Wo ist die Solidarität geblieben?

Bettina Wendland

Etwa eine Woche nach dem Lockdown im März hatten wir eine – zwangsweise virtuelle – Sitzung mit unserem freien Redaktionsteam. Wir wollten Dossier-Themen festlegen für 2021. Diese Überlegungen waren stark geprägt durch die aktuelle Situation. „Zusammenhalt“, „Nächstenliebe“, „Solidarität“ waren viel genannte Stichpunkte. Aber auch „Nähe“ oder „Umgang mit Krisen“.

Nun, ein halbes Jahr später, sind diese Themen immer noch aktuell. Aber sie fühlen sich ganz anders an. Vor allem die Solidarität, die wir in den ersten Wochen der Corona-Krise oft als so wohltuend erlebt haben, scheint uns abhandengekommen zu sein. Ein Blick in meinen Facebook-Newsfeed zeigt den Unterschied. Waren dort im März und April Videos von Balkonkonzerten zu sehen oder Hilfsaktionen für Menschen in Quarantäne, stoße ich mittlerweile immer öfter auf unschöne Diskussionen darüber, welchem Experten oder YouTuber nun zu trauen sei, ob die Corona-Maßnahmen sinnvoll oder nur „Verarschung“ sind oder ob der Mund-Nasen-Schutz ein Ausdruck von Nächstenliebe oder unterdrückter Meinungsfreiheit ist.

Und der Ton wird gefühlt immer schärfer. Reflexartig werden Beschimpfungen und Verachtung geäußert – von  beiden Seiten. Und ich habe den Eindruck, dass wir nicht nur unsere Solidarität verloren haben, sondern auch die Nächstenliebe und den Respekt voreinander. Ja, ich tappe selbst auch immer wieder in diese Falle. Weil ich nicht möchte, dass sich Falschaussagen und Verschwörungstheorien verbreiten, dass sie einfach so stehenbleiben, lasse ich mich auf Diskussionen ein – die schnell emotional werden.

Da wünsche ich mir manchmal fast den Lockdown zurück, als zumindest in meiner „Blase“ Zusammenhalt und Solidarität und die Sehnsucht nach Nähe die vorherrschenden Themen waren. Natürlich will ich nicht wirklich einen zweiten Lockdown. Aber diese Solidarität wieder zu erleben – das wünsche ich mir.

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Die Pandemie als Herzschrittmacher

Rüdiger Jope

Im Auftrag der EKD führte die Ev. Arbeitsstelle midi eine Ad-hoc-Studie über „Digitale Verkündigungsformate“ während der Corona-Krise durch. Ein Ergebnis: Die Gottesdienstbesucherzahlen schnellten um 278 % nach oben. Im Gespräch mit dem Soziologen Daniel Hörsch.

Geben Sie uns einen kleinen Einblick in Ihren Sonntagmorgen zu Corona-Zeiten: Wo haben Sie Gottesdienste gefeiert und welches Gottesdienstformat haben Sie im Shutdown erlebt?

Zu Beginn habe ich die Radiogottesdienste im RBB eingeschaltet. Später bin ich dann auf die Fernsehgottesdienste im dritten Programm des RBB umgestiegen. Da habe ich sehr berührende und bewegende Gottesdienste aus der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche und Gethsemane-Kirche in Berlin miterlebt.

Für die Studie haben Sie bei 1.464 Gemeinden nachgehakt, wie deren Verkündigungsformate in der Krise aussahen. 729 haben auf digitale Angebote gesetzt. Sind das viele oder wenige?

Wir waren sehr erstaunt darüber, wie viele Gemeinden auf digitale Angebote gesetzt haben. Wenn man sich vor Augen führt, dass der Erhebungszeitraum der Studie nur zehn Tage betrifft, ist dies ein unglaublich hoher Wert.

Was waren die Favoriten bei den Formaten?

Mit weitem Abstand YouTube. Vor der Corona-Krise haben Kirchengemeinden vor allem auf das Einstellen von Textdokumenten gesetzt. Durch Covid-19 wurde zudem vermehrt zum Telefonhörer gegriffen, auf Kommunikationsformate wie Zoom, Instagram und Facebook gesetzt.

