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Mitarbeiter gewinnen

Artur Wiebe

FeG Workshop zur motivierenden Mitarbeiterkultur

„Wer eine gute Kultur hat, der hat auch gute Mitarbeiter.“ Dieser Satz fasst das Anliegen des Workshops „Mitarbeiter gewinnen“ zusammen. Bundessekretäre Bernd Kanwischer und Matthias Knöppel haben ihn zusammen am 9. Juni in der FeG „Kirche für Bonn“ veranstaltet. Knapp 50 Teilnehmer und Teams aus Berlin, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Hessen trafen sich, um Impulse zu einer gesunden Mitarbeiterkultur in der Gemeinde zu bekommen.

Jesus vertraut sein Vermögen an

„Jesus verteilt nicht zuerst Arbeit, sondern sein Vermögen!“ Anhand des Gleichnisses von den anvertrauten Talenten (Matthäus 25,14-30) machte Matthias Knöppel deutlich, dass Jesus uns zuerst sein Vermögen anvertraut – und nicht zuerst die Aufträge. Jesus kennt uns mit unseren Gaben, Fähigkeiten, Begrenzungen und unserer Geschichte. Ihnen entsprechend stattet er uns aus mit seinem Vermögen. Bei so einem Herrn wäre er gern Mitarbeiter, hebt Knöppel diese Grundlage für eine veränderte Mitarbeiterkultur hervor.

Kultur verstehen, um sie zu verändern

„Kultur frisst die Strategie zum Frühstück.“ Der Workshop-Tag war neben diesem Zitat von Peter Drucker gespickt mit Impulsen der beiden FeG-Bundessekretäre zum Verständnis von „Kultur  als Summe der Denk- und Handlungsweisen“. Diese prägt unseren FeG-Gemeindealltag, ist aber nur sehr gering nach außen sichtbar. Gemeindeleitungen doktern häufig an den offensichtlichen Strukturen herum, haben aber keinen Blick für die unterschwellige Gemeindekultur. Doch prägt sie im Tiefsten den Umgang miteinander. Weil die „Struktur null Chance gegenüber der Kultur hat“, sollte der FeG-Workshop den Blick schärfen, die eigene Kultur zu verstehen, um sie Schritt für Schritt verändern zu können.

Kultureller Kopfstand

Das Gegenteil des Erwünschten ist oft lehrreich, um herauszubekommen, wie das Team aussehen müsste, in dem man gern mitarbeiten würde. Mithilfe der „Kopfstandmethode“ trugen die Teilnehmer zusammen, wie man die „Mitarbeiterkultur“ ins Minus treibt und auf keinen Fall Mitarbeitende gewinnt: Nörgeln, Überforderung sowie mangelnde Schulung sind Beispiele und Mangelzeichen einer schlechten Mitarbeiterkultur. Auf der Negativfolie wurde deutlich, dass die Veränderung der Gemeindekultur ein langer Weg ist, für den man sich entscheiden muss, der sich aber lohnt.

Kultur der Gemeindeleitung

„Was eine Gemeindeleitung nicht lebt, wird sie von der Gemeinde nicht erwarten können!“ Damit kamen die Gemeindeleitungen in den Blick. Welche Kultur wird hier gepflegt? Sind es gestresste Leute, die über ihre eigenen Grenzen gehen? Dann wird die Kultur der Gemeinde auch entsprechend geprägt sein. In thematischen Gruppen stellten sich die Teilnehmer ihre Ideen vor, wie man als Gemeindeleitung kulturverändernd Leidenschaft weckt, richtige Mitarbeiter gewinnt und motiviert, sie zu einem Team formt und fachlich weiterbildet.

Die Ernte im Blick

Umrahmt und versorgt durch das motivierte Team der FeG „Kirche für Bonn“ schloss der Tag mit Impulsen zur Mitarbeiterkultur Jesu: „Die Ernte ist groß, der Arbeiter aber sind wenige. Darum bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte.“ (Lukas 10,2). Jesus sieht nicht zuerst die Arbeit, sondern die große Ernte. Von daher lautet die wichtigste Frage eines Mitarbeiters Jesu: „Jesus, wo arbeitest du? Da will ich mitarbeiten!“

Dieser Artikel erschien in Christsein Heute. Jetzt kostenlos testen: www.christsein-heute.de

 

Haifischfüttern

Rüdiger Jope

Ein Outdoor-Erlebnis mit Jesus.

Die Sonnenstrahlen brachen sich auf dem Atlantik. Ein Fischerboot sollte mich mit fünfzehn anderen raus auf hohe See zum Haifischangeln bringen. Das Boot legte ab. Nach etwa einer Stunde schaukelte unsere Nussschale inmitten von Wellen so hoch wie Zweifamilienhäuser. Ein kleiner Junge, der mit seinem Opa dieses Abenteuer gebucht hatte, machte den Anfang. Aus einem fröhlichen Haifischangeln wurde ein nicht enden wollendes Haifischfüttern. Ich robbte fast fünf Stunden von meinem Sitzplatz über die Planken an die Reling, um immer wieder meinem längst leeren Magen Entlastung zu verschaffen. Nie habe ich mich mehr nach festem Boden unter den Füßen gesehnt.

