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Wie groß bist du!

Agnes Wedell

Gott kann man nicht nur im Gottesdienst oder beim Bibellesen begegnen, sondern zum Beispiel auch während eines Spaziergangs in der Natur, meint Agnes Wedell.

Jedes Jahr bin ich neu davon fasziniert: Auf scheinbar toten Zweigen entstehen zunächst pockenartige „Ausbuchtungen“, die sich nach und nach zu Knospen erweitern, irgendwann aufbrechen und dann filigran gefaltete Blättchen ans Tageslicht bringen. Diese sind zunächst durchscheinend und winzig. Man ahnt kaum, dass sie irgendwann ein dichtes Blätterdach bilden werden.

Ich liebe den Frühling: das zarte, erwachende Grün, Blüten in den verschiedensten Farben und Formen, mal dezent duftend, mal betörend. Dazu Vogelzwitschern und Bienensummen. Wobei ich letzteres in diesem Jahr noch vermisse. Dafür konnte ich schon einige Meisen und Eichhörnchen bei ihrer emsigen Betriebsamkeit beobachten.

Wenn ich dieses Wunder Jahr für Jahr erlebe, entsteht in mir ganz von selbst ein ehrfürchtiges Staunen über den, der das alles geschaffen hat, am Leben erhält und immer wieder neu ins Leben ruft. Also Anbetung – die meistens ganz ohne Worte auskommt. Ähnlich empfinde ich, wenn ich ein neu geborenes Kind sehe, die winzigen, aber schon perfekt geformten Fingerchen bewundere, staunend feststelle, dass dieser kleine Mensch von Anfang an eine ganz eigene Persönlichkeit ist. „Wenn du ein Kind siehst, hast du Gott auf frischer Tat ertappt.“ Dieses Zitat wird Martin Luther zugesprochen, vielleicht stammt es auch von einem Unbekannten. Treffend ist es auf jeden Fall.

ALLEIN DAS WORT

Gott in der Natur begegnen – das stößt bei einigen Christen auf Misstrauen. Sie sehen die Gefahr, in Baum und Blume ein unbestimmtes göttliches Wesen zu verehren, statt das eigene Leben dem Gott anzuvertrauen, der sich in der Bibel offenbart. Deren Wert hat der schon erwähnte Martin Luther betont – und die Heilige Schrift durch seine Übersetzung ins Deutsche auch für Laien zugänglich gemacht. Seitdem gilt: Nicht Reliquien und Rituale (und schon gar nicht Naturbeobachtungen) sollen im Mittelpunkt des christlichen Glaubens stehen, sondern die biblische Botschaft von Gott, dem Vater, der die Menschen liebt, sie erlöst und ihnen Richtlinien für ein gelingendes Leben gibt. Die „Wortverkündigung“ hat deshalb im evangelischen Gottesdienst einen wichtigen Stellenwert, vor allem in reformierten Landes- und Freikirchen. Was gut und richtig ist.

Aber wie bei allen guten Dingen kann man auch hier übertreiben – beziehungsweise einseitig werden. Dann steht das Wort nicht nur im Mittelpunkt, sondern es ist (abgesehen von geistigen Liedern und der christlichen Gemeinschaft) das Einzige, das zählt. Alles andere – Bilder, kunstvolle Musik, liturgische Texte, Schauspiel und vieles mehr – gelten dann als überflüssig oder sogar schädlich. Ich freue mich, dass es hier in den vergangenen Jahrzehnten ein Umdenken gegeben hat. Dass man den Reichtum der verschiedenen Ausdrucksformen des christlichen Glaubens inzwischen wieder mehr schätzt.

Ganz verschwunden ist das Misstrauen gegenüber diesen Formen aber noch nicht, fürchte ich. Ich habe jedenfalls oft Sätze wie diesen gehört: „Das ist ja alles gut und schön, aber kommen wir endlich zur Hauptsache!“ Aber ist es wirklich so selbstverständlich, dass diese Hauptsache immer und für jeden aus Worten bestehen muss?

