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Vom Problemkind zum Retter

Rüdiger Jope

Mose und die Wandlung in seinem Leben

Bei biografischen Filmen fiebere ich manchmal noch bis zum Abspann im Kinosessel mit den Helden mit. In 4. Mose 12,3 blendet uns die Bibel auch eine letzte Szene ein. Dort werden Mose heftige Vorwürfe gemacht. Und wie reagiert er? „Mose schwieg dazu. Er war ein zurückhaltender Mann, demütiger als alle anderen Menschen auf der Welt.“ Wow, was für eine charakterliche Veränderung im Gegensatz zu seiner impulsiven Tat etwa vierzig Jahrefrüher …

ZWISCHEN TATORT UND ROSAMUNDE PILCHER

Mose – was war das für ein Mensch? Was steckte hinter dem geistlichen Leiter, dem Mann Gottes, dem willensstarken Menschen, dem Siegertypen? Moses Leben steht bereits kurz nach dem Start vor dem Absturz (2. Mose 2 ff.). Zu den Wildgänsen in der Turbine seines Lebens wird der Befehl des Pharaos: Bringt alle Jungen um! Die Mutter hält den Jungen vermutlich im Verbund mit den Hebammen versteckt. Doch irgendwann lässt sich das Plappern, Krabbeln und Leben dieses lebendigen Kerls nicht mehr verbergen. Der Mutter wird es zu heiß. „Lieber Ehemann, wir müssen eine Lösung finden.“ Die Reaktion des Vaters? Fehlanzeige! In der Präsentation des Stammbaumes in Kapitel 1 sind die Männer noch dicke da, aber wenn es schwierig wird, dann heißt es damals wie heute: Kümmere du dich um die Plagen, ich gehe Pyramiden bauen. Der Mann ist abwesend. Die Mutter muss die unbequeme Entscheidung allein

treffen. Zur Babyklappe wird ein Korb aus Schilfrohr. Dieser wird im Nil abgesetzt. Der Mutter zerreißt es das Herz. Sie kann das Elend nicht mit ansehen und lässt die Schwester als Babysitterin da … Zufällig ist es ein heißer Tag. Die Königstochter hat Lust auf eine Abkühlung. Im Schilf entdeckt sie die seltsame Brüllkiste. Ihre Dienerinnen machen sich nass. Das Körbchen wird geöffnet. Der weinende, nach Luft ringende Säugling lässt in der gelangweilten Prinzessin einen Funken von Menschlichkeit aufglimmen: „Ach, wie süß!“ In einer Art sozialromantischen Anwandlung oder einem spätpubertären Anfall „Jetzt-zeige-

ich-dem-alten-Herrn-im-Palast-mal, dass-ich-anders-bin!“, lässt sie das Ausländerkind am Leben. Sie adoptiert ihn. Die Windelwechselzeit, die schlaflosen Nächte etc. delegiert sie an die zufällig vorbeilaufende Schwester des Mose. Moses Lebensstart hat von allem etwas: Tatort und Rosamunde Pilcher. Ungewollt! Vaterlos! Versteckt! Ausgesetzt! Todesangst! Am Absaufen! Nach Luft schnappend! Jeder im Palast sah sofort: Das ist kein Kind der Königin. Das ist ein Adoptivkind! Noch dazu ein ausländisches.