Würden Sie sagen, dass es durch die Corona-Krise einen Digitalisierungsschub gegeben hat?

Unbedingt. Das ist eines unserer Hauptergebnisse. 78 % haben bei der Umfrage angegeben, dass sie vor dem Lockdown keine digitalen Verkündigungsformate im Portfolio hatten. In etwa genauso viele, nämlich 72 %, gaben an, dass sie diese Angebote nach dem Lockdown weiterführen wollen.

Wie kann der Schub nach einer „neuen Normalität“ anhalten?

(lacht) Gute Frage. Jetzt liegen theologische Grundsatzfragen auf dem Tisch. Es braucht die Diskussion, etwa über die Abendmahlsfrage, über kürzere Gottesdienst- und Andachtsformate und auch über interaktive Beteiligungsformate im Offline-Gottesdienst. Die gefühlte Überlänge der analogen Angebote waberte schon als Thema vor der Krise unter der Oberfläche. In der Krise waren nun gerade die kurzen Gottesdienste und Andachten gefragt. Die Frage ist also: Gelingt es der Kirche, im Analogen das aufzugreifen, was im Digitalen offensichtlich gut funktioniert hat? Der Schub wird zudem vermutlich nur anhalten, wenn die Landeskirchen ausreichend Unterstützung, Trainings, Materialien u.a. für die Ortsgemeinden gut aufbereitet anbieten. Hier sind noch viele Fragen zu klären und zu beantworten.

Sie beziffern die Steigerung eines durchschnittlichen Gottesdienstbesuches in absoluten Zahlen um + 287 %. Bildet diese sagenhafte Zahl mehr Wunschdenken ab oder ist sie repräsentativ?

Als Sozialwissenschaftler erhebe ich empirisch zunächst nackte Zahlen. Die Zahlen, die vorliegen, sind absolute Zahlen. Wir haben abgefragt: Wie war die durchschnittliche Gottesdienstbesucherzahl an einem ganz normalen Sonntag vor der Krise? Diese Zahlen konnten wir anhand von Stichproben auf ihre Validität prüfen, da wurde nichts geschönt. Dann haben wir gefragt: Wie hoch war die Reichweite ihres digitalen Gottesdienstes an einem ganz normalen Sonntag während der Krise? Diese Zahlen haben wir dann in Relation zueinander gesetzt. Und ob uns das gefällt oder nicht: Es hat eine signifikante Steigerung beim Gottesdienstbesuch gegeben, der nicht von der Hand zu weisen ist.

Kann man diese doch unterschiedlichen Gottesdienstformate miteinander vergleichen? In dem einen ist man körperlich präsent, im anderen klickt man sich vielleicht nur für einen Moment rein?

(lacht) Das ist die Frage, die mir am häufigsten von kritischen Zeitgenossen gestellt wird. Richtig ist: Ich weiß ohne Kenntnis der Metadaten etwa von YouTube-Clips nicht, wie lange die Leute ein digitales Angebot wahrgenommen haben. Wir wissen auch nicht, wie viele Menschen sich hinter einer Klickzahl verbergen. Ich stelle aber in diesem Zusammenhang gerne eine Rückfrage: Wie lang ist die Aufmerksamkeitsspanne der Gottesdienstbesucher in der Kirchenbank? Legen wir da auch diesen Maßstab an? Wenn ich mich ganz ehrlich gebe als Gottesdienstbesucher, bin ich auch nicht 60 Minuten 100 % präsent. Wenn ein „Schuh draus werden soll“, müsste man fairerweise in beiden Formaten nachfragen: Wie lang war Ihre Aufmerksamkeitsspanne?

Unterm Strich fanden Sie heraus, dass sich durch den Gebrauch von YouTube & Co mehr Gottesdienstbesucher vor den Geräten versammeln. Bringen diese die gleiche Aufmerksamkeit mit wie die Besucher vor Ort?

