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Das Bibel Projekt

Liesa Dieckhoff

Neuer Zugang zu alten Schätzen

Ist die Bibel in gedruckter Form noch zeitgemäße Verkündigung? Müsste jetzt nicht alles digital werden? Nein, meint Philipp Kruse. Er hat mit dem Bibel Projekt eine Kombination aus digitalen und analogen Inhalten nach Deutschland gebracht. Animierte Videos und übersichtliche Poster sollen das Buch der Bücher neu anschlussfähig machen.

Philipp, wie bist du mit dem Bibel Projekt in Kontakt gekommen?

Als Jugendpastor habe ich nach einem Tool gesucht, um meine Jugendlichen besser mit biblischen Inhalten zu schulen. Vor drei Jahren bin ich dann in Amerika während einer Schulung auf das original amerikanische Bibelprojekt gestoßen. Und da dachte ich, das ist so cool, das muss es auch in Deutschland geben.

Und dann habt ihr die Videos einfach aus dem Englischen übersetzen lassen?b

Das amerikanische Projekt war damals noch gar nicht so groß, aber schon am Durchstarten. Als ich nachgehört habe, ob sie sich sowas vorstellen könnten, meinten sie: Mach einfach mal, du bist der erste, der gefragt hat. Mittlerweile haben sie Anfragen aus der ganzen Welt.

Warum ist das Interesse auf einmal so groß?

Ich glaube, gerade Jugendlichen fällt es oft schwer, die Zusammenhänge der Bibel zu verstehen. Für viele sind das einfach Geschichten, die aneinandergereiht sind. Aber das große Ganze zu sehen, die eine Geschichte, die Gott mit uns Menschen schreibt und darin seinen Platz zu finden, ist eine echte Herausforderung. Genau dort wollen wir ansetzen und aufzeigen: Wie hängt das Alles zusammen? Was ist der rote Faden der Bibel? Und was hat das mit meinem Leben zu tun?

Trotz dieser großen Perspektive kommt man um konkrete Auslegungen nicht herum. Wer legt die theologische Deutung der Videos fest?

Das große theologische Konzept kommt von Tim Becky. Er war Professor für Theologie in Portland, Oregon. Den Videos liegt eine Mischung aus evangelikaler und reformierter Theologie zugrunde – und das unterstützen wir von Herzen. Die Freiheit, Kleinigkeiten zu ändern, haben wir natürlich. Zum Beispiel müssen wir sprachlich oft Anpassungen vornehmen. Aber das große Konzept brechen wir nicht auf.

Wieso ist euch dieses Medium ein besonderes Anliegen?

Ich glaube, weil es digital und analog nicht gegeneinander ausspielt, sondern auf eine coole Art und Weise miteinander verbindet. Ich werde oft zu Diskussionen eingeladen und gefragt: Muss jetzt alles digital werden? Liegt die Zukunft in digitaler Jugendarbeit? Aber ich glaube nicht, dass die Frage nach analog oder digital entscheidend ist, sondern ob es ästhetisch schön ist, ob es sinnvoll und gut gemacht ist und ob es eine gewisse Tiefe hat. Sinnvoll ist oft eine Kombination aus beidem. Ein gutes Beispiel dafür sind die Micro-Influencer, die es gerade im Bereich Bible-Lettering gibt. Die verkaufen auch alle ihre Karten und Poster, Tagebücher und T-Shirts und generieren damit eine beeindruckende Reichweite.

Wie können Gemeinden oder Privatpersonen die Videos für sich nutzen?

Vor allem Hauskreise nutzen unser Material, bestellen sich die Poster und diskutieren darüber. Seit ein paar Monaten läuft auch das Zusatzmaterial an. Damit wird das Bibel Projekt runtergebrochen in die einzelnen Facetten von theologischer Ausbildung, Jugendarbeit, Religionsunterricht, und so weiter. Es soll zum Beispiel noch eine Toolbox für Jugendarbeit entstehen, so eine Art Schuhkarton, wo Gruppenstunden-Entwürfe zu unseren Videos drin sind. Wir wissen auch, dass viele Studierende mit unserem Material lernen – zum Teil sogar von Dozierenden, die es im Unterricht einsetzten.

Und ihr finanziert die Übersetzungen über Spenden?