DAS TRAUMA BEKOMMT EINEN NAMEN

Moses Start ins Leben würde man heute als frühkindliches Traumata bezeichnen. Augenfällig wird das Trauma besonders im Namen: Das Kind hat keinen, zumindest ist er uns nicht überliefert. Als das Kind aus dem Gröbsten raus ist und von seiner Mutter im Palast abgeliefert wird, bekommt er einen ägyptischen Namen verpasst: Mose – der aus dem Wasser Gezogene (2. Mose 2,10). Was für ein Makel! Mose war sicher alles andere als begeistert, wenn es hieß: „Aus-dem-Wasser-gezogen – bitte reinkommen zum Essen“ oder „Vor an die Tafel“. Der Name ist ein Makel. Das ist kein Adels- und Schönheitsprädikat. Mit diesem Namen wird der Junge jedes Mal an seine ungewollte Herkunft erinnert. Dieser Name prägt Moses Sein. Ja, die inneren Wunden, die uns zugefügt wurden, die Makel, die über unserem Leben ausgesprochen wurden, können wehtun und schmerzen. Doch an Mose wird deutlich: Die Verletzung trägt auch den Kern eines großartigen Retters in sich. Gott hat nämlich die Größe, sich für seine Rettungspläne die herauszugreifen, die offensichtlich einen Sprung in der Schüssel haben, die erniedrigt wurden, die sich zerrissen und unheil vorkommen. Die Heils- und Heilungsgeschichte Gottes kann aus dem „Aus-dem-Wasser-Gezogenen“ einen „Aus-dem-Wasser-Zieher“ machen!

DIE CHANCE DES ERSCHRECKENS

Irgendwann macht es bei dem jungen Mann Klick. Er erkennt: Ich bin zwar als Ägypter erzogen, aber von der Hautfarbe, vom Denken und vom Sein bin ich ein Hebräer! Er identifiziert sich schließlich mehr mit den Unterdrückten als mit den Unterdrückern. Auf einer Baustelle kommt es zum Knall. Sein Kindheitstrauma, sein Frust, seine Zerrissenheit brechen sich in einem unreifen Konfliktverhalten Bahn. Mose tickt aus. Er erschlägt einen Ägypter. Damit kegelt er sich auf zweifache Weise ins Abseits: Er verliert seinen Status als Adoptivsohn, und die, für die er glaubte zu kämpfen, entgegnen dem Rächer der Entrechteten: „Bist du unser Aufseher und Richter? Willst du mich jetzt auch umbringen wie gestern den Ägypter?“ (2. Mose 2,14)

Mose stürzt ab. In der Gunst der Ägypter und der Hebräer. Er wollte das Gute, doch heraus kam das Schlechte. Er erschrickt und er muss fliehen. Er rastet schließlich an einem Brunnen. Im Alten Orient der Mittelpunkt des sozialen Lebens. Die Aus- und Reifungszeit bedeutet nicht, abzutauchen ins Abseits, sondern sich gerade in den Alltäglichkeiten, im Normalen neu zu bewähren. Jetzt gilt es, selber Wasser zu schöpfen, anderen das Wasser zu reichen. Dort im Vollzug des Alltags reift der Charakter nach. Hier am Brunnen tritt er wieder als Beschützer der Unterdrückten auf. Aber diesmal ganz anders. Nicht mehr sein Ego, sein Bedürfnis, seine unverarbeitete Geschichte steht im Vordergrund, sondern der andere, die anderen. Die Konfliktbewältigung geht diesmal ohne einen Toten vonstatten. Im Gegenteil: Mose fliegen die Herzen zu. Es scheint, als wäre Gott im Geheimen bereits dabei, Moses Wesen und Temperament für dessen Lebensaufgabe, die Befreiung seines Volkes aus der Sklaverei, vorzubereiten.

VOM HERAUSGEZOGENEN ZUM HERAUSZIEHER

Mose arbeitet an sich und lässt an sich arbeiten. In der Mitte und Hitze des Lebens reift er zum Retter. Der Spottname „Der aus dem Wasser Gezogene“ wandelt sich hin zum „Der andere aus dem Wasser zieht“. Gott verwandelt die Defizite in Stärken. Nun heißt es über ihn: „Er war ein zurückhaltender Mann, demütiger als alle anderen Menschen auf der Welt.“ Mose wird ein anderer – nicht von heute auf morgen, sondern in 40 Jahren. In der Gestalt des Mose fordert Gott bis heute Männer heraus: Lass dich auf einen Umgestaltungs- und Erneuerungsprozess ein,denn irgendwo erschallt ein „Wehklagen“ (2. Mose 2,24) auf dieser Welt, in das Gott dich als seinen Helden senden möchte.

