie wie „Christi du Lamm Gottes“ erklingen im Wechsel in Farsi und Deutsch. Ich erlebe viele Deutsche, die sich sehr über gemeinsame Bibelstunden freuen, deren Glauben beflügelt wird, von dieser kindlichen Glaubensfreude.

Mit dieser Projektstelle will ihre Landeskirche ein Zeichen setzen nach dem Motto: Das sind auch unsere Gemeindemitglieder, wir haben für sie Verantwortung und wir kümmern uns. Doch was passiert, wenn aus den Umsorgten, plötzlich Kümmerer, aktive Gemeindeglieder werden?

7 iranische Männer und Frauen sind inzwischen gewählte Mitglieder von Kirchenvorständen in Bayern. Ja, Iraner wollen sich beteiligen, nicht nur Empfänger, sondern auch Gebende sein. In manchen Gemeinden wird nach dem Gottesdienst persisch gekocht. Ohne Afghanen und Iraner sind manche Gemeindefeste gar nicht mehr durchführbar. Die sind früh da, packen mit an und gehen als Letzte nach Hause.

Immer wieder taucht der Vorwurf auf: Flüchtlinge lassen sich taufen, damit sie hier in Deutschland bleiben können. Was entgegnen Sie?

Das ist ein schwieriges Feld. Iraner sind auch Menschen wie Sie und ich. Kurz: Ja, mir begegnen auch Menschen, die den christlichen Glauben benutzen, um hier Asyl zu bekommen. Ich verstehe es menschlich natürlich, wenn jemand alles versucht, um hier zu bleiben. Trotzdem lasse ich mich ungern auf den Arm nehmen, wenn es um Jesus geht. Doch 95% der Flüchtlinge, mit denen ich zu tun habe, haben sich ihren Glauben etwas kosten lassen. Sie haben die Familie, ihren Job, ihre Heimat, die Freunde verlassen müssen, weil ihnen die Verhaftung oder gar der Tod drohte.

Was schätzen Sie in Deutschland? Was vermissen Sie?

Ich schätze die Religionsfreiheit. Das ist unglaublich kostbar. Auch die Demokratie, die Rechtsstattlichkeit halte ich für ein sehr kostbares Gut. Jeder darf sein wie er will. Diese Individualität, dies Freiheit findet sich in der islamischen Welt fast nirgendwo.

Sie sind zuständig für über 1000 iranische Flüchtlinge in Bayern. Was macht Sie getrost nach dem Motto: Ich schaffen das?

Weil ich Jesus an meiner Seite habe. Weil ich weiß, dass meine Landeskirche hinter mir steht, sie mich angestellt und mit großen Freiheiten ausgestattet hat. Weil die Verantwortlichen mir ein großes Vertrauen entgegenbringen, mich unterstützen, damit iranische Christen eine Heimat in unserer Kirche finden.

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Richtungsweisend im Auftrag Gottes

Artur Wiebe

Menschen in Leitungspositionen finden im Gemeindekontext oft zu wenig Unterstützung, meint Artur Wiebe. Dabei ruft Gott in die Verantwortung.

Als Pastor im Main-Taunus-Kreis sind mir immer wieder Menschen begegnet, die gesellschaftlich und beruflich in hohen Positionen leidenschaftlich Verantwortung tragen. Doch ihre Lebenswelt und ihre Themen kommen in der christlichen Gemeinde und Kirche so gut wie gar nicht vor. Während der Arbeitswoche abends tauchen sie – wenn überhaupt – wie ein Fremdkörper in den Hauskreis und das Gemeindeleben ein. Sie leben die Woche über in einer Welt und am Wochenende in einer anderen.

Manager als Fremdkörper

Diese Frauen und Männer stehen als Projektmanager/-in, Geschäftsführer/-in, leitende Angestellte und Politiker an exponierter Stelle und machen ihren Job mit Leidenschaft und Hingabe. Aber im Rahmen der christlichen Gemeinde sind sie selten Thema, dafür umso öfter Ziel kirchlicher Gesellschaftskritik, so als seien sie für alle „unchristlichen Gesellschaftsentwicklungen“ mitverantwortlich. Besonders Banker kamen in den vergangenen Jahren aufgrund der Finanzkrise besonders schlecht weg.

Wissenschaftler, Lehrer und Forscher stehen im Gemeindekontext nicht selten im Verdacht, mit dem christlichen Glauben zu fremdeln, da sie vermeintlich im Konflikt mit den biblischen Glaubensaussagen forschen und lehren. Und tatsächlich stehen der Schöpferglaube und ein „methodischer Atheismus“ als Forschungsgrundlage in Spannung zueinander – besonders in den Humanwissenschaften, der Physik und Biologie. Wo gibt es Tipps und Hilfestellungen mit dieser Spannung Glaube und Wissenschaft umzugehen?

Gemeindliche Hilfestellung Fehlanzeige

Kritisiert wird viel, doch Hilfestellung findet kaum statt. Diesen gesellschaftlich richtungsweisenden Christinnen und Christen werden von Gemeindeseite kaum konstruktive biblische Prinzipien, Leitlinien und Weisheiten an die Hand gegeben, die sie befähigen, gute und weise Entscheidungen in ihrem beruflichen oder ehrenamtlichen Tätigkeitsfeld zu treffen und mit der großen Spannung zwischen Glaube und Lebenswelt umzugehen. Maximal treffen sich gleichgesinnte und Betroffene untereinander in gegenseitig stärkenden Spezialgruppen und Vereinigungen – außerhalb des Gemeindeumfeldes.