Genau, wir geben alles kostenlos raus und finanzieren uns allein über Spenden. Wir haben vor, bis Januar die Read-Scripture-Serie zu beenden. Aber natürlich ist deshalb das Bibelprojekt nicht zu Ende! Es gibt mittlerweile schon acht Serien und es kommen noch mehr. Wir haben Material für die nächsten fünf Jahre.

Und wie priorisiert ihr dann, was ihr als nächstes herausgebt?

Die Landeskirche Württemberg ist vor eineinhalb Jahren als Partner bei uns eingestiegen. Gemeinsam haben wir eine Prioritätenliste erstellt: Welche Bücher sollten wir zügig vorliegen haben, weil sie am meisten gelesen und gebraucht werden? Das sind zum Beispiel die Evangelien, alle Paulusbriefe oder die kleinen Propheten.

Wie viel Aufwand investiert ihr in ein Video?

Wir brauchen mindestens vierzehn Tage für ein Video, und das mit sieben Hauptamtlichen. Das war auch die Herausforderung: Den Prozess so zu optimieren, dass wir relativ schnell sind. Aber dafür braucht es eben mehrere Menschen, die das beruflich machen und das Know-how mitbringen. Die Animationen sind komplex und sehr zeitintensiv.

Lohnt sich der Aufwand?

Absolut. Wir sind anfangs fast überrannt worden und konnten die Anfragen zeitweise kaum kanalisieren. Manchmal haben wir schon ein schlechtes Gewissen, weil wir so schnell gar nicht auf alles reagieren können.

Welche Kanäle für digitale Bibelvermittlung wollt ihr künftig noch nutzen?

Zukunftsmusik ist definitiv Virtual Reality. Das heißt, du gehst zum Beispiel mit einer VR-Brille durch den Tempel in Jerusalem und bekommst alles erklärt. Da sind die Amerikaner schon dran. Wir müssen dann sehen, wie wir das nach Deutschland holen können. Hierzulande fehlt oft das Verständnis für den erhöhten Kostenaufwand solcher Technologien.

Gibt es auch kritische Stimmen auf Grund des Mediums?

Es gibt auch Leute, die meinen, wir würden durch unsere Videos Leute vom klassischen Bibellesen ablenken. Aber wir wollen das Bibellesen ja nicht ersetzen, sondern vielmehr ergänzen. Wir wollen die Bibel wieder anschlussfähig für die junge Generation machen, die sich häufig schwertut, einen Einstieg zu finden. Wir wollen Tür und Tor öffnen und damit das Bibellesen aktiv fördern.

Habt ihr auch erlebt, dass Leute über eure Videos zurück zur Buchversion gefunden haben?

Absolut. Viele bedanken sich bei uns. Sie hätten endlich etwas verstanden und dadurch wieder mehr Freude am Bibellesen.

 

Dieses Interview erschien in DRAN. Jetzt kostenlos testen: www.dran.de

Zwölf Wochen kreativ

Marietta Steinhöfel

Was haben Collagen, Rapmusik oder Lettering (kunstvolles Schreiben) mit dem Glauben zu tun? Eine Menge, wenn man sie zur Anbetung Gottes nutzt. In einer Kleingruppe in Bochum stehen unterschiedliche kreative Ausdrucksformen im Mittelpunkt.

 

Ich sitze in einer von vielen Stuhlreihen der Kirche im Pott, als Pastor Renke Bohlen von der Bühne des großzügigen Gebäudes am Bochumer Stadtpark ein neues Hauskreiskonzept ankündigt. Ab sofort seien zwei Wochen Zeit, sich für die Gruppen online anzumelden. Es würde Kleingruppen zu verschiedenen Themen geben, die sogenannten Familygroups, in denen sich Leute mindestens ein Trimester lang, also für zwölf Wochen zusammen tun. Ich möchte Menschen aus der Kirche kennenlernen und geistlich wachsen. Also die perfekte Gelegenheit für mich!

 

Wo Hobby und Glaube eins werden

Zuhause am Rechner schaue ich mir online eine Zusammenstellung der Kreise an. Bislang stehen 18 verschiedene Gruppen zur Auswahl. Von Playstation-Zockern bis Bibelstudium-Hockern ist alles dabei. Auch die Gruppe „Creative“. Sie weckt meine besondere Aufmerksamkeit. Sie verkörpert genau das, was ich schon lange auf dem Herzen habe, wofür mir aber bisher die richtigen Leuten in meiner Umgebung fehlten: Mich mit Menschen treffen, die es lieben, kreativ zu sein, um Kunst und Glauben zu vereinen. Mir gefällt die Vorstellung, Gott in unterschiedlichen Dinge zu begegnen und anzubeten, im Wort, aber auch im Malen, in lyrischen Texten, im Fotografieren. Hier bekomme ich also die Chance, andere Kunst-Begeisterte zu treffen. Nach kurzer Überlegung melde ich mich an und hoffe einen Platz in der Gruppe zu ergattern. Schon kurze Zeit später schreibt mich Gruppenleiterin Teresa an. Und schon bin ich Mitglied der Gruppe, erst virtuell via WhatsApp und schon bald live.