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David, der Geliebte

David Neufeld

Ich bin ein Trendsetter: „Der Name David wurde seit 1970 immer häufiger vergeben“, las ich irgendwo. Tatsächlich wurde ich 1970 geboren. Er „gehörte aber bisher erst einmal, im Jahr 2004, zu den zehn beliebtesten Jungennamen in Deutschland.“ Also doch nicht …

David also. Mein Vater war Prediger, und dass alle fünf Söhne meiner Eltern biblische Namen tragen, ist ganz bestimmt kein Zufall: Emanuel, Andreas, David, Johannes und Markus. Sehnsüchtig haben meine Eltern auf ein Töchterlein gehofft, aber das ist eine andere Geschichte.

Weil mein Name nicht ganz so verbreitet ist, zucke ich immer noch leicht zusammen, wenn eine Mutter im Supermarkt streng ihren „David“ ruft. Einen biblischen Namen zu tragen, in Verbindung gebracht zu werden mit dem legendären Hirten und König, dem Kämpfer und Dichter aus dem Alten Testament, habe ich eigentlich immer als positiv erlebt.

Es war mir eher Ansporn und Ermutigung, als dass es mich genervt hätte. So wie David möchte ich gerne sein – und bin fasziniert von der Bandbreite seiner Persönlichkeit: Lieder schreiben und vor Gott tanzen, mutig kämpfen, leidenschaftlich leben – mit den Schattenseiten, die das eben auch mit sich bringt. Ich bin froh, wie ehrlich diese Vielschichtigkeit in der Bibel zum Ausdruck kommt.

Was mich am stärksten anspricht und mir Mut macht, ist vielleicht dies: Wie König David darf ich mich Gott mit allem anvertrauen. Ich bin gerade in diesen Monaten dabei, die Bibel mal wieder ganz am Stück zu lesen. Vieles ist mir dabei neu aufgefallen, hatte ich nie zuvor wahrgenommen oder längst vergessen. Oder früher ganz anders aufgenommen. Nun stecke ich bei den Psalmen und ich bin froh, dass ich nicht mehr auf Tempo lese, sondern mir endlich die Zeit nehme, um manche Verse oder ganze Psalmen wieder und wieder zu lesen. Mir auf der Zunge zergehen zu lassen. Klar, die sind nicht alle von David, aber in seinen Zeilen wird seine Vertrauensbeziehung zu seinem Gott deutlich. Wie er sich Gott zumutet mit seinem Lob, erfüllt von Dankbarkeit. Wie er Gott genauso seine Furcht bringt, Verzweiflung und sogar seinen Hass. Verdichtete Lebens- und Glaubenserfahrung. Darin kann ich eintauchen. Und mir manches Wort zu Eigen machen.

David bedeutet „der Geliebte“, „Liebling Gottes“. Gibt es einen schöneren „Schirm“, um darunter aufzuwachsen? Ich bin Gott dankbar, dass ich vor wenigen Jahren nochmal ganz deutlich erfahren durfte, dass ich von ihm gemeint und geliebt bin. Hinter diese Erfahrung möchte ich nicht mehr zurück.

Und so bin ich meinen Eltern also dankbar für die „Empfehlung“, für die Wegweisung, die sie mir durch die Wahl meines Namens mit auf den Weg gegeben haben. Das habt Ihr gut gemacht!

 

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Maria, die Widerspenstige

Maria Lang

Ich wurde nach meiner Großmutter benannt, die eine wichtige Bezugsperson für mich war. Gemeinsam feierten wir am 12. September unseren Namenstag. Allerdings wurde mir sehr bald bewusst, dass mein Name unglaublich altmodisch war. In der Schule wurde ich oft mit „heilige Maria“ gehänselt. Die Bandbreite meiner Spitznamen war schier unglaublich. „Mitzi“, „Miezi“ und „Miaz“ fand ich am Schrecklichsten. Gleich danach kam „Mariah“, wie mich mein Englischlehrer nannte. „Marilli“ rief mich meine Tante liebevoll, was für mich aber eher nach „Marille“ (= Aprikose auf österreichisch) klang.

