5 Freuden

Birgit Schilling

 

Was kann uns auch in Krisenzeiten stärken, so dass wir frohe und vertrauensvolle Menschen bleiben? Ich habe im Laufe der Zeit fünf Freuden-Spender entdeckt, die das Leben ein bisschen leichter und heller machen können.

 

  1. Die Leistungs- und Abarbeitungsfreude

Da ist zum ersten die Freude: Ich habe es geschafft, das Haus zu putzen, einen Dielenboden zu verlegen, den Einkauf zu erledigen. Die achtstündige Arbeitszeit im Büro ist beendet. Geschafft!

Wir alle haben Aufgaben, die wir erledigen müssen. Der Schwerpunkt liegt weniger im genüsslichen Tun als darin, es geschafft und To-Dos abgearbeitet zu haben. Für mich gehört die monatliche Buchführung dazu. Ich würde sie mir nie als Aufgabe aussuchen, doch sie gehört nun mal zu meiner Selbstständigkeit als Beraterin dazu und so freue ich mich vor allem, wenn sie erledigt ist.

Ich merke jedoch, dass ich es lernen kann, auch eine eher „unfreiwillige“ Arbeit achtsam und mit mehr Freude durchzuführen, indem ich versuche, sie mit einem zustimmenden Herzen zu erledigen. Ich sage mir innerlich: „Ja, es ist gut und in Ordnung, dass ich das jetzt mache. Dafür ist jetzt Zeit da.“ Ich lasse es zu, mich in eben diese – eigentlich ungeliebte – Arbeit zu vertiefen und spüre manchmal tatsächlich währenddessen Freude in mir und erst Recht, wenn die Arbeit erledigt ist.

Wenn meine Freuden jedoch vor allem die Leistungs- und Abarbeitungssaspekte beinhalten, geht es mir in der Tiefe meines Seins nicht gut. Das merken vor allem die anderen, die mit mir unterwegs sind: mein Ehemann, meine Kinder, meine Freundinnen, Leute aus der Gemeinde. Ich bin dann in Gefahr, einen Tunnelblick zu bekommen und mein Gegenüber nicht mehr wach und mitfühlend wahrzunehmen. Und auch nicht die kleinen Blümchen am Wegesrand. Doch zum Glück wurden mir vor einigen Jahren weitere Freuden bewusst:

 

  1. Die Beziehungsfreude

Als nächstes zeigte sich mir die Freude an Beziehungen. Ich lernte es, bei einem geliebten Menschen „ganz da“ zu sein, ohne ständig an unerledigte Aufgaben und Problemlösungen zu denken. Ich brauchte auch immer weniger „Programm“ und „Unterhaltung“ im Beieinandersein mit dem lieben Menschen – obwohl ja auch Unternehmungen schön sein können.

Das war früher anders. Wenn ich ehrlich bin, hat mich ein bloßes „Zusammensein“ mit lieben Menschen – ohne gemeinsame Aktivität – manchmal gelangweilt. Heute weiß ich, dass ich die anderen und mich nicht in der Tiefe gespürt habe. Ich war zu zerstreut, in Gedanken oft ganz woanders. Um nämlich von der Beziehungsfreude absorbiert zu werden, muss ich ganz da sein und genau hinschauen. Wie geht es dem anderen gerade? Was bewegt ihn oder sie? Wie ist ihm zumute? Und genauso wichtig ist diese Spur: Wie bin ich gerade hier? Was bewegt mich? Wie ist mir gerade zumute?

Keine einfachen Fragen. Doch wenn wir tiefer hineinspüren und das, was wir bei uns selbst und dem anderen wahrnehmen, in das Gespräch hineinnehmen, wenn wir auch mal Pausen aushalten, offene Fragen stellen, dann vertiefen sich Beziehungen. Ich beschenke andere mit Präsenz und Interesse – und bin selbst die Beschenkte dabei. Ich komme selbst zur Ruhe und andere fühlen sich in meiner Nähe wohl. Immer mal wieder hüpft dann mein Herz vor Freude über das Geschenk der innigen Beziehung.

Diese Freude kann sich auf Menschen beziehen – aber genauso auf Gott. So drückt es Teresa von Avila aus: „Meiner Meinung nach ist inneres Beten (Beten von ganzem Herzen) nichts anderes als das Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, dass er uns liebt.“ Zweckfreies Zusammensein mit Gott stärkt unsere Beziehungsfreude an ihm.