Spannend ist, dass diese kritische Frage vornehmlich aus dem Kreis der Theologen gestellt wird. Plötzlich wird der Anspruch an die geistige Präsenz hoch angesetzt und kritisch hinterfragt, ob man das Wirken des Heiligen Geistes messen kann. Seltsam ist, dass man beim analogen Format diese Frage und diese Ansprüche selten gestellt hat.

In Bezug auf Interaktion haben Sie durch die Studie folgende Erkenntnisse gewonnen:

Rund ¼ der Gemeinden haben Live-Chats angeboten, etwa 1/3 das Einbringen von Gebetsanliegen. Das zeigt uns: Analoge Angebote wurden nicht nur – wie vielfach vorgeworfen –  1:1 ins Digitale übertragen, sondern Gemeinden haben Schritte in die Kultur der Digitalisierung gewagt. Ja, es ist noch Luft nach oben, aber es wird sichtbar: Gemeinden haben in der Krise und aus der Not heraus sehr mutig und beherzt gehandelt und sich den Fragen der Logiken der Digitalität gestellt.

Wenn digitale Formate mehr an Bedeutung gewinnen, was heißt dies für die Ausbildung von Pfarrerinnen und Pfarrern, das geliebte Loblied auf die Parochie?

Die digitalen Gottesdienstformate haben vor allem dazu geführt, dass Leute reingeklickt haben, die sonst nicht im Gottesdienst sitzen, aber im Umfeld der Gemeinde, im Stadtteil, im Dorf leben. Sie wollten „ihre Pfarrerin, ihren Pfarrer“ live sehen. Wir haben die Beobachtung gemacht: In Zeiten des physical distancing haben Leute gerade darüber versucht, soziale Nähe herzustellen. Wir haben aber auch herausgefunden: Digitale Formate sorgen auch dafür, dass die Menschen sich global bewegen – auch gottesdienstlich. Wir haben es überschrieben mit der Feststellung: Fremdgehen leicht gemacht! Die Fragen für die Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pfarrerschaft liegen auf der Hand: Das sind Fragen nach der inhaltlichen Qualität des Angebots, dem geistlichen Schwerpunkt, der Zielgruppe, der Performance, dem Musikstil, der Aufnahmequalität, der dauerhaften Finanzierung, der Professionalität. Zur Frage der Ausbildung: Es bedarf bei Pfarrerinnen und Pfarrern nicht nur einer Medienkompetenz, sondern auch einer digitalen Kompetenz. Da sind unsere Ausbildungsstätten gefordert, nochmals eine Schippe draufzulegen, nicht nur intellektuell, sondern auch ganz praktisch.

Was bedeutet die Studie mit Blick auf den „missionarischen Herzschlag“ der Kirche?

Dass das Herz unserer Kirche während der Corona-Pandemie unglaublich gepumpt und gearbeitet hat, dass die Pandemie geradezu Herzschrittmacherfunktion hatte.

Wie können praktische Anreize für Kirchengemeinden aussehen, die zu einer höheren Nutzung von Onlineangeboten der Gemeinden führen? Welche Hilfestellungen sind denkbar und geplant?

Eine Überlegung von uns als midi ist, dass wir zusammen mit Partnern einen Leitfaden rausgeben zur Frage, wie man die Meta-Daten nutzt. Wie lese ich diese? Was kann ich daraus ablesen? Zum anderen sollten wir uns verstärkt dranmachen, eine übersichtliche, praktisch zu handhabende Webseite zu erstellen, die aufführt, was man zur Vorbereitung, Durchführung und Auswertung digitaler Verkündigungsformate benötigt. Erste Schritte hierzu hat etwa die Nordkirche unternommen, aber auch die EKD.

Was kann ein digitaler Gottesdienst nicht, was der analoge kann?

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Wenn flexibel auf organisiert trifft

Rüdiger Jope

Der Iraner Gholamreza Sadeghinejad liest das Johannesevangelium. Dabei begegnet ihm Jesus. Er konvertiert und muss fliehen. In Deutschland studiert er Theologie. Seit September 2018 ist Reza zuständig für die Beheimatung Geflüchteter in der Evangelisch-lutherischen Landeskirche in Bayern (ELKB).