Ich muss zugeben, dass ich mir während meiner Kindheit und Jugendzeit einen anderen Namen wünschte, einen besonderen. Warum konnte ich nicht so wie die anderen Jacqueline, Yvonne oder Silke heißen? Wenn schon ein biblischer Name, dann hätte ich Judith oder Esther vorgezogen. Das waren wenigstens mutige, starke Frauen. Von Maria hatte ich die Vorstellung, sie sei ein kleinlautes, angepasstes Mauerblümchen, das zu allem „Ja“ sagte. Die Bedeutung „die Widerspenstige“ war mir unerklärlich. Wogegen hatte sie sich denn aufgelehnt? Nett und fromm war sie und das wollte ich als Jugendliche definitiv NICHT sein. Ich war eine Rebellin und forderte das Leben ordentlich heraus. Meine Abenteuerlust führte mich rund um den halben Globus und fast überall begegnete mir „Mary“ in religiösem Kontext. Kirchen waren nach ihr benannt. Sonst gab’s für mich nichts Spannendes zu entdecken.

Ich lernte, mit diesem Namen zu leben, ohne besonders stolz darauf zu sein. Witzig war manchmal, dass ich als „Maria Lang“ auf meine Schriftstellertätigkeit angesprochen wurde. Schließlich gibt es eine schwedische Krimiautorin mit diesem Namen, wobei ich eindeutig die Unbekanntere von uns beiden bin.

Eine deutliche Veränderung hat meine Israelreise gebracht, die ich vor kurzem unternahm. Viele Menschen, die ich kennenlernte, äußerten sich sehr positiv über meinen Namen. „Zufällig“ entdeckte ich in Jerusalem den Geburtsort Marias ganz in der Nähe des Löwentors. Als mir dann noch ganz praktisch bewusst wurde, wie weit Nazareth von Betlehem entfernt liegt und dass Maria den etwa 14-tägigen Fußmarsch hochschwanger zurückgelegt hat, stieg meine Achtung deutlich. Von wegen Mauerblümchen; diese Frau stand mit beiden Beinen im Leben! Bald darauf die Flucht nach Ägypten. Keine Sache für schwache Nerven …

„Shalom, Maria, du bist voll der Gnade …“ langsam begreife ich, dass dieser Name tatsächlich ein ganz Besonderer ist. Seine Bedeutung „die Widerspenstige“ könnte man auslegen als: „Die, die sich nicht unterkriegen lässt.“ So eine Person war Maria ganz sicher. Ich bin dankbar, so heißen zu dürfen.

Und noch etwas: Meine Oma ist vor kurzem gestorben. Im dankbaren Andenken an sie trage ich „unseren“ Namen nun mit ganz besonderer Freude.

 

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Judith, die Bekennerin

Judith Herm

„Judith“ kann man auch einfach mit „Frau aus Judäa“ übersetzen. Dass mein Name biblisch ist, scheint nicht überraschend, wenn man diese Bedeutung kennt. Mir war diese Herkunft allerdings einige Jahre nicht bewusst. Meine Eltern hatten den Namen gewählt, weil sie ihn schön fanden. Und da ich in einer evangelischen Freikirche aufwuchs, brauchte es meine katholische Oma, die mir als Kind erklärte: „Judit ist ein Buch in den Apokryphen.“

Das fand ich spannend! Ein eigenes Buch in der (katholischen) Bibel, das meinen Namen trug! Die Geschichte, die dort von meiner Namenspatin erzählt wird, gefiel mir zunächst allerdings weniger. Eine Frau, die dem Feldherrn Holofernes den Kopf abschlägt? Hätte es nicht etwas Netteres sein können? Nach und nach freundete ich mich jedoch mit der Geschichte an und erzählte sie sogar gerne, wenn man auf meinen Namen zu sprechen kam. Langweilig war sie wenigstens nicht – manchmal konnte man damit sogar ein bisschen schocken.

Viele andere Judiths kannte ich nicht in meinem Alter, wenn überhaupt las oder hörte ich von erwachsenen Frauen mit diesem Namen. Ich weiß noch, wie in unserer Lokalzeitung über die Autorin Judith Hermann berichtet wurde und ich mir einen Spaß daraus machte, die Überschrift auszuschneiden, den letzten Teil des Nachnamens entfernte und stolz meiner Grundschullehrerin den Artikel zeigte – sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es dort gar nicht um mich ging.