GÖTTLICHE VIELFALT

Damit kein Missverständnis entsteht: Worte sind mir sehr wichtig. Sonst wäre ich sicher nicht Journalistin geworden. Ich höre gerne Predigten und Vorträge, besonders, wenn sie Gedanken enthalten, die für mich neu sind oder bekannte Wissensschnipsel in einen Zusammenhang setzen. Es macht mir Spaß, allein oder zusammen mit anderen über praktische, biblisch-theologische oder auch mehr oder weniger philosophische Fragen nachzudenken. Manchmal enden diese Gedanken aber in einer Sackgasse oder sie laufen im Kreis. In dieser Situation hilft es mir erst einmal nicht weiter, noch mehr Worte und Gedanken zu hören – und seien sie auch noch so wertvoll. Eine Blume oder eine Schneeflocke kann mir dann mehr „sagen“ als zehn Predigten.

Eine meiner Freundinnen blickt in den Sternenhimmel und spürt dabei Gottes Größe und Allmacht. Zu einer anderen spricht Gottes Wort besonders intensiv, wenn sie sich mit Pinsel, Farbe, Aufklebern, Schere und Papier mit einem Bibelvers auseinandersetzt. Ille Ochs, die wir im Titelporträt dieser Ausgabe vorstellen, bringt ihre Bitten, ihre Fragen und ihre Anbetung im Tanz vor Gott. Liebhaber klassischer Musik erkennen in der vollkommenen Schönheit der Bach’schen Fugen einen Abglanz von Gottes Genialität.

Was der oder die andere als Offenbarung Gottes sieht, spricht mich manchmal kaum oder gar nicht an. Das macht auch nichts. Wir glauben an einen Gott, der seine unfassbare Kreativität auf dieser Erde so verschwenderisch wirken lässt, dass jeder von uns nur einen winzigen Bruchteil davon erkennen kann. Jammerschade wäre es aber, wenn wir „unser Bruchteil“ übersehen.

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„Morgen, Kinder, wird’s was geben“

von Agnes Wedell

Wie Weihnachten zum Fest der Geschenke wurde

Auf die Frage „Wie war Weihnachten?“ zählen Kinder meistens auf, was sie alles geschenkt bekommen haben. Erwachsene würden das wohl nicht so klar ausdrücken, aber auch sie möchten in der Regel nicht auf die traditionelle Bescherung an Weihnachten verzichten. Natürlich könnte man die Bücher, Kosmetikartikel und DVDs, die man an Heiligabend auspackt, mit viel weniger Aufwand, als ihn der Schenkende hat, einfach selbst kaufen und würde dabei sicher den eigenen Geschmack besser treffen. Trotzdem: Die kleinen und größeren Päckchen unterm mit Kerzen geschmückten Baum gehören einfach zu Weihnachten. Das war schon immer so – oder?

Trautes Familien-Idyll

Genau genommen ist diese Tradition erst 200 Jahre alt. Im Biedermeier (1815-1840) wurde aus dem kirchlichen Weihnachtsfest mehr und mehr ein Familienfest. Der Dichter E. T. A. Hoffmann beschreibt dieses traute Weihnachts-Familien-Idyll in seinem Märchen „Nussknacker und Mausekönig“: „Der große Tannenbaum in der Mitte trug viele goldne und silberne Äpfel, und wie Knospen und Blüten keimten Zuckermandeln und bunte Bonbons und was es sonst noch für schönes Naschwerk gibt, aus allen Ästen. (…) Um den Baum umher glänzte alles sehr bunt und herrlich – was es da alles für schöne Sachen gab – ja, wer das zu beschreiben vermöchte!“

Kleine Leckereien in der Weihnachtszeit, vor allem für Kinder, gab es schon seit Langem. Bereits die alten Römer machten sich zum Jahresende Geschenke – das sollte Glück bringen. Diese Tradition wurde bald mit dem Weihnachtsfest verbunden, das zunächst zum Jahreswechsel gefeiert wurde. Die Begründung war aber neu: Gott hat den Menschen in Jesus den Erlöser geschenkt. Außerdem erinnern die Weihnachtsgeschenke daran, dass die Weisen dem Jesuskind Gold, Weihrauch und Myrrhe brachten.