Die Auswirkungen sind fatal: Junge Menschen in der Gemeinde, die Leitungsbegabung haben und Verantwortung übernehmen wollen, bekommen dadurch den Eindruck vermittelt, dass christliche Gemeinde und der Job in einer gesellschaftlichen Führungsposition nichts miteinander zu tun haben. Mit der bedauernswerten Folge, dass je erfolgreicher die Karriere ist, desto mehr der Exit aus dem gemeindlichen Kontext erfolgt. Oder der Glaube an Jesus Christus wird in den berufsintensiven Jahren gleich ganz an den Nagel gehängt oder auf unbestimmte Zeit in die fromme Mottenkiste gelegt. Zum Leidwesen der Menschen und der Gemeinde, weil Menschen christliche Gemeinschaft brauchen und die Gemeinde Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen.

Leiten als gemeindliches Stiefkind

Im kirchlichen Raum vor Ort wird selten aktiv Mut gemacht, verantwortliche Positionen in der Gesellschaft, der Wirtschaft, Forschung und Politik als Berufung Gottes anzustreben. Sie gelten als prinzipiell verdächtig. Die Kirche Jesu Christi erweckt so den Anschein, als sei sie nur etwas für den kleinen Mann und die kleine Frau. Wenn man von „Berufung“ spricht, steht einem maximal der Dienst als hauptamtlich Tätigen vor Augen und nicht die Chefetage eines mittelständischen Betriebes oder der Dienst als Chefarzt Krankenhauses. Dies ist eine Prägung, die der Herrschaft Gottes in allen Bereichen des persönlichen Lebens widerspricht, und den Glauben an Jesus Christus auf den kirchlichen Bereich reduziert.

Dazu kommt die Beobachtung, dass Christen in der Gemeinde den Begriff „Leitung“ stiefmütterlich behandeln und scheuen. Sie machen sich klein und wollen nicht als Leiterin oder Leiter bezeichnet und gesehen werden. „Leitung“ kommt ihnen überhöht vor für das, was sie treu und beständig mit in die Gesellschaft oder das kirchliche Gemeindeleben einbringen. Sie tun das halt und merken nicht, wie entscheidend ihr unbewusster Leitungsdienst die Gruppe beeinflusst und nach vorne bringt. Sie stapeln tief und sind auch nicht greifbar, weil auf ihrem Einsatz nicht „Leitung“ draufsteht. Deshalb werden sie auch nicht aktiv für ihren Leitungsdienst geschult. Dadurch werden Chancen verpasst, in seiner Berufung Gottes zu wachsen und besser richtungsweisend zu werden.

Leiterschaft als zentrales Thema

In der Bibel finden wir zahlreiche Beispiele von Menschen, die von Gott verantwortliche Positionen im Kleinen und Großen zugedacht bekommen haben. Sie leiten Menschen oft durch schwierige und gute Zeiten. Diese Frauen und Männer haben mal mehr oder weniger freiwillig in ihrem Umfeld führende Positionen und Dienste übernommen und ausgefüllt. Ihre persönlichen Glaubensüberzeugungen und der Gehorsam Gott gegenüber fanden Ausdruck in ihren öffentlichen Entscheidungen und Äußerungen. Sie haben Gott vertraut und sind auch unter schwierigen Umständen seinen Maßstäben gefolgt.

Ebenso finden sich lehrreiche biblische Zeugnisse des Scheiterns, wenn Leiterinnen und Leiter ihre eigenen Interessen obenan gestellt haben oder dem Druck von außen nachgegeben haben, anstatt Gottes Geboten die erste Priorität zu geben. Nicht selten haben diese Führungspersönlichkeiten und Vorbilder durch ihr Verhalten sich selber und auch andere Menschen mit in den Abgrund gerissen oder sie in von Gott gesegnete und erfolgreiche Zeiten geführt. Leiterschaft ist ein biblisches Thema.

Schaue ich in die Kirchengeschichte, dann ist das gemeindliche Geschehen nicht selten auch von verantwortungsvollen und vermögenden Leitern und Fabrikanten ermöglicht worden, die als Mäzene und Sponsoren evangelistische, diakonische und künstlerische Aufträge der Gemeinde Jesu gefördert haben. Oder sich als Impulsgeber an die Spitze von kirchlichen Initiativen, Bewegungen und Gründungen gestellt haben. Bewusste und richtungsweisende Leiterschaft hat uns viel Segen gebracht.

Zum Leiten ermutigen

Ich möchte dazu ermutigen, Leitung und Verantwortung im Kleinen wie im Großen zu übernehmen: in der Gemeinde, in der Gesellschaft und im Beruf. Dazu bietet die Bibel eine Fülle von positiven und negativen Beispielen, damit wir neu entdecken und lernen, was es bedeutet, richtungsweisend im Auftrag und der Berufung Gottes unterwegs zu sein. Und als Gemeinde Menschen in Verantwortung fördern, mittragen und ermutigen.