Eine weitere berühmte Judith begegnete mir später im Radio: Judith Holofernes, die Sängerin der Band „Wir sind Helden“. Diese Kombination aus Vor- und Nachnamen irritierte mich ziemlich. Wieso wollte jemand in seinem Namen Mörderin und Opfer vereinen? Lange zweifelte ich sowohl an der Allgemeinbildung als auch am Geschmack der Eltern dieser Frau – bis ich herausfand, dass „Holofernes“ ein Künstlername ist. Welche Botschaft die Sängerin damit vermitteln will, ist mir allerdings bis heute unklar – hoffentlich nicht, dass sie für ihre Musik über Leichen geht.

Da ich kaum andere Judiths in meinem Alter kannte, erschien mir der Name oft altmodisch und brav. Das verstärkte sich, als amerikanische Freunde mich darüber aufklärten, dass bei ihnen Judith ein typischer Großmutter-Name sei. Na toll! Die fanden auch die deutsche Aussprache des Namens belustigend, klang es für sie doch wie „you did“ (du machtest). Von anderen hörte ich das Wortspiel: „Judith, you did it, and you did it jut.“ (Judith, du machtest es, und du machtest es gut.) Nun gut.

Mittlerweile habe ich mich mit meinem Namen gut angefreundet. Die kopflose Geschichte dahinter kennen allerdings immer noch nicht viele in meiner Generation. Da habe ich noch einige Aufklärungsarbeit zu leisten – hoffentlich mit ein paar erheiternden Schockmomenten.

 

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Samuel, von Gott erhört

Samuel Moser

Samuel Moser konnte als Kind wenig mit seinem biblischen Namen anfangen. Das hat sich gründlich geändert.

 

Als meine Mutter mich zur Welt brachte, war sie bereits 32 Jahre alt. Bedingt durch einen schweren Unfall in der frühen Kindheit, war sie körperlich behindert. Weil sie so lange warten mussten, haben meine Eltern den Namen ihres Ältesten bewusst ausgewählt, und zwar in Anlehnung an die alttestamentliche Geschichte der Hanna. Diese bat Gott lange um ein Kind – und nannte ihren Erstgeborenen dann Samuel, „Ich bin von Gott erhört“. Für meine Eltern war ich offensichtlich ebenfalls ein vom Herrn Erbetener. Ob damit auch ein Gelübde, wie bei Hanna, verbunden war, weiß ich nicht.

Seit mehr als 80 Jahren lebe ich nun mit meinem Vornamen Samuel – und bejahe ihn zunehmend. Im Berner-Land, in dem ich aufwuchs, nannte man mich schon früh Sämi, auch meine Mutter rief mich bei diesem Namen. Ich hatte meine Mühe damit, denn das war auch ein häufiger Name für Berner Sennen-Hunde. Ansonsten war der Name Samuel damals eher selten; ich kann mich nicht erinnern, dass in den Schulen, die ich besuchte, außer mir noch jemand Samuel hieß. Auch stand ich immer unter dem Eindruck, der biblische Name würde mich zum „Frömmler“ stempeln. Wenn ich gelegentlich auf die mächtige Gestalt des biblischen Samuel angesprochen wurde, war mir das unangenehm. Diese Schuhe waren viel zu groß für mich.

Als ich meine Gattin Eve, mit der ich nun mehr als 56 Jahre verheiratet bin, kennenlernte, nannte sie mich schlicht Sam. Das gefiel mir. Eve und Sam, das passte. Von jetzt an stellte ich mich meist mit diesem Vornamen vor und wurde hinfort auch so angesprochen. In der Schweiz kennt man mich bis heute meist unter diesem Namen. Als ich vermehrt mit ausländischen Freunden zu tun hatte, nannten sie mich fast ausnahmslos Samuel. Auch meine Bücher und Beiträge in Zeitschriften erschienen unter diesem Namen. Und ich begann, mich damit anzufreunden. Wie beim Wein, das Alter macht milder. Heute ist mir der Name Samuel kostbar – nicht zuletzt wegen seiner biblischen Hintergrundgeschichte.