 

  1. Die Schaffensfreude

Bei dieser Freude steht nicht das Ergebnis im Vordergrund, sondern ich überlasse mich ganz der Kreativität und dem inneren Fluss des Geschehens. In der Schaffensfreude lasse ich die Kontrolle darüber los, wie sich etwas zu entwickeln hat. Ich gebe mir das innere Einverständnis, dass ich manchmal hängenbleibe und nicht weiterkomme, ohne umgehend darüber ungehalten zu werden. Das gehört zu jedem Kreativprozess dazu. In der Schaffensfreude gehe ich davon aus, dass mir Impulse geschenkt werden, die ich nicht kontrollieren kann. Darüber komme ich dann manchmal ins Staunen.

Immer mal wieder übernimmt die Schaffensfreude auch meine Schreibprojekte. Ich weiß selbst nicht, was um die Ecke kommt, und bin total gespannt und wach dabei. Und dann fließt es von innen. Ich spüre, wie Freude mein Inneres aufleben lässt und ich staune über das, was entstanden ist.

Ich erlebe Schaffensfreude auch manchmal beim Kochen, beim Gestalten der Wohnung, beim Planen eines Urlaubs oder beim Klavierspielen. Die Schaffensfreude braucht Schutzräume von Zeit und Ruhe, um sich entfalten zu können. Es ist für mich ein Akt der Selbstfürsorge, sie mir zu gönnen und einen Riegel vor zu viele Anforderungen zu schieben, die andere an mich stellen oder ich selbst.

 

  1. Die Seinsfreude

Wir sind von Gott so geschaffen, dass wir in uns Wohlsein und Freude darüber spüren, am Leben zu sein – Freude an unserer normalen Existenz im Alltag, im So-Dasein, ohne dass wir etwas leisten. Früher habe ich mich im So-Da-Sein nicht gut gespürt. Ich brauchte immer Aktion oder Sport oder Abwechslung oder eine Aufgabe, um mich zu spüren. Doch es ist etwas Wunderbares, ja wie eine Befreiung, „meiner Selbst gewahr zu werden“ – mit Leib, Seele und Geist, so wie ich wirklich bin, verbunden mit Gott. Seinsfreude zu spüren.

So bin ich heute schon spazieren gegangen, nahm die Sonnenstrahlen in meinem Gesicht wahr und … freute mich. Dann fiel mein Blick auf ein kleines Rotkehlchen, das auf einem Ast sitzend zwitscherte, und … ich freute mich. Ich aß genüsslich mein Müsli mit leckerem Obst und … freute mich. Lebendigkeit. Leben. Ein kurzes Gebet: Danke, Jesus!

Damit ich mich an diesen kleinen Momenten freuen kann, durfte ich lernen, einen anderen Gang zu wählen als früher – und zwar langsamer zu werden und innezuhalten, um die Freude am Sein in mir und in der Umgebung spüren zu können. Vor kurzem hörte ich: „Menschen suchen immer mehr Sinn, weil sie nicht mehr in ihren Sinnen sind.“ Ja, Seinsfreude hat mit den Sinnen zu tun. Damit, bewusst zu hören, zu schmecken, zu riechen, sich zu bewegen, zu spüren und zu tasten … und Freude als die Resonanz unseres Innern wahrzunehmen. Achtsamkeit. Seinsfreude. So hat Gott uns Menschen geschaffen.

 

  1. Die Helfensfreude

Der Zuspruch und die Aufforderung Gottes an den alttestamentlichen Stammvater Abraham lautete: „Ich will dich segnen und du sollst ein Segen sein“ (Genesis, Kapitel 12, Vers 2). Seine stärkende und Mut machende Begleitung spricht Gott auch uns zu. Er will uns segnen und wir sind in diese Welt gestellt, um für andere ein Segen zu sein. So klar und einfach ist das. Wir sind von Gott so gemacht, dass wir große Freude verspüren, wenn wir über uns hinaus leben. Wenn wir merken: Mein Leben macht einen Unterschied im Leben eines anderen. Je mehr wir Gott kennen und lieben lernen, umso mehr werden wir fähig, uns uneigennützig an andere zu verschenken.

Es ist, als würde unser Brunnen einfach übersprudeln zu anderen hin. Wenn wir im Vertrauen auf Gott unterwegs sind, werden wir immer wieder Impulse verspüren, anderen zu helfen und ihnen Anteil zu geben an dem, was Gott uns geschenkt hat: Zeit, Geld, Fähigkeiten, Begabungen.

 

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