 

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Was bringt’s?

von Pascal Görtz

Glaube und Vertrauen – wie sich beide gegenseitig bedingen, zeigt eine biblische Episode

Es gibt Verse in der Bibel, die erstaunen einen auch noch nach dem 50. Mal lesen. Weil sie einem ermöglichen, Mäuschen zu spielen, wie die Jünger zweifelnd und stolpernd wichtige Fortschritte im Glauben machen. Da ist zum Beispiel die Episode, in der ein reicher, in vielerlei Hinsicht vorbildlicher Jüngling zu Jesus kommt und dieser ihm barsch die Grenzen seines Gottvertrauens aufzeigt. Die Szene muss ordentlich Eindruck bei den Aposteln hinterlassen haben. Es scheint, als seien sie mit dem armen Jung gleich mit abgebügelt worden. Von jetzt auf gleich wissen auch sie nicht mehr so genau, was sie von der Zukunft erwarten dürfen. Wenn der es nicht ins Reich Gottes packt, wer denn dann? Am Ende des kurzen Dialogs muss Petrus doch mal allen Mut zusammennehmen und so ganz offen fragen: „Wir haben alles aufgegeben, um dir nachzufolgen. Was werden wir dafür bekommen?“

Paulus‘ Frage könnte auch unsere sein: Was werden wir dafür bekommen, dass wir unsere Wochenenden zwischen 16 und 30 in muffigen Gemeinderäumen statt in der weiten Welt zugebracht haben, um Lobpreisbands auszuleuchten? Dass wir unsere Karrieren aufgegeben haben, ehe sie richtig ins Laufen kamen, weil wir dem missionarischen Herz nach Nepal gefolgt sind? Hat sich das gelohnt, alles auf eine Karte zu setzen?

 

Glaube – Vertrauen, das Werke fordert

In Momenten wie diesem merkt auch der Letzte, dass der Glaube mehr ist als das bloße Fürwahrhalten philosophischer Optionen. Er braucht den Vertrauensschritt, die Tat, fordert den Glaubenden mit Haut und Haaren heraus. Der Glaube betrifft das große Bild, nicht nur den philosophischen Zweikanalton.

Drastisch fasst das der Verfasser des Jakobus-Briefes in Worte, wenn er schreibt: „Ohne Taten ist der Glaube tot.“ (Jakobus 2,26). Was für eine radikale Zuspitzung! Kaum haben sich die ersten Christen von der Werkgerechtigkeit verabschiedet, da werden sie auch schon wieder von der Bedeutung der Tat eingeholt. Weil sich gelebter Glaube konsequenterweise in Taten äußert. Sie sind einerseits Resultat des Glaubens, aber auch sein Katalysator: Menschen, die gelernt haben, aus dem Boot auszusteigen und im übertragenden Sinne „auf dem Wasser zu gehen“, erleben Gottes Gegenwart als belastbares Fundament ihres Glaubens. Wer Gotteserfahrungen machen will, muss sich auf Wagnisse einlassen. Insofern fordern wir unseren Glauben durch unser Handeln tagtäglich heraus, indem wir Gott unser Vertrauen vorschießen. Mal bedeutet es, eine Sache anzupacken, wann anders, auf Gottes Moment zu warten oder uns auf neue Wege einzulassen.

Der Glaube ist nichts, was wir besitzen könnten. Er will in jedem Augenblick durch Vertrauen erworben werden. Denn unser Glaube ist nie letzte Gewissheit, sondern „Glaubensgewissheit“. Dazwischen passt eine gute Portion Vertrauen, ohne die es nicht geht. Zurück auf Anfang: Lohnt sich das Ganze? Wir haben alles aufgegeben. Was werden wir dafür bekommen? „Ich versichere euch: jeder, der um meines Namens willen sein Haus, seine Geschwister, seine Eltern, seine Kinder oder seinen Besitz aufgegeben hat, wird hundertmal so viel wiederbekommen und das ewige Leben erlangen. Doch viele, die heute wichtig erscheinen, werden dann die Geringsten sein, und die, die hier ganz unbedeutend sind, werden dort die Größten sein.“ (Matthäus 19, 29)

Der Rest ist Vertrauen.

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Aufstand proben

von Lasse Eggers

Was wir konkret tun können, wenn wir merken: Die Welt geht uns was an

Wann hast du dich zuletzt öffentlich aufgeregt? Also so, dass es jemand mitbekommen hat? Oder gehörst du auch zu denen, die meinen, irgendwo im Social Web einen Hashtag zu setzen, müsste als politisches Statement allemal reichen? Wer anfängt, sich über das Thema Gedanken zu machen, stößt unweigerlich auf eine Reihe offener Fragen. Zwei davon sind mir besonders wichtig: Bin ich politisch aktiv genug? Und: Was ist eigentlich eine angemessene Art und Weise, im 21. Jahrhundert politisch aktiv zu sein?

 

Politisch aktiv?