 

Ein Gebetsraum mitten im Szeneviertel

Endlich findet unser erstes wöchentliches Treffen statt. Mit Pinseln, Blöcken, Zeitschriften versammeln wir uns im dritten Stock einer Jugendherberge, wo ein Gebetsraum eingerichtet ist. Hier – unweit des Bochumer Ausgehviertel „Bermuda 3Eck“ – hätte ich eine solchen Ort nun wirklich nicht erwartet. Er passt jedenfalls gut zu den Kernwerten unserer Gruppe, die Leiterin Teresa zu Beginn vorstellt: Gebet, Gemeinschaft und Freiheit.

Überrascht bin ich nicht, als ich auf zehn bastelfreudige Mädels treffe, alle etwa in den Zwanzigern. „Insgesamt haben sich elf Teilnehmer angemeldet“, berichtet Teresa, die die Liste durchgeht, als plötzlich die Tür aufgeht und ein großer Mann in Anzug und Krawatte reinkommt. Ich frage mich kurz, ob er sich in der Tür geirrt hat und er sich vermutlich auch. “Hallo, bin ich hier richtig bei der Creative-Group? Ich bin Marcus, ich komme gerade von der Arbeit und bin deshalb ein bisschen zu spät.”

 

Wir erfahren, dass Marcus Mitte dreißig ist, seit ein paar Jahren Christ, bei der Sparkasse arbeitet und Rapmusik für Jesus macht. „Ich dachte, kreativ sein kann ja auch was mit Musik zu haben”, sagt er und legt eine CD von sich ein, die er mitgebracht hat. Augenblicklich ist Ruhe im Raum und alle hören gespannt zu. Ich bin sehr berührt von den Texten, die wie ein Gebet in Rapform klingen. Kunst und Gebet sind hier eins. Marcus und ich vertiefen uns in ein Gespräch, auch andere tun sich zu zweit zusammen, wieder andere, beginnen zu malen. Schon an diesem ersten Abend zeigt sich, dass Freiheit ein gelebter Wert unserer Gruppe ist – die Freiheit, das zu tun, was in diesem Moment wichtig ist. Ich bin inspiriert von Marcus’ Erzählungen und begeistert von diesem ersten Abend. Die Gruppe vereint so verschieden Persönlichkeiten, ich hätte sie mir niemals aussuchen können. So unterschiedlich die Gebiete auch sind, in denen wir kreativ agieren, es ist offensichtlich, was uns eint:

  • Im Kreativsein beten wir Gott an. Wir verstehen Kunst als Lobpreis, die Inspiration des Heiligen Geistes wirkt in uns.
  • Es geht nicht um Perfektion. Es geht um die Freiheit, zu schaffen. Kunst ist eine Ausdrucksform des persönlichen Gebets.
  • Wir wollen unsere Talente verbessern und voneinander lernen. Kunst kann Menschen zum Glauben einladen, wenn wir Kunstwerke schaffen und sie im öffentlichen Raum ausstellen.

 

Das Leben ist wie ein Aquarell: Nicht planbar

An diesem Abend führt uns Co-Leiterin Jana in ihre Lieblingsdisziplin ein: das Aquarellmalen. Nach gemeinsamer und privater Gebetszeit legt sie – ganz selbstverständlich – ihre hochwertigen Farben, Pinsel und das Aquarellpapier für alle in die Mitte. Sie zeigt uns einige ihrer privaten Bilder und gibt Tipps, wie man für gewöhnlich vorgeht. Es ist schön, in der Kunst die Begabungen des anderen „sehen“ zu können. Ich habe das Gefühl, dadurch zu sehen, wie Gott uns wunderbar gemacht hat. Das, was wir gerne tun oder gut können, sei es Kunst oder etwas anderes, ist so von Gott durchdrungen, wie alles in der Welt, das er geschaffen hat. Umso mehr festigt sich mein Verständnis, dass Hobby und Glaube eins sind.