In den Turbulenzen des Lebens

Die Jünger Jesu sind unterwegs auf dem See Genezareth (Matthäus 14,22-33). Jesus hat sie dazu gedrängt! (V. 22) Für einige von ihnen ist es ihre Heimat, ihr Handwerkszeug. Und gerade in dem Gewohnten passiert es. Es wird für die Jünger sprichwörtlich eine finstere Nacht. Sie erleben ihr persönliches Haifischangelerlebnis. Sie geraten in einen Sturm. Die Wellen werden höher und höher. Klatschnass und verzweifelt klammern sie sich an die Reling. Die Verzweiflung der erfahrenen Schiffer ist buchstäblich. Sie sind mit ihrem Fischerlatein am Ende. Ruhe, Land unter den Füßen ist ihr sehnlichster Wunsch.

So ist das Leben. Man muss nicht unbedingt auf einem Schiff gewesen sein. Man muss nicht in tückische Fallwinde aus dem Gebirge geraten, um ähnliche Turbulenzen zu kennen. Da strahlt gerade noch die Sonne über dem Job, der Familie, der Gesundheit, den Eltern … Plötzlich tobt ein Sturm. Der betriebliche Standort wird geschlossen. Der Sohn wird mit Drogen erwischt. Das Röntgenbild zeigt einen Schatten. Der Vater wird zum Pflegefall.

So ist das Leben. Plötzlich bricht ganz unabänderlich die Seekrankheit des Lebens herein. Plötzlich steckt man in Stürmen, in Finsternis, in der einem Hören und Sehen vergeht. Man werkelt, wurschtelt und stemmt sich vehement mit allen Kräften gegen die hohen Wellen im Lebensschiff.

Haifischfüttern gehört zum Glauben

Etwa sechs Stunden kämpfen die Jünger, um festzustellen: Wir packen das nicht! Wir sind mit unserem Fischerlatein am Ende. Sie erfahren: Als Christ zu leben, heißt nicht nur, an tollen Speisungsprogrammen (Matthäus 14,13ff) teilzuhaben, sich auf Bergen der Verklärung zu sonnen (Matthäus 17,1ff) oder auf Hochzeiten Wein zu genießen (Johannes 2,1ff). Im Unterwegssein mit Jesus kann es passieren, dass unerwartete Stürme und Schwierigkeiten über einen hereinbrechen, dass Gott schweigt und Jesus nicht da zu sein scheint. Die Niederlage, das Schwanken, das Verzweifeln an den Stürmen, sich selbst und seiner Ohnmacht ist die christliche Outdoor- und Tiefenerfahrung des Lebens. Und genau in dieser Situation gilt: Glaube riskieren trotz Wellen. In den Wellen und Bergtälern reift der Glaube. Und dieser Reifungsprozess geschieht gerade auch in der Nichtverfügbarkeit Jesu, und indem das Schweigen Gottes über Stunden, Tage und vielleicht auch Jahre ausgehalten wird.

Inmitten der männlichen Hilflosigkeiten erscheint plötzlich Jesus. Er kommt ihnen um vier Uhr morgens auf den Wellen entgegen. Die Jünger erkennen ihn erst mal nicht. Sie schreien: „Hilfe, ein Gespenst!“ Doch Jesus blickt seine Jünger an und ruft ihnen zu: „Fürchtet euch nicht. Ich bin es: euer guter Hirte. Macht euch locker!“ (V. 27)

Das Komische ist jedoch: Das erbetene Wunder bleibt erst mal aus. Jesus reagiert anders als gewünscht und erwartet. „Für die Jünger heißt die entscheidende Frage: ‚Wie werde ich den Sturm los?’ Für Jesus dagegen heißt die Frage: ‚Wie gelangt ein Mensch mitten im Sturm zum Frieden?‘“ (Klaus Douglass in „Expedition zum Anfang“)

Vertrauen bewährt sich in den Stürmen

Jesus ärgert sich über die Panik seiner Jünger. Er ärgert sich darüber, dass ihre innere Einstellung mehr von der Angst statt dem Vertrauen geprägt ist. Jesus ist der Ruhepol. Er ist die Gelassenheit im Sturm. Und seine Gegenwart sollte auch uns ruhig machen. Nicht im Sinne einer Untätigkeit, sondern im Sinne der inneren Gelassenheit.

Noch stürmt es. Und inmitten von Wind und Wellen nimmt einer dieses Jesuswort „Habt keine Angst“ für bare Münze. Petrus kriegt sich am schnellsten wieder ein. Er brüllt Jesus impulsiv entgegen: „Darf ich auf dem Wasser zu dir kommen?“ Das gab mehr als ein Gemurmel im Boot. „Der hat ein Rad ab!“ „Dem hat der Sturm die Gehirnzellen durcheinandergewirbelt!“ „Der will sich doch bloß wieder wichtigmachen!“ „Das hat doch noch nie funktioniert!“ „Jesus, still erst mal den Sturm, dann können wir über das Jüngerschafts-Bonusprogramm nachdenken!“ Während sie sich noch rumärgern, befiehlt Jesus dem Petrus: „Komm!“ (V. 29)

Raus in die Wellen, Männer

Und Petrus? Vorsichtig stellt er einen Fuß aufs Wasser, zieht den zweiten nach. Lässt beide Hände vom Boot los. Unglaublich! Er steht! Er dreht sich. Er hüpft. Er ballt die Fäuste. Wow! Er macht die Erfahrung: Das Wasser trägt! Er geht Schritte auf Jesus zu. Aber plötzlich dämmert ihm, was er da tut. Er sieht die Wellen. Und sein Glaube wird kleiner. Er verlässt ihn. Die Angst hat ihn wieder und er beginnt, unterzugehen.