Christkind und Nikolaus

Ein Patron fürs Schenken ist auch Nikolaus von Myra. Der Bischof aus dem vierten Jahrhundert hat der Legende nach drei verarmten Mädchen jeweils einen Goldklumpen ins Haus geworfen und es ihnen so ermöglicht, zu heiraten. Bei den Kindern war dieser freigiebige Heilige seit dem 13. Jahrhundert sehr beliebt, da er ihnen Äpfel und Nüsse brachte. Der Reformator Martin Luther hielt von diesem Brauch allerdings wenig, schließlich sollte in der Advents- und Weihnachtszeit Jesus im Mittelpunkt stehen, nicht Nikolaus. Außerdem lehnte er die Verehrung von Heiligen ohnehin ab. Geschenke gab es in evangelischen Familien deshalb an Weihnachten, sie wurden vom „heiligen Christ“ gebracht, aus dem später das Christkind wurde.

Lange Zeit handelte es sich bei diesen Geschenken um kleine Leckereien, die am Baum hingen, manchmal auch um praktische Geschenke wie Schuhe oder Kleidung. Kinder aus wohlhabenden Bürgerfamilien konnten sich seit dem 19. Jahrhundert außerdem auf Spielzeug freuen: Zinnsoldaten, Steckenpferde oder Spielzeugeisenbahnen für Jungs, Puppen samt Zubehör für Mädchen. Ein berühmtes Weihnachtsgeschenk machte 1845 der Arzt Heinrich Hoffmann seinem dreijährigen Sohn: Das von ihm verfasste Bilderbuch „Struwwelpeter“ begleitete seitdem Generationen von Kindern.

Was die geschenkten Spielsachen anging, war damals übrigens „Recycling“ angesagt: Spätestens im Februar wurden sie eingesammelt und verschwanden in einer Truhe – bis zum nächsten Weihnachtsfest.

 

Wann ist endlich Bescherung?

Nicht überall auf der Welt packen die Kinder ihre Geschenke am Heiligabend aus. In England schleicht der Weihnachtsmann mit seinen Gaben erst in der Nacht zum 25. Dezember ins Haus. Die kleineren Päckchen deponiert er in extra dafür aufgehängten Socken – wo sie die Kinder am nächsten Morgen finden. Noch einen Tag später, am 26. Dezember, werden die Geschenke in Ghana ausgepackt. In Italien und Spanien beschenkt man sich sogar erst am 6. Januar, dem Dreikönigstag. Ein Termin, den man eigentlich auch für die Bescherung in Russland vermuten würde. Denn die dortige orthodoxe Kirche feiert an diesem Tag Weihnachten. Die Kinder haben ihre Geschenke allerdings schon fünf Tage zuvor, am Neujahrstag, bekommen – von „Väterchen Frost“.

Oben auf der Wunschliste

Mit „Apfel, Nuss und Mandelkern“ (wie es in einem alten Weihnachtslied heißt) ist es an Weihnachten längst nicht mehr getan. Von Jahr zu Jahr werden die Wunschlisten der Kinder länger und anspruchsvoller. Während im Wirtschaftswunderland der 50er-Jahre Teddys und Legosteine, Modelleisenbahnen und Kaufmannsläden, Puppenhäuser und Gesellschaftsspiele der Renner waren, steht heute vor allem Unterhaltungselektronik hoch im Kurs.