Für mich ist es, wie so oft in der Kunst – eine Übertragung auf das ganze Leben: Aquarelle lassen sich nur bedingt planen. Man gibt Kontrolle ab, denn man hat nicht immer in der Hand, wie sich die wässrige Farbe auf dem grobfasrigen Papier ausbreitet. Auch ist es kaum möglich, Dinge „rückgängig“ zu machen. Mit vermeintlichen „Fehlern“ muss man plötzlich arbeiten, sie ins Gesamtkunstwerk einarbeiten und am Ende stellen doch gerade sie die Besonderheit im Bild dar. So wie der Wasserklecks in dem Blütenmotiv meiner Sitznachbarin, der die Bewunderung von uns allen auf sich zieht: “Wie hast du das gemacht? Das sieht toll aus!”, frage ich staunend.  “Das war ein Versehen”, lautet ihre Antwort.

 

Scheinbar unvereinbare Dinge

An einem sommerlichen Abend Mitte Mai bin ich an der Reihe und bringe ein Thema mit, bei dem ich erlebt habe, dass Gott mich darin inspiriert und Bilder entstehen, die ich nicht geplant habe. Es ist das Gestalten von Collagen. Dazu habe ich einen Stapel Zeitschriften mitgebracht. Oft hatte ich keine so rechte Idee, welches Thema oder Bild ich aus Magazin-Schnipseln zusammenstellen wollte. So habe ich durch die Hefte geblättert und herausgerissen, was mich intuitiv „angesprochen“ hat. Entstanden sind Collagen mit einer Botschaft – einer Botschaft für mich. Diese handelten von Neuanfängen und dem Mut, im Vertrauen auf Gott, Neues zu wagen, manchmal aber auch vom Wunsch anzukommen und Wurzeln zu schlagen. Diese Visionen visuell vor mir zu sehen, haben mich begleitet und mich daran erinnert, was gerade mein Weg ist  – manchmal für einen bestimmten Lebensabschnitt, für die Zeit einer Entscheidung, die es zu treffen galt, manchmal für ein ganzes Jahr.

Es ist für mich als Leiterin dieses Abends schön, mit der Gruppe ein Thema zu teilen, das zu mir gehört. Nichts Angelesenes, sondern Erlebtes. Wo Menschen von Erfahrungen wie diesen berichten, können wir entdecken, wie unterschiedlich Gott mit jedem und jeder von uns Beziehung lebt. An anderen Abenden haben wir uns zum Beispiel am „Lettering“ ausprobiert, bei dem es darum geht, Schriften kunstvoll zu zeichnen. Dadurch kann man einzelnen Worte oder ganze Sätzen und ihrer Bedeutung besonderes Gewicht verleihen. Bei einem anderen Treffen wurden Plakate für das Kinderprogramm der Gemeindefreizeit bemalt.

 

Wir bleiben bestehen – auch virtuell

Die zwölf Wochen sind wie im Flug vergangen und ein bisschen traurig war es schon, als die Zeit plötzlich vorbei war. Ich kann sagen, dass das Trimester eine bereichernde Erfahrung war, in der ich Menschen kennengelernt habe, denen ich so sicherlich nicht in der Kirche begegnet wäre. Das Wissen, dass man vorerst eine Gemeinschaft auf Zeit ist, hat meiner Meinung nach großes Potenzial, um den anderen viel offener zu begegnen. Man lässt sich darauf ein, weil es ein Experiment ist. Und im Anschluss hat man die Freiheit zu wählen, ob man weitermachen oder neue Wege zu gehen möchte. Ich finde, das ist in einer Zeit wie der unseren, ein großartiges Geschenk. Ausprobieren dürfen – als Teilnehmende oder Leitende. Die WhatsApp-Gruppe unserer Creative-Croup wird jedenfalls nicht gelöscht. Und ich bin gespannt, was die Zukunft bringt.

Ich gehe jetzt jedenfalls mit einem anderen Gefühl in den Gottesdienst. Denn ich weiß, ich treffe auf bekannte Gesichter, Schwestern und Brüder, mit denen ich einen gemeinsamen Weg gegangen bin, Inneres geteilt und viel gebetet habe.

 

Dieser Artikel erschien im HauskreisMagazin. Jetzt kostenlos testen: www.hauskreismagazin.net

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