Hat Petrus versagt? Ja, das hat er. Er hat mit seinem Glauben Schiffbruch erlitten. Er schafft es nicht, auf Jesus zu sehen. Aber: In dem Boot sitzen elf viel größere Versager. Sie versagen unauffällig und in der Stille. Sie stellen nicht die kecke Frage: „Herr, wenn du willst, werden wir auf dich zukommen?“ Ihr Scheitern bleibt unbemerkt, kann daher nicht kritisiert werden. Nur Petrus erlebt wieder mal die Schmach des öffentlichen Versagens – aber nur Petrus erlebt auch: Wasser trägt! Nur Petrus erfährt auf eindrückliche Weise: Wenn man zu versinken droht – ist Jesus da! Petrus erlebt die rettenden, zupackenden Arme Jesu, wie sonst keiner der elf Boothocker.

Eine Entscheidung für ein Leben in der Nachfolge Jesu ist eine Entscheidung dafür, immer wieder mit der Angst konfrontiert zu werden. Die Angst wird uns einreden: Bleib im Boot! Lass bloß die Finger von den Dingen, die du nicht übersehen kannst. Ein Jünger zu sein, bedeutet, ein Lernender zu sein, sich dafür zu entscheiden, dass man wachsen will. Wachsen bedeutet, vollkommen neuen Boden, hohe Wellen zu betreten. Und jedes Mal, wenn wir dies tun, ist auch Angst dabei.

Angst gehört dazu

Nachfolge ist immer eine Entscheidung zwischen Gemütlichkeit und Angst, zwischen Wasserwandler oder Boothocker sein. Wer zum Aussteiger wird, wird Angst haben, wird sich nass machen, aber das ist nicht das Entscheidende. Denn Jesus ist in der Lage, Männer (und Frauen) zu retten, die zu versinken drohen. Petrus‘ Ruf nach Rettung und seine Einsicht, dass Jesus die Situation im Griff hat, reichen aus. Wenn wir aus dem Boot aussteigen, kann Erstaunliches passieren. Bei Petrus wird mitten im Versinken die rettende Hand Jesu offenbar (V. 31). Durch den mutigen Schritt von Petrus lernen alle anderen Jesus ganz neu kennen. Sie erleben eine bis dahin unbekannte Dimension des Glaubens.

„Die Hoffnung weiß, dass große Dinge ungetan bleiben, wenn wir großen Anfechtungen aus dem Weg gehen, und da Wachstum damit gehindert wird“, schreibt Brennan Manning. Welche Wachstums- und damit Wasserschritte sind von dir gefragt? Jesus sucht Männer, die sich aufs Boot begeben, die aus dem Boot aussteigen, die kleine und große Dinge in ihrem Leben anpacken, die sich nasse Füße holen, die Wasserläufer und Wellenbewältiger werden. Angst und Scheitern gehören zum Jünger- und Mannsein dazu. Das Versagen ist mit eingepreist, gerade darin wird uns Jesus die Hand reichen. Er wird uns herausziehen, mitten im Versinken in seine Arme schließen und festhalten.

Am Ende steht ein Wunder: Wind und Meer kommen zur Ruhe. Doch das entscheidende Wunder besteht nicht darin, dass Wind und Wellen Jesus gehorchen, sondern dass Jesus mit ins Boot steigt (V. 32) und wir inmitten der Haifischangelerlebnisse des Lebens seine Gegenwart mit einem Staunen erkennen.

10 Zitate für das Leben

Sarah Lang

1. „Jeder, der sich die Fähigkeit erhält, Schönes zu erkennen, wird nie alt werden.“ (Franz Kafka)

2. „Die wahre Lebenskunst besteht darin, im Alltäglichen das Wunderbare zu sehen.“ (Pearl S. Buck)

3. „Aber die auf den Herrn hoffen, gewinnen neue Kraft; sie heben die Schwingen empor, wie ein Adler, sie laufen und ermatten nicht, sie gehen und ermüden nicht.“ (Jesaja 40,31)

4. „Der ist kein Narr, der hingibt, was er nicht behalten kann, um zu gewinnen, was er nicht verlieren kann.“ (Jim Elliot)

5. „Das Wetter und meine Laune haben wenig miteinander zu tun. Ich trage meinen Nebel und meinen Sonnenschein in meinem Inneren.“ (Blaise Pascal)

6. „Man kann nicht hoffen, die Welt zum Besseren zu wenden, wenn sich der Einzelne nicht zum Besseren wendet. Dazu sollte jeder von uns an seiner eigenen Vollkommung arbeiten und sich dessen bewusst werden, dass er die persönliche Verantwortung trägt, was in dieser Welt geschieht, und dass es die direkte Pflicht eines jeden ist, sich dort nützlich zu machen, wo er sich am nützlichsten machen kann.“ (Marie Curie)

7. „In die ersten Augenblicke des Tages gehören nicht eigene Pläne und Sorgen, auch nicht der Übereifer der Arbeit, sondern Gottes befreiende Gnade, Gottes segnende Nähe.“ (Dietrich Bonhoeffer)

8. „Vergebung ist keine einmalige Sache. Vergebung ist ein Lebensstil.“ (Martin Luther King)

9. „Ergreife den Schild des Glaubens und halte Gottes schöne, strahlende Gerechtigkeit in deinem Herzen liebend umfangen.“ (Hildegard von Bingen)

10. „Kommt alle her zu mir, die ihr müde seid und schwere Lasten tragt. Ich will euch Ruhe schenken.“ (Jesus im Matthäus-Evangelium 11,28)

 

Diese 10 Zitate erschienen im Magazin LebensLauf. Jetzt kostenlos testen: www.lebenslauf-magazin.net

Nein!