Auch bei Erwachsenen kommt ein großer Teil der Präsente aus dem Multimediabereich. Am beliebtesten sind aber Bücher, Kosmetik – und Geschenkgutscheine. Schließlich ist es gar nicht so einfach, den Geschmack des Beschenkten einzuschätzen. Außerdem kann man so auf eine aufwendige Verpackung verzichten. Wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtet, schätzt man die Mengen Geschenkpapier, die an Weihnachten verbraucht werden, auf rund 8.000 Tonnen. Damit könnte man mehr als 7.000 Fußballplätze bedecken.

Anders schenken

Gutscheine werden oft auch überreicht, wenn man sich dafür entscheidet, Zeit zu schenken – in Form eines Restaurantbesuchs, einer Ballonfahrt oder einer Hilfeleistung. Theater- oder Konzertkarten landen ebenfalls häufig auf dem Gabentisch – genauso wie Selbstgebackenes, Gestricktes oder Gebasteltes. Andere unterstützen lieber im Namen des Beschenkten ein soziales Projekt.

Spendabel am Jahresende

Im November und Dezember erwirtschaftet der Einzelhandel einen großen Teil seines Jahresumsatzes. In dieser Zeit sind die Verbraucher besonders freigiebig, wenn es ums Essen, festliche Deko, Reisen und vor allem um Geschenke geht. Für sie wird mehr als die Hälfte des Weihnachtsbudgets ausgegeben – 2015 waren das laut Angaben des Handelsverbands Deutschland 86,7 Milliarden Euro. Pro Kopf sind das 266 Euro, glaubt man der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Ernst & Young; das ifes Institut für Empirie & Statistik rechnet sogar mit rund 460 Euro. Wobei der Weihnachtsmann in Bayern (509 Euro) wesentlich spendabler ist als in Berlin (409 Euro). Im Vergleich zu den USA verhält sich allerdings ganz Deutschland äußerst knauserig: Die Amerikaner geben etwa dreimal so viel für Geschenke aus.

Frauen kaufen weniger und schneller

Wie die Umfrage des ifes Instituts außerdem ergab, geben Männer mehr Geld für Geschenke aus als Frauen, brauchen dafür aber oft noch bis kurz vor Weihnachten – während die meisten Frauen spätestens ab Mitte Dezember Zeit für andere Weihnachtsvorbereitungen haben. 15 Prozent der Deutschen verteilen ihre Weihnachtseinkäufe sogar über das ganze Jahr. Das spart Kosten. Zwölf Prozent der Deutschen sparen es sich lieber gleich ganz, etwas an Weihnachten zu verschenken (weitere interessante Fakten zu Weihnachten auf www.was-soll-ich-schenken.net/weihnachten-live).

Was tun mit ungeliebten Geschenken?

Die Hose ist zu klein, der Pulli hat die falsche Farbe, von der DVD steht bereits ein Exemplar im Regal und bei aller Liebe zum Schenker möchte man die kitschige Vase schnellstens außer Sichtweite bringen: Etwa eine Milliarde Euro wurden 2008 für unerwünschte Weihnachtsgeschenke ausgegeben, ergab eine ebay-Umfrage.

Sollte man solche Geschenke behalten (schließlich zählt ja der gute Wille!), verkaufen oder umtauschen? Laut Handelsverband Deutschland wurden 2011 knapp fünf Prozent der Geschenke umgetauscht. Die meisten Geschäfte sind damit einverstanden, ein Recht darauf gibt es aber nicht. Eine originelle Alternative, um verschmähte Weihnachtsgeschenke loszuwerden, gibt es in München: Seit 20 Jahren versteigert Albert Dietrich sie nach Weihnachten im Rathaus-Innenhof. Der Erlös kommt dem Kinderhilfswerk Unicef zugute – bisher fast eine halbe Million Euro.

 

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift lebenslust. Jetzt kostenlos testen: www.bundes-verlag.net/lebenslust