Schauen wir auf die erste Frage. Grundsätzlich bin ich politisch aktiv: Ich gehe wählen, vertrete eine Meinung und beteilige mich an Diskursen im Social Web. Aber reicht das? Die Frage nach dem “Genug” ist eine heikle, denn wer legt schon das Maß für politischen Aktivismus fest? Na ja, zum einen haben wir da den Staat als Maßstab, der ein paar Beteiligungsmöglichkeiten anbietet. Wer unsere Demokratie stützen will, weil sie uns ein hohes Maß an persönlicher und öffentlicher Gestaltungsfreiheit gewährleistet, sollte von diesen Möglichkeiten schon Gebrauch machen. Dazu gehören die Wahlen, das Recht, Parteien zu gründen und sich darin zu engagieren, das freie Demonstrationsrecht und andere Bürgerbeteiligungen wie zum Beispiel Volksabstimmungen.

Einen anderen Maßstab, den wir anlegen sollten, bietet die Bibel. Schon die frühen Christen beschäftigte die Frage, wie sich die ethische Linie von Jesus in gesellschaftliches Leben und soziale Verantwortung übersetzen lässt. Paulus verdanken wir zum Beispiel ein paar kluge Anweisungen, wie wir als Christen mit den gesellschaftlichen Verantwortungsträgern umgehen sollen. In Titus 3,1-2 und Römer 13,1-6 mahnt er, dem Staat zu dienen und der Obrigkeit als weltlicher Autorität den fälligen Respekt zu erweisen. Unser politischer Aktivismus soll die respektieren, die verantwortlich eingesetzt sind, das Leben in unserem Land zu gestalten.

Noch eine andere Stelle möchte ich hier als eine der bedeutendsten Möglichkeiten der politischen Beteiligung besonders hervorheben: 1.Timotheus 2,1-3: „Betet für alle Menschen, besonders für die, die in Staat und Regierung Verantwortung tragen…“ Damit wir, wie Paulus sagt, in Frieden leben können. Hier bekommt das Gebet, das du still bei dir sprichst, oder die Fürbitte in der Gemeinde Gewicht: Es steuert seinen Teil dazu bei, dass wir in Frieden leben und unseren Dienst tun können. Wie schön, dass ich mich so für meinen Staat einsetzen kann.

Aber wieso sollte ich als Christ Aufstand leisten, wenn ich doch der Obrigkeit gehorchen soll? Reicht es dann nicht, wenn ich für meinen Staat bete? Es reicht überall dort nicht, wo die Gesellschaft spürbar aus den guten Ordnungen Gottes herausdriftet. Wo wir als Christen für Werte stehen, die gesellschaftlich an Wert zu verlieren drohen. Wenn es um Themen wie die Zukunft der Gentechnik, den Schutz des ungeborenen Lebens, soziale Gerechtigkeit oder den Einsatz der Bundeswehr geht, können wir einen Unterschied machen, wenn wir unsere Positionen an den richtigen Stellen einbringen.

Die Qual der Wahl: Welchen Aufstand proben wir?

Kommen wir zur zweiten Frage: Was ist die richtige Art und Weise, um heute noch politisch aktiv zu sein?

Da sind die Parteien, klar. Jede hat auch eine eigene Jugendorganisation, in der das politische Handwerk erlernt und entwickelt wird. Dabei darf es dann auch mal zur Sache gehen und Positionen sehr pointiert geäußert werden. In den Ortsverbänden der Parteien wird Lokalpolitik gemacht. Muss die neue Umgehungsstraße ausgerechnet durch ein Naturschutzgebiet verlaufen? Wie viele Bäume wollen wir uns in der Innenstadt leisten? Wie wär’s mit einem Marketingkonzept für unsere Kleinstadt? Alle Parteien suchen händeringend.

Politisch ungebunden, aber durchaus aktiv sind auch die Bürgervereine und –initiativen. Als Sparringspartner für die Politik und die Stadtverwaltung gestalten sie das Leben der Stadt oder des Viertels sehr konkret und häufig pragmatisch mit. Als Vereine spiegeln sie der Verwaltung den Bürgerwillen und sind eingebunden, wenn seitens der Verwaltung Lösungen für Gestaltungsherausforderungen im öffentlichen Raum gesucht werden.

Im akuten Fall helfen auch freiere Formen: die Mahnwache, die Demonstration, das Bürgerbegehren, die Petition, der offene Brief, ein Infostand, das Flugblatt, Kunstaktionen, Menschenketten und alles, was du dir sonst noch ausdenken kannst.

Neu in der Liste ist der Netzaktivismus, also Bloggen, Vloggen, Hashtaggen und Co. Gerade der Hashtag-Aktivismus wird oft als faul oder nutzlos eingestuft – reine Gewissensberuhigung? Natürlich beruhigt „Slacktivism“ das soziale Gewissen und geht so leicht von der Hand, dass er uns dauerhaft in Aktion versetzt. Nicht hinter jedem #prayfor… steckt auch ein Gebet. Dann doch lieber still bleiben und wirklich beten.

Aber Hashtags haben auch Power. Sie können, wenn sie richtig benutzt werden, gewaltige Kraft entwickeln in Zusammenarbeit mit den sozialen Netzwerken. Besonders jene Hashtags waren erfolgreich, die mit realen Aktionen verbunden waren. #blacklivesmatter, #aufschrei, #landesverrat: Es ist die gekonnte Verbindung des Social-Online-Lebens mit dem Real-Life, die Hashtags zu einer glaubwürdigen politischen Willensäußerung machen. Wenn Hashtags also richtig verwendet werden, dann bewegen sie etwas. Poste also das nächste #prayfor… lieber direkt mit einer Veranstaltung, die wirklich zum gemeinschaftlichen Gebet aufruft, dann folgt nämlich aus Beteiligung echte Aktion.