Bettina Wendland

Nur vier Buchstaben … Warum fällt es vielen trotzdem so schwer, dieses kleine Wort „Nein“ auszusprechen? Und warum ist das überhaupt so wichtig? 

Kerstin lebt mit ihrem Mann Christoph und ihren zwei Kindern mit im Haus ihrer Schwiegereltern. Wenn Kerstin von ihrem Teilzeitjob nach Hause kommt, kann es schon mal passieren, dass ihre Schwiegermutter am Herd steht und sagt: „Ich hab schon mal für Christoph und die Kinder was gekocht. Du kommst ja immer so spät nach Hause, da müssen die Armen ja hungern.“ Kerstin ärgert sich jedes Mal darüber, aber Christoph meint, sie solle doch dankbar sein, dass seine Mutter ihr die Arbeit abnimmt.

Tobias ist in der Firma sehr beliebt. Er ist bekannt für seine Hilfsbereitschaft. Wenn ein neuer Kollege anfängt, wird er jedes Mal gefragt, ob er sich nicht um dessen Einarbeitung kümmern könne. Die arbeitsintensive Betreuung der Praktikanten ist auch meist seine Sache. Und immer wieder kommen Kollegen auf ihn zu und bitten ihn um Hilfe. Tobias möchte es sich mit ihnen nicht verderben.

Ein Schulfest steht an. Jana gehört zu denen, die jedes Mal auf der Kuchen-Liste stehen. Dieses Mal hätte sie eigentlich gar keine Zeit, weil sie in der Woche vor dem Schulfest ihre Wohnung renovieren wollen. Aber es sind erst drei Kuchen auf der Liste. Und schließlich regt sie sich ja auch immer über die auf, die sich drücken. Also trägt sie sich wieder ein.

Drei Geschichten von vielen. In allen drei Situationen wäre es sinnvoll, Nein zu sagen. Aber Kerstin, Tobias und Jana fällt das Nein-Sagen schwer. Vielen Menschen geht es so wie ihnen. Dabei ist Nein-Sagen eine unentbehrliche Fähigkeit.

Nein sagen bedeutet: Grenzen setzen

Ohne Grenzen können wir nicht leben. Wer schlecht „Nein“ sagen kann, dem fällt es oft schwer, Grenzen zu setzen. Sein Bedürfnis nach Zugehörigkeit, Gemeinschaft und Sicherheit ist groß. Damit verbunden ist die Angst, ausgegrenzt zu werden, wenn er oder sie Grenzen setzt. Dabei braucht jede Beziehung Grenzen. Beziehungen leben von einem ausgewogenen Verhältnis von Nähe und Distanz, von Freiheit und Geborgenheit.

Kerstins Schwiegermutter überschreitet eine Grenze, wenn sie ungefragt für die Familie kocht. Aber das kann man ihr nicht vorwerfen, denn sie ist sich dieser Grenze offensichtlich nicht bewusst. Es ist Kerstins Aufgabe, diese Grenze zu setzen – und sie bei Bedarf auch zu verteidigen. Aber vielleicht muss Kerstin sich auch erst einmal bewusst machen, warum es ihr so gegen den Strich geht, dass ihre Schwiegermutter die Familie bekocht. Um Grenzen auszuloten, muss ich mich damit auseinandersetzen, wer ich bin, was ich will und was mir wichtig ist. Und das dann auch meinem Umfeld deutlich kommunizieren.

Nein sagen bedeutet: ehrlich sein

Wer schlecht Nein sagen kann, möchte es anderen gern recht machen. Und betrügt dabei oft sich und andere. Dabei ist es so wichtig, ehrlich zu sich zu sein, sich zu fragen: Was will ich? Und auch: Was kann ich? Arbeite ich im Kindergottesdienstteam mit, weil ich die Arbeit mit Kindern liebe und eine Begabung dafür habe? Oder mache ich es, weil es sonst keiner macht? Weil meine Kinder sonst nicht betreut sind? Weil andere es von mir erwarten?

Echte Gemeinschaft ist nur möglich, wenn ich ehrlich bin und dem anderen meine Bedürfnisse, meine Wünsche, meine Vorstellungen mitteile. Klar und deutlich! Dazu gibt es auch einen hilfreichen Vers in der Bibel. Im Jakobusbrief heißt es: „Wenn ihr Ja sagt, dann muss man sich darauf verlassen können, wenn ihr Nein sagt, dann steht auch dazu.“ (Jakobus 5,12). Wer ehrlich ist und verlässlich sein Ja oder Nein äußert, wird auf Dauer eher akzeptiert als jemand, der immer nur Ja sagt, es aber nicht wirklich meint.

Nein sagen bedeutet: Ja sagen

Jeder von uns muss täglich Entscheidungen treffen für oder gegen etwas: Wenn ich die rote Hose kaufe, muss ich die blaue liegen lassen, wenn ich mich am Nachmittag zum Schwimmen verabrede, kann ich nicht Eisessen gehen … Wir müssen auch immer wieder Prioritäten setzen. Das ist notwendig, sonst bekommen wir unser Leben nicht auf die Reihe und verlieren uns total. Wer zu allen oder vielen Anfragen Ja sagt, kann nichts davon richtig machen. Wer zu viele Aufgaben übernimmt, wird keine gut und erst recht nicht gern erledigen. Deshalb ist es besser, Nein zu sagen, als etwas schlecht oder halbherzig zu tun. Dann hat man auch wieder Kapazitäten und Möglichkeiten, bei einer anderen Anfrage aus vollem Herzen Ja zu sagen.