Vor fünf Jahren sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel im Blick auf die Flüchtlingskrise den epochalen Satz „Wir schaffen das“. Würden Sie Ihr zustimmen?

Ich war froh, dass Angela Merkel damals Kanzlerin Deutschlands war. Sie hat mir als ehemaligem Flüchtling, der achtzehn Monate aus dem Iran unterwegs war, mit diesem epochalen Satz aus der Seele gesprochen. Ich finde, dass „wir“ politisch, gesellschaftlich und kirchlich gut unterwegs sind. Und ich bin sehr froh, dass sich unser Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm der Sache so engagiert angenommen hat und jetzt ein Schiff zur Rettung der Flüchtling auf dem Mittelmeer unterwegs ist.

Was hat Sie zum Flüchtling gemacht?

(holt tief Luft) Wollen Sie nur ein Kirchenmagazin über mich machen? Stoff hätte ich genug. (lacht) Über einen Arbeitskollegen, der auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft hatte, habe ich mir ein Johannesevangelium ausgeliehen. Ich las die Seiten, war wie gefesselt. Dabei hatte ich förmlich das Gefühl, dass mein Kopf in Flammen steht. Mir war plötzlich klar: Ich bin Christ. Ich habe mich daraufhin einer Untergrundgemeinde angeschlossen. 2009 ließ ich mich taufen. 2010 flog die Gemeinde auf, der Imam des Ortes erklärte sämtliche Christen für vogelfrei. Dies bedeutete: Jeder konnte dich töten ohne dafür belangt zu werden. Über die Türkei, Tansania, Kenia, Nairobi und Mombasa floh ich nach Europa.

Wie wird ein Vierzigjährige Iraner zum Ansprechpartner für evangelische Kirchengemeinden in ganz Bayern?

2012 kam ich nach Deutschland. Ich hatte den brennenden Wunsch Theologie zu studieren. Das Johanneum in Wuppertal räumte mir diese Möglichkeit ein. Bereits während dem Studium wurde ich von der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Bayerns angefragt: Können Sie sich vorstellen, die über 1100 iranischen Christen in Bayern zu begleiten?

Sie sind seit 2018 Ansprechpartner für konvertierte Flüchtlinge. Was ist ihre Aufgabe?

Ich kümmere mich um Farsi sprechende Christen aus dem Iran und Afghanistan zwischen Aschaffenburg und Obersdorf. Ich bin deren Seelsorger und Ansprechpartner. Ich gestalte persische Gottesdienste. Ich bin bayernweit für Gottesdienste, Bibelstunden und Hauskreise unterwegs. Ich stehe Ehren- und Hauptamtlichen aus den Gemeinden als Ansprechpartner und Ratgeber zur Seite.

Iranische Christen werden Teil der evangelischen Kirche Bayerns. Alles Bestens? Was sind große Stolperfallen auf Seiten der Iraner, der Deutschen?

Manche Iraner kommen eigentlich nie pünktlich zum Gottesdienst. Wir passen von unserer Kultur gar nicht in die protestantische Kultur mit einem Gottesdienstbeginn um Punkt 10.00 Uhr. Iraner sind von ihrem Naturell her sehr flexibel und locker. Wenn dann diese Art auf die Deutschen trifft, die alles 100% vorbereiten, im Griff haben, organisieren…, dann knistert es schon mal in Gemeinden, weil Iraner einfach sehr „flexibel“ sind. (lacht) Auch kommunikativ gibt es große Unterschiede.

Zum Beispiel?

Wenn ein Iraner sagt „Du musst mir helfen!“ drückt er damit die Bitte und Frage aus „Kannst du mir helfen?“ Diese Art zu kommunizieren sorgt bei Helfenden schnell für Frust und Überforderung.

Was ist für einen Iraner gewöhnungsbedürftig bei dem Besuch eines herkömmlichen Gottesdienstes?

Die kühle, anonyme Distanziertheit, die es auch ohne den Coronaabstand in den meisten Kirchengemeinden vorherrscht. In kleinen Orten passiert es immer mal wieder, dass Geflüchtete sich in der Kirche hinsetzen und plötzlich eine Person kommt und sagt: Dies ist mein Platz. Ein großer Stolperstein ist in der Landeskirche auch die traditionelle Liturgie. Hier braucht es viel Geduld, den Willen, die Dinge gut und verständlich zu erklären, aber auch Mut zur Lücke, zum Auslassen oder zur Veränderung.