#aufstehen

Am Beispiel des Hashtags sieht man: Politik ist nicht nur eine Frage der Werkzeuge, sondern auch der richtigen Verwendung. Für jedes Werk gibt es das richtige Werkzeug und für jedes Werkzeug die richtige Verwendung. So liegt es an dem Umstand, der dich in Bewegung versetzt, welche Form von Aktivität in deiner Situation die richtige ist. Manchmal bewegen Hashtags die Massen, manchmal bewegen Massen auf der Straße den Staat.

Also: Bist du aktiv oder nicht? Beruhigst du nur dein Gewissen oder geht es dir ums Mitgestalten des öffentlichen Lebens? Und wogegen steht dein Herz auf, oder besser noch: Wofür? Unterlassener Aufstand ist unterlassene Hilfestellung. Es ist diese, unsere Welt, in der wir unseren Dienst verrichten. Wenn wir uns mit ihr auseinandersetzen, merken wir vielleicht, dass sie uns mehr angeht als gedacht.

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Ist die Zeit der Ewigkeit abgelaufen?

von Marietta Steinhöfel

Nachgefragt bei Prof. Dr. Peter Zimmerling, Professor für Praktische Theologie an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig.

Die heutige Gesellschaft lebt im Hier und Jetzt. Auch unter Christen ist man viel beschäftigt – Gottesdienstvorbereitungen, Chorproben, Teamtreffen… Hat die Ewigkeit da überhaupt noch Platz?

Kaum. Für die Christenheit, und selbst für „heißtemperierte“ Gläubige, ist Ewigkeit in den Hintergrund gerückt. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen ist unsere Gesellschaft ebenso beschäftigt mit dieser Welt, dass die Perspektive auf eine andere, unsichtbare Welt schlechte Karten hat. In der ehemaligen DDR kommt hinzu, dass die Propaganda der SED – die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands – die christliche Auferstehungshoffnung regelrecht diskreditiert hat. Man sagte: Die Jenseits-Hoffnung sei eine Form von Vertröstung, und hindere Menschen daran, mit aller Kraft für die Verbesserung der irdischen Verhältnisse zu kämpfen.

Bei allem Nicht-Perfekten in der Welt scheint die Vertröstung auf eine bessere Zukunft naheliegend. Doch ist dies erstrebenswert? Ewig das Gleiche, ewig orgellauschend?

Der Eindruck von einer Ewigkeit als nahtlose Fortsetzung des Jetzt-Zustandes ist unter anderem dadurch aufgekommen, dass die Evangelische Theologie aufgegeben hat, irgendetwas Inhaltliches über das ewige Leben auszusagen. Ja, es gibt eine Kontinuität zwischen unserem irdischen und dem ewigen Leben. Denken wir an das neue Jerusalem, das auf die Erde herabkommt, dann sehen wir auch, dass all das Schöne, der Reichtum der Kulturen, den es auf dieser Welt gibt, nicht verloren geht, sondern eingebracht wird in die himmlische Stadt. Aber es gibt auch eine Diskontinuität: Das neue Leben bei Gott ist etwas völlig anderes. Es kommt zu einer Verwandlung in eine andere Qualität. Und zwar nicht in Form von einem Weniger an Leben, sondern einem Mehr. Einem vollendeten Leben in Fülle, frei von Begrenzungen. Wir haben nur das Problem, dass wir diese biblische Botschaft irgendwie nicht richtig vermittelt bekommen.

Ewigkeit als Begriff ist schwer greifbar – vor allem für die Wissenschaft. Wie bekommen Sie ihn zu packen?

Ewigkeit wird oft versucht, allein auf der Zeitschiene zu verorten. Die Zeitlosigkeit ist aber nur ein Aspekt von Ewigkeit. Wir müssen auch die qualitative Dimension ins Gespräch bringen. Außerdem müssen wir versuchen zu vermeiden, dass der Himmel nur ganz jenseitig gedacht wird. Es gibt „Vorwegerfahrungen der Ewigkeit“, die wir alle erleben können; zum Beispiel bei Naturerfahrungen wie dem Anblick eines wunderschönen Sonnenuntergangs, im Gottesdienst durch himmlisch anmutende Musik und Gesänge, oder die unmittelbare Antwort auf ein Gebet. In solchen Momenten hat man doch den Eindruck, dass der Atem des Höchsten einen schon berührt. C.S. Lewis hat in seinem Buch „Die große Scheidung“ einen Versuch unternommen, Ewigkeit als Qualitätsbegriff in Bildern zu verorten. Symbole, die beschreiben, wie sich dieses „Mehr an Leben“ anfühlt: Das Schwimmen im frischen Bergsee, das all das Positive enthält, was wir auch im irdischen Leben erleben können, aber ohne das, was sonst noch an Negativem im Hintergrund dabei ist. Etwa das Gefühl des Unterkühlt-Werdens oder die Angst vorm Ertrinken. Es bleibt nur das Gefühl prickelnder Frische.

