Viel Positives, wenig Nein

Helen Krebs

Fünf Regeln für Papa und Mama, die das Familienleben entstressen. 

Mit dem zweiten Kind und einer frühen dritten Schwangerschaft wurde es hektisch in unserer Familie. Hatten wir den Alltag mit unserer ersten Tochter gut und nach unseren Vorstellungen meistern können, kam die Veränderung plötzlich mit voller Wucht: Mein Mann und ich stritten uns oft wegen Lappalien, wir waren ständig müde, und ich kam mir vor, als käme ich aus den Arbeiten im Haushalt nicht mehr raus. Uns wurde klar, dass sich etwas ändern musste, denn wir verspürten oft keine Freude mehr bei unseren Aufgaben. Unbewusst versuchten wir zuerst, das Verhalten unserer Kinder zu ändern, womit wir allerdings krachend scheiterten. Also fingen mein Mann und ich an, bei uns selbst anzusetzen. Dafür stellten wir fünf Regeln für unseren Alltag auf. Sie sollten uns das Miteinander erleichtern mit dem Ziel, den Stress herauszunehmen.

  1. Mein Mann und ich sind nett zueinander

Das ist nicht zufällig die erste Regel. Gott wünscht und schenkt uns in unserer Ehe Einigkeit, Liebe und Gemeinschaft. Wir merken jedoch immer wieder, dass diese Dinge umkämpft sind. Deswegen wollen wir unsere Ehe besonders schützen. Dass wir uns ehren und lieben, gebietet uns Gott trotz einer kurzen Nacht. Zudem sind wir einander die einzigen Teampartner im Abenteuer Familienleben und brauchen uns als Unterstützer. Was nett sein bedeutet, halten wir bewusst offen, denn es kann im Alltag ganz Unterschiedliches meinen: ein Lächeln zwischendurch, eine Ermutigung beim Verabschieden oder dass wir Kritik nur dann üben, wenn es wirklich wichtig ist – die Reihenfolge von Waschmaschinengängen gehört beispielsweise nicht dazu.

  1. Haushalt hat keine Priorität

Wir wohnen bald zu fünft auf 80 Quadratmetern. Stiefeln die Kinder sandig durch die Wohnungstür, knistert es schnell in jedem unserer drei Zimmer. Schmutz auf so engem Raum muss man psychisch und optisch aushalten können. Wir haben es uns antrainiert, denn zu oft haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir mit der Putzaktion doch nicht fertig wurden, sondern stattdessen zwei weinende Kinder hatten und selbst noch genervter waren als vorher. Lieber erinnern wir uns an Jesu liebevolle Worte an Martha aus Lukas 10: Jesus ermutigt sie, den Haushalt Haushalt sein zu lassen und sich stattdessen dem Wichtigen zuzuwenden.

  1. Wir ärgern uns nicht, wenn sich unsere Kinder schmutzig machen

Kann man nicht eigentlich alles waschen? Was an Kleidungsstücken nicht in die Waschmaschine darf oder besonderen Einweich-Aufwand mit sich bringt, ziehen wir nur in Ausnahmefällen an. Geht die Tomatensoße beim Essen daneben, geben wir die Schuld nicht unseren Kindern, denn sie machen es – in den meisten Fällen – nicht mit Absicht. Die Situation gemeinsam am Esstisch zu essen, stellt Kinder sowieso vor eine Menge Regeln, die sich ihnen nicht automatisch erschließen: Es wird jetzt gegessen, innerhalb eines bestimmten Zeitraums und zwar das, was vorbereitet wurde und dann auch noch so, dass nichts daneben geht. Diese kulturellen Spitzfindigkeiten müssen erst einmal erlernt werden. Im Umkehrschluss haben wir uns mit dieser Regel für einen immer vollen Wäschekorb entschieden. Aber gleichzeitig haben wir viel entspanntere gemeinsame Mahlzeiten, da wir uns und unsere Kinder nicht mit permanenten Ermahnungen stressen.

  1. Wir überfordern unsere Kinder nicht mit Regeln

Unser Sohn ist ein toller Werfer: Bälle, Nudeln, Töpfe. Das ist nicht immer angebracht. Wir haben uns aber eingestehen müssen, dass er es sich nicht verbieten lässt. Also lassen wir ihn werfen, freuen uns mit ihm, wenn es scheppert oder wie weit er mittlerweile kommt. Trotzdem gibt es Grenzen, die wir ihm liebevoll erklärend vermitteln möchten. In einer immer wieder schwierig zu findenden Balance versuchen wir, unsere Kinder möglichst wenig Nein hören zu lassen. Wir möchten ihnen stattdessen ganz viel Positives zusprechen. Vieles, was unsere Kinder tun und das nicht gesellschaftskonform ist, ist ein Ausprobieren, das wir ihnen gönnen möchten. Denn Kinder sind keine kleinen Erwachsenen, die auf Linie gebracht werden müssen. Sie denken, fühlen und priorisieren noch ganz anders. Situationen, in denen unsere Kinder mit Verhaltensregeln überfordert sind, versuchen wir zu meiden. Dabei müssen wir uns eingestehen, dass manches gerade nicht geht. Daher brechen wir zum Beispiel von dem netten Besuch bei den Großeltern früher auf, bevor die Kinder vor Müdigkeit und ungewohnten Einflüssen nicht mehr können und Wutanfälle bekommen.

  1. Keine Heldentaten für das eigene Image

Morgen ist Kaffeetrinken mit dem Hauskreis. Dafür hatten wir angekündigt, einen Hefezopf zu backen. Nun ist es aber schon 21 Uhr und mein Mann und ich sind zu müde für die Küche. Wir entscheiden uns gegen das Backen, für die Brezeln vom Bäcker und Ehe-Quality-Time auf dem Sofa. Puh, wieder mal haben wir etwas nicht geschafft, was wir uns vorgenommen hatten. Das fühlt sich nicht gut an. Sich einzugestehen, dass man Grenzen hat, macht Menschen aber nicht weniger liebenswert. Im Gegenteil: Perfektion erzeugt Achtung, Fehler dagegen Sympathien. Auch unseren Kindern möchten wir immer wieder vermitteln, dass es okay ist, wenn sie an etwas scheitern. Dass wir sie mit ihren Schwächen annehmen, wie auch Gott uns mit bedingungsloser Liebe annimmt.

 

Unsere fünf Regeln haben viel mit Entscheidung zu tun. Teilweise treffen wir sie immer wieder neu, und es ist oft eine Überwindung. Denn eigentlich mögen wir es sauber und geordnet, wir zeigen anderen gerne, was wir alles schaffen können und wie gut unsere Kinder funktionieren. Gleichzeitig haben wir gemerkt, wie sehr die fünf Regeln den Stress in unserem Alltag reduzieren. Eben weil wir bei der Veränderung bei uns Erwachsenen angesetzt haben. Denn wir möchten unseren Kindern entgegenkommen und nicht ein Verhalten von ihnen erwarten, zu dem sie noch nicht fähig sind – und uns diese Freiheit der Schwächen ebenfalls gönnen.

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