Iraner bringen ihre Kultur mit.  Welchen Reichtum bringen iranische Christen ein?

Gute Frage. Meine Überzeugung ist: Diese beiden Kulturen können sich gerade im Gottesdienst gegenseitig befruchten. Wir bringen einen einfachen Glauben, eine Freude an Jesus mit. Wenn Sie einen Iraner fragen, warum bist du Christ geworden, antwortet er: Weil ich meinen Frieden in Jesus gefunden habe. Stellen Sie diese Frage mal einem deutschen Pfarrer mit seiner durchreflektierten Theologie oder einem durchschnittlichen Gottesdienstbesucher. (lacht) Dieses Feuer und Flamme sein für Jesus kann deutsche Gemeinden ungemein bereichern, ihnen helfen mal aus dem verkopften Glauben rauszukommen.

Erleben Sie Gemeinden, die durch Iraner verändert werden?

Ja, unbedingt! Lesungen werden in Farsi gehalten, Lieder werden in Farsi gesungen. Teil der Liturgie wie „Christi du Lamm Gottes“ erklingen im Wechsel in Farsi und Deutsch. Ich erlebe viele Deutsche, die sich sehr über gemeinsame Bibelstunden freuen, deren Glauben beflügelt wird, von dieser kindlichen Glaubensfreude.

Mit dieser Projektstelle will ihre Landeskirche ein Zeichen setzen nach dem Motto: Das sind auch unsere Gemeindemitglieder, wir haben für sie Verantwortung und wir kümmern uns. Doch was passiert, wenn aus den Umsorgten, plötzlich Kümmerer, aktive Gemeindeglieder werden?

7 iranische Männer und Frauen sind inzwischen gewählte Mitglieder von Kirchenvorständen in Bayern. Ja, Iraner wollen sich beteiligen, nicht nur Empfänger, sondern auch Gebende sein. In manchen Gemeinden wird nach dem Gottesdienst persisch gekocht. Ohne Afghanen und Iraner sind manche Gemeindefeste gar nicht mehr durchführbar. Die sind früh da, packen mit an und gehen als Letzte nach Hause.

Immer wieder taucht der Vorwurf auf: Flüchtlinge lassen sich taufen, damit sie hier in Deutschland bleiben können. Was entgegnen Sie?

Das ist ein schwieriges Feld. Iraner sind auch Menschen wie Sie und ich. Kurz: Ja, mir begegnen auch Menschen, die den christlichen Glauben benutzen, um hier Asyl zu bekommen. Ich verstehe es menschlich natürlich, wenn jemand alles versucht, um hier zu bleiben. Trotzdem lasse ich mich ungern auf den Arm nehmen, wenn es um Jesus geht. Doch 95% der Flüchtlinge, mit denen ich zu tun habe, haben sich ihren Glauben etwas kosten lassen. Sie haben die Familie, ihren Job, ihre Heimat, die Freunde verlassen müssen, weil ihnen die Verhaftung oder gar der Tod drohte.

Was schätzen Sie in Deutschland? Was vermissen Sie?

Ich schätze die Religionsfreiheit. Das ist unglaublich kostbar. Auch die Demokratie, die Rechtsstattlichkeit halte ich für ein sehr kostbares Gut. Jeder darf sein wie er will. Diese Individualität, dies Freiheit findet sich in der islamischen Welt fast nirgendwo.

Sie sind zuständig für über 1000 iranische Flüchtlinge in Bayern. Was macht Sie getrost nach dem Motto: Ich schaffen das?

Weil ich Jesus an meiner Seite habe. Weil ich weiß, dass meine Landeskirche hinter mir steht, sie mich angestellt und mit großen Freiheiten ausgestattet hat. Weil die Verantwortlichen mir ein großes Vertrauen entgegenbringen, mich unterstützen, damit iranische Christen eine Heimat in unserer Kirche finden.

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