Das Cover Ihrer neusten Publikation (Evangelische Mystik) ist betitelt mit „Alles Ding währt seine Zeit – Gottes Lieb in Ewigkeit“. Was bedeutet das?

Mystiker und Mystikerinnen haben sich nicht damit zufrieden gegeben, erst nach dem Tod ungetrübte Gottesgemeinschaft und Seligkeit zu erfahren. Sie sind umgetrieben von der Sehnsucht, die „unio mystica“, die unmittelbare Gemeinschaft mit Gott, schon jetzt zu erleben. In solchen Augenblicken verschwindet plötzlich die Zeit, so wie wir sie gewöhnt sind. Die Begegnung mit dem Göttlichen, so sagen die Mystiker, ist eine so intensive Erfahrung, dass die Schranken von Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft fallen.

Herr Prof. Dr. Zimmerling, vielen Dank für das Gespräch!

Dieses Interview erschien im Magazin 3E. Jetzt kostenlos testen: www.magazin3e.net

Gebets-Container

Von Ulrich Eggers

Ich freue mich, dass überall in unseren Ländern Gebetshaus-Initiativen aus dem Boden sprießen oder sogar schon in schöner Blüte stehen. Das ist ein starkes Zeichen für ein ganz neues Verständnis von Gebet. Und für dessen Wichtigkeit.

Und je nachdem, wie Sie gestrickt sind, werden Sie jetzt sagen: „Genau! So ist es! Das habe ich ja schon immer gesagt!“ Oder Sie werden vielleicht auch leise denken: „Oh nein, jetzt auch noch er!“ Und ehrlich gesagt: Dass gerade ich mich daran freue, überrascht mich auch. Denn eigentlich bin ich manchmal eher genervt von den Gebets-Promotern, Gebets-Messern und Gebets-Forderern in unserer frommen Landschaft. Neulich traf ich den Gründer eines der Gebetshäuser und fragte ihn nach dem Werden seiner Arbeit. „Eigentlich war ich immer eher genervt vom Gebet …“ begann er. Und das fand ich schon mal einen guten Start, der mir das Zuhören erleichterte und mich hinein nahm in eine Mitfreude an seinen Entdeckungen.

Auch ich halte Gebet für unverzichtbar. Ich lebe mein Leben zu Gott hin. Bin ständig im Gespräch mit ihm – rede, denke, bitte, danke laufend und ansatzlos und beziehe ihn ein – so gut es geht und so wach und Gottes-gegenwärtig ich gerade bin. Denn ich weiß ihn ja um mich, lebe in seiner Gegenwart. Gebet ist Beziehung, ist Leben, ist das eine wesentliche Lebensmittel. Und, ja – manchmal bete ich auch laut oder zu einem Anlass – oder weil es gerade dran ist auf irgendeiner Tagesordnung. Aber ich bin auch genervt. Zumindest davon, dass Gebet so ein Container-Begriff ist, den Christen so völlig unterschiedlich füllen. Der so überlagert ist mit Vorstellungen und Erwartungen und Fremdheiten, die mich jedes Mal vor die Frage stellen, ob ich da wirklich mitmachen mag und ob ich mein belastetes geistliches Immunsystem damit weiter de-sensibilisieren soll.

 

„Ach“, denken Sie jetzt vielleicht, „was macht es sich der Mann so schwer! Wo ist denn da das Problem?“ Das Problem sind unsere Gebets-Container – ihre so völlig unterschiedliche Füllung:

Da sind die Befürworter, die überzeugt sind, dass nur mit Gebet Entscheidendes passiert. Und sie machen sich zum Lobbyisten dieses Verständnisses und versuchen möglichst viele werbend zu verpflichten, denn – komisch – diese Erkenntnis allein zu leben, reicht ihnen nicht. Und so missionieren sie mit ihrem Gebets-Container und nehmen die Menschen unter die pädagogische Knute ihrer Erkenntnis – und stoßen auf Leute, die seufzend die Augen verdrehen – denn wer mag schon gegen Gebet sein? Also machen sie knurrig mit – oder nicht. Denn sie wollen nicht verhaftet werden von einem Überzeugungs-Feldzug, der ihr Herz nicht erreicht. Und der nichts nützt, wenn das Herz nicht erreicht ist. Und Gott sieht das Herz an.

Oder da sind die „Gebets-Messer“, die das Vorhandensein von Gebet nutzen wie einen Lackmustest und ihr Häkchen setzen an eine Situation und zuverlässig zu wissen meinen, ob man diesem oder jenem Menschen überhaupt vertrauen kann – denn er hat ja „vorher“ gebet – oder eben nicht. Und die Welt ist in Ordnung – aber was und wie gebetet wurde, ist eigentlich egal, denn dieser Gebets-Container ist eine Art geistliches Mess-Verfahren und hat gelegentlich eine mehr horizontale Bedeutung. Gebet ist da eine Chiffre, dass da wohl einer glaubt – dass ich da wohl beruhigt sein kann, dass nun wohl alles gut ist.