Natürlich sind Pflichtbewusstsein, Zuverlässigkeit und Selbstlosigkeit grundsätzlich gute Eigenschaften. Und leider machen es sich manche Menschen zu einfach mit dem Nein-Sagen. In allen Gemeinden, Vereinen und Schulen ärgert man sich über diese Menschen, die Angebote gern wahrnehmen, deren Engagement aber zu wünschen übrig lässt. Und manche reagieren darauf mit einem Übermaß an Engagement und Pflichtbewusstsein. Das muss aber in einem gesunden Rahmen bleiben. Ein entschiedenes Nein heute ermöglicht mir ein freudiges Ja morgen. Ein Nein zum Kuchenbacken ermöglicht mir ein Ja zu einem wichtigen Gespräch. Ein Nein zum zweiten Ehrenamt ermöglicht mir ein Ja zu vollem Einsatz beim ersten.

Nein sagen bedeutet: Bedürfnisse, Fähigkeiten und Begrenzungen ernst nehmen

Menschen, die schlecht „Nein“ sagen können, haben manchmal ein eher geringes Selbstwertgefühl. Sie haben Angst, von den anderen nicht gemocht oder akzeptiert zu werden, wenn sie ein „Nein“ äußern. Andere haben eher ein überhöhtes Selbstwertgefühl. Sie meinen, unersetzlich zu sein und es am besten selbst machen zu können.

Weder das eine noch das andere ist wahr. Kein Mensch wird geliebt, weil er niemals Nein sagt. Und kein Mensch ist unersetzlich. Wir müssen den Menschen in unserem Umfeld nicht beweisen, wie toll wir sind. Beziehungen, die darauf aufgebaut sind, stehen auf tönernen Füßen. Andere können diese Aufgabe auch erledigen. Ja, sie werden es anders machen. Sie werden es vielleicht auch schlechter machen. Aber sie und ich – wir können beide an dieser Situation wachsen.

Nein sagen lernen

Was mache ich nun, wenn es mir schwer fällt, Nein zu sagen? Kann man Nein-Sagen lernen? Ich denke, ein erster Schritt ist, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Nachzudenken, warum ich an dieser Stelle Ja gesagt habe, obwohl ich es eigentlich nicht wollte. Ging es mir um Anerkennung? Hatte ich Angst, mein Gegenüber zu enttäuschen? Habe ich die Sorge, dass der andere mich nicht mehr mag, wenn ich Nein sage? Oder denke ich, dass alles zusammenbricht, wenn ich mich an dieser Stelle zurückhalte?

Schon indem ich über die Ursachen und Zusammenhänge nachdenke, wird manches deutlich. Es ist wichtig, dass ich mir darüber klar werde: Was will ich? Was sind meine Ziele? Dabei geht es sowohl um die ganz großen Linien, als auch um die kleinen, alltäglichen Dinge.

Wichtig ist, sich klar zu machen: Die anderen mögen mich auch, wenn ich anderer Meinung bin, wenn ich etwas anders oder nicht mache. Wenn ich mein Nein klar und ehrlich begründe, kann das mein Gegenüber in der Regel nachvollziehen oder zumindest akzeptieren. Hilfreich ist es auch, sich vor Augen zu führen: Mein Wert liegt darin, dass der ewige Gott mich liebt. Ich muss mir nichts „verdienen“ – nicht vor Gott und nicht vor Menschen.

Und ein ganz praktischer Tipp: Wer Nein sagen lernen möchte, sollte sich Verbündete suchen. Ein offenes Gespräch mit dem Partner, der Partnerin oder einem Freund, einer Freundin kann helfen. Mein Gegenüber kann mir spiegeln, wie er oder sie meinen Umgang mit dem Ja und dem Nein empfindet. Und ich kann um Rat fragen: „Ich habe hier eine Anfrage vom Sportverein. Wie soll ich reagieren?“ Nicht zuletzt kann ich in einem solchen Vertrauensverhältnis das Nein-Sagen üben. Vielleicht in ganz kleinen Schritten. Vielleicht auch, indem ich ein anstehendes Gespräch mit dem Chef, dem Vereinsvorsitzenden oder der Schwiegermutter vorher durchspiele und überlege: Wie kann ich auf Einwände reagieren? Wie kann ich klar bleiben?

Nein-Sagen kann man lernen. Es sind ja nur vier Buchstaben …

 

Dieses Interview erschien in der Zeitschrift FamilyNEXT. Jetzt kostenlos testen: www.family-next.de

 

Entschämt euch!

Von Pascal Görtz

Ein Freund von mir ist Freelancer. Irgendwas im Bereich „Human Resources“, oder altdeutsch: Personalentwicklung. Bis er arbeiten darf, muss er sich den Mund fusselig reden, Konzepte ins Blaue hinein schreiben und dann eine Menge Geduld aufbringen. Würde ich so häufig wie er mit potentiellen Kunden zu Abend essen, um mir in der Woche drauf telefonisch eine Absage einzuhandeln, mir würde der Appetit vergehen.