 

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Legenden über die Bibel: Der Feigenbaum

Von Dr. Ulrich Wendel

„Der blühende Feigenbaum ist Symbol für die Staatengründung Israels“

Über die Bibel kursieren viele Ideen, die zwar populär sind, aber der Nachprüfung nicht standhalten: Maria Magdalena war eine Prostituierte, das „Nadelöhr“ war ein Stadttor in Jerusalem – und manches mehr…

 

„Wenn der Feigenbaum blüht …“ – so oder ähnlich lauten die Titel von Predigten oder frommen Infoschriften über Israel. Im Ton einer gespannten Erwartung wird dann oft gesagt: Jesus habe Israel mit dem Feigenbaum verglichen. Wenn der blüht, sei die allerletzte Zeit angebrochen. Weil nun der Feigenbaum in der Bibel ein Symbol für Israel sei und weil 1948 die Welt zusehen konnte, wie der Staat Israel sich gründete, sei diese Prophetie von Jesus dabei, in Erfüllung zu gehen.

Zweifellos wäre es atemberaubend, direkter Zeitgenosse zu sein, wenn eine biblische Ankündigung sich erfüllt. Bloß: In der Bibel ist der Feigenbaum gar kein besonderes Symbol für Israel! Die Stellen, die dafür gelegentlich genannt werden, sprechen mal von zwei Sorten Feigen (Jeremia 24,1-10), mal von einer Feige zusammen mit Weintrauben (Hosea 9,10), mal von einem Weinstock und einem Feigenbaum (Joel 1,7). Wer das Alte Testament liest, käme kaum auf die Idee, unter den Bildworten für Israel würde gerade der Feigenbaum eine hervorstechende Rolle spielen.

Jesus hat den Feigenbaum dann als Gleichnis angeführt (Matthäus 24,32-44). Aber als Gleichnis wofür? Dafür, dass es Abläufe in der Geschichte gibt, die man an ihren Vorzeichen erkennen kann. So wie man den bevorstehenden Sommer daran erkennt, dass der Feigenbaum Blätter hervorbringt, so hat auch die letzte Zeit der Geschichte vorab ihre Hinweise. Jesus spricht hier weder speziell von Israel noch vom „Blühen“ des Feigenbaums. Und in der parallelen Stelle Lukas 21,29 sagt er: „Seht den Feigenbaum und [überhaupt] alle Bäume“. Es geht Jesus also gar nicht um einen speziellen Baum, sondern allgemein darum, dass Bäume eben zu bestimmter Zeit ausschlagen. Mehr ist nicht gesagt.

Dass die Staatengründung Israels eine Erfüllung des Jesuswortes vom Feigenbaum sei, ist leider ein Beispiel dafür, dass man ein Bibelwort erstens ungenau gelesen hat und zweitens noch mit Vorstellungen auffüllte, die weder dort noch im weiteren Zusammenhang zu finden sind.

Nun gibt es noch eine zweite Begebenheit, die mit Jesus und einem Feigenbaum zu tun hat. Als Jesus in Jerusalem kurz vor dem Passahfest einen Feigenbaum ohne Früchte sah und dort also nicht frühstücken konnte, kündigte er diesem Baum die Vernichtung an. Der verdorrte daraufhin augenblicklich (Matthäus 21,18-22) bzw. am nächsten Tag (Markus 11,20). Zu dieser Jahreszeit wären normalerweise die kleinen Vorfeigen zu erwarten gewesen, aber an diesem Baum nun fehlten sie. Immer wieder wird diese Stelle so ausgelegt, dass Jesus mit dieser Szene zeichenhaft Israel verflucht habe. Diese Auslegung hätte aber nur dann eine Basis, wenn man als Bibelleser beim Feigenbaum unwillkürlich an Israel denken müsste – dieser Zusammenhang fehlt aber eben in der Bibel! Allzu oft haben Christen gemeint, Gott habe sein Volk verflucht. Auch die Begebenheit mit dem Feigenbaum wurde dazu missbraucht. Zwar folgt im Markusevangelium auf die Verfluchung des Feigenbaums sogleich die Szene, in der Jesus im Tempel die Händler hinauswirft (Markus 11,16-19), aber das hat mit einem „Fluch“ über den Tempeldienst nichts zu tun. Jesus übt hier als Prophet eine Kritik am Tempel, wie sie schon aus dem Alten Testament (z.B. in Jeremia 7,1-15) bekannt ist.