 

Ich bin viel unterwegs in der christlichen Szene, und ich erlebe so etwas – formalistische, rituelle, gruppendynamische Ansätze von Gebet – öfter einmal. Und man könnte da noch manches erzählen – aber man kann es auch lassen. Denn ich will das ja gar nicht schlecht machen, wo es gefüllt und echt und innig ist. Und Missbrauch und Gefährdung bedeutet ja noch lange nicht, dass man es nicht gut oder besser oder richtig machen kann! Und ich kann auch vieles mit gutem Willen akzeptieren. Und wir sind ja alle unterschiedlich – aber eben: Wir sind unterschiedlich! Und deswegen erlaube ich mir, nicht einfach jede Erwartung zu bedienen oder alles mitzumachen. Es ist ein feiner Grat – aber ich möchte da zu mir stehen. Und will da zugleich auch kein Verbrannter oder Enttäuschter sein, der nicht mehr zum guten Gebrauch findet, weil er immer wieder einmal schrägen Gebrauch sieht.

 

Eben deswegen bin ich so froh, dass in den Gebetshäusern etwas Neues entsteht: Dass hier Gebet nicht zuerst als Ritus, Methode oder absolvierbare Pflicht gesehen wird, sondern als eine große weite Chiffre für das Sein vor Gott, für Begegnung und Kommunikation mit ihm. So, wie es mir mit meiner Frau geht: Alles ist schöner, wenn sie dabei ist. Überall ist mir wohler, wenn ich sie habe.

Was also ist drin in unserem Gebets-Container? Was wollen wir wirklich? Die Begegnung mit dem heiligen fremden fernen nahen Gott, den wir ehren und dem wir folgen – guter Papa und ungezähmter Löwe, verzehrende Glut und anziehende Wärme? Oder geht es uns um unsere Einsicht oder eine Methode oder einen Situationstest oder einen Hype oder eine Richtigkeit?

Jeder prüfe sich da selbst. Und keiner lasse sich sein Kostbares hinterfragen – auch nicht von mir. Aber jeder gehe auch ins stille Kämmerlein und prüfe, was da Bestand hat. Denn die stillen Orte scheinen mir immer noch der beste Platz für Gebet und Begegnung. Und mein persönlicher Alltag – 24/7.

 

Dieser Artikel erschien in AUFATMEN. Jetzt kostenlos testen unter www.aufatmen.de

Stein für Stein

von Pascal Görtz

Hätte ich früher gewusst, wie sehr Räume mein Leben prägen, wäre ich Architekt oder Stadtplaner geworden. Ich liebe es, mich auf offenen Plätzen selbst wahrzunehmen, Häuserschluchten mit Jugendstilfassaden abzulaufen, die Spuren anderer Stadtbewohner im Straßenbild zu entdecken. Aber auch hohe Decken, Stadtgärten und schwer einsehbare Dachterrassen. Und Charakterecken, von denen nur wenige Notiz nehmen. Die Neugierde treibt mich. Das alles ist verbaute Sehnsucht nach Freiheit oder Größe oder Gemeinschaft oder einer besseren Zukunft. Die Gesichter unserer Städte tragen zutiefst menschliche Züge.

Als Christen haben wir naturgemäß ein gespaltenes Verhältnis zu dieser Form von „Menschlichkeit“. In Städten begegnen wir einer Kultur, die uns in manchem nahekommt, in vielem aber fremd ist. Als Bürger der zukünftigen Welt erleben wir uns als Fremde in der Diaspora. Wir sehen Menschenverachtendes, strukturelle Sünde, Egoismen, die unverheilten Brüche des Lebens auf engstem Raum. Gleichzeitig ist Flucht keine Option: Als christliche Gemeinschaften können wir dem Blick des Nächsten kaum ausweichen. Deshalb ist es nur logisch, wenn sich Gemeinden fragen, wie sie das Evangelium innerhalb der Kultur ihrer Städte zum Strahlen bringen können.

Verändere deine Stadt! Das ist kein Aufruf zum Starksein. Nicht aus uns selbst heraus, nicht als Selbstzweck werden wir die Kultur verändern. Sondern als Erlöste, die zu lieben gelernt haben, weil sie von Gott Liebe erfahren haben.

Schauen wir unseren Städten ins Gesicht – und krempeln dann die Ärmel hoch.

Stein für Stein eine neue Stadt.

Dieser Kommentar erschien in DRAN NEXT, dem Magazin zum Selberglauben. Jetzt kostenlos testen: www.dran-next.de

 

Nichts ist selbstverständlich!

Von Martin Gundlach

Eine Einladung zum Mitgestalten.

Die Briten sind raus aus der EU. In Frankreich sind die beiden großen Volksparteien bei der Wahl zum Präsidenten nur Zaungäste. In Europa, in der Türkei und in den USA sind von Politikern Sätze zu hören, die ich längst in die Geschichts-Kiste gelegt hatte. Ich reibe mir die Augen: Kann das wirklich alles sein?

Nichts ist mehr selbstverständlich. Das ist vor allem eine aufrüttelnde Nachricht für die, die sich nicht vorstellen können, dass sich das Leben wirklich grundlegend ändern könnte. Die sich öffentlich nicht engagieren, weil sie an das unaufhaltsame „Immer-weiter-so“ des Gewohnten glauben. An diejenigen, die vielleicht gelegentlich zur Wahlurne gehen – wenn es nicht gerade in Strömen regnet oder Oma Geburtstag hat. Die nichts anderes kennen, als ein Leben in Freiheit und in Demokratie zu leben. Und die niemals darüber nachgedacht haben, dass all die (mühsam erkämpften) Werte wie Glaubens-, Meinungs- und Pressefreiheit einmal gefährdet sein könnten. Was also tun, um das Gute zu bewahren?