Kaltaquise nennt man das. Was auf nichts anderes hinausläuft als auf eine blutige Nase. Für meinen Freund ist Scheitern deshalb eine Alltagserfahrung, die ihn nicht mehr davon abhält, es wieder zu probieren. Ich finde das sehr löblich – nein: beeindruckend. Wie oft lassen wir uns von Misserfolgen der Vergangenheit die Gegenwart erdrücken? Wie viel wagen wir erst gar nicht, weil wir uns das Gefühl des Scheiterns ersparen wollen?

Das Verrückte ist doch: Das Scheitern der Anderen finden wir gar nicht so schlimm. Damit können wir gut umgehen. Dafür haben wir Verständnis. Gegenstände fallen mal runter, Beziehungen entfremden sich, Lebensläufe haben Lücken. Das alles darf passieren. Aber doch MIR nicht! Oder besser noch: Warum gerade MIR? Als sei es ein besonderes Schicksal oder Gottes Strafe, wenn wir die Dinge mal nicht auf die Reihe kriegen.

Niemand kann sich davor schützen, im Leben zu scheitern. Nicht mal Christen. Ich weiß: Das ist ein großer Schock für alle, die dachten, mit Gott würde ihnen so etwas nicht passieren. Andererseits: Wäre das nicht ziemlich arrogant gegenüber all denen, die immer wieder scheitern? Warum machen wir uns nicht mal eins mit denen, die wir vor unseren Augen scheitern sehen, übernehmen unseren Teil der Verantwortung und hören auf, uns selbst zu verurteilen, wenn wir mal straucheln?

Ich will keine Niederlage auf die leichte Schulter nehmen, keine Schuld beschönigen und kein Gefühl verdrängen. Aber das Scheitern in die Mitte des menschlichen Erfahrungsschatzes stellen. Und sagt: Scheitern ist so normal, dafür muss sich niemand schämen.
Dieser Artikel erschien in DRAN NEXT. Jetzt kostenlos testen: www.dran-next.de

Den Dank-Tank wieder füllen

Von Martin Gundlach

Wer sich dafür entschieden hat, dankbar zu leben, braucht Orte, um diesen Lebensstil frisch zu halten. Aber wo sind diese Auftank-Orte zu finden?

Wer ein dankbarer Mensch werden will, trifft eine grundsätzliche Entscheidung dafür, diesen Weg zu beschreiten. Diese Entscheidung ist die Voraussetzung für Veränderung. Klingt einfach, ist es aber nicht.

Denn das ist nicht die ganze Wahrheit. Der Alltagstest zeigt (zumindest bei mir): Der Danke-Lebensstil ist flüchtig. Zumindest mir wurde eine Haltung der Dankbarkeit nicht in die Wiege gelegt. Kaum jemand entscheidet sich einmal dafür, ein dankbarer Mensch zu sein – und bleibt es dann einfach für den Rest seines Lebens.

Es ist beim Danken ähnlich wie beim Laufen oder Autofahren: Ist der „Dank-Tank“ voll, dann ist man damit eine Weile gut unterwegs. Aber irgendwann ist der Tank leer. Der Blick, der eben noch auf die Geschenke Gottes in unserem Leben gerichtet war, sieht plötzlich wieder die herumliegenden Socken der Kinder und die Bartstoppel-Reste des Göttergatten im Waschbecken. Dann wandern die Gedanken zur kranken Freundin und hin zur weltweiten Ungerechtigkeit. Der Ärger über den bornierten Kollegen steigert noch den Unmut über die Überforderung am Arbeitsplatz. Dankbar? Jeder von uns kennt die Momente, in denen einem zu allem anderen zumute ist, nur nicht zum Danken. Und solche Momente, Menschen und Situationen wird es immer geben.

Es gibt zwei gute Möglichkeiten, den leeren Dankbarkeits-Tank aufzufüllen. Die eine ist ruhig und findet eher in der Einsamkeit und Stille statt. Die andere vollzieht sich in Gemeinschaft und ist mit mehr Lautstärke verbunden. Die eine Form ist der Rückzug, die andere Möglichkeit ist das Zusammensein mit anderen.

Ich glaube, dass den meisten von uns dabei eine der beiden Tankstellen typmäßig näher liegt. Die eine freut sich seit Wochen auf die Stille-Tage. Die andere ist froh, wenn es nicht zu ruhig wird. Der eine freut sich auf einen lauten Lobpreis-Abend, der andere ist glücklich, wenn er abends keinen Menschen mehr sehen muss und im Rückzug und Alleinsein auftanken kann.

 

Den Tank füllen: Rückzug in die Stille

Christen aller Jahrhunderte haben sich in die Stille zurückgezogen. Von den Wüstenmönchen im 6. Jahrhundert bis hin zu den Stille-Tagen, die heute auch wieder viele christliche Freizeitveranstalter anbieten, gibt es eine lange Tradition. Im Neuen Testament lesen wir: Jesus selbst zog sich immer wieder aus dem Trubel zurück, um in der Stille Kraft zu schöpfen.