Die eigentliche Bedeutung seines Wortes gegen den Feigenbaum hat Jesus seinen Jüngern selbst klar und deutlich gezeigt: Das glaubende Gebet hat eine genauso starke Wirkung wie das Vernichtungswort von Jesus an diesen Baum (Matthäus 21,21-22). Mehr wollte Jesus nicht sagen.

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Es gibt keine biblischen Prinzipien

Von Dr. Ulrich Wendel

Man begegnet ihr immer wieder: der Redeweise von „biblischen Prinzipien“. In zahlreichen Predigten, aber auch in Büchern und Schulungskonzepten. Da gibt es zum Beispiel „biblische Prinzipien für gelungene Kommunikation“ nach Epheser 4, ferner biblische Prinzipien für den Umgang mit Geld (unter dem Titel „Mäuse, Motten und Mercedes“) oder auch biblische Geschäftsprinzipien: „Die Bibel, das beste Managementhandbuch der Welt!“ Nicht zu vergessen die biblischen Prinzipien des Gemeindewachstums.

Keine Frage, Prinzipien sind nützlich. Weil man wenige allgemeine Grundsätze dann auf seine spezielle Situation anwenden kann. Ein Prinzip passt „im Prinzip“ erst mal immer und überall. Es ist handhabbar und funktioniert aus sich heraus.

Genau das ist es, was mich misstrauisch macht gegenüber der inflationären Verwendung von sogenannten biblischen Prinzipien. Denn der Glaube, den die Bibel beschreibt, ist nicht handhabbar und funktioniert auch nicht aus sich heraus. Er „funktioniert“ überhaupt nicht, sondern er lebt aus der Begegnung mit Gott.

Gott zeigt sich in der Bibel nicht in abstrakten Prinzipien, sondern durch sein Handeln in der Geschichte. Das ist ein pulsierendes Geschehen. Der lebendige Gott bleibt sich treu – aber er unterwirft sich keinen Prinzipien. Wer biblische Prinzipien sucht, läuft Gefahr, ein Christentum zu produzieren, das letztlich ohne Gott auskommt. Man hat ja Prinzipien…

Außerdem: Sind die Bibeltexte, die für bestimmte Prinzipien herhalten müssen, nicht oft willkürlich ausgewählt? Wer sagt denn, dass ein bestimmtes Prinzip gerade in diesem Briefabschnitt von Paulus oder in jenem Spruch Salomos steckt? Was ist mit den vielen anderen Texten, die auch noch etwas zu sagen haben? Fallen die aus dem Prinzip heraus? Oft fügen sich die Texte der Bibel eben in kein Prinzip ein.

Natürlich gibt es wiederkehrende Grundmuster, wie Gott handelt. So z.B. das Muster von Saat und Ernte: Was der Mensch sät, wird er ernten (vgl. Galater 6,7-8; 2. Korinther 9,6). Aber hier gibt es auch zahlreiche Ausnahmen. Und das wichtigste Grundmuster der Bibel ist kein Prinzip, sondern ein Geschenk: Gott ist Liebe. Die wichtigste Berufung ist keine Maxime, sondern der Ruf eines liebenden Gottes: „Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben.“

Wie wir als Christen leben sollen, sei es im Blick auf Kommunikation, Geld, Geschäftsverhalten oder Gemeindewachstum, es wird immer nur gehen im engen Gespräch mit Gott. Und nie ohne den Heiligen Geist.

Gottes Wort ist nicht unübersichtlich, nicht unberechenbar. Aber auch nicht starr festgelegt auf Prinzipien. Sondern reich und weit und lebendig und von Gottes Charakter durchdrungen. Es ist jedem Prinzip überlegen.

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