Zur Wahl zu gehen, um die Demokratie mitzugestalten, ist das Minimum. Ich habe das Gefühl: Wir alle, die wir (in Westdeutschland, Österreich, der Schweiz …) nie in einem anderen System gelebt haben, haben manchmal vergessen, was für ein Vorrecht es ist, in einem demokratischen Rechtsstaat zu leben. Nichtwählen ist keine Option.

Darüber hinaus finde ich wichtig, in Gesprächen Position zu zeigen für die Einstellungen und Werte, die mir wichtig sind. Ich staune, wie unwidersprochen fremdenfeindliche Gesprächsbeiträge geduldet werden. Auch wie abfällig zum Beispiel von manchen Christen über „die Moslems“ geredet wird, als wären sie keine Menschen, sondern nur ein Problem. Das darf nicht sein.

Zum dritten: Auch wenn wir als Einzelne die Welt nicht komplett ändern können, finde ich es wichtig, mit zeichenhaften Taten deutlich zu machen, in welcher Welt wir leben wollen. Einer Flüchtlingsfamilie zu helfen. Eine Hilfsorganisation zu unterstützen, die sich für die Werte einsetzt, die mir wichtig sind. Einen Politiker zu kennen und einmal nach seinen Anliegen zu fragen, ihm zu schreiben, für ihn (oder sie!) zu beten. Und über all das mit der eigenen Familie, den eigenen Kindern im Gespräch zu bleiben. Darin liegt eine Chance, gemeinsam dazuzulernen und Neues zu entdecken.

Damit das, was uns heute selbstverständlich scheint, auch eine Zukunft hat!

Dieser Kommentar erschien in FamilyNEXT.  Jetzt kostenlos testen: www.familynext.net

10 Tipps für den Neuanfang

Von Marietta Steinhöfel

  1. Frischen Sie eine vergessene Freundschaft wieder auf. Greifen Sie zum Hörer oder sprechen Sie eine Einladung zum gemeinsamen Kaffee aus. Sie haben nichts zu verlieren! Mehr als Nein sagen kann ihr Gegenüber nicht.
  2. „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.“ Etwas zu tun, was man noch nie – oder lange nicht – gemacht hat, birgt immer ein Risiko: Es könnte misslingen. Aber Sie haben eine Menge zu gewinnen: Selbstvertrauen, geniale Erfahrungen, neue Freundschaften. Was wollen Sie heute wagen?
  3. Neuanfänge bedeuten für Sie eher Stress? Schreiben Sie für sich auf, wie Ihre bisherigen Erfahrungen waren, wenn sich Dinge in Ihrem Leben verändert haben. Welche Sorgen und Ängste hatten Sie? Was davon traf ein? Welche positiven Überraschungen haben Sie erlebt?
  4. Lassen Sie Altes, Vergessenes neu aufleben. Erinnern Sie sich: Was haben Sie als Kind richtig gern gemacht? Womit konnten Sie sich stundenlang beschäftigen? Tun Sie es heute wieder!
  5. Krempeln Sie die Ärmel hoch und packen Sie ein Projekt im Haushalt an: Den Keller entrümpeln, das Wohnzimmer streichen, die Schublade reparieren. Auch wenn der Anfang erstmal mühsam sein mag: Ist man erstmal in Aktion, werden ungeahnte Kräfte und Glücksgefühle freigesetzt. Und etwas geschafft zu haben – ist ein tolles Gefühl!
  6. Woran denken Sie, wenn Sie folgenden Satz vervollständigen? „Eigentlich möchte ich viel lieber …“ Es ist nie zu spät, Lebensbereiche in Frage zu stellen und zu verändern.
  7. Neu anfangen muss man auch nach einer langen Krankheit. Gehen Sie bewusst kleine Schritte, überlegen Sie: Was traue ich mir heute zu? Was kann ich jetzt tun, auf meinem Weg zurück zu mehr Selbstständigkeit und Mobilität? Vielleicht ist es „nur“ der Weg zum Bäcker, und auch das ist ein Fortschritt!
  8. Engagieren Sie sich mit einer Projekt-Idee in Ihrer Gemeinde! Schauen Sie sich in der Kirche um, reden Sie mit Menschen: Woran mangelt es? Was braucht es? Starten Sie die Initiative.
  9. Manchmal muss man erst etwas loszulassen, bevor etwas Neues beginnen kann. Wovon müssen Sie sich verabschieden, um neu anfangen zu können? Es ist hilfreich, diesen Abschied sichtbar zu machen: etwa als Brief oder im Gespräch mit einer Vertrauensperson.
  10. Gemeinsam läuft’s leichter an. Suchen Sie sich Mitmacher für ihr Vorhaben, beispielsweise mehr Sport zu treiben. Bilden Sie eine wöchentliche Nordic Walking Gruppe, verabreden Sie sich zum täglichen Spaziergang…

Diese 10 Tipps erschienen im Magazin LebensLauf. Jetzt kostenlos testen: www.lebenslauf-magazin.net