Am nächsten Morgen ging Jesus allein an einen einsamen Ort, um zu beten. Später suchten ihn Simon und die anderen. Als sie ihn gefunden hatten, sagten sie zu ihm: „Alle fragen nach dir.“ Doch er entgegnete: „Wir müssen auch in die anderen Städte gehen, damit ich auch dort predige; denn dazu bin ich gekommen.“  Markus 1,35-38 (NLB)

Zwischen zwei herausfordernden Tagen ging Jesus in die Stille, um zu beten. Das tat er nicht aus pädagogischen Gründen. Um ein „gutes Vorbild“ zu sein nach dem Motto: „Schaut her, so sollt ihr das auch machen!“ Nein, er verschwindet eher heimlich, still, unauffällig und leise. Die Jünger mussten ihn erst suchen.

„Wo ist Jesus?“

„Keine Ahnung.“

„Dann ausschwärmen und suchen.“

Irgendwann finden sie ihn. Leicht vorwurfsvoll klingt es, wenn sie sagen:

„Alle suchen nach dir!“

Sie meinen: „Wo bist du? Was tust du? Wir haben doch noch viel vor!“ Jesus geht auf diesen Vorwurf gar nicht ein. Er hat in der Stille Kraft getankt. Jetzt ist er wieder voller Tatendrang:

„Wir müssen los, in die anderen Städte …“

Er weiß: Wer sich für andere einsetzen will, wer anderen helfen will, der braucht die Besinnung, den Rückzug.

Ähnliche Szenen finden wir im Neuen Testament immer wieder: Jesus allein an abgeschiedenen Orten. Dann wieder unterwegs und in Aktion. Stille. Trubel. Stille. Trubel. Es ist fast ein Takt zwischen Aktion und Ruhe zu erspüren im Wanderleben von Jesus.

Um ehrlich zu sein: Wir wissen nicht, wie Jesus diese einsamen Zeiten gestaltet hat. Aber offensichtlich ist: Er braucht die Ruhe. Er braucht das Alleinsein. Im Rückzug findet für ihn eine Konzentration auf das Wesentliche statt, ein Zurechtrücken der Prioritäten, Gottesbegegnung. Daraus kommt die Kraft für alles Weitere.

Ich will mich nicht mit Jesus vergleichen, aber die Erfahrung kenne ich auch. Wenn ich morgens zur Arbeit fahre und in Ruhe über den gerade begonnenen Tag nachdenke, anstatt Radio zu hören, in frühmorgendlicher Muffel-Laune vor mich hin zu nörgeln oder schon in Gedanken die ersten Fragestellungen aus meinem Büroalltag zu klären. Dann werde ich dankbar: für meine Frau, für meine Arbeitsstelle, für die Tatsache, dass ich lebe, mich bewegen kann, für meine Kinder, für die Großzügigkeit Gottes und und und… Dass ich all das erleben darf! Dass ich all diese Menschen kennen darf. Mit ihnen leben darf. Dass Gott so gnädig ist… Solche ruhigen Zeiten geben dem Tag ein völlig anderes Lebensgefühl, in dem Dankbarkeit unaufhaltsam wächst.

 

Den Tank füllen: in der Gemeinschaft

Für viele füllt sich der Dank-Tank eher in gemeinsamen Aktivitäten. Die können ganz unterschiedlich aussehen, haben aber eines gemeinsam: dass ich mich auf Augenhöhe und mit einem offenen Herzen mit anderen zusammentue.

Gemeinsam beten

Immer brauchen wir die anderen, die uns dabei helfen, die Danke-Spur zu halten. Alleine hängen wir vielleicht trüben Gedanken nach – und benötigen andere, um den Kopf wieder hoch zu bekommen. Das Beten ist manchmal einfacher, wenn wir es gemeinsam tun. Denn dann bleiben wir nicht nur bei uns und unserer Sicht, sondern können uns von den anderen inspirieren, ermutigen und mitnehmen lassen. Denn das Dankgebet des anderen hilft auch mir zum Danken – und umgekehrt.

Gemeinsam singen

Gerade Musik und Gesang sind eine wunderbare Form, gemeinsam unsere Dankbarkeit Gott gegenüber auszudrücken. Lieder helfen uns, eine Haltung der Dankbarkeit zu üben und sie zu bewahren.

Danke-Lieder haben eine lange Geschichte. Die Bibel ist voll von Lob-Psalmen, mit denen der einzelne oder die singende Gemeinde ihre Dankbarkeit Gott gegenüber ausdrückt. Immer und immer wieder wurden diese Lieder gesungen, weil man immer und immer wieder die Erinnerung brauchte und auch die Erfahrung machte: Es gibt so viele Gründe, Gott zu danken. „Danke, für alles, was du gibst, Herr!“

Gemeinsam etwas tun

Für manche ist es auch das Größte, gemeinsam mit anderen etwas zu tun. „Wie schön ist es, wenn wir gemeinsam etwas auf die Beine stellen!“ Gemeinsam einen Umzug stemmen, bei Freunden im Haus helfen, mit einer Gruppe eigener und fremder Kinder in den Zoo fahren. In der Gemeinschaft entwickelt sich Freude. Wer anderen hilft, hat am Ende müde Knochen, aber meistens ein dankbares, zufriedenes Grundgefühl:  Wir haben etwas Sinnvolles geschafft und vielleicht noch eine positive Rückmeldung bekommen.

Freiwillige aus den unterschiedlichsten Hilfsorganisationen sagen: „Die Menschen, denen wir geholfen haben, waren unendlich dankbar. Aber am meisten beschenkt waren wir, die wir ihnen geholfen haben.“ Andere freuen sich, wenn sie Geld zusammen bekommen haben, um Menschen in Not zu helfen oder eine besondere Freude zu machen. Das muss nicht immer etwas Spektakuläres sein. Einem Kind aus der Nachbarschaft bei den Hausaufgaben helfen, einen anderen zu einem schwierigen Arzttermin begleiten, sich gemeinsam um vernachlässigte Menschen kümmern – auch das sind wichtige Dinge.

Gemeinsam feiern

Die großen Dank-Feste Israels waren Gelegenheiten, sich zu freuen, sich an Gottes Heilshandeln zu erinnern und es zu feiern. Für die Israeliten war klar: Erinnern an die Gottestaten in der Vergangenheit und das Danken gehören zusammen.

So auch bei uns: Spontane Feste, lang geplante Feiern. Geburtstage, Feste im Kirchenjahr, Jubiläen, Hochzeitstage – das sind Erinnerungsorte, an denen wir uns bewusst machen können: Gott war mit uns – und er wird auch in Zukunft mit uns sein. Der Blick zurück bewirkt Dankbarkeit. Wir feiern das Gute, das uns widerfahren ist. Und schöpfen daraus Mut und Kraft für die Zukunft.

 

Leise oder laut?

Wie füllen Sie Ihren Dank-Tank auf? Eher in der Stille? Oder eher in der Gemeinschaft? Jedem Menschen liegt vielleicht einer der beiden Wege vom Typ her näher: Manche lieben es, alleine zu sein und müssen sich zu gemeinsamen Aktionen erst aufraffen. Andere lieben die Gemeinschaft, können aber mit Alleinsein oder Einsamkeit zunächst mal nichts anfangen. Und natürlich hat das auch etwas mit der persönlichen Lebenssituation und den Möglichkeiten zu tun. Das ist normal, das ist okay, diese Unterschiede zeichnen uns als Menschen aus.

Aber ich merke: Über die Länge der Zeit brauche ich beides. Und vielleicht profitiere ich am Ende vor allem in dem Bereich, der mir zunächst einmal fremd scheint. Als eher „lauter“ Typ taste ich mich also gerade an die Stille heran…

Dieser Artikel erschien in der Zeitschrift Family.  Jetzt kostenlos testen: www.family.de

So wäre ich gerne …

Von Pfarrer Hanspeter Wolfsberger

Der 13. Opferkasten im Tempel – aussehend wie eine auf dem Trichter stehende Posaune –war der Platz für Spenden mit dem Zweck „wo am Nötigsten“. Der dabei stehende Priester nahm die laut zu äußernde Spendensumme zur Kenntnis, bestätigte sie, kommentierte sie wohl auch manchmal – vor allem, wenn sie gering war in seinen Augen –, und wer in der Nähe war, hörte es.

Jesus war in der Nähe. Und hörte deshalb, wieviel diese Frau einlegte. Eine verarmte Witwe, heißt es. Das heißt: So sah sie auch aus. Sie hatte einen ungünstigen Moment erwischt, ihre Gabe abzugeben. Vor ihr waren etliche reiche Leute „benannt“ worden. Nun kam sie – mit fast nichts. Der laut gewordene Unterschied war schon akustisch krass. Als die Frau abdrehte und die sogenannten „Schatzkammer“ verließ, kam sie an Jesus vorbei. Er sah sie an, und er sah – das Mehr. Das in ihrer Gabe Verborgene umwehte sie. Das Eigentliche. Der von Gott gesuchte „wohlgefällige Geruch“, wie die Rabbinen lehrten. Das, was Gott aufregend findet, weil es sein Herz berührt. Und Jesus sagte leise zu seinen Jüngern: „Sie hat ihre Armut gegeben, ihren bios, ihr Leben.“ (Markus 12,41ff / Lukas 21,1 ff)

Was da in den Opferkasten hinunter klimperte, war materiell zu vernachlässigen. Schon das Porto für eine Zuwendungsbescheinigung war teurer als die Gabe selbst. Aber diese Mini-Gabe war etwas seltsam Ganzes. Etwas zum Himmel hinauf Gegebenes. Etwas dort Angekommenes und Verwandeltes.

 

Man erlaube mir die Assoziation: Wenn so meine Mitarbeit im Reich Gottes wäre, auch und vor allem als Verkündiger und in Beziehungen: Das Wenige, die eigene Armut Gott hinhalten, weil ich mehr nicht habe: „Da, Jesus, mein Leben. Mach was draus. Egal was. Aber mach was draus!“

Zeuge sein ohne künstliche Ergänzungsmittel. Ohne die Armut schönredende Performance. Ohne „Auftritt“, ohne verbale Vorführung. Ohne gestische oder auditive Wirkungsverstärker. Dafür zutiefst bescheiden, entwaffnend ehrlich, heiter und spürbar darauf angewiesen, dass der Himmel selbst sich erbarmt und Feuer auf die hingehaltene Opfergabe fallen lässt…

Ein chassidischer Rabbi besuchte ein auswärtiges Bethaus. Unter der Tür blieb er jedoch stehen und weigerte sich, hinein zu gehen. Er erklärte: „Ich kann nicht hinein. Das Haus ist vom Boden bis zur Decke voll mit hier geäußerter Lehre und mit Gebeten.“ Er fuhr fort: „Die Worte, die über die Lippen der Lehrer und Beter gehen und die nicht aus einem auf den Himmel ausgerichteten Herzen kommen, die verlassen den Raum nicht, sondern füllen ihn nur. Darum ist hier kein Platz mehr.“

„Sie hat ihre Armut gegeben, ihren bios, ihr